Der perfekte Moment – Bitte recht freundlich

Der perfekte Moment

Bevor ich mich in den nächsten Wochen mit diversen Neuheiten hier auseinandersetzen werde, habe ich noch eine Review zu einem mittlerweile etwas älterem Spiel. Der perfekte Moment von Anthony Nouveau war vor etwas mehr als zwei Jahren das Spiel eines Debütautoren, dass durch einige Besonderheiten auf sich aufmerksam machte und gemeinhin als recht innovativ galt. Das Spiel sieht ohne Frage richtig toll auf dem Tisch aus und zog völlig zu Recht die Blicke auf sich, jedoch schien mir das Spiel, das sich dahinter verbarg ein bisschen zu dünn zu sein. Trotzdem ließ es mich in den vergangenen Jahren nie los. Immer wieder habe ich, zugegebener Maßen angestachelt durch viele positive Meinungen in der Spieler*innenschaft, mit dem Gedanken gespielt, es doch zu kaufen und in einer unserer Runden auszuprobieren. Nun ist es dann doch passiert und ich konnte eine fast neue Kopie mit zwei unbespielten Erweiterungen für einen richtig guten Preis erwerben. Ob das Spiel halten konnte was es versprach oder doch ein bisschen zuwenig Fleisch auf den gutaussehenden Rippen hat, möchte ich natürlich kundtun.

Worum geht es?

Der perfekte Moment ist der, in dem alles stimmt und das ist im Prinzip die Aufgabe eines Fotografen. Er oder sie versucht genau diesen Moment in einem Bild festzuhalten und exakt das ist es, was die Spieler*innen hier tun. Sie sind engagiert, um bei einer Familienfeier ein Gruppenfoto zu machen und müssen dabei die Vorlieben der Gäste beachten. Schwierig ist nur an alle Informationen zu gelangen, denn dazu müssen die Spieler*innen erst die Gäste befragen und sie haben von Beginn an nur Zugang zu wenigen Gästen. Sie bauen das Szenario jeweils in ihrem Setting auf und verschieben solange Personen und Gegenstände hin und her, bis das perfekte Bild entsteht, das sie dann tatsächlich knipsen, um ihre Punkte zu ermitteln. Insofern scheint Der perfekte Moment sehr thematisch zu sein.

Der perfekte Moment: Startszenerie / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Wir haben es mit einem sehr zugänglichen Familienspiel zu tun. Die Regeln sind sehr überschaubar und passen auf eine kleine Referenzkarte. Das Spielmaterial ist hier der Star. Für jeden Mitspielenden findet sich ein doppelseitiger Bodenplan, sowie ein Szenario zum Aufstellen, als auch diverse Aufsteller mit Figuren und Gegenständen in der Schachtel. Die Szenarios sind unterscheidlich, so dass die Spielenden sich vorher entscheiden können, ob sie eine Szene im Wohnzimmer, am Hafen oder vor einem Café knipsen wollen. Zentrales Element für jedes Foto ist neben dem Hintergrund auch ein Tisch, der auf dem Bodenplan im Vordergrund seinen Platz findet. Auf dem Bodenplan finden sich links und rechts neben dem Tisch, sowie in zwei Reihen hinter dem Tisch eingezeichnete Vierecke, auf denen die Figuren platziert werden müssen.

Komplettiert wird das Spielmaterial durch ein paar Karten und Pappschuber, in das Karten hineingeschoben werden können. Diese Schuber zeigen die 14 Personen, die wir um den Tisch, gemäß ihrere Vorlieben, aufstellen müssen. Der Stapel mit den Wünschen der Gäste wird gemischt und in jeden Schuber drei Karten hineingeschoben. Dann werden je nach Spieler*innenanzahl Schuber an die Spieler*innen ausgeteilt und ein paar verbleibenn in der Mitte. Neben den Wunschkarten existieren noch zwei andere Sorten Karten. Zum einen die Lieblingkarten, von denen alle je eine erhalten, sowie die Auktionskarten, die in der ersten Partie noch nicht benutzt werden sollen, aber ganz ehrlich, ohne diese wäre fast kein Spiel mehr vorhanden. Ich würde sie also immer benutzen. Diese Karten werden verdeckt gemischt und in der Mitte bereitgelegt. Dann geht es auch schon los.

Der perfekte Moment: Wunschkarten der Gäste / Foto: Spieltroll

Eine Partie dauert sechs Runden und während dieser Runden versuchen wir möglichst viele Informationen über die Gäste zu sammeln. In der ersten Runde schauen sich alle ersteinmal ihre Schuber an und stellen Figuren so auf, wie sie es für richtig halten. Dabei ist alles erlaubt, legen, Vorder- oder Rückseitige Ansicht benutzen, ganz egal, nur die Gegenspieler*innen sollten keine Informationen erheischen können. Dann wird eine der Auktionskarten vom Stapel gezogen und diese gibt vor, wie die Auktion in dieser Runde von statten geht. Dann wird geboten und getauscht und es folgen fünf weitere Runden. Danach wird ein Foto gemacht und gewertet.

Die Auktionen sind das Salz in der Suppe könnte man sagen. Wird ohne sie gespielt, so spielen nur Tauschkarten mit, die vorgeben, wie die Spieler*innen die Schuber mit den Karten tauschen. Ob mit einem Nachbarn, mit der Mitte oder im Ring, vieles ist möglich. Dabei erhalten alle Spielenden immer mal wieder Dekorationen aus dem Vorrat und können diese zum Bieten benutzen, wenn eine Auktionskarte kommt. Dann werden die Dekorationen, von denen alle zu Beginn je zehn erhalten zum Tauschobjekt. Damit das relevant wird, sind die Dekorationen am Ende je einen Punkt wert. Die Auktionen können auf verschiedene Art und Weise ablaufen. Es gibt offene Bieter*innenauktionen, geheime Auktionen und noch ein paar weitere. Die Schuber dürfen in den meisten Fällen erst zu Beginn der nächsten Runde angeschaut werden.

