#012 Blogbuch – Ausgrenzung

Wie mein Vater früher Tageszeitung gelesen hat, um auch über das Geschehen in der Nachbarschaft unseres Ortes informiert zu sein, lese ich jeden Tag in einer festen Routine diverse Blogbeiträge und versuche mich dabei ein bisschen breiter zu streuen. Blogs sind genauso unterschiedlich wie ihre Macher*innen und spiegeln verschiedene Haltungen wider. So versuche ich, wie einst mein Vater über die Nachbarschaft, über das spielerische Geschehen in meiner Nachbarschaft auf dem Laufenden zu bleiben. Auch der Blog Brett & Pad gehört seit geraumer Zeit dazu. Warum? Weil die beiden es sehr gut schaffen Emotionen zu transportieren und sich glaube ich gar nicht bewusst sind, wie sehr sie durch ihren Stil die männlichen Rezipienten ansprechen. Sie sind gefühlt die Fußballkumpels von nebenan, die in launiger Kneipenrunde immer von ihren Erlebnissen bei diversen Heim- und Auswärtsspielen erzählen. Aus diesem Grund finde ich es immer wieder spannend ihre Beiträge zu lesen. Ganz oft wegen der Emotionen, aber auch wegen der Kommentare ihrer Leserschaft und hier gendere ich jetzt ganz bewusst nicht. Der Beitrag „Was macht uns aus?“ erweckte in diesem Fall vor ein paar Tagen im Besonderen meine Aufmerksamkeit und bringt mich nun dazu diesen Beitrag hier zu verfassen. Ich hätte auch bei ihnen kommentieren können, aber habe mich doch zu einem eigenen Beitrag entschlossen.

Es geht in dem Beitrag um die Nachbetrachtung des Tages der Brettspielkritik aus diesem Jahr und im speziellen um den Vortrag von Dr. Cosima Werner von der Uni Kiel. Auch ich war zu dem Treffen eingeladen, wäre auch gerne dort gewesen, kann das aber wie eigentlich in jedem Jahr, mit meiner Arbeit nicht so richtig vereinbaren. Ich würde an dieser Stelle auch gerne meine zwei Cents dazu in den Hut werfen, bitte aber dabei zu bedenken, dass ich mich nur auf den Beitrag und nicht auf die nachfolgende Diskussion in den Kommentaren beziehe. Es könnte also durchaus sein, dass hier das ein oder andere vorkommt, das dort bereits diskutiert wurde.

Ich teile die Darstellung der Selbsteinschätzung der Brettspiel-Szene. Diese sieht sich selbst in der Tat sehr oft als superoffen und familiär. Wobei hier für meinen Geschmack schon der erste Widerspruch in sich auftritt. Familiär ist für mich das Gegenteil von Offenheit. Es beschreibt eher den Zusammenhalt einer Gemeinschaft in die du von außen schwer hineinkommst. Insofern ist familiär hier zwar der richtige Begriff für die Szene, die aber eigentlich was anderes meint. Mit der Offenheit innerhalb der Szene ist es aus meiner Sicht eher so ein Wunschdenken. Sowas kannst du mitunter auch bei lokalen Spieletreffs selbst erleben. Da versuchst du von außen in eine bestehende Gemeinschaft hineinzukommen. Wir haben das tatsächlich in Bochum schon probiert und es war mitunter schwierig. Ich denke die Szene meint mit familiär eben genau dieses Zusammengehörigkeitsgefühl und das ist an sich schon eher exklusiv.

Mit der Offenheit ist es auch ganz schnell vorbei, wenn du anfängst die schwierigen Themen anzufassen. Kritisiere den Kolonialismus und nicht wenige fühlen sich gleich auf den Schlips getreten, vom Gendern und dem Sexismus in der Szene ganz zu schweigen. Ambiguitätstoleranz ist da in der Tat ein Fremdwort. Da wären wir dann bei der angesprochenen Happyworld und dem Raum in dem die Szene eine gute Zeit haben will, ohne über die sowieso alltäglichen Probleme nachdenken zu wollen. Meiner Erfahrung nach ist die Szene genauso lange offen, wie sie neue Spieler*innen bekommen kann, die sich angepasst an ihren Raum benehmen, also zu den angesprochenen Themen genauso die Klappe halten und einfach mitspielen. Wenn ich einen afghanischen Migranten zu einem Treffen mitbringe, der nur gebrochen deutsch spricht und nicht alles versteht wird es meist schon schwierig. Sich mit einem solchen Spielwilligen auseinanderzusetzen und ein Spiel zu finden, bei dem er ohne fundierte Sprachkenntnisse mitspielen kann wird es fast unmöglich und scheitert auch an der mangelnden Offenheit und Bereitschaft sich darauf einzulassen.

