2015 schaffte Colt Express das Kunststück sich den Preis für das Spiel des Jahres 2015 abzuholen und das war, wie ich finde, eine große Überraschung. Konkurrenz gab es nämlich eigentlich genug und einige der besten Spiele schafften es nicht mal auf die Auswahlliste. Im Endeffekt setzte sich Colt Express gegen Machi Koro und das extrem beliebte Uwe Rosenberg Spiel Patchwork durch. Colt Express konnte mit zwei Sachen punkten, die die Jury letztendlich überzeugen konnten. Zum einen ist dort das Westernthema, das nach wie vor im Brettspielbereich absolut nicht vorherrschend ist und nur ab und zu einen guten Vertreter hervorbringt und zum anderen die wunderbare Optik des Spiels mit seinem dreidimensionalen Zug, der zum anfassen für die Spieler das Spielbrett bildet. Aber reicht das aus?
Worum geht es?
In Colt Express übernehmen die Spieler die Kontrolle über unterschiedliche Banditen, die einen Zug überfallen. Diese werden durch Karten in ihren Handlungen von den Spielern programmiert, ohne das die Spieler die Handlungen ihrer Konkurrenten kennen. So entstehen aberwitzige Situationen im und auf dem Zug, denn die Spieler versuchen mehr Beute zu machen als ihre Konkurrenten. Auch ein Marshall ist im Zug anwesend, der den Spielern dabei im Weg steht und eine lukrative Geldkassette bewacht. Wer am Schluß die meiste Beute besitzt, gewinnt Colt Express.
Wie läuft das ab?
Wie schon erwähnt bildet der dreidimensionale, aus stabilen Pappteilen zusammengesetzte, Zug das Spielbrett für Colt Express und steht demzufolge in der Mitte des Tisches und macht tatsächlich einiges her. Ist in diesem Fall aber nicht nur ein Eyecatcher, sondern hat auch eine Funktion und von solchen Dingen würde ich mir mehr in der Spielelandschaft wünschen. Es gibt sogar, weil auf den Stanzbögen noch Platz war, kleine aufstellbare Dekoelemente wie Steine und Kakteen, um es noch ein wenig hübscher aussehen zu lassen. Die Spieler erhalten unterdessen jeder einen Satz Spielkarten, der farblich zu ihrem gewählten Banditen passt, zusätzlich hat jeder Bandit noch einen Satz von sechs Patronenkarten, die er der Reihenfolge nach sortiert. Die Karte mit sechs Kugeln liegt ganz oben auf dem Stapel und nach unten werden es immer weniger. Dazu bekommt jeder ein passendes Tableau und eine Spielfigur. Die Länge des Zuges ist abhängig von der Spieleranzahl und es gibt Waggons in denen wenig Beute zu holen ist und welche mit mehr Beute. Die Beute wird in Form von kleinen Geldsäckchen und Diamanten im Zug verteilt. Die Geldsäckchen haben verschiedene wertigkeiten von 250 bis 500 Dollar, während die Edelsteine immer 500 Dollar wert sind. In jedem Waggon ist die entsprechende Anzahl an Beutestücken aufgedruckt. Zusätzlich bekommt jeder Bandit zu Beginn bereits ein Geldsäckchen mit Wert 250 verdeckt auf sein Tableau gelegt. Der Marshall wird zusammen mit der Geldkassette, die 1000 Dollar wert ist, in die Lokomotive gestellt.
