
Ich habe mich in den letzten Monaten etwas intensiver mit vielen Solospielerfahrungen auseinandergesetzt. Das war zum einem dem Interesse an den ganzen neuen, tollen Solospielen geschuldet, hatte aber auch ganz praktische Gründe, weil wir, wie schon berichtet, im Moment, kaum Zeit für ausschweifendes Brettspiel haben. Da kommt es mir sehr zu Gute, dass ich mich mal allein hinsetzen kann und ein bisschen an einem Spiel herumtüftel. Auf diesem Wege habe ich auch zu Königreich Legacy gefunden. Der Titel ist ein wenig sperrig, aber sofern ich das richtig verstanden habe, soll eine Serie entstehen, in der es verschiedene Königreich Legacy Spiele geben soll, wodurch sich der Zusatz Feudale Welt erklärt. Weitere Spiele sollen dabei durchaus in anderen Settings stattfinden, aber vom Grundspielprinzip gleich funktionieren. Das Spiel erschien mir von außen super unscheinbar und ich wäre fast daran vorbeigelaufen, was ich im Nachhinein durchaus bereut hätte. Natürlich ist das erstmal ein sehr nischiges Spiel, denn die Gruppe der Solospieler*innen innerhalb der Brettspielszene ist zwar wachsend aber immer noch klein und auch das Thema Legacyspiel ist mitunter ein Reizthema. Dennoch solltet ihr hier durchaus mal einen Blick riskieren, denn hier erwartet euch eine faszinierende Spielerfahrung die auf den zweiten Blick viel mehr Spiel bietet, als ihr zunächst gedacht habt. Aber lasst euch mehr erzählen.
Worum geht es?
In diesem Solospiel schlüpfen wir in die Rolle eines Königs, Fürsten, nennen wir ihn Herrscher über einen Landstrich und wollen diesen natürlich zu größtmöglicher Blüte verhelfen. Das machen wir in Form eines Kartendecks, dass wir über den Verlauf von mehreren Durchläufen immer weiterentwickeln. Ein Durchlauf/(Partie) dauert ungefähr 10-15 Minuten und das Kartendeck wird am Ende anders aussehen, wie vor diesem Durchlauf. Wir verändern es, indem wir Karten beschriften, bekleben oder sie wieder permanent aus dem Deck entfernen. Alles wie in einem großen Legacyspiel nur auf ein Kartenspiel heruntergebrochen. Thematisch bewegen wir uns in einem mittelalterlichen Königreich und wir bauen unser Land mit Gebäuden, Ländereien und Personen aus. Am Ende einer gesamten Partie erreichen wir einen Punktewert, der sich Online vergleichen lässt. Danach können wir aber mit schon enthaltenen Erweiterungen versuchen diesen Wert weiter zu steigern.

Wie läuft das ab?
Hier wird es natürlich wie immer bei den Legacyspielen ein bisschen vage. Ich werde natürlich nichts über den späteren Spielverlauf spoilern, sondern euch hier nur Dinge erzählen, die ihr beim Öffnen der Spielschachtel und nach dem Regelstudium wisst. Ich möchte vorwegschicken, dass ich mir für diesen Zweck, um gar nichts zu verraten extra ein weiteres Spiel gekauft habe, damit ich auch ein paar frische Fotos machen kann, weil doch recht viel auf den Karten passiert. Das ist aber außerdem auch ein Ausdruck, wie sehr ich dieses Spiel schätze, denn ich habe definitiv Lust das Spiel nochmal ganz von vorne zu spielen.

Also, es beginnt wie jedes andere Legacyspiel mit Warnungen beim Auspacken, sich bestimmte Dinge nicht anzuschauen bis du dazu aufgefordert wirst. Grundsätzlich sind die Karten im Spiel durchnummeriert und wir beginnen mit einer bestimmten Anzahl von Karten in unserem Deck die wir mischen. An dieser Stelle sei bereits gesagt, dass wir im Spielverlauf die Ausrichtungen der Karten mitunter ändern werden und das durchaus spielentscheidend ist. Deshalb müssen wir beim Mischen immer sehr stark auf die Ausrichtung der Karten aufpassen und das wir hier nichts falsch herumdrehen. Die Aufkleber und den Rest der Karten legen wir als Vorrat zur Seite.
Dann kann es losgehen. Das Spiel wird in Runden mit Spielzügen gespielt. Eine Runde ist im Prinzip mit einer Partie gleichzusetzen. Zum Start einer jeden Runde nach der ersten erkunden wir die obersten zwei Karten des zur Seite gelegten Kartenstapels und fügen sie unserem Deck hinzu oder befolgen ihre Anweisungen. So wächst das Deck bzw. unser Königreich stetig ein bisschen. Irgendwann werden wir Karte 70 erreichen und dann endet der erste Durchlauf von Königreich Legacy und wir werden aufgefordert unsere Punkte zu ermitteln. Bis dahin ist es aber noch ein Weilchen.

