Captain Flip – Seichte Gewässer für Leichtmatrosen

Captain Flip

Gefühlt kam Captain Flip für mich aus dem Nichts. Zum ersten Mal überhaupt gehört hatte ich von dem Spiel, als es einem Monat vor den Spiel des Jahres-Nominierungen im erweiterten Kreis der empfehlenswerten Spiele genannt wurde. Aber auch da nur ganz vereinzelt und am Rande. Die breite Masse schien das Spiel nicht zu kennen oder nicht auf dem Schirm zu haben. Das hat sich mittlerweile geändert und ich ziehe die Review nun auch ein bisschen vor, weil das Spiel gerade viel Aufmerksamkeit bekommt. Es wirkt wie ein Spiel für Kids das lose auf One Piece beruhen könnte, die Optik schreit zumindest danach. Auch nach dem Studium der wenigen Aussagen über das Spiel, klang es für mich mehr als belanglos. Kurz vor den Nominierungen dann wurden die Stimmen immer lauter und dann wurde es tatsächlich nominiert. Noch am selben Tag orderte ich eine Kopie und wollte mich selbst davon überzeugen. Auch in meinem Spiel des Jahres Orakel spielte Captain Flip erstmal keine Rolle. Nun ist es ja kein Geheimnis mehr, dass es den Preis nicht gewonnen hat, aber was ist dran an diesem Spiel, dass ich mich genötigt war, mein Orakel zu kommentieren und es zu meinem Favoriten zu erklären?

Worum geht es?

Captain Flip zeigt in all seiner bunten Pracht doch glatt eine Piratengeschichte auf den vier Spielbrettern. Diese ist zwar nicht relevant für das Spielgeschehen, gibt dem Spiel aber einen tollen Look, der viele Familien ansprechen dürfte und macht einige der Plättchen Aktionen vielleicht sogar thematisch ein wenig nachvollziehbarer. Ansonsten haben wir es hier mit einem Plättchenleger zu tun, bei dem die gelegten Plättchen Aktionen auslösen können und uns während des Spiels auf verschiedene Weise mit Punkten versorgen.

Captain Flip – Unterschiedliche Spielpläne / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Captain Flip ist maximal simpel in seiner Ausführung, liefert aber überraschende Tiefe, die Vielspieler*innen nicht gleich abschrecken wird. Der Spielaufbau ist schnell erledigt. Alle Piratenplättchen, von denen es neun unterschiedliche gibt, die sich auf insgesamt 72 Plättchen Vorder- und Rückseiten verteilen werden in einen Beutel gelegt und gut gemischt. Jede*r Spieler*in erhält ein eigenes Tableau mit fünf Spalten zum Ablegen der Plättchen. Diese Spalten weisen verschiedene Höhen auf und insgesamt gibt es vier verschiedene Tableaus für die Spieler*innen. Wir einigen uns darauf welches Tableau gespielt wird. Damit sind die Vorbereitungen auch schon fast abgeschlossen und lediglich eine Schatzkarte sowie das Gold werden in die Mitte als Vorrat bereitgelegt.

Captain Flip – Plättchen aus dem Beutel / Foto: Spieltroll

Nun geht es auch schon los. Wer an der Reihe ist zieht ein Plättchen aus dem Beutel und schaut sich eine Seite an ohne es umzudrehen. Gefällt die Seite, so müssen wir sie auf unser Tableau legen, und zwar in eine beliebige Spalte auf die niedrigste Position die möglich ist. Gefällt sie uns nicht, so haben wir jetzt die Chance das Plättchen umzudrehen, müssen aber die Entscheidung akzeptieren und was auch immer zum Vorschein kommt auf unserem Tableau platzieren.

Captain Flip – Smutje zu Beginn bringt noch nichts also Flip / Foto: Spieltroll

Die Plättchen haben, je nach Pirat eine andere Fähigkeit uns mit Geld zu versorgen oder Aktionen auszuüben. Zusätzlich gewähren uns die Tableaus in bestimmten Spalten Belohnungen, wenn wir das oberste Feld erreichen. Das Spiel endet sobald jemand vier Spalten gefüllt hat. Wer die meisten Goldmünzen gesammelt hat gewinnt das Spiel.

