Final Girl – Überleben unwahrscheinlich

Ich könnte bereits beim Schreiben dieser Zeilen dafür garantieren, dass sich durch diese Review wieder einige Fans getriggert fühlen. Dabei geht es mir gar nicht darum hier irgendwen auf die Palme zu bringen, sondern eher darum einige wenige, die vor einer Kaufentscheidung stehen könnten, vor Final Girl zu warnen, denn das Spiel ist definitiv nicht für jeden etwas. Hier kommt nur erschwerend hinzu, dass die Fancommunity keine Kritik zu dulden scheint und das Spiel mit Feuereifer gegen Widerstand verteidigt. Sie erlauben einem gerade noch die Meinung das Spiel nicht zu mögen, aber jegliche Kritik am Spielprinzip wird schon kaum geduldet. Ich möchte aber natürlich noch nicht alles vorwegnehmen. Es könnte beim überschwänglichen öffentlichen Echo aber der Eindruck entstehen, dass das Spiel eher geliebt als gehasst wird und eine sehr hohe Platzierung bei Boardgamegeek lässt Ähnliches vermuten. Doch es gibt auch genügend negative Stimmen, die allerdings in den Hintergrund gedrängt werden.

Worum geht es?

Ich bin oft sehr kritisch wenn es um die Thematik geht und viele der Spiele, mit denen ich mich hier beschäftige, täuschen schlichtweg nur Thema vor, indem sie Kulissen aufbauen, um ihre tollen Mechaniken zu verkaufen. Themen sind da oft einfach nur beliebig austauschbar. Bei Final Girl, und da haben die vielen Fans des Spiels tatsächlich Recht, handelt es sich wahrscheinlich um eines der thematischten Spiele überhaupt. Das ist das große Plus dieses Spiels. Final Girl erzeugt eine Atmosphäre in der sich der oder die Spieler*in in der Situation eines Horrorfilmfans wiederfindet, der oder die gerade einen Videofilm aus der Videothek ausgeliehen hat und sich schön zu Hause auf die Couch fläzt und einen Horrorfilm anschaut. Spielerisch wird genau das umgesetzt. Wir spielen das Final Girl, das begehrte Opfer des Killers, das sich mit aller Macht gegen seine Ermordung wehrt, während der Killer reihenweise Opfer auf dem Spielbrett niedermäht. Um zu gewinnen müssen wir den Killer selbst töten und das ist ziemlich schwierig.

Final Girl – Teil des Spielaufbaus / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Final Girl – Feature FilmThe Happy Trails Horror / Foto: Spieltroll

Zunächst muss noch erwähnt werden, dass Final Girl ein Spielsystem ist, bei dem du dir zunächst die Core Box kaufen musst, die essentiell wichtig ist für das Spiel. Sie enthält nahezu alle Spielkomponenten mit Ausnahme des Films. Ja, Final Girl muss beliebig mit verschiedenen Feature Film Boxen erweitert werden. In jeder dieser Boxen finden wir einen einzigartigen Killer, sowie einen Schauplatz an dem der Film stattfindet. Zumindest eine Filmbox wird benötigt um Final Girl überhaupt spielen zu können. Es werden aber auch Bundles verkauft. Ich habe ein Bundle mit Core Box und dem Film The Happy Trails Horror, dass ich hier für die Review heranziehe. Es gibt aber noch jede Menge weitere Filmboxen, die auch optisch wie alte Videokassetten aussehen.

Um das gleich vorneweg zu nehmen. Das Material, die Verpackung und die gesamte Aufmachung von Final Girl sind erste Sahne und passen wie die Faust aufs Auge, oder das Messer in die Brust, der Hammer auf den Schädel, naja ihr versteht das Prinzip.

Final Girl – Hans the Butcher und Camp Happy Trails / Foto: Spieltroll

Das Spiel muss nun aus diesen beiden Boxen aufgebaut werden und da beginnt bereits der „Spaß“. Der Spielaufbau ist für ein Spiel dieser Größe die absolute Hölle. Sehr kleinteilig und Nerv tötend für ein Solospiel. Ich baue drei Spielbretter auf, eines für den Killer, eines für den Schauplatz und eines mit den spielrelevanten Anzeigen. Mische Karten verschiedener Decks zusammen, breite den Marktplatz mit Karten aus, stelle die zufällige Startaufstellung des Szenarios her usw. Dadurch, dass jeder einzelne Film schon sehr variabel sein möchte, muss ich viele unterschiedliche Karten mischen und verdeckt auslegen etc. Das dauert, wenn du ungeübt bist, eine ganze Weile.