Ein Spielzug sieht wie folgt aus. Nachdem wir unser Deck für die Runde gemischt haben, legen wir es offen in unseren Spielbereich. Jeden Spielzug beginnen wir damit die obersten vier Karten unseres Decks zu ziehen und sie in unseren Spielbereich offen auszulegen. Dann stehen mir fünf verschiedene Aktionen zur Verfügung. Ich darf solange Aktionen ausführen bis mein Spielzug beendet wird. Zwei der fünf Aktionen beenden meinen Spielzug. Ich kann Produzieren, Verbessern, einen Karteneffekt benutzen, Vorstoßen oder Passen. Die Karten zeigen je nach Ausrichtung in der linken oberen Ecke mitunter Ressourcen Symbole. Zum Start sind das Gold, Holz und Stein, später kommen noch Metall, Schwerter und Waren hinzu. Ich kann eine Karte abwerfen, um ihre Ressourcen zu erhalten. Diese sind virtuell für diesen Spielzug. Am Ende sind sie verloren. In meinem Spielzug kann ich sie dazu benutzen um Karten zu verbessern oder Fähigkeiten zu bezahlen. Das ist die Aktion Produzieren. Mit der Aktion Verbessern mache ich die Karten stärker indem sie rotiert oder umgedreht werden. Das Verbessern einer Karte beendet meinen Spielzug. Ausgenommen davon sind bestimmte Karteneffekte, die dazu führen das Karten verbessert werden. Karteneffekte sind spezielle Effekte die ich benutzen kann um mir bestimmte Vorteile zu erspielen. Das Passen beendet ebenfalls meinen Spielzug. Mit dem Vorstoßen füge ich meiner Auslage die nächsten zwei Karten meines Decks hinzu.

Ich führe solange Spielzüge mit diesen Aktionen aus, bis ich am Ende meines Decks angekommen bin. Am Ende jedes einzelnen Spielzugs werfe ich alle ausliegenden Karten auf meinen Abwurfstapel. Ist das Ende des Decks erreicht endet die Runde und ich kann eine neue starten, indem ich die nächsten Karten des Vorrats entdecke. Einzelne Runden werden mit der Zeit also immer länger, weil mehr Karten in meinem Deck sind und ich mehr Spielzüge machen kann. Die Anleitung erklärt vorab einen Haufen von zusätzlichen Fähigkeiten, die zum Start aber gar nicht auf den Karten stattfinden und erst mit der Zeit ins Deck kommen.
Das Spiel Königreich Legacy endet erst, wenn ich Karte 70 erkundet habe. Selbst dann ist aber noch nicht Schluss. Ich zähle dann nur zum ersten Mal meine Punkte und habe ein Ergebnis erreicht, dass ich mit einem Code in der Schachtel auf der Homepage zum Spiel eintragen kann um mich mit anderen zu vergleichen. Mein Königreich ist bis zu diesem Zeitpunkt gewachsen. Dann sind im Grundset drei Erweiterungen enthalten. Jede dieser Erweiterungen sorgt mit speziellen Regeln für vier weitere Durchläufe des inzwischen stattlich angewachsenen Decks. Zusätzlich sind bereits zum Start zwei weitere Kartenerweiterungen erschienen, mit denen ich weitere und neue Karten in mein Deck integrieren kann. Ein Starterdeck von Königreich Legacy kann mit insgesamt zehn Erweiterungen gespielt werden. Auf der Seite der Schachtel sind Markierungen zum Eintragen der Punktewerte.

