Nah und Fern

Nah und Fern / Foto: Spieltroll

Ryan Laukat ist für mich ein recht faszinieredner Spieldesigner. Seine Kunst als Illustrator verfolge ich nun schon eine ganze Zeit und finde sie märchenhaft schön. Seit ein paar Jahre bringt der Illustrator nun schon seine eigenen Spielideen in seinem eigenen Verlag auf den Markt und von vielen seiner Spiele sind die meisten Menschen recht begeistert. Im letzten Jahr kam sein neues Spiel Roam zu uns nach hause und meine Frau und ich hatten uns sofort in das kleine Meisterwerk verliebt. Für mich stand seit dem fest, dass ich eines seiner großen Spiele unbedingt ausprobieren muss, um selbst zu erfahren, ob sie so gut sind, wie viele behaupten. Laukat erzählt Geschichten in seinen Spielen, was ja nichts besonderes ist, das tun immerhin ziemlich viele andere Autoren auch, aber in seinen Spielen sollen sich neben den Geschichten auch gute Mechaniken verbergen, die seine Spiele zu besonderen Erlebnissen werden lasse. Nun, Zeit das festzustellen. Nah und Fern gilt als sein bestes Spiel bisher.

Worum geht es?

Tja, hier wird es schon schwierig. Ich werde definitiv nichts spoilern und von der Geschichte preisgeben. Darüber hinaus gibt es einige verschiedene Spielmodi in denen man Nah und Fern spielen kann. Grundsätzlich gibt es acht spielbare Charaktere im Spiel und im sogenannten Charaktermodus spielt jeder Spieler einen dieser Charaktere und versucht auf der Reise zur geheimnisvollen letzten Ruine die Geschichte dieses Charakters zu erleben, wie sie die legendäre Letzte Ruine suchen, einen Ort andem es ein Artefakt geben soll, dass in der Lage ist Herzenswünsche zu erfüllen. Die Geschichten der Charaktere sind dabei total unterschiedlich und erzählen dabei von verlorener Liebe, Akzeptanz, Reue und Familienzusammenkunft. Im Kampagnenmodus durchspielen die Spieler mit ihren Charakteren die gesamte Kampagne über alle Karten des Spiels hindurch. Außerdem gibt es noch einen Arcade-Modus, indem man ein kurzes, schnelles Spiel im Universum von Arzium, der Welt des Ryan Laukat, erleben kann. Zu guter letzt existiert sogar noch ein Einführungsabenteuer um das Spiel kennenzulernen. Grob gesagt ist Nah und Fern also ein Abenteuerspiel indem die Spieler eine Geschichte erleben und derjenige von ihnen, der die meisten Punkte erspielt gewinnt die einzelne Partie. In einem Kampagnenspiel werden die Punkte bis zum Finale gesammelt und ein Gesamtsieger ermittelt.

Nah und Fern – Spielsituation / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Nah und Fern zu beschreiben ist nicht ganz einfach, da es soviele verschiedene Komponenten beinhaltet und vielfältige Spielmodi aufweist. Grundsätzlich gibt es zwei Spielbretter. Eines von ihnen ist ein Ringbuch mit vielen doppelseitigen Landkarten, der sogenannte Atlas. Auf diesen Spielfeldern gibt es eingezeichnete Orte, Straßen und verschiedenste Symbole. Jede dieser Karten hat einen Ort, der als Hauptstadt fungiert. Für diesen Ort gibt es dann noch einen zweiten Spielplan mit einigen Gebäuden, Skalen und Feldern. Dieser sieht immer gleich aus, mit Ausnahme der Tatsache das es auch hier, mit Tag und Nacht, zwei Varianten gibt, die für unterschiedliche Schwierigkeitsgrade genutzt werden können. Auf diesen beiden Spielplänen findet das Spiel hauptsächlich statt und wir bewegen uns mit unserer Spielfigur entweder in dieser Stadt von Ort zu Ort, oder aber gehen auf Abenteuer und verlassen dieses Spielfeld und finden uns auf der Hauptstadt der Atlaslandkarte wieder.

Nah und Fern – spielertableau / Foto: Spieltroll

Jeder Spieler hat zudem noch ein eigenes Tableau, auf dem man seinen Besitz verwaltet. Zu Beginn verfügt man über eine Anzahl Zeltmarker, die auf dem Tableau aufgereiht liegen. Die Zelte sind Aktionsmarker und Countdown zugleich. Wenn ein Spieler sein letztes Zelt ausgegeben hat, ist das Spiel zu Ende. Mit diesen Zelten muss man bestimmte Aktionen im Spiel bezahlen und manchmal verbirgt sich unter einem entfernten Zelt auch noch ein Bonus für den Spieler. Jeder Spieler startet zu Beginn noch mit ein paar Münzen, die eine der Ressourcen des Spiels darstellen. Weitere Ressourcen sind Nahrung, Rubine und Fraktionsmarker von vier farblich unterschiedlichen Fraktionen. Zusätzlich zu den Münzen bekommt jeder Spieler noch ein paar Artefaktkarten auf die Hand, die vor Spielbeginn unter den Teilnehmern verdraftet werden. Diese Artefakte gilt es im Spielverlauf zu bauen oder aber auch loszuwerden, denn nichtgebaute Artefakte sind zum Ende der Partie Minuspunkte wert. Das Bauen ist aber weitaus lukrativer, denn die Artefakte bringen viele Punkte und besondere Fähigkeiten mit sich.

