Wenn meine Frau süße Illustrationen sieht, dann ist es schon um sie geschehen. Das Spiel muss her. In der Vergangenheit hat sie zwar schon erfahren müssen, dass süße Illustrationen nicht gleichzusetzen sind mit guten Spielen, aber manchmal ist auch ein Treffer dabei. Drachenhüter überraschte mich dabei ein wenig, denn zunächst wusste ich gar nicht, dass ein neues Spiel von Michael Menzel erscheinen sollte und voila, da isses! KOSMOS und Michael Menzel das scheint eine sichere Bank zu sein. Sein drittes Spiel, wenn wir mal alle Andorspiele unter einen Hut schieben, ist nun sein erstes etwas kleineres Spiel, das nicht in einer großen Schachtel erscheint. Bei Drachenhüter handelt es sich um ein Kartenspiel und ich war zunächst sehr gespannt, ob er das Niveau seiner bisherigen Werke, Die Legenden von Andor und Die Abenteuer des Robin Hood, wird halten können. Eines davon immerhin Kennerspiel des Jahres und das andere nominiert zum Spiel des Jahres. Sehen wir uns nur die Illustrationen an, hat er sicherlich jetzt schon gewonnen. Denn, wenn ihr behauptet in Flamecraft würden die süßesten Drachen der Spielewelt zu sehen sein, dann schaut euch erstmal seine Kreationen in Drachenhüter an.
Worum geht es?
Die Spieler*innen verkörpern in diesem Spiel Zauber*innen, deren Aufgabe es ist, die jungen Drachen zu hüten. Übersetzt in die Spielwelt heißt das so viel wie, ihr dürft jede Runde Drachenkarten aufnehmen und versucht durch möglichst geschicktes Ausspielen und Ablegen der Drachenkarten die meisten Punkte zu erspielen. Was wiederum so viel bedeutet wie, es ist ganz egal, ob es hier um Drachen, Knöpfe oder Pilzsorten geht, lediglich die Spielfarben sind relevant. Aber dazu im Fazit mehr.
Wie läuft das ab?
Was in der Beschreibung erstmal profan und völlig bekannt klingt, entpuppt sich allerdings bei näherer Betrachtung als recht frisches Kartenspiel mit ein paar guten Einfällen. Die Spielvorbereitung ist allerdings der schwächste Teil des Spiels, denn diese erfordert für die Komplexität des Spiels irgendwie zu viel Vorbereitung. Die Schachtel ist nämlich prall gefüllt mit diversen Pappbestandteilen, die uns alle irgendwie Punkte bringen sollen. Zugegebenermaßen sieht das, wie bei Menzel üblich, alles toll aus, nervt aber auch ein wenig. Wir finden neben den übergroßen Karten nämlich dreigeteilte Pappringe, Schilde, Dracheneier und Perlen mit Punktewerten darauf. Die letzten drei werden einfach mit ihren Punktewerten verdeckt gemischt und als Vorrat bereitgelegt, die Ringe müssen wir allerdings nicht nur verdeckt mischen, sondern auch je nach Spieler*innenanzahl einige entfernen und die restlichen der Wertigkeit nach stapeln und für alle sichtbar zugänglich machen. Neben den Pappteilen gibt es auch noch kleine Plastikkristalle, die ebenfalls in den Vorrat wandern und dann widmen wir uns den Karten. Diese sind an ihren Rückseiten in zwei Kategorien unterteilt und gut zu erkennen. Beide Kategorien zusammen sehen, richtig zusammengelegt, aus wie ein Buch. Die linke Seite zeigt dabei Kartenwerte von 1-6 und Belohnungen, während die rechte Seite einen kleinen Drachen zeigt, der entweder blau, rot, grün oder weiß ist. Die Karten mit dem Wert 6 sortieren wir aus und legen sie als gesonderten Stapel in den Vorrat. Sie zeigen einen schwarzen Drachen und dieser fungiert ebenfalls als Belohnung. Die anderen Karten mischen wir nach Rückseiten und legen sie als Buch in die Spielfeldmitte. Je eine Karte wird als Auslage darunter ausgelegt.
Dann geht es auch schon los und der Spielablauf könnte einfacher kaum sein. Wer an der Reihe ist darf zunächst Drachenkarten aufnehmen. Bis zu drei Stück und immer eine nach der anderen. Die Karten können nur aus der Auslage genommen werden und müssen sofort vom entsprechenden Stapel ersetzt werden. Die Vorderseiten zeigen auf allen Karten keine Buchseiten, sondern Drachen in den vier oben erwähnten Farben. Nachdem bis zu drei Karten auf die Hand genommen wurden, darf das magische Buch, so nennt das Spiel die beiden Kartenstapel verändert werden. Dazu darf auf jede der beiden Seiten eine Karte von der Hand mit der Rückseite wieder abgelegt werden. Natürlich darf auch nur eine der Seiten verändert werden.
Dann dürfen wir Karten vor uns ablegen und hier kommt der erste Clou des Spiels. Die Rückseiten des magischen Buchs geben uns vor wie viele Karten von welcher Farbe wir exakt ablegen dürfen. Also zeigt das Buch links eine drei und rechts einen grünen Drachen, so dürfen wir, falls wir ablegen wollen, exakt drei grüne Drachen vor uns ablegen. Die Drachen werden als Stapel vor uns abgelegt und wir sammeln auf den einzelnen Stapeln immer die gleiche Farbe. Der zweite und ebenso wichtige Clou ist, das wir die Drachenstapel nebeneinander ablegen und sobald zwei Stapel vor uns liegen, wir den dritten nur links oder rechts daneben legen dürfen. Nicht dazwischen. Danach dürfen wir nur noch Drachen auf die beiden äußeren Stapel ablegen. Der mittlere ist für uns ab dort tabu. Sobald der vierte Stapel dazukommt, sind beide mittleren Stapel für uns Geschichte.