Final Girl – Inhalt für Camp Happy Trails / Foto: Spieltroll

Na ja, was machst du nicht alles um Spaß zu haben. Das Spiel erkläre ich jetzt nicht bis ins letzte Detail, das sprengt auch den Rahmen für eine schriftliche Review. Nur so viel, auch hier wird es mitunter recht kleinteilig. Ich als Final Girl habe Aktionskarten zur Verfügung. Zu Beginn sind das welche, die keine Zeiteinheiten kosten und mit denen ich mich über das Spielfeld bewegen, den Killer angreifen usw. tun kann. Die zweite Möglichkeit ist es diese Karten für Zeit abzuwerfen. Ich erhalte eine Zeit für eine Karte. Zeit muss ich evtl. ausgeben, wenn ich eine Aktion mache oder für das Kaufen von neuen Karten. Die dritte Möglichkeit Karten zu benutzen ist die um misslungene Würfe in Erfolge umzuwandeln. Zwei Karten muss ich abwerfen für einen Erfolg. Karten sind also eine wichtige Ressource. Auch Zeit ist enorm wichtig und zu guter Letzt sind auch die Würfel entscheidend für den Erfolg und Misserfolg der Partie. Die Horrorleiste, auf der die Gefährlichkeit des Killers angegeben wird, gibt mir vor mit wie vielen Würfeln ich meine Aktionen durchführen kann. In den meisten Fällen werden das zwei Würfel sein. Aber wenn der Horror schon zu groß geworden ist, werfe ich nur einen einzigen. Ist alles ganz easy können es aber auch drei sein. Damit Aktionen funktionieren brauche ich Erfolge, ja richtig gelesen: Mehrzahl. Zwei Erfolge für das beste Ergebnis der Aktion. Mit nur einem Erfolg ist es nur ein Teilerfolg und bei gar keinem sieht es düster aus.

Final Girl – Startkarte Walk und verschiedene Würfelergebnisse / Foto: Spieltroll

Als Beispiel führe ich hier gern die vielzitierte „Walk“-Karte an, also schlichtes Gehen. Mit zwei Erfolgen darf ich mich zwei Felder auf dem Spielbrett bewegen und verliere dafür eine Zeit. Mit einem Erfolg bewege ich mich ein Feld und auch das kostet eine Zeit. Habe ich gar keinen Erfolg kann ich mir das Ergebnis aussuchen: entweder gehe ich einen Schritt, verliere dafür aber einen Lebenspunkt und zwei Zeiteinheiten, oder ich verliere schlicht zwei Zeit, ohne dass ich mich überhaupt bewege. Das sind keine besonders guten Aussichten, denn einen Erfolg zeigen die Würfel nur bei einer Fünf oder Sechs. Bei den Ergebnissen Drei und Vier habe ich die Möglichkeit zwei Karten abzuwerfen um daraus einen Erfolg zu machen. Eins und Zwei sind natürlich Misserfolge. Am häufigsten werdet ihr zwei Würfel werfen, also ist die kombinierte Sieben das häufigste Ergebnis und bei der Zahlenverteilung gibt es zwei Ergebnisse mit einem Erfolg und eines mit null bis zwei Erfolgen für null bis vier abgeworfene Karten. Also nur eine Chance auf einen doppelten Erfolg für allerdings vier Karten. Alle anderen Ergebnisse sind suboptimal. Ihr seht es wird schwierig. Aber ich bekomme doch wenn ich Karten kaufen kann jede Runde meine Karten mit Nullkosten zurück? Nein, denn jede gespielte Karte steht erst in der übernächsten Runde wieder zur Verfügung. Ich habe übrigens in jeder Runde wieder sechs Zeiteinheiten. Ich erwähne es auch an dieser Stelle nochmal, für das Abwerfen einer Karte erhalte ich ebenfalls eine Zeit.

Final Girl – Der Kartenmarkt mit verschiedenen Zeitkosten / Foto: Spieltroll

Das ist im Großen und Ganzen die relevante Spielmechanik. Nachdem ich alles gemacht habe in meinem Zug oder falls mein Zug durch eine misslungene Aktion beendet wurde, was durchaus passieren kann, wird danach der Killer über eine Terrorkarte gezogen und handelt ebenfalls rein zufällig. Dabei kann er durchaus auch mal stehenbleiben und nichts tun, genauso wie losmarschieren und wahllos Opfer töten. Für jedes Opfer steigt sein Blutrauschlevel und er wird gefährlicher. In meinem Feature Film ist Hans der Killer und hat doppelt so viel Lebenspunkte wie ich als Final Girl und ich mache mit Aktionen nur wenig Schaden, muss also erstmal eine Waffe finden, oder mir die teureren Aktionen leisten können, die dann natürlich durch einen Würfelwurf auch immer noch schiefgehen können.