Nah und Fern – Tierbegleiter
/ Foto: Spieltroll

Allein auf Abenteuer zu gehen ist allerdings nicht besonders ratsam, denn unser Held ist zu Beginn relativ schwach. Unser treuer Tierbegleiter ist der einzige Gefährte den wir haben. Bis zu vier Begleiter, einen von jeder Fraktion, können uns auf einer Reise begleiten, wir dürfen aber durchaus mehr Leute anheuern, müssen uns dann aber entscheiden, wen wir mitnehmen. Diese Begleiter bestimmen (neben den Artefakten) im großen und ganzen die Werte unseres Helden, denn sie bringen Symbole mit sich. Ein Handsymbol bedeutet Geschick, ein Schwert hilft uns im Kampf und ein Auge besorgt uns mehr Schätze beim Suchen. Manche bringen uns zusätzliche Felder zur Bewegung. Das gilt auch für unsere Packtiere, von denen wir bis zu drei haben dürfen. Sie lassen uns ebenfalls schneller reisen und pro Tier dürfen wir außerdem einen Schatz besitzen, die uns wieder mit besonderen Fähigkeiten oder Vergünstigungen versorgen. Ganz wichtig auf den Gefährtenplättchen ist allerdings ein Herzsymbol, das uns mit Ausdauer versorgt, denn bevor wir zu einem Abenteuer aufbrechen, müssen wir zunächst feststellen, wieviel Ausdauer wir haben und das bestimmt wiederum, wieviel wir auf unserer Reise erleben können.

Nah und Fern – Stadtplan (Tag) / Foto: Spieltroll

In der Stadt bewegen wir uns aber relativ frei, wir müssen nur immer wenn wir an der Reihe sind einen Ortswechsel vollziehen. Wir können die Mine aufsuchen, in der wir durch Abgabe eines Zeltes in einer Tabelle bestimmte Belohnungen erbuddeln können. Auf dem Bauernhof können wir Nahrung bekommen oder wir gehen in die Taverne, um neue Gefährten anzuheuern. Auch eine Stadthalle gibt es, in der wir handeln dürfen. Wann immer wir einen Ort betreten, der schon von einem Spieler besetzt ist, müssen wir uns mit ihm duellieren, was uns wiederum Ruhm einbringen kann, der eine weitere Ressource ist und Siegpunkte bringen kann.

Nah und Fern – Spielfiguren im Atlas / Foto: Spieltroll

Das Kernstück ist aber der Atlas, wo wir über die Landstraßen entlang der Orte gehen, um Abenteuer zu erleben. Ein Element habe ich bisher nämlich noch komplett ausgelassen. Es gibt ein ziemlich dickes Ringbuch mit lauter Geschichtsabschnitten. Wann immer wir mit unserem Helden einen Ort im Atlas aufsuchen, der ein nummeriertes Buchsymbol hat, so lesen wir einen Abschnitt aus dem Buch und müssen meistens eine Entscheidung treffen oder eine Eigenschaftsprobe würfeln. Durch diese Abschnitte lernt man die große Geschichte hinter dem ganzen Spiel kennen. Sozusagen das Salz in der Suppe. Aber es gibt noch viel mehr auf den Plänen zu absolvieren. Grundsätzlich können wir uns in einem Zug soviele Felder bewegen, wie unsere Geschiwindigkeit es uns erlaubt. Zusätzlich müssen wir mit Ausdauer bezahlen, wenn wir unbekanntes Gebiet betreten, also Felder auf denen noch keine Zelte von irgendeinem Spieler aufgeschlagen worden sind. Dabei können auf Starßen zwischen zwei Feldern Banditen auf uns warten und Schätze gefunden werden.Die Banditen liegen dabei offen aus und man weiß immer wie stark der nächste ist und ob man es wagen kann ihn zu bekämpfen. Manche der Felder sind noch mit besonderen Symbolen ausgestattet von denen es bis zu drei 2er-Sets auf den Landkarten geben kann. Dabei handelt es sich um Handelsrouten für die wir am Spielende Punkte bekommen können, wenn wir sie an beiden Orten mit einem Zelt versehen konnten.

Die Spieler sind so reihum dran und erleben gemeinsam die Geschichten die Arzium zu bieten hat. Spielt man die gesamte Kampagne, so gibt es neben der Hauptgeschichte auch noch kleine Seitenquests zu entdecken und auch spezielle Charakterquests für jeden. Soll es ein schnelles einzelnes Spiel sein, so gibt es einen ganzen Stapel verschiedener Storykarten für ein einzelnes Spiel, sie ersetzen das große Buch und werden vorgelesen, wenn man ein Abenteuer versucht. In der großen Kampagne kann man sogar Erfahrung sammeln und seinen Charakter durch besondere Fähigkeiten noch verbessern.

