Escape Rooms waren ja eine Zeit lang total hip und angesagt. Nicht nur als tatsächliches Event, sondern auch am Spieltisch. Diverse Reihen halten sich bis heute. Danach kamen die Detektivspiele, deren Phase noch anhält. Sie erfreuen sich nicht nur bei der Vielspieler*innenschaft, sondern auch bei den Gelegenheitsspieler*innen einer großen Beliebtheit. Die Einstiegshürde ist so niedrig, da es ja im Prinzip keine Regeln gibt. Verpackung aufmachen und losspielen/lesen. KOSMOS hat nun das niederländische Spiel Medical Mysteries in sein Verlagsprogramm mitaufgenommen und bringt seinem Publikum eine Verschmelzung dieser beiden Erfolgskonzepte näher. Ich bewundere immer wieder die Autoren und Designer, die sich etwas Neues einfallen lassen und selbst auf den ausgetretensten Pfaden immer noch Neuerungen finden können. Medical Mysteries ist so ein Spiel, das eigentlich nur ein kleines bisschen vom bisherigen Weg abweicht, dadurch aber gerade einen frischen Eindruck erzeugt.
Worum geht es?
Die Spieler*innen schlüpfen in die Rolle von Notfallmedizinern, die in einer Notaufnahme mit Patienten konfrontiert werden, die mit bestimmten Symptomen eingeliefert worden sind. Die Aufgabe ist ganz simpel. Versucht herauszufinden, was den Patienten fehlt und lasst sie nicht sterben. Dazu stehen den, im Normalfall ahnungslosen, Spieler*innen diverse Hilfsmittel zur Verfügung, aus denen sie Informationen ziehen können. Das Spiel läuft (meistens) nicht auf Zeit, sondern sie haben nur eine bestimmte Anzahl von Runden Zeit, um Dinge herauszufinden. Das Spiel gilt als gewonnen, sobald ein Patient die Nacht überlebt. An einer ermittelten Punktezahl können wir darüber hinaus unseren Erfolg messen.
Wie läuft das ab?
Analog zu den oben erwähnten Ermittlungs- und Escape-Room-Spielen, ist der Spielstart recht schnell möglich, denn auch hier gibt es nur wenige Regeln und der Verlag gönnt uns eine Tutorial-Mission, die uns das Spiel näher bringt. Insgesamt befinden sich sechs Umschläge in der Schachtel. Vier Patienten, sowie ein Tutorial und ein Spielmaterialumschlag mit den wichtigsten Dingen, die wir zur Informationsgewinnung benötigen. Ich erkläre hier nur mal den Ablauf den das Tutorial euch vermittelt, damit ihr einen Einblick bekommt.
Es kommt also die 53 jährige Luana Kapule und klagt über Schmerzen im Rücken nachdem sie den ganzen Tag in der Sommerhitze im heimischen Garten gearbeitet hat. Sie sagt außerdem, dass sie glaubt einen Hitzschlag erlitten zu haben, da sie in der Bahn fast ohnmächtig geworden wäre. Unser wichtigstes Ziel, wie bei allen Patienten ist sie bis zum Spielende am Leben zu halten. Das ist manchmal ganz leicht und manchmal spielen sich dramatische Szenen ab, die uns vor Probleme stellen. Zu Beginn haben wir den Einleitungstext der Patientin, sowie eine Patientenakte von der ersten Untersuchung. Hierin sind ihre Vitalfunktionen und die Anamnese aufgezeichnet. Darüber hinaus stehen uns medizinische Quellen zur Verfügung, die uns spielrelevantes Wissen über bestimmte Untersuchungen, Medikamente und medizinische Teildisziplinen, wie Orthopädie und Gynäkologie vermitteln. Ganz laienhaft und ohne dass wir Vorwissen benötigen.
Ganz wichtig ist auch noch die sogenannte Zustandskarte auf der neben dem momentanen Zustand des Patienten auch Untersuchungen angegeben sind, die wir veranlassen dürfen. So dürfen wir zum Beispiel ein Gespräch führen oder eine Urinanalyse machen, Antibiotika verabreichen, all solche Dinge. hinter jeder Möglichkeit finden wir einen Buchstabencode, den wir in einem kleinen Codeheft nachschlagen dürfen, sofern wir uns für etwas entschieden haben. Jede Aktion verbraucht dabei Stunden und nach jeweils drei Aktionen müssen wir wiederum per Buchstabencode den Zustand überprüfen. Eventuell ändert sich etwas am Zustand oder auch nicht. So können sich die Voraussetzungen ändern und uns vor neue Situationen stellen. Eventuell wird die Zustandskarte ausgetauscht und wir können neue Dinge tun.