Final Girl – Tableau mit Horrorlevel, Zeitleiste und unseren Lebenspunkten / Foto: Spieltroll

Ich kann das Spiel nur gewinnen, indem ich Hans töte, was zwangsläufig bedeutet, ich muss an ihn herankommen, ohne mich von ihm einfach töten zu lassen. Ich sollte Opfer aus den Ausgängen des Spielfelds führen, damit Hans sie nicht töten kann und zu schnell zu mächtig wird. Außerdem brauche ich eine Waffe, die ich durch eine Karte erstmal an einem von drei möglichen Orten suchen muss. Auch hier die Möglichkeit des Misserfolges wieder gegeben. Ich kann ihn auch auf Dauer nicht ausmanövrieren, denn ich habe nicht ewig Zeit. Ist der Terrorstapel aufgebraucht, wird das Finale eingeläutet und Hans eskaliert noch mehr.

Final Girl – Tableau von Hans the Butcher mit 12 Lebenspunkten und seiner Eskalationsleiste / Foto: Spieltroll

Das sollte als Einblick genügen, denn viel mehr gibt es da nicht zu erzählen außer jeder Menge kleiner Detailregeln, die ich alle kennen sollte, um den Spielablauf reibungslos zu gestalten. Bei aller Kritik, die durch meine Zeilen trieft sei auch hier nochmal gesagt, dass diese alle thematisch durchaus Sinn ergeben und keinesfalls überflüssig erscheinen. Aber für das grobe Verständnis von dem was sich hier im Kern abspielt haben sie keine Relevanz.

Das Fazit

… oder warum tue ich mir das an? Okay, vor Jahren habe ich Der Unterhändler ausprobiert und fand das Spiel thematisch total interessant, bin aber auch dort bereits am Spielgeschehen gescheitert. Alles basiert auf Glück und was ich mit am schlimmsten fand, ist die Tatsache, dass du einfach scheitern kannst ohne etwas dagegen zu tun. Damals wurde mir gesagt, ich bin einfach nicht gut genug für das Spiel, würde die steile Lernkurve nicht verstehen oder nicht strategisch handeln. Dann kam Final Girl irgendwann als Nachfolger heraus und sprach mich thematisch noch sehr viel mehr an und ich las immer wieder davon, dass es spielerisch viel besser sei und einige Probleme von Der Unterhändler ausmerzen würde. Das verleitete mich letztlich dazu das Spiel doch auszuprobieren.

Final Girl – Eine Aktionskarte / Foto: Spieltroll

Vielleicht handle ich ja tatsächlich nicht strategisch? Nein, ganz bestimmt handle ich nicht strategisch weil Final Girl kein Strategiespiel ist. Per Definition ist Strategie ein genauer Plan für ein Verhalten, der dazu dient ein Ziel zu erreichen und in dem man alle Faktoren von vornherein einzukalkulieren versucht. Du kannst keine Strategie entwickeln, weil die Faktoren alle auf Zufall basieren. Also kann es hier nur um Taktik gehen. Ich versuche auf die Gegebenheiten des Spiels zu reagieren und gewisse Dinge zu antizipieren um Gefahren aus dem Weg zu gehen. Dafür kann ich evtl. eine Taktik entwickeln, aber auch das fällt in Final Girl sehr schwer, denn alle Mechaniken basieren auf Glück (Würfelwürfe für Aktionen, Karten ziehen für den Killer). Ich kann also höchstens Wahrscheinlichkeiten berechnen, die aber fast immer gegen dich stehen. Es besteht ja auch die Möglichkeit in diesem Spiel einfach so verlieren zu können ohne Einfluss auf das Spiel zu haben. Das ist kein gutes Spieldesign wie ich finde.

Final Girl – Ein möglicher Spielaufbau / Foto: Spieltroll
Final Girl – Eine Terrorkarte des Killers / Foto: Spieltroll