Der perfekte Moment: Endfoto mit allen Gästen / Foto: Spieltroll
Der perfekte Moment: Dekoration / Foto: Spieltroll

Im Grunde ist das schon das gesamte Spiel. Nach den sechs Runden müssen die Figuren stehen und die Spieler*innen zücken die Smartphones und müssen ein Foto der Szenerie machen. Auch dabei sind ein paar Regeln zu beachten. So muss zum Beispiel mindestens von der Tischkante aus geknipst werden. Was hat das für einen Einfluss fragt ihr euch sicher? Es gibt Wunschkarten bei denen manche der Gäste nicht auf dem Foto zu erkennen sein wollen oder ein bestimmtes Gesicht muss abgedeckt werden. Der Winkel aus dem wir das Foto machen kann dabei entscheidend sein und so werden auch geschickt auf dem Tisch platzierte Dekorationen zu wertvollen Hilfsmitteln.

Der perfekte Moment: Lieblingkarte

Am Ende werden die Szenerien der Spieler aufgedeckt. Die Hintergründe fungieren dabei als Zählbretter. Die Schuber werden einer nach dem anderen gewertet und bei den Spieler*innen anhand der Fotos und der Bodenplatte angeschaut. Nun kommt noch eine Besonderheit zum tragen. Sollten wir eine Figur nicht aufgestellt haben, so ist das nicht schlimm, wir erhalten keine Punkte für sie. Schlimmer ist es, sollte sie in der Szene stehen und wir haben keinen ihrer Wünsche erfüllt, denn dann erhalten wir drei negative Punkte. Je mehr der drei Wünsche wir erfüllt haben, desto mehr Punkte bekommen wir pro Person. Die erwähnte Lieblingkarte können wir während der Partie in einen Schuber stecken, diese Karte wird einmal zusätzlich gewertet. Sllten sogar mehrere Lieblingkarten in einem Schuber stecken, so wird die Karte auch mehrfach gewertet.

Das Fazit

Klingt doch alles ganz gut oder? Ja, so empfand ich das auch immer. Es klingt wirklich interessant und macht Lust darauf es auszuprobieren. Die Kritiken zu Der perfekte Moment waren zum Teil sehr überschwänglich. Es war zum Beispiel für den Innospiel Award nominiert und konnte auch bei den Amerikanern von The Dice Tower den Preis für das innovativste Spiel gewinnen. Ich muss aber dennoch sagen, dass Der perfekte Moment bei mir keinen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Ehrlich gesagt waren die Partien eher langweilig und die Innovation beschränkt sich im Prinzip auf den einen Moment (den perfekten?) am Ende in dem wir ein Foto von der Szene schießen, bei dem wir noch was rausholen können, wenn wir es geschickt Knipsen. Der Rest ist auf allen Ebenen belanglos und spannungsarm. Werden die Auktionen zum Beispiel weggelassen und wir spielen nur mit Tauschkarten, so kommt eigentlich überhaupt kein Spiel auf. Wir wählen nur Schuber und versuchen Figuren richtig aufzustellen, was sich aber eh noch hundertmal ändern wird, weil wir ja weitere Informationen bekommen. In diesem Grundmodus bleibt es nur eine Solopuzzleaufgabe, bei der wir versuchen müssen an alle Infos zu kommen.

Der perefkte Moment – Schuber / Foto: Spieltroll

Mit den Auktionskarten keimt ein bisschen Spiel auf, denn wir balgen uns mit den anderen um eventuell wichtige Infos und wenn jemand mitbekommt das Informationen über einen bestimmten Charakter besonders begehrt sind und die Infos zum Kauf angeboten werden, kann der Preis auch nach oben gehen und ein kleiner Bieterwettstreit entstehen, der aber bei näherer Überlegung auch nie zu hoch und auufernd gerät, da die Dekorationen ja Punkte wert sind und die erlangten Informationen schon gut was bringen müssen, um den Punkteverlust auszugleichen. Zu zweit bleibt aber auch das Auktionsprinzip lahm und gelicht sich irgendwie immer wieder aus. Mit mehreren Spieler*innen funktioniert das natürlich besser, bleibt aber auch da eher schwach.

Insgesamt empfanden wir Der perfekt Moment als äußerst mittelmäßiges Spiel, das durch ein zähes Spielprinzip auf den einen Moment hinarbeitet, der vielleicht als innovativ zu bezeichnen ist, weil es so noch nie woanders vorkam, aber besser macht dieser das Gesamtbild auch nicht. Rein optisch kann Der perfekte Moment überzeugen und macht was her auf dem Tisch. Ganz besonders wenn auch noch die Acrylfiguren mit im Spiel sind und keine weißen Ränder und Hintergründe der Pappaufsteller mehr das Bild trüben. Insgesamt aber einfach nicht unser Fall.


  • Verlag: Corax Games
  • Autor(en): Anthony Nouveau
  • Illustrator(en): Ronny Libor, Sören Meding, Gyula Pozsgay, Maja Wrzosek
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Spieleranzahl: 2 – 4 Spieler*innen
  • Dauer: 50 – 90 Minuten

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