Nach insgesamt zwölf Aktionen ist dann aber auf jeden Fall Schluss und wir müssen stichpunktartig ein kleines Protokoll schreiben. Das dient hinterher zum Abgleich für die Punktewertung. Eine Partie gilt aber immer als gewonnen, wenn der Patient überlebt und uns das Spiel darauf explizit hinweist.
Ein wichtiges Element im Spiel sind auch die Story Karten, die es zu jedem Patienten gibt. Manche der Buchstabencodes führen uns im Codeheft zu einer dieser Karten, die wir uns aus dem Stapel heraussuchen und anschließend lesen dürfen. Auch hier sind immer wieder Hinweise versteckt, die wichtig für unser Vorgehen sein können. Das Spielgeschehen besteht also zu einem Großteil nur aus Lesen und Verstehen, sowie Diskutieren über das richtige Vorgehen. Wer Vorwissen hat findet manchmal vielleicht schneller einen Weg und kann von vorn herein Dinge ausschließen, die keinen Sinn machen. Das Spiel scheint in dieser Hinsicht schon sehr korrekt das Thema Medizin abzubilden. Um das natürlich richtig beurteilen zu könne muss man wahrscheinlich Arzt sein. Die Immersion ist aber auf jeden Fall gegeben. Es fühlt sich echt an.
Im Grunde ist damit das Spiel auch schon beschrieben. Die Fälle unterscheiden sich dann allerdings schon noch ein bisschen untereinander. Wir stehen ab und an auch mal unter richtigem Zeitdruck, so dass uns das Spiel auffordert auf die Zeit zu achten und von der Dauer bis wir etwas herausgefunden haben ein Ergebnis abhängig macht. Das kommt aber nur vereinzelt vor. Insgesamt haben wir hier vier Patienten mit unterschiedlich umfangreichen Krankheitsbildern.
Das Fazit
Ich möchte nochmal herausstellen, dass wir hier eigentlich nicht viel anderes machen als Texte zu lesen und uns Bilder anzusehen, um daraus Schlüsse zu ziehen. Das reicht allerdings völlig aus um mit Medical Mysteries einen Grad an Immersion zu erreichen, der seines Gleichen sucht. Dabei wird hier nicht sensationslüstern auf Krankheiten und kranken Menschen herumgeritten, sondern das Thema sehr respektvoll und äußerst seriös behandelt, was eben diesen Grad an Immersion unterstützt. Es wirkt echt und fühlt sich auch so an. Wir bekommen mitunter Möglichkeiten um Fehlentscheidungen zu revidieren. Alles was wir hier machen erzeugt eine Wirkung. Jetzt könnten einige sagen, dass wir ja nicht frei entscheiden können und nur auf bestimmten Bahnen agieren können. Ja, das ist so, aber ich denke nur so ist ein solches Spiel seriös umsetzbar. Eine totale Freiheit kann es hierbei nicht geben. Wir können nur in bestimmte Richtungen denken und das werden wir auch tun, denn wir bekommen genügend Hinweise, die uns bei genauem Studium der Unterlagen meist mehrere Möglichkeiten offen lassen. Wir folgen also grob einem Skript und müssen keine kreativen Lösungen liefern.
Medical Mysteries wirkt dabei äußerst originell, weil es durchaus ausgetrampelte Pfade, die wir an allen Ecken und Enden sehen, beschreitet, aber es doch immer schafft gerade so neben diesen zu wandeln. Allein das reicht aus um sich hier austoben zu wollen. Wir hatten auf jeden Fall richtig Lust darauf die Patienten dieser Box durchzuspielen und uns Lösungen zu suchen. Die zweite Box Medical Mysteries: Miami Flatlines wartet schon auf uns, die vom Schwierigkeitsgrad etwas höher angesiedelt sein soll. Ich werde auch da berichten. Hier gilt auf jeden Fall für die Freunde der Escape Rooms und Ermittlerspiele unbedingt mal anchecken.
- Verlag: KOSMOS
- Autor(en): Rebecca Bleau, Nicholas Cravotta
- Illustrator(en): unbekannt
- Erscheinungsjahr: 2024
- Spieleranzahl: 1 – 4 Spieler*innen
- Dauer: 30 – 60 Minuten pro Patient