Die Firmenfeier: Das letzte Fest des Oliver Borgmann

Die Firmenfeier: Das letzte Fest des Oliver Borgmann

Meine Frau und ich sind Krimifans und spielen zugegebenermaßen recht viele der sogenannten Detektivspiele, in denen die Spieler*innen in die Rolle eines Detektivbüros oder einer Cold Case Abteilung der Polizei schlüpfen und versuchen Kriminalfälle zu lösen, an denen andere gescheitert sind. Das dürfte eifrigen Leser*innen dieses Blogs bekannt sein. All diese Fälle funktionieren grundsätzlich nach dem gleichen Muster. Die Spieler*innen erhalten zu Beginn ein paar Fragen, die es zu beantworten gilt und danach je nach Komplexität des Falls Material in Form von Briefen, Dokumenten, Karten etc. Einige Systeme benutzen zusätzlich digitale Medien in Form von Videos und Social Media, andere lassen das komplett außen vor. Dann gibt es noch einen Teil, der noch mehr Immersion versucht aus den Fällen herauszuholen, indem wir mit anderen Personen in Form von Telefonanrufen, Datenbanken und Chats kommunizieren. Diese Anrufe sind natürlich nicht echt, sondern im Vorfeld aufgezeichnet, aber sie sorgen in der Tat für mehr Glaubwürdigkeit und ein gutes Spielgefühl, wenn sie gut gemacht sind. Natürlich gibt es überall gute und schlechte Vertreter. Die Firmenfeier: Das letzte Fest des Oliver Borgmann sorgt allein durch seine Optik erst einmal für Understatement. Davon solltet ihr euch aber nicht täuschen lassen, denn hier steckt einiges in der Verpackung.

Worum geht es?

Der eigentliche Untertitel sollte hier Mord in der Schokoladenfabrik lauten, denn genau das ist es, was hier passiert ist. Bei besagten Oliver Borgmann handelt es sich um den Verkaufsleiter der Firma Edelberger Schokolade, der am Rande einer Firmenfeier in seinem Büro ermordet wurde, während die Kolleg*innen nebenan feierten. Wir als Spieler*innen sind nun aufgefordert diesen Mord lückenlos aufzuklären.

Die Firmenfeier: Das letzte Fest des Oliver Borgmann – Einleitender Brief und Umschlag mit Material / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Im Grunde erwartet uns hier ersteinmal nichts Neues. Das System ist altbekannt und hat sich bewährt. Wir erhalten einen Umschlag mit diversem Material in Form von Briefen, offiziellen Dokumenten, Zeugenaussagen, Lageplänen, Flyern, Fotos etc. Wir werden gebeten den Fall zu ermitteln. In diesem Fall beauftragt uns der Firmenchef als private Ermittler*innen damit den Fall zu prüfen, denn sein Sohn gilt als Hauptverdächtiger. Eine zuvor engagierte erste Detektei war leider nicht in der Lage seinen Sohn zu entlasten und nunkommen wir ins Spiel müssen dazu natürlich herausfinden, wer Oliver Borgmann ermordet hat und zusätzlich sollen wir den Abend des Sohns lückenlos rekonstruieren.

Bei dieser Art Spiel herrscht komplette Offenheit vom Spielmaterial her. Soll heißen, wir können alles lesen und anschauen. Der Fall und die Lösung stecken in den Informationen. Social Media wird bei diesem Fall aber ausgeklammert, was ich ausdrücklich begrüße, denn nicht jeder nutzt die gängigen Plattformen und möchte sich extra wegen einem Spiel dort anmelden und Accounts eröffnen. Dieses spart die Firmenfeier aus, nutzt aber dennoch das Internet in Form von Webseiten, auf denen wir Informationen finden können. Das ist eine viel geringere Einstiegshürde. Was ich generell klasse finde, ist die Tatsache, dass der Fall auch für Gehörlose spielbar ist.

Die Firmenfeier: Das letzte Fest des Oliver Borgmann – Spielmaterial / Foto: Spieltroll

Soviel zu den Fakten, da ich die Geschichte natürlich nicht spoilern will, um euch den Spaß zu verderben und gar nicht viel mehr Mechaniken dahinter stecken, kann ich gleich zum Fazit übergehen.

Das Fazit

Die Firmenfeier muss sich inzwischen in einem sehr gefüllten Segment behaupten. Vor ein paar Jahren gab es nur wenige dieser Spiele, da sie sich aber gut verkaufen sind inzwischen viele Anbieter auf dem Markt erschienen. Nicht alle sind gut und die Herangehensweisen sind deutlich unterschiedlich. Wir haben Serien, die versuchen durch viele interaktive Elemente die Immersion nach oben zu schrauben und den Spieler*innen das Gefühl zu geben, dass sie richtig mitten drin stecken. Dabei schießen einige Vertreter durchaus mal gerne über das Ziel hinaus. Andere verlassen sich nur auf Papier und sind dadurch sehr preisgünstig und eignen sich gut für den Start in das Genre.

