Die Gilde der fahrenden Händler, hätte auch kurz die Handelsreisenden heißen können, aber hier wurde sich sehr nah am Original entlanggehangelt und ein sehr umständlicher Titel gewählt. Egal. Bereits im letzten Jahr sah ich einen Spielbericht zum englischen Original von AEG und war sehr angetan von dem was ich da sah. Kurze Zeit später war auch bekannt, dass das Spiel auch auf deutsch bei Skellig Games erscheinen wird. Allerdings lag der Erscheinungstermin noch über ein halbes Jahr in der Zukunft, so dass hier ein wenig Geduld geübt werden musste. Die Gilde der fahrenden Händler überzeugte mich bei diesem Spielbericht durch seine recht außergewöhnliche Optik, sowie durch das Spielgeschehen, das mir allein vom zusehen recht gut gefiel. Ich mag Flip ’n Writes und nichts anderes, nur ohne Stifte ist Die Gilde der fahrenden Händler. Das klingt an sich schon umständlich und ja das ist es auch, aber trotzdem macht das Spiel wirklich Spaß und hat enormes Potential. Nun ist das Spiel bei Skellig erschienen und bereit den deutschen Spielemarkt zu erobern.
Worum geht es?
Die Spieler*innen schlüpfen hier in die Rolle von Entdeckern, etwas, das dem deutschen Titel tatsächlich ein wenig abgeht und sich nicht sofort vermuten lässt. Diese Entdecker bereisen das Land auf Geheiß der Königin, um Karten zu aktualisieren und verlorene Handelsrouten zwischen Städten wieder aufzubauen. All das ist sehr lukrativ und am Ende gewinnt der oder die Händler*in, die das meiste Geld in der Börse vorweisen kann. Dazu bereisen die Spieler*innen in vier aufeinander aufbauenden Runden einen Landstrich und finden Schätze, machen Entdeckungen, gründen Dörfer und stellen Handelsverbindungen wieder her.
Wie läuft das ab?
Das Spiel ist relativ schnell aufgebaut. Jede*r bekommt ein eigenes Tableau, das eine Landschaft aus Hexfeldern zeigt. Wüsten, Grasland, Gebirge und Wasser ist dort zu sehen. An den äußeren Rändern gibt es noch vier Türme und jede Menge Ruinenfelder, sowie ab und zu eine Stadt. In der Mitte gibt es ein etwas größeres Startfeld, von denen wir unsere Erkundungsreisen beginnen. Neben dem Tableau erhält jede*r sein Spielmaterial in Form von kleinen Holzwürfeln und -dörfern in der gewählten Farbe. Hinzu gesellen sich noch vier neutralgraue Türme. In der Mitte werden kleine Schatztruhenplättchen, sowie Handelsroutenmarker und die Münzen bereitgelegt. Die Münzen sind nur von einer Seite mit einem Wert bedruckt und es gibt verschiedenste Münzen von Wert 1 bis 50. Bis zu vier Spieler*innen können sich am Spiel beteiligen, aber wie bei vielen Flip & Writes ist es möglich mit mehreren Kopien des Spiels auch mit mehr Spieler*innen zu spielen. Insgesamt stehen vier verschiedene Landkarten zur Verfügung.
In der Mitte des Tisches wird auch noch ein zentrales Bord platziert, auf dem die aufgedeckten Karten platziert werden, so kann immer nachverfolgt werden, welche Karten in der laufenden Runde noch aufgedeckt werden. Es gibt nur fünf normale Entdeckungskarten. In jeder Runde kommt jedoch eine weitere Eundenkarte dazu, die lediglich die Rundennummer anzeigt. In der vierten und letzten Runde kommt eine Karte hinzu, die die Rundennummern ein bis drei zeigt. In jeder Runde wächst der Erkundungsstapel also um eine weitere Karte. Die Runden werden also immer länger. Die Erkundungskarten inklusive Rundenkarte eins werden also zu einem Zugstapel gemischt und neben dem zentralen Spielbrett bereitgelegt. Zusätzlich zu diesem Kartenstapel werden auch der Schatz- sowie der Fähigkeitenstapel gemischt und bereitgelegt.
Dann kann es auch schon losgehen. Die erste Karte vom Stapel wird umgedreht und zeigt uns eine Landschaft, die wir bereisen dürfen. Zusätzlich wird eine Anzahl angezeigt, die uns vorgibt, wieivele Felder wir besuchen dürfen und je nachdem ob die Felder überlappend oder in Reihe dargestellt sind, ob diese zusammenhängend sein müssen, oder einfach irgendwo platziert werden dürfen. Wir beginnen am Startfeld und platzieren nun Würfel auf die entsprechenden Felder. In nachfolgenden Zügen, müssen wir am Startfeld angrenzend, oder an bereits liegenden Würfeln anbauen. Am Rundenende, nachdem alle Karten aufgedeckt wurden, werden die Würfel allerdings wieder abgeräumt und eine neue Expedition beginnt. Dazu aber erst gleich mehr.
