
Ich gebe zu, Kauri ist mir im ersten Moment durch seine tolle Optik aufgefallen. Auch das Spielprinzip hat mich zunächst neugierig gemacht, da habe ich noch gar nicht so sehr auf das Thema geachtet. Es hieß immer, es sei ein Root im Kennerbereich. Das ist allerdings, wie ich finde, eine eher irreführende Aussage, obwohl Asymmetrie hier natürlich großgeschrieben wird und wir es hier auch mit einem Spiel zu tun haben, bei dem es um die Kontrolle von Gebieten geht. Da endet der Vergleich dann aber auch schon fast. Das Spiel stand dann aber bei uns etwas länger ungenutzt im Schrank herum. Die Jury vom Spiel des Jahres gab bei ihren Nominierungen für die Preise dann aber eine Empfehlung für Kauri im Kennerbereich heraus, was uns das Spiel am nächsten Wochenende sofort ausprobieren ließ. Seitdem habe ich mich viel mit ihrem Urteil und dem Thema von Kauri auseinandergesetzt und war lange am Ringen, wie ich meine Kritik formuliere. Kauri ist definitiv ein Spiel, das nicht unkommentiert hingenommen werden sollte.
Worum geht es?
Ich versuche das mal auf der spielerischen Ebene zu halten. Die Spieler*innen schlüpfen in verschiedene „Bewohner*innen“ Neuseelands, die alle mit eigenen Regeln und Fähigkeiten versuchen die Vormachtstellung zu erlangen, um letztlich die meisten Punkte zu haben, um den Sieg davon zu tragen. Dabei verfolgen alle unterschiedliche Ziele und haben verschiedene Ausgangspositionen. Die Kiwis bewohnen die gesamte Insel und versuchen zu überleben, während die Engländer und Maori zunächst nur mit je einer Figur starten, um ihre Ziele zu verfolgen. Die Possums als invasive Art beginnen das Spiel in der Nähe der Engländer und müssen sich ausbreiten.

Wie läuft das ab?
Spielerisch ist Kauri tatsächlich einfach zu erlernen und verfügt gar nicht über so viele Regeln. Das Spielbrett ist groß und liegt in der Mitte aus. Alle Spieler*innen erhalten ein Tableau, ihre Spielfiguren und einen Satz mit Karten. Dazu bekommen alle noch ein vierseitiges Regelheft, indem die Effekte ihrer Karten ausführlich erklärt werden. Auf der Vorderseite finden sie auch Informationen zur Startaufstellung.

Kauri funktioniert für zwei bis vier Spieler*innen und das ist technisch auch richtig. Die Wahl der Fraktionen ist dann nur nicht mehr gegeben. Im Spiel zu zweit kommen nur die beiden Tierfraktionen Kiwis und Possums zur Anwendung. Eine Figur des Engländers wird dennoch benötigt, um das Spiel zu ermöglichen. Im Spiel zu dritt sind nur die Maori nicht dabei. Insgesamt sind das sehr enge Vorgaben, weswegen das Spiel, so wie es gedacht ist, am besten in der vollen Besetzung funktioniert.

Eine Partie läuft über fünf Runden mit je vier Zügen ab. Das wird auf der großen Uhr auf dem Spielfeld für alle gut sichtbar dargestellt. Die Runden sind dabei der zeitliche Fortschritt auf Neuseeland und sollen das Geschehen im Laufe der Zeit wiederspiegeln. Ein Zug besteht für die Spielenden in der Auswahl zweier Karten von ihrer Hand. In jeder Runde stehen den Spieler*innen drei Karten zur Verfügung. Die Karten erfüllen zwei Funktionen, zum einen haben sie einen Initiativewert von eins bis vier und zum anderen zeigen sie eine oder mehrere Fähigkeiten, die wir ausüben dürfen. Die Spieler*innen legen beide Karten verdeckt vor sich aus. Die Initiativekarte wird dabei quer gelegt, so dass keine Verwechslung entsteht. Haben alle gewählt wird zunächst die Initiative aufgedeckt und wer die niedrigste Zahl gewählt hat startet zuerst. Bei Gleichständen löst eine Spielinterne Reihenfolge, die oben auf dem Spielbrett aufgedruckt ist, diese auf. Dann spielen nach und nach alle ihre zweite Karte und führen ihre Züge aus. Nach vier Zügen ist dann eine Runde beendet und der gesamte Kartenpool wird erneut gemischt und steht wieder zur Verfügung. Jede Fraktion hat eine ganz besondere Karte mit der weitere zum Teil permanente Fähigkeiten auf ihren Tableaus freigespielt werden können. Mit dem Rest geht es darum, die eigenen Stärken und Schwächen möglichst gut auszuspielen.

Die Fraktionen spielen sich dabei komplett asymmetrisch und bedingen sich mitunter gegenseitig.
Kiwis: Die kleinen Vögel sind von Beginn an auf der gesamten Insel vertreten. Genauso wie übrigens auch die namensgebenden Kauri-Bäume. Auch sei noch erwähnt, dass das Spiel nur auf der Nordinsel spielt. Für die Kiwis geht es um das nackte Überleben und den Erhalt ihrer Art. Sie müssen die Bäume bewahren, denn ohne sie haben sie keinen Lebensraum und müssen entfernt werden.
Possums: Sie streben eine möglichst große Verbreitung an und dazu müssen sie sich bewegen und neue Generationen zeugen. Sie starten in der Nähe des Engländers, der sie auf Neuseeland eingeschleppt hat. Muss sich aber auch von diesem entfernen, denn wenn dieser sein ökologisches Gewissen entdeckt, Jagd er die Possums, um die Natur zu erhalten.
Engländer: Startet in einer der drei Städte auf der Insel und fällt zunächst Bäume und baut Straßen. Im Verlauf des Spiels entwickelt er ein Gewissen der Natur gegenüber und verwandelt sein Handeln zum Ökoaktivisten
Maori: Die Maori erwachen erst zu ihrer vollen Stärke, wenn der Vertrag von Waitangi mit den Engländern geschlossen wurde. Dann können sie Vororte bauen und Straßen benutzen, während sie vorher Tempel errichten.