Zwei weitere Dinge müssen noch vorbereitet werden, bevor es losgehen kann. Erstens werden die neutralen Patronenkarten als Stapel bereitgestellt. Sie werden benötigt, falls der Marshall auf die Spieler schießen sollte. Die Patronenkarten sowohl der Spieler, als auch des Marshalls stellen Verletzungen dar, die den Spielern zugefügt wurden. Die Karten haben keine Funktion, müllen den Spielern aber ihre Kartendecks zu, da sie in diese nach jeder Runde hineingemischt werden. Als zweites wird ein Rundenstapel aus fünf Karten zusammengestellt. Die Rundenkarten für die entsprechende Spieleranzahl werden gemischt und vier von ihnen verdeckt gezogen und als Stapel vor den Startspieler gelegt. Anschließend werden die Bahnhofskarten gemischt und einer verdeckt gezogen. Diese Karte kommt als letzte unter den Stapel. Am Anfang jeder Runde deckt der Startspieler eine dieser Karten auf und diese bestimmt, wieviele Spielzüge die Spieler in dieser Runde spielen müssen und welche speziellen Ereignisse eintreten. Nach fünf Runden endet das Spiel.
Kommen wir zum Spielablauf. Colt Express besteht eigentlich nur aus zwei Phasen. Einer Planungsphase, in der die Spieler ihre Karten ausspielen und einer Actionphase, in der die Karten, die vorher ausgespielt wurden, abgehandelt werden. Zu Beginn einer jeden Runde mischen die Spieler ihr Deck und ziehen anschließend sechs Karten auf die Hand. Der Startspieler deckt eine Rundenkarte auf. Diese zeigt den Spielern an, wieviele Spielzüge in dieser Runde insgesammt gespielt werden und in welcher Runde spezielle Ereignisse zu erwarten sind. Vier mögliche Dinge können hier passieren. Entweder ist eine leere Karte abgebildet, die den Spielern besagt, es wird normal und offen ausgespielt. Der Tunnel sagt, dass die Karte verdeckt ausgespielt wird und die Gegner somit nicht wissen, was man plant. Die Beschleunigung, symbolisiert durch eine Doppelkarte, erlaubt den Spielern einfach zwei Aktionen in einem Spielzug und ein Weichensymbol gibt an, dass dieser Spielzug gegen den Uhrzeigersinn gespielt wird. Diese Symbole sind für alle Spieler sichtbar und einplanbar. Manche der Karten verfügen noch über einen Effekt, der ganz am Ende, nachdem alle Spieler alle ihre Karten gespielt haben, eintritt. Das können sehr vielfältige Dinge sein, wie zum Beispiel, dass der Zug stark abbremst und alle Banditen, die auf den Dächern der Waggons stehen, einen Waggon nach vorne in Richtung der Lock gezogen werden, oder dass sich die Passagiere wehren und alle Banditen innerhalb des Zuges eine neutrale Patronenkarte bekommen. Es gibt hier jede Menge Effekte die eintreffen können.
Nachdem der Startspieler seine Aufgabe erledigt hat, beginnt der Startspieler mit seinem ersten Spielzug. Ist man an der Reihe, kann man genau zwei Dinge tun, entweder spielt man eine seiner Karten oder man zieht drei Karten von seinem Deck. Spielt man eine Karte, so legt man sie der Rundenkarte entsprechend offen oder verdeckt in die Mitte und der nächste Spieler legt, wenn er ebenfalls eine Karte spielen will diese einfach auf die vorher gespielte. Das machen alle Spieler solang, bis die angezeigte Spielzuganzahl erreicht wurde. Alle übrigen Karten legen die Spieler nun ab. Dann folgt die Actionphase, in der die Karten vom Startspieler der Reihe nach abgehandelt werden. Dazu dreht er den Stapel um, so dass die Karten in der Reihenfolge abgehandelt werden, in der sie auch gespielt wurden. So ergibt sich eine Programmierung der Spielfiguren. Unter den Aktionskarten gibt es zum Beispiel welche, die einen Banditen einfach ein Feld vor oder zurück gehen lassen. Das muss der jeweilige Spieler in dem Moment entscheiden. Im Zug wird die Figur einfach einen Waggon vor oder zurück bewegt. Auf den Waggondächern hingegen darf man sich ein bis drei Waggons weit bewegen. Es gibt eine Karte mit der man die Ebenen wechseln kann. Es gibt eine Schußkarte mit der der Bandit auf ds nächste Ziel schießt und eine seiner Patronenkarten in das Deck eines Gegners legen kann. Man kann mit einer Raubaktion Beute aufnehmen, wenn sich welche an dem Ort befindet, wo man sich gerade aufhält, oder man spielt die Marshallkarte, bei der man den Marshall um einen Waggon versetzen kann. Wann immer der Marshall einen Waggon mit Banditen, oder ein Bandit einen Waggon mit Marshall betritt, bekommt der Bandit eine neutrale Patronenkarte. Die letzte Aktion die den Banditen zur Verfügung steht ist eine Hiebaktion, mit der man einen anderen Banditen aus dem eigenen Waggon prügelt und dieser ein Beutestück verliert.