Captain Flip – Zimmerin ist da schon besser / Foto: Spieltroll

Das Salz in der Suppe sind natürlich die Fähigkeiten der Plättchen. Hier kommen recht gängige Sammelbedingungen zum Einsatz. So gibt es zum Beispiel den Matrosen der in jeder Spalte einmal vertreten sein will und je öfter das zutrifft desto mehr Gold erhalten wir am Ende des Spiels für ihn. Der Kartograph zum Beispiel versorgt uns mit der Schatzkarten, die uns immer am Ende unseres Zuges ein Gold einbringt. Dafür kann sie uns aber auch von jedem gestohlen werden. Sobald irgendwer anderes einen Kartographen ausspielt, ist die Karte wieder futsch. Die Navigatorin ist in Verbindung mit vielen Kartographen sinnvoll. Denn sie bringt uns sofort zwei Gold pro Kartograph. Der Smutje will möglichst viele Leute in einer Reihe bekochen und erhält für jedes Crewmitglied einschließlich sich selbst ein Gold, wenn er platziert wird. Der Ausguck will wiederum am Spielende der oberste in einer Spalte sein und bringt dafür vier Gold ein. Der Papagei lässt uns sofort ein weiteres Plättchen aus dem Beutel ziehen ist aber am Ende ein Gold Minus wert und der Affe bringt ein Gold, lässt uns aber auch ein benachbartes Plättchen umdrehen und ausführen. Die Kanonierin bringt sofort fünf Gold ein, aber sobald wir die dritte an Bord holen haben wir verloren. Die Zimmerin zu guter Letzt findet Kanonierin doof, weil die halt die mühsam gebauten Schiffe kaputtmachen und will deshalb nicht in einer Reihe und Spalte mit ihnen sein. Eigentlich alles logisch. Das meiste Gold gewinnt.

Captain Flip – Tableau am Spielende / Foto: Spieltroll

Das Fazit

Captain Flip ist mal wieder ein guter Beweis dafür, dass gutes Design kein komplexes Spiel braucht und die Köpfe die an diesem Spiel beteiligt waren wissen ganz genau was sie da tun. Ich finde Captain Flip wahnsinnig gut, weil es erstmal ganz einfach zu erklären ist. Die Spielerklärung mit sämtlichen Fähigkeiten der Piraten ist in weniger als fünf Minuten gegessen. Da helfen das Thema und die damit verbundene Logik auch sehr gut weiter. Der Matrose will das Schiff sauber machen, also muss der auch überall vertreten sein. Der Koch will für viele Leute kochen und ein Navigator braucht viele Karten. Das leuchtet vielen ein uns deswegen hatten wir auch kein einziges Mal irgendwelche Probleme das Spiel zu erklären. Die regulären Crewmitglieder versorgen uns mit dem meisten Gold, während die beiden Tiere an Bord für den Spaß sorgen, denn mit ihnen wird das Spiel mechanisch erweitert und komplexer gestaltet. Die Papageien sind dabei sogar abhängig vom gewählten Spielbrett ein Kontrollfaktor für das Spielende für gewiefte Spieler*innen, während die Affen eine Memory Komponente ins Spiel bringen, die richtig angewandt einen guten Vorteil bringen und zum Teil auch für Kaskadeneffekte sorgen kann. Das macht die Affen zum heimlichen Star von Captain Flip, denn ihre Fähigkeit steckt ja sogar im Titel des Spiels.

Ein weiterer Punkt, der Captain Flip für mich so gut macht ist die Tatsache der verschiedenen Generationen und Spielstärken die hier am gleichen Spiel beteiligt sein können. Sechsjährige können hier mitspielen und Spaß an den bunten Farben und Charakteren haben, auch wenn sie noch nicht alles durchschauen, genauso wie Vielspieler*innen, die die angedeuteten Feinheiten verstehen und anwenden können. Das alles macht Captain Flip zu einem einfach Spiel, mit dem viele Spieler*innen gleichzeitig Spaß haben können. Natürlich ist auch klar, dass die Hardcore-Eurogamer sich was Besseres vorstellen können und über sowas nur müde lächeln, aber für die ist eh alles jenseits eines Trickerion, oder Brass Birmingham nur kalter Kaffee.

Captain Flip – Verschiedene Piratenplättchen / Foto: Spieltroll

Selbst die Downtime ist hier kein Problem, weil die Aktion der anderen Spieler*innen sich nur auf das Ziehen und Platzieren eines Plättchens aus dem Sack beschränkt. Und wem das immer noch zu lange dauert, kann in der Zwischenzeit ja seine Goldmünzen hin und her tauschen. Gibt es also gar nichts zu meckern? Doch! Ein Punkt wäre da und das ist der Sack, der ist nämlich viel zu klein. Diesmal nicht nur für große Hände, nein auch für die ganzen Plättchen. Wir haben den als erstes ausgetauscht und benutzen den der dabei war als Beutel für die Münzen. Hier muss für meinen Geschmack dringend nachgebessert werden.


  • Verlag: PlayPunk, Asmodee
  • Autor(en): Remo Conzadori, Paolo Mori
  • Illustrator(en): Jonathan Aucomte
  • Erscheinungsjahr: 2024
  • Spieleranzahl: 2-5 Spieler*innen
  • Dauer: 20 Minuten

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