Haben wir Karten erfolgreich abgelegt, so erhalten wir die Belohnung, die auf dem magischen Buch angegeben ist. Das kann ein Kristall oder eine schwarze Drachenkarte sein, genauso wie ein Ei oder aber immer ein Amulettstück (die Pappringe). Bei den Amuletten müssen wir immer das mit dem noch niedrigsten Wert nehmen, es sei denn auf ihm ist eine Krone abgebildet, dann nehmen wir das momentan wertvollste. Die Wertigkeiten der Amulettstücke reicht von 1 bis 20. Die Spieler*innen legen die Amulettstücke verdeckt vor sich ab, damit die Gegner*innen die Werte nicht sehen. Sobald drei zu einem vollständigen Ring zusammengefügt wurden wird verdeckt noch eine Perle gezogen. Es gibt rote, wertvollere und blaue Perlen. Die Perle wird ebenfalls verdeckt in die Mitte des Rings gelegt und vervollständigt so optisch das Amulett.
Nachdem wir nun also Karten gezogen, eventuell das Buch verändert, Karten ausgelegt und unsere Belohnung erhalten haben, sind unsere Mitspielenden an der Reihe und dürfen, sofern sie können, reihum mitauslegen. Soll heißen, haben sie ebenfalls drei grüne Drachen, wie im Beispiel erwähnt, würden sie ebenfalls die Belohnung erhalten. Danach ist der oder die nächste an der Reihe.
Die anderen Belohnungen, geben uns ebenfalls Vorteile. Die goldenen Eier sind vier Punkte wert und wer am Ende die meisten hat darf eines umdrehen und bekommt so stattdessen für dieses Ei 16 Punkte. Die Kristalle ermöglichen es eine weitere Drachenkarte zu ziehen wenn wir sie dafür eintauschen und die Schilde sind verschiedene Punkte wert und belohnen die Vielfalt der Auslage. Wer zuerst alle vier Farben ausgelegt hat erhält das wertvollste Schild usw.
Das Spielende ist am Ende des Zuges erreicht, nachdem je nach Spieler*innenanzahl eine bestimmte Anzahl an vollständigen Amuletten von allen Spielenden gemeinsam erreicht wurde. Im Spiel zu viert wären dies 9 Amulette. Dann drehen alle ihre verdeckten Wertungsteile um und zählen ihre Punkte. Die meisten Punkte gewinnen wie üblich.
Für Spieler*innen, die noch etwas mehr hinzufügen möchten hält Drachenhüter noch ein paar Truhenplättchen mit Fähigkeiten bereit mit denen das Spiel aufgewürzt werden kann, die ich allerdings persönlich als unnötig empfinde.
Das Fazit
Drachenhüter geht wirklich wahnsinnig schnell von der Hand. Der Zug eines Einzelnen dauert selten lang. Karten werden gezogen und entweder es geht was oder nicht. Wenn nichts geht, ist der Zug sofort vorbei. Das magische Buch wird nur verändert, wenn es einen Plan gibt und dann werden die Karten ja nur noch abgelegt und die Belohnungen kassiert. Ein kurzer Check ob die anderen mitziehen und weiter geht es. Drachenhüter ist kein langes Spiel und wirkt zunächst auch gar nicht mal spannend. Allerdings stellte sich beim Spielen schnell heraus, wieviel Spaß es macht. Etwas das wirklich unerwartet kam, weil alles an dem Spiel nicht neu ist. Lediglich die beiden oben erwähnten Clous, sorgen für den Unterschied. Es gibt viele Spiele, die uns Karten in einer Auslage sammeln lassen, aber ich kenne bisher keines das uns jede Runde eine ganz genaue Vorgabe macht welche wir ablegen müssen. Natürlich verändern wir das ja auch noch selbst ständig, indem wir Karten ziehen, so dass wir immer genau aufpassen müssen. Clou Nummer zwei macht es für uns noch spannenden, denn sobald der dritte Stapel liegt, können wir bestimmte Karten gar nicht mehr loswerden. Das wirkt erstmal gar nicht so schlimm, aber recht bald macht sich das bemerkbar.
Michael Menzel schafft es hier wieder einmal etwas Frisches zu schaffen. Ich will das nicht innovativ nennen, dafür sind diese Pfade zu weit und ausgetreten, aber Drachenhüter macht vieles richtig und das hört bei den hervorragenden Illustrationen, die wir von Menzel gewohnt sind, nicht auf. Das Spiel macht Freude und schlägt genau in die Familienkerbe. Es ist nicht komplex sondern vermittelt Spielelemente die vielen von heimischen Kartenrunden bekannt sein dürften. Verziert mit schnuckeligen Drachen und Phantasiethematik hat es gute Chancen Groß und Klein an einen Tisch zu bekommen. Ich will hier nicht schon wieder Spiel des Jahres rufen, aber Chancen könnte es haben. Soviel anderes sehe ich bisher noch nicht am Horizont.
Die einzigen „negativen“ Punkte die ich hier anführen kann sind die etwas nervige Spielvorbereitung mit den vielen kleinen Einzelteilen und das nichtvorhandene Thema. Drachenhüter könnte auch mit Karo, Herz Kreuz und Pik funktionieren, sehe dann aber nicht im Ansatz so gut aus. Uns hat es bisher sehr gut gefallen.
- Verlag: KOSMOS
- Autor(en): Michael Menzel
- Illustrator(en): Michael Menzel
- Erscheinungsjahr: 2023
- Spieleranzahl: 2 – 4 Spieler*innen
- Dauer: 20-30 Minuten
Ein Gedanke zu „Drachenhüter – Oooh wie süss!“