Wer sich am Ende die meisten Punkte durch Artefakte, fertige Handelsrouten, gesetzte Zelte, Ruhm, bekämpfte Bedrohungen und, und, und erspielt, gewinnt die Partie.

Das Fazit

Spiele die versuchen Geschichten zu erzählen kenne ich in der Tat einige, aber nicht viele sind besondern gut. Die meisten haben weniger ein Problem mit den Geschichten, die sie transportieren wollen, sondern eher mit dem Spiel, dass sie tragen soll. Viele versuchen zu sehr Rollenspiel zu sein und da liegt meines erachtens nach das Problem, denn Spieler die Rollenspiele wollen, werden in aller Regel auch eines spielen und sich nicht auf ein Brettspiel „begrenzen“. Wohingegen Brettspieler gute Mechaniken lieben und auch ein gewisses Maß an Spiel wollen, wenn man dann dort obendrauf auch noch Story packt sind sie zufrieden. Genau das schafft Nah und Fern wie kein anderes Spiel das mir bisher untergekommen ist. Gut funktionierende Eurogame-Mechanismen, die den Spielern Spaß bringen und dann auch noch Geschichten in der märchenhaften Ryan Laukat Welt Arzium erleben lassen ist die ganz große Stärke dieses zauberhaften Spiels.

Charakterkarte für die Kampagne
/ Foto: Spieltroll

Das Verhältnis zwischen Rollenspiel und Eurogame ist einfach stimmig und setzt beide Komponenten gut in Szene. Die Charakterwerte quasi auf Begleiter auszulagern, ist, finde ich, eine sehr gelungene Art mit gängigen Rollenspielmechaniken umzugehen und sie in ein Brettspiel einzufangen. Auf der anderen Seite sind durchaus klassische Mechaniken, wie das Setzen der Zelte für Aktionen, sehr gut in das Thema des Spiels eingebunden. Mir wird bei Nah und Fern nie langweilig, ich kann eher nie all das machen, was ich gerne machen würde, aber dann ist das Spiel auch schon zu Ende. In Zweier Partien kommt mir das Spiel wirklich fast ein bißchen zu kurz vor, was aber nicht heißen soll, dass es weniger gut wird. Nur man (ich) möchte gerne mehr. Mit mehr Spielern ist das aber alles okey und die Interaktion ist auch noch deutlich ausgeprägter.

Rein optisch ist Nah und Fern eine Wucht, sofern man den Stil von Ryan Laukat mag natürlich. Die Symbolik prägt sich rasend schnell ein und ist nicht überfrachtet. Das Material ist durchgängig von hoher Qualität und rechtfertigt den hohen Preis. Die Schachtel ist sauschwer und ziemlich voll gepackt und was ich lobend hervorheben möchte ist, dass man sich hier auch Gedanken über die Wiederspielbarkeit gemacht hat. Die Kampagne kann man durchaus zwei- bis dreimal Spielen, wenn man nicht immer dieselben Punkte auf den Landkarten mit Vorleseabschnitten versieht, denn auf einer Karte kommen außer auf der ersten glaub ich so gut wie nie alle Orte mit Nummern in einem Durchlauf dran. Selbst wenn man den Kampagnenmodus hinter sich lassen möchte kann man noch die speziellen Charaktergeschichten spielen und sich danach mit dem Normalen Arcade-Modus bedienen. Nah und Fern bietet also jede Menge Wiederspielbarkeit, was auch nicht selbstverständlich für ein Abenteuerspiel ist.

Wer also ein geschichtsgetriebenes Abenteuerspiel sucht, dass auch noch über schöne Mechaniken und eine überragende Optik verfügt, der ist bei Nah und Fern genau richtig.


  • Verlag: Schwerkraft-Verlag
  • Autor(en): Ryan Laukat
  • Illustrator(en): Ryan Laukat
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Spieleranzahl: 2 – 4 Spieler
  • Dauer: 90 – 120 Minuten

3 Gedanken zu „Nah und Fern“

  1. Um „Oben und Unten“ bin ich schon viele Male herum geschlichen, auch „Nah und Fern“ interessiert mich, bisher ist es mir aber immer gelungen das Verlangen zu verdrängen. Mit deiner Rezension ist das aber nun wieder aufgeflammt. Kannst du einen Vergleich von „Oben und Unten“ und „Nah und Fern“ machen, hinsichtlich welches empfehlenswerter wäre? Danke schon mal.

    1. Tut mir leid da bin ich leider raus. Oben und Unten habe ich nie gespielt, aber nach dem, was ich so weiss, soll Nah und Fern schon das bessere Spiel von beiden sein. Nur so am Rande, weil ich es in der Review nicht erwähnt habe, sämtliche Charaktere, die man anheuern kann sind auch für Oben und Unten benutzbar.

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