Viel mehr kann ich aus Spoilergründen nicht erzählen.
Das Fazit
Ich habe absolut gar nichts von diesem Spiel erwartet und bin in jeder Hinsicht total überrascht worden. Das Spiel sieht in seiner biederen Verpackung überhaupt nicht sexy aus und tut sich da auch gar keinen Gefallen mit. Allerdings sind die Karten im Spiel zum Teil superhübsch und machen ordentlich was her. Ich spiele sehr gern mit ihnen und kann einfach nicht verstehen, wie du eine solche Entscheidung für das Cover und die Schrifttypen fällen kannst. Umso größer ist aber auch die Überraschung, wenn du dich durch den Stapel entdeckst. Das Spiel ist grafisch von der Adobe Firefly KI generiert und das siehst du auch. Sowohl positiv, wie auch negativ.
Ich bin zwar eh Legacy affin, aber das hier holt mich total ab. Das Spiel belohnt dich immer wieder mit besseren Versionen der Karten und du freust dich immer wieder wenn es dir endlich gelingt die richtigen Rohstoffe zusammenzukratzen, um ein Gebäude auf die nächste Stufe zu verbessern. Das ist mitunter gar nicht so einfach. Es gehört tatsächlich ein bisschen Planung dazu. Du solltest wissen welche Rohstoffe du brauchst und ob dir durch etwaige Verbesserungen nicht manche Rohstoffe hinterher fehlen, wenn ein Gebäude oder Landstrich plötzlich nicht mehr im Deck ist. Es ist durchaus möglich sich ein wenig zu verplanen oder bestimmte Rohstoffe zu selten zu sehen. Das Spielprinzip erinnerte mich am ehesten an die Spiele von Jon Mietling. Palm Island funktioniert ja ähnlich, was die Kartenrotation angeht. Dieses Prinzip mal in einem etwas größeren Setting zu sehen finde ich sehr gelungen und es beschäftigt mich nun schon eine ganze Weile. Ja ich habe das Grundspiel mit seinen Erweiterungen durch und habe mir auch die beiden Kartenerweiterungen gekauft. Auch hier bin ich, zumindest durch die erste, fast durch und finde auch diese fantastisch. Wer Punkte vergleichen möchte, nach dem ersten Durchlauf des Grundspiels bin ich bei 231 Punkten gelandet, schreibt mir gern was ihr erreicht habt.
Königreich Legacy ist angenehm zugänglich ohne zu seicht zu sein und hat diesen wunderbaren Fortschritt. Du versuchst dich an allen Ecken und Enden deines Königreichs zu verbessern und den Punktewert in die Höhe zu treiben. Zunächst dauert eine Partie nur kurz, aber mit zunehmender Kartenzahl wird die Herausforderung immer größer und auch die Überraschungen die das Spiel im Vorratsstapel für dich bereithält sind sehr abwechslungsreich.
Wer keine Legacyspiele mag, weil ja Material unbrauchbar gemacht wird, hat hier eine ganz gute Chance mit ein paar billigen Kartenhüllen sämtliche Karten zu erhalten. Das Spiel spricht zwar vom Vernichten der Karten, aber niemand hindert einen daran die Karten in einer separaten Schachtel aufzubewahren. Von den Aufklebern lassen sich Kopien machen, die auf die Hüllen geklebt werden können. Ein Spiel kostet aber auch 15 Euro und bietet einiges an Spielspaß und ich habe eingangs ja bereits erwähnt, ich habe mir das Spiel nicht nur zum Zweck der Fotos ein weiteres Mal gekauft, weil es mir solch einen Spaß gemacht hat, dass ich gerne nochmal von Anfang an einen weiteren Versuch starten wollte.
Ich habe hier bis auf die Gestaltung der Verpackung nichts auszusetzen und empfehle Königreich Legacy: Feudale Welt uneingeschränkt jedem. Solospieler*innen auf jeden Fall, aber auch solchen die es noch werden wollen. Legacy-Enthusiasten und auch denen die dieses Genre überhaupt nicht mögen. Der Kostenfaktor ist nicht so groß und ihr könntet Spaß haben. Natürlich bekommt das Spiel einen verdienten Orden.

- Verlag: Schwerkraft Verlag
- Autor(en): Jonathan Fryxelius
- Illustrator(en): Adobe Firefly
- Erscheinungsjahr: 2024
- Spieleranzahl: 1 Spieler*in
- Dauer: 6-8 Stunden ohne Erweiterungen