Dieser Fall von Magnificum überzeugt mich als Krimifan auf ganzer Linie und das liegt für mich vor allem anderen an der Tatsache, dass der Fall interessant ist. Ich könnte mir vorstellen, dass all das genauso passiert ist. Natürlich wird mit dem ein oder anderen Klischee gespielt, aber Klischees sind nunmal Klischees, weil ein bißchen Wahrheit in ihnen steckt. Bei der Firmenfeier fühle ich mich als Ermittler ernst genommen, denn der Fall fordert mich heraus, indem ich an den richtigen Stellen, die richtigen Dinge bemerken muss. Alles wirkt dabei nicht platziert, sondern fühlt sich organisch an. Hier wurde an kleinste Details gedacht, die sich sinnig in das Gesamtbild einfügen. Das ist etwas, an dem andere Fälle anderer Anbieter gerne mal scheitern. Sie liefern Topmaterial und versuchen uns in das Geschehen einzubinden, aber dennoch fühlen sich manche Hinweise konstruiert und teilweise platziert an. Das bekommt die Firmenfeier ausgesprochen gut hin. Der Fall wirkt insgesamt sehr authentisch und nicht am Reißbrett entwickelt. Die Ermittler prüfen Alibis, ziehen Schlüsse und müssen auf zeitliche Abläufe achten.

Wir waren wirklich ziemlich zufrieden mit diesem Fall, denn nicht nur der Fall an sich, sondern auch das Material macht einen sehr guten Eindruck. Verschiedene Materialien, unterschiedliche Papiere, verschiedene Stärken und gute Fotos erfreuen das Detektivherz. Die Zeitangabe auf der Verpackung ist ebenfalls akkurat. 2 – 4 Stunden kommt gut hin. Wir sind geübt in solchen Spielen und wissen meist auf was wir achten müssen und liegen eher am unteren Ende des zeitlichen Spektrums, aber auch hier müssen wir sagen, trotz das wir schon viele solche Fälle ermittelt haben, sind wir hier nicht einfach durchgerauscht. Für Neulinge im Genre sollten um die vier Stunden aber auch ausreichen.

Gibt es auch Kritik? Ja da gibt es etwas und das ist das Verpackungsdesign, welches meiner Meinung dazu führt, dass viele das Spiel auslassen. Bzw. evtl etwas anderes davon erwarten. Der monochrome Look mit dem eisernen Torbogen wirkt altertümlich und so wirkt der Fall wie einer aus der etwas weiteren Vergangenheit. Erst auf den zweiten Blick bemerkt man, dass das abgebildete Gebäude modern ist. Alles wirkt etwas bieder. Selbst die Schrifttypen unterstützen das. Der große schreit irgendwie 1920 während die graue Ergänzung wirkt wie von einem Hobbyprojekt. Wenn ich das mit dem gelieferten Inhalt vergleiche, dann entsteht da einfach eine Diskrepanz, die ich nicht recht erklären kann. Das führte bei mir in der Tat dazu, dass ich das Produkt in der Vergangenheit zwar schonmal gesehen habe, aber bei der Vielzahl der angebotenen Ermittlerspiele, mich rein optisch, immer für andere entschieden habe. Hier sehe ich Verbesserungspotential. Trotzdem oder gerade deswegen solltet ihr diesem tollen Fall eine Chance geben. Es lohnt sich. Volle Empfehlung!

Mir wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.


  • Verlag: Magnificum
  • Autor(en): nicht genannt
  • Illustrator(en): nicht genannt
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Spieleranzahl: 1+ Spieler*innen
  • Dauer: 120 – 240 Minuten

3 Gedanken zu „Die Firmenfeier: Das letzte Fest des Oliver Borgmann“

  1. O.k., also klare Kaufempfehlung! Die Messlatte liegt durch die ersten Hidden Games Spiele hoch.
    Bin gespannt, ob ich dergleichen Meinung bin.

    1. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, aber wir hatten wirklich eine Menge Spaß und haben direkt nach dem Fall angefangen zu vergleichen und für uns war eindeutig klar, dass wir bei allen Titeln, die wir bisher gespielt haben hier den meisten detektivischen Spaß hatten.

  2. Wow! Magnificum setzt in puncto realitätsnahes Krimispiel einen neuen Maßstab. Die Fülle an Beweismittel und Websites mit Videomaterial, etc. kann nicht so geübte Spürnasen verzweifeln lassen; auch erfahrene Schnüffler müssen sich bei so vielen Infos aus verschiedenen Quellen wirklich konzentrieren.
    Eine gute Aufgabenverteilung im Team hilft bei der Falllösung und spart am Ende viel Zeit.
    Vorteil von Hidden Games ist die klarere Aufgabenstellung und der „Running Gag“ mit Kommissar Hahnke. Magneficium katapultiert sich aber direkt in die Spitzenliga dieses Genres – Chapeau!

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