Die Szene ist nämlich eigentlich elitär und grenzt sich sogar ab. Sie erfindet dabei genauso wie andere Hobbys und Berufsfelder auch eine eigene Sprache mit diversen Codes, die nur die Eingeweihten verstehen, wenn sie denn des Englischen mächtig sind. Genau das ist der Grund für die vielen Begriffserklärungen, die ich am Anfang in meinen Blog eingestreut habe. Etwas, das ich bei Gelegenheit unbedingt wieder fortführen sollte, denn es fehlen noch diverse Begriffe. Die sind hier übrigens entstanden, nachdem eine Kollegin, die wahnsinnig gerne spielt, sich über Brettspiele und den neuen Hype informieren wollte, aber immer wieder auf Texte traf, in denen sie nur die Hälfte verstand und dann schon keine Lust mehr hatte weiterzulesen. Ich nehme mich hier übrigens nicht aus. Auch ich trage dazu bei, indem ich diese Begriffe hier benutze und zu selten erkläre oder verlinke.

Auch das Aufschwingen mancher als Wächter des guten Geschmacks ist natürlich Teil „unserer Brettspielszene“. Die Deutungshoheit darüber „was gute Brettspiele sind“ ist weit verbreitet und es wird tatsächlich schlimmer je komplexer und aufwendiger die Spiele werden. Da werden simplere Familienspiele plötzlich zu schlechteren Spielen erklärt, nur weil sie dem eigenen Komplexitätsgeschmack nicht entsprechen. Na klar ist Monopoly ein Scheißspiel für jemanden der es gewohnt ist strategisch zu agieren und komplexe Handlungsketten zu erdenken, aber dennoch kann es für eine bestimmte Zielgruppe zu einer bestimmten Zeit dennoch ein tolles Spiel sein. Ich habe es gehasst das Spiel früher zu Weihnachten in meinem Laden zu verkaufen. Habe immer Versuche unternommen andere, aus meiner Sicht bessere, Spiele zu empfehlen, aber wer bin ich denn ihre Haltung und Entscheidung zu kritisieren. Sie hatten mit Sicherheit Spaß dabei es zu spielen. Die deutsche Brettspielszene ist aus meiner Sicht natürlich ein Spiegel der deutschen Gesellschaft und die ist bei denen, die den Ton angeben wollen vor allem weiß und männlich und nicht besonders offen, denn es mangelt bei vielen an der Bereitschaft über den Tellerrand zu schauen und auch mal andere Perspektiven einzunehmen (im Übrigen etwas, dass sie in Brettspielen durchaus bereit sind zu tun).

Was heißt das nun aber für diejenigen von uns, die ihre Zeit damit verbringen solche Beiträge wie diesen und diverse Besprechungen von Brettspielen zu schreiben? Macht es Sinn? Darf ich überhaupt sagen, dass ich was scheiße finde? Ja natürlich, aber es kommt darauf an, wie die Kritik geäußert wird. Ich würde mir sogar wünschen das Kritik deutlicher wird und sich nicht jeder versucht in Sicherheit zu wiegen. Oben erwähnter Blog hat aus meiner Sicht auch ein Problem damit. Ist die Wertung unter einer acht, wird es für mich meist schon schwierig. Da kann ich mir sicher sein, irgendwas läuft nicht so ganz rund und im Text wirst du dann ja auch meist fündig was das Problem darstellt nur rein numerisch ist das Spiel immer noch gut und das macht für mich einfach keinen Sinn. Der viel Erwähnte Udo Bartsch schreibt doch auch in seinen Besprechungen, wenn Spiele „mies“ sind, aber er lässt eine solche Äußerung nie unerklärt oder wird beleidigend. Bei vielen Influencern und Bloggern hast du aber deshalb den Eindruck, sie würden sich selber schaden, wenn sie deutlicher werden würden und das finde ich einfach nicht zielführend.

Niemand sollte außerdem den Fehler begehen, solche Reviews und Aussagen als Allgemeingültigkeiten anzunehmen. Nur weil ein Hansel wie ich schreibt, dass er Spiel XYZ so findet wie er es findet, heißt das für die Rezipienten da draußen erstmal gar nichts. Das Spiel kann ihnen dennoch gefallen. Wenn du aber mal jemanden gefunden hast, bei dem du feststellst, dass du mit ihm oder ihr auf einer Wellenlänge zu liegen scheinst was das Spielen angeht, ist das doch toll und ihre oder seine Reviews haben für dich vielleicht mehr Gültigkeit als für andere. Die Reviewer sollten sich da nicht so wichtig nehmen und sich für relevant halten. Es sind diejenigen die es lesen, die das entscheiden.

Also spielt schön und vor allem was ihr wollt.

2 Gedanken zu „#012 Blogbuch – Ausgrenzung“

  1. Ich lese auch einige Blogs. Deinen, den von Brett und Pad und noch einige andere.

    Schöner Beitrag, deckt sich mit meiner Erfahrung. Die Szene ist schon sehr nerdig (zähle mich hier zum Teil dazu) und nicht immer offen für Neue(s).

    Danke für deine Mühe und die oftmals sehr erfrischenden Beiträge – bitte weiter so.

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