Das ist dann auch schon das ganze Spiel. Die Banditen verfügen jeder noch über eine spezielle einzigartige Fähigkeit, aber das war es dann auch. Wer in all diesen Spielzügen die meiste Kohle einsammelt gewinnt. Als Bonus bekommt der Spieler, der die meisten Schüsse abgegeben hat zur Belohnung 1000 Dollar extra und dreht seine Charkaterkarte um.
Das Fazit
Ich kann ja verstehen, warum Colt Express zum Spiel des Jahres gekürt worden ist. Ich bin auch tatsächlich ein Fan von Robo Rally und Programmierspielen, aber das beste Spiel aus diesem Jahr war es definitiv nicht. Das tut aber für meine Rezension auch nichts zur Sache, denn ich finde Colt Express für einen kurzen Moment (die erste Partie) spaßig, danach wird es absolut vergessbar. Das Spiel bietet mir nicht genug, um zum Dauerbrenner zu werden. Familien mit Kindern kommen wahrscheinlich dennoch voll auf ihre Kosten, denn ich sehe leuchtende Kinderaugen, wenn ein 3D-Zug als Spielbrett auf dem Tisch steht, was mich wieder zur Forderung zurückführt, dass es mehr von diesen Spielelementen geben sollte. Wenngleich ich den Zug hier für große Hände auch ein wenig zu fitzelig finde. Die Figuren in den Waggons zu bewegen ist nicht gerade leicht und die Beute herauszuangeln ebenfalls nicht. Aber das Spiel wird recht schnell eintönig, denn man macht in der Tat nichts außer eine Karte auszuspielen und zu hoffen das sein Plan aufgeht und das vier bis fünf Mal in einer Runde für fünf Runden lang. Nichts anderes tut man in Robo Rally, aber hier verfolgen alle ein Ziel auf dem Spielbrett und hängt man mal zurück, kann man mit vernünftiger Planung und alternativen Routen dem Chaos entgehen. Bei Colt Express habe ich das Gefühl, nichts steuern zu können und total vom Zufall abhängig zu sein. Ich bin abhängig davon, was meine Gegner mit mir machen und wer es schafft in dem Chaos das meiste Geld zur richtigen Zeit am richtigen Ort aufzuheben gwinnt. Das ist eine ziemlich chaotische Siegbedingung
Die Banditen spielen sich zwar schon unterschiedlich, aber in meinen Augen sind ihre Fähigkeiten auch nicht gut genug ausbalanciert und zum Teil haben Charaktere schon arge Vorteile. So sehr ich Colt Express aufgrund der Optik, der Spielidee und des Themas mögen möchte, so sehr bin ich enttäuscht von dem Spiel. Es ist sicherlich kein schlechtes Spiel, aber für ein Spiel mit dieser Auszeichnung ist es in meinen Augen zu schwach. Schade eigentlich, denn gute Westernspiele sind rar gesät.
- Verlag: Ludonaute / Asmodee
- Autor(en): Christophe Raimbault
- Erscheinungsjahr: 2015
- Spieleranzahl: 2 – 6
- Dauer: 40 Minuten