Auf den Feldern der Karte können verschiedene Dinge passieren. Sind Münzen abgebildet, so erhalten wir die entsprechende Anzahl. Platzieren wir einen Würfel auf einem Ruinenfeld, so belegen wir das Feld zunächst mit einem Schatzplättchen und ziehen eine Karte vom Schatzstapel. Belegen wir ein Handelsroutenfeld und haben ein zweites davon mit einer ununterbrochenen Kette von Steinchen belegt, so haben wir eine Route wiederhergestellt und legen auf einen der beiden Orte ein entsprechendes Plättchen. Die Orte haben jeweils einen Zahlenwert, den wir miteinander multiplizieren und soviele Münzen erhalten. Sollten wir ein gesamtes Gebiet der gleichen zusammenhängenden Geländeart mit Würfeln füllen, so errichten wir ein Dorf und tauschen einen unserer Würfel auf einem Feld ohne Besonderheit gegen einen Dorfstein aus. Sollten wir einen Turm erreichen, die an den Rändern der Karte liegen, so stellen wir einen Turm auf. Für beides erhalten wir ebenfalls Münzen. Bei den Dörfern kommt es darauf an, in welcher Runde wir es errichten. Je später, desto mehr Münzen bekommen wir. Bei den Türmen bekommen wir immer mehr für jeden weiteren Turm, egal wann wir sie errichten.
Das alles läuft genau solang, bis die Karten aufgebraucht sind. Fünf sind wie erwähnt Geländekarten und jede bezieht sich auf eine Art des Geländes. Die fünfte ist eine Jokerkarte für beliebiges Gelände. Decken wir die Rundenkarte auf, so zieht jede*r Spieler*in zwei Karten vom Fähigkeitsstapel und sucht sich eine der zwei Fähigkeiten aus. Diese wird am linken Rand der Karte platziert. Dort sind die Rundenzahlen ebenfalls zu finden. All diese Karten zeigen besondere Fähigkeiten, wie wir Würfel platzieren dürfen. Wir führen diese Fähigkeit natürlich dann auch aus. Ab diesem Moment werden wir die Fähigkeit immer dann ausführen wenn die erste Rundenkarte gezigen wird. Genauso verfahren wir in den Runden zwei und drei. Das heißt, dass wir am Ende von Runde drei, unsere erste Fähigkeit bereits dreimal gespielt haben werden. In Runde vier kommt keine neue Fähigkeit hinzu, statdessen dürfen wir uns ein weiteres mal für eine der drei ersten Fähigkeiten entscheiden. In Runde vier führen wir also eine Fähigkeit zweimal aus.
Nachdem alle Karten des Erkundungsstapels gezogen wurden, wird die Runde zurückgesetzt. Alle Würfel werden wieder vom eigenen Tableau entfernt. Dörfer und alle Plättchen bleiben aber liegen. Der Erkundungsstapel wird neu gemischt und um die nächste Rundenkarte ergänzt. Dann startet die Runde von vorn mit dem unterschied, das wir nun nicht nur am Startpunkt beginnen dürfen, sondern auch jedes bestehende Dorf als Startpunkt benutzen dürfen. So kommen wir viel leichter an die äußeren Regionen der Karte. Wir dürfen die Felder mit bereits liegenden Plättchen erneut mit Würfeln versehen, erhalten aber keine neuen Belohnungen dafür. Nur Handelsrouten können wir natürlich noch bilden, solange nicht beide Felder bereits mit Plättchen versehen sind.
So spielen wir die gesamten vier Runden durch und sammeln fleißig Münzen. Das Regeln empfehlen dabei die Münzen vor den Gegenspieler*innen verdeckt zu halten, weswegen auch nur eine Seite mit Wert bedruckt ist. Am Ende werden die Münzen gezählt und ein*e Sieger*in ermittelt. Erwähnt werden sollte auch noch das zu Beginn, drei Aufträge pro Landkarte offen ausgelegt werden, denen die Spieler*innen nacheifern, denn diese bringen eine ganz gute Münzzahl ein, wenn sie als Erste bzw. Erster erreicht werden. Alle anderen bekommen ungleich weniger Punkte. Für jede Karte gibt es sechs spezielle Spiele. Hierdurch werden als Wiederspielbarkeit und Interaktion gefördert.