Mehr gibt es zum Spielprinzip nicht zu sagen, allerdings…
Das Fazit

Kauri als Spiel funktioniert. Es funktioniert sogar so gut, dass es in seinen besten Momenten ein toller interaktiver Wettkampf um die Vorherrschaft auf dieser Insel ist. Seine „besten Momente“ heißt ganz eindeutig zu viert. Zu zweit und zu dritt bleibt irgendwie ein fader Beigeschmack, dass die fehlenden Völker doch herangezogen werden müssen, damit es überhaupt funktioniert. Die Asymmetrie ist ansonsten gut umgesetzt und das Spiel weiß optisch zu überzeugen. Auf der spielerischen Seite hat Kauri ein Königsmacher-Problem, denn spielt jemand nur larifari oder zeigt deutliche Sympathien für ein*e Mitspieler*in, ist dem nur schwer entgegenzuwirken. Das ist aber natürlich eher ein Problem der Mitspieler*innen, denn des Spieldesigns. Ich wollte es dennoch erwähnt haben.
Nun würde ich aber gerne noch ein paar Takte zum Thema loswerden, bzw. zur Umsetzung einiger Sachverhalte. Ich glaube den Autoren ja, dass sie das Thema des Spiels mit besten Absichten so gewählt haben, wie sie es taten, und eigentlich eher den ökologischen Aspekt beleuchten wollten. Aber das ist, aus meiner Sicht, ganz schön in die Hose gegangen, denn Kauri zeigt in seiner ganzen Machart auch den europäischen Blick auf die Kolonisation und wie wenig reflektiert hier mit dem Thema umgegangen wurde. Das ist aus meiner eigenen, europäischen, Sicht schon peinlich zu nennen.
Wenn ihr euch jetzt fragt wovon ich rede, bitte ich euch das Spiel etwas genauer zu betrachten. Die Maori werden in diesem Spiel marginalisiert, indem sie nur im Spiel zu viert vorkommen, obwohl sie früher auf Neuseeland ansässig waren als die Engländer. Darüber hinaus ist die Darstellung als Wilde, die in ihrer Spiritualität verhaftet und nur dankbar auf die Errungenschaften der Eindringlinge gewartet haben, mehr als deutlich und äußerst klischeehaft. Ihre großen Versammlungshäuser werden zu Tempeln umgedeutet und im Spielverlauf werden sie besser, nachdem sie die Straßen der Engländer benutzen können. Das ist definitiv eine Sicht, die nur von den Kolonisierern stammen kann. Diese werden dann auf der anderen Seite als positiv und lernfähig besetzt, denn sie verstehen ja irgendwann, dass die Zerstörung der Natur sie nicht voranbringt.

Ich denke Kauri wollte nicht politisch sein, sondern wirklich hauptsächlich den ökologischen Aspekt zeigen, stapft aber in viele Fettnäpfchen, weil es sich doch auf reale Ereignisse, wie den Vertrag von Waitangi bezieht, dessen Darstellung auch deutlich zu positiv ausfällt.
Natürlich kann jetzt argumentiert werden, Kauri sei nur ein Spiel das Familien Spaß machen soll und man muss ja nicht gleich Alles so hoch hängen, doch da widerspreche ich entschieden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein solches Spiel in Maori-Familien für viel Spaß sorgen wird. Es ist aber durchaus üblich in Europa die Bedeutung des Kolonialismus und Imperialismus herunterzuspielen und die betroffenen Völker nicht ernstzunehmen. Kauri ist in meinen Augen ein Produkt der Unbeholfenheit sich mit solchen Themen ausreichend auseinanderzusetzen. Viel mehr zeigt es ja sogar, dass man gewillt war sich mit der Geschichte zu beschäftigen, stellt dann aber alles aus Sicht der Europäer dar. Ich habe keine Ahnung was die Autoren oder der Verlag für Recherchen betrieben haben, aber ich glaube nicht das Maori hier involviert waren.
Und als fände ich das nicht schon schlimm genug, kommt nun die Spiel des Jahres Jury daher und empfiehlt Kauri einer breiteren Spieler*innenschaft mit folgender Aussage: „Kauri bietet ein asymmetrisches Spielerlebnis mit vielen Perspektiven und einen reflektierten, konstruktiven Umgang mit dem Thema Kolonialismus.“ Dem muss ich leider widersprechen. Nur der erste Teil entspricht meiner Meinung nach der Wahrheit: „Kauri bietet ein asymmetrisches Spielerlebnis“, der Rest ist leider falsch. Kauri bietet eine europäische Perspektive und einen einseitigen, undifferenzierten und peinlichen Umgang mit dem Thema Kolonialismus.
- Verlag: Koalla Spiele
- Autor(en): Charlec Couronnaud
- Illustrator(en): Jérémie Fleury
- Erscheinungsjahr: 2025
- Spieleranzahl: 2 – 4 Spieler*innen
- Dauer: 40 – 60 Minuten
Vielen Dank für die kritische Auseinandersetzung mit der Thematik, das hat mir her gefallen!
Sehr sympathisch
Liebe Grüße Ferdi