Vielleicht verstehe ich die steile Lernkurve ja wirklich nicht? Es tut mir leid, ich erkenne die angeblich steile Lernkurve nicht einmal. Immer wieder wird die Möglichkeit hervorgehoben Karten für Zeit abzuschmeißen, dass verstehe ich ja. Mir ist auch klar, dass es mitunter einen Vorteil bringen kann, aber am Ende muss ich für eine Aktion doch immer Würfeln. „Dann würfel halt nicht oder einfach nicht so oft und wenn du würfelst, stelle sicher dass du Karten auf der Hand hast um Karten abschmeißen zu können.“ Ich habe das schon verstanden oder? Das ist die steile Lernkurve, die ich natürlich noch auf die einzelnen Killer anwenden muss. Aber die sind ja auch nicht planbar, weil sie zufällige Aktionen über die Karten ausführen. Das führt manchmal zu einfachen Szenarien, weil sie rundenlang irgendwo im Busch stehen und nicht tun, während ich Opfer in Sicherheit bringen kann und die Chance auf einen gefährlicheren Killer herabsetze oder aber der Typ eskaliert mit jedem Schritt den er ausführt ein bisschen mehr. Von den zufälligen Ereignissen, die zugegeben wieder äußerst thematisch umgesetzt werden, fange ich gar nicht erst an. Final Girl ist definitiv besser als sein Vorgänger, treibt mich aber auch noch mehr zur Weißglut. Die steile Lernkurve besteht darin seine Frusttoleranz zu steigern.

Final Girl – Eine Waffe die erst gefunden werden will / Foto: Spieltroll

Vielleicht bin ich doch einfach nicht gut genug für dieses Spiel? Das muss es dann wohl sein. Ich denke aber daran liegt es nicht. Viel mehr glaube ich dass du der Typ Spieler*in sein musst, der auf so glücksbasierte Spiele stehen muss, die aber durch Thema glänzen und dich den Rest ignorieren lassen. So ein Spieler bin ich einfach nicht. Für mich wird das hervorragende Thema von Final Girl durch das Glück und vor allem das Pech aufgefressen. Die Fans sagen, dass mit dem Glücksmoment ist gar nicht so schlimm, dass muss auch so sein, das ist in den Filmen genauso. Da hat ständig wer Pech und das wird vom Killer ausgenutzt. Ich stell mir das dann immer bildlich vor. Das Final Girl schleicht da so um den See herum und will in die Station um Hilfsmittel zu finden, stolpert dann aber bei jedem zweiten Schritt über ihre eigenen Füße oder Leichenteile, während im Hintergrund der Killer gerade dumm rumsteht und sich am Kopf kratzt, weil er sich nicht bewegt. Dann schleicht das Mädel an einer Gruppe Teenager vorbei, die ahnungslos an einem Zelt stehen während ich in der Station nach nützlichem Zeug suche und nichts finde. So läuft das dann doch eher nicht ab.

Ein weiterer negativer Punkt über den ich bisher noch nicht gesprochen habe ist der, dass dieses Spiel natürlich teuer ist, denn sollte ich dennoch total auf dieses Spiel stehen, dann will ich wahrscheinlich nicht immer den gleichen Ort aufsuchen und gegen den gleichen Killer antreten, denn das wird bei all den Fehlversuchen die ich benötige vielleicht auch irgendwann mal langweilig und ich brauche mehr Futter. Es gibt inzwischen reichlich Futter für Final Girl und jeder Film kostet so ca. 20 Euro (in Bundles auch weniger). Der Inhalt der Filme ist nicht gerade umfangreich aber natürlich das Salz in der Suppe. Trotzdem wirst du hier ganz schön gemolken. Final Girl ist in seiner Gänze also ein durchaus teures „Vergnügen“. Ein Core-Box Bundle ist aber vom Preis her völlig in Ordnung, deshalb würde ich raten zunächst damit anzufangen, wenn du es ausprobieren möchtest.

Alle Horrorfilmfans können sich hier ein sehr immersives Erlebnis ins Haus holen, denn Final Girl zu spielen ist für dich entweder der Horror, weil es dich spielerisch quält oder du stehst so dermaßen auf das was es tut, dass du hier absolut nichts falsch machen kannst. Spieler*innen denen Spielmechaniken ans Herz gewachsen sind bei denen es nicht nur um Glück geht, sollten einen großen Bogen um Final Girl machen.


  • Verlag: Van Ryder Games
  • Autor(en): Evan Derrick, A. J. Porfirio
  • Illustrator(en): Tyler Johnson, Roland MacDonald
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Spieleranzahl: 1 Spieler*in
  • Dauer: 20 – 60 Minuten

Ein Gedanke zu „Final Girl – Überleben unwahrscheinlich“

  1. Ich fand den Unterhändler schon sowas von ätzend. Selten hat mich ein Spiel mit Würfelwürfen so zur Weißglut gebracht. Ich freue mich darauf, wenn mal so ein thematisches Solospiel ohne frustrierende Glückskomponenten auf den Markt kommt. Es gibt ja bereits gute Solovarianten von großen Brettspielen, ich hätte das aber gerne in etwas handlicher (Küchentisch), ohne stundenlangen Aufbau und zum direkten losspielen.

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