Das beschriebene Spiel gilt für den ersten, einfachsten Spielplan. Die weiteren Pläne bringen Sonderregeln mit, die das Spiel ein wenig variieren und zusätzliche Möglichkeiten bieten. Es sei noch erwähnt, das Die Gilde der fahrenden Händler auch einen ganz guten Solomodus mitbringt, der einfach und schnell zu spielen ist.
Das Fazit
Nun komme ich auf meine einleitende Frage zurück – warum so umständlich? Nicht nur der Titel ist umständlich, sondern irgendwie das ganze Konzept. Hätte man das ganze Spiel zum ankreuzen auf einem großen Block gestaltet mit unterscheidlichen Symbolen für Dörfer und Schätze. Oder zum wegwischen mit entsprechenden Markern, so wäre die Handhabung des Spiels viel einfacher. Ich verstehe natürlich auch das Die Gilde der fahrenden Händler dadurch ein Stück seiner Eigenständigkeit verlieren würde, aber so beraubt sich das Spiel seines Potentials.
Damit wir uns nicht falsch verstehen, wir haben es hier mit einem Ordenkandidaten zu tun, dem ich liebend gerne die Ehre zu Teil kommen lassen würde, allerdings spricht hier einiges dagegen und das sind vor allem redaktionelle Dinge, die einfach schlichtweg ignoriert worden sind, oder durch Schlampigkeit nicht aufgefallen sind. Wobei ich mir das kaum vorstellen kann. Also, zunächst muss gesagt werden, dass Die Gilde der fahrenden Händler nichts für Spieler*innen ist, die multisolitäre Spiele verachten, denn Interaktion ist hier wirklich nicht vorhanden. Auch wenn die Aufträge das natürlich fördern sollen. Das gelingt dem Spiel aber nicht und Die Gilde der fahrenden Händler hat einfach andere Qualitäten die für mich deutlich schwerer wiegen. Der Spannungsbogen ist einfach sensationell. Jeder Zug ist wichtig und ich feiere sofort Erfolge. Fast jeder Zug liefert eine Belohnung oder bereitet eine zukünftige vor. Es gibt definitiv eine Lernkurve. Ich muss erst durch ein paar Partien verstehen, wie ich hier viele Punkte machen kann und was mehr Punkte bringt. Dennoch ist Die Gilde der fahrenden Händler kein beinhartes Strategiespiel. Eine perfekte Partie gibt es hier nicht, da ich immer auch auf das Glück angewiesen bin, welche Karten gezogen werden. Das Spiel ist wirklich toll.
Beim spielen fällt einem sofort auf, dass die Landkarten viel zu klein sind, für das was ich her tun soll. Die Würfel sind klein und fitzelig und werden hier dicht nebeneinander gelegt. Verrutscht mal etwas gibt es Probleme alles wiederherzustellen. Definitiv zu klein und die kleinen Schatzplättchen sind ein Witz. So toll ich die alternative Farbgebung finde, so bescheiden funktioniert sie hier aber, denn Ton in Ton sieht hier einfach alles gleich aus.
Am Ende soll alles abgeräumt werden und da wird es mit der Handhabung dann wirklich schwierig. Konzentration und Fingerfertigkeit sind gefragt. Nichts für Grobmotoriker*innen. Was aber wirklich am unhandlichsten ist, sind die Münzen die auf einem Berg im allgemeinen Vorrat ruhen. Ständig ist man am suchen, um die passenden Münzen zu finden, da sie ja nur einseitig mit Werten bedruckt sind und das völlig ohne Not. Die Geheimhaltung bringt einfach überhaupt nichts, denn niemand hat Einfluß darauf wie ich punkten kann. Warum soll ich also meine Punkte geheimhalten? Erstaunlich viele Kleinigkeiten die nicht so ganz durchdacht und redaktionell zu unbegleitet erscheinen. Das ist alles wirklich Schade, denn im Kern ist Die Gilde der fahrenden Händler ein absolut tolles Spiel. Nur mit redaktionellen Schwächen und eben alles ein wenig zu umständlich. Trotzdem gehört es momentan zu meinen Lieblingsspielen, auch weil ich kein Problem habe mich mit einem multisolitären Spiel zu beschäftigen.
- Verlag: Skellig Games
- Autor(en): Matthew Dunstan, Bett J. Gilbert
- Illustrator(en): Gerralt Landman
- Erscheinungsjahr: 2023
- Spieleranzahl: 1-4 Spieler*innen
- Dauer: 45 Minuten