Hadrianswall

Hadrianswall

Ich persönlich mag das Roll & Write- Genre genauso wie die Flip & Write- Vertreter für eine Runde Zwischendurch echt gern. In der Regel wird die Packung aufgemacht, Würfel oder Karten herausgenommen, jeder bekommt einen Stift und einen Zettel von einem Block und los gehts. Nach zwanzig bis dreißig Minuten ist das Spielchen zu Ende und gut. Die meisten Vertreter bewegen sich dabei im Familien bis Kennersektor und sind recht zugänglich oder verfügen über ein mitteres Maß an Regeln, um es etwas exklusiver und herausfordernder zu gestalten. Hadrianswall ist ein Flip & Write-Spiel, jedoch gehört es mit nichten in die Familien- oder Kennerecke. Hier haben wir es vielmehr mit einem ausgewachsenen Expertenspiel zu tun. Sieht man die Spieleschachtel, so könnte einem schon der Gedanke kommen, das hier etwas mehr Spiel in der Schachtel ist als bei einem üblichen Roll & Write. Wird diese dann aber angehoben, ist es Gewissheit, denn Hadrianswall wiegt schwer. Dabei ist die Schachtel, wie von den Garphil Games gewohnt und von Schwerkraft umgesetzt, eher klein von Format. Hadrianswall ist aber überhaupt nicht klein, sondern für ein Flip & Write ganz schön gewaltig und auf den ersten Blick einschüchternd.

Worum geht es?

In Hadrianswall beschäftigen sich die Spieler*innen damit ein sogenanntes Meilenkastell zu errichten. Von diesen gab es jede Menge entlang des Hadrianswalls, der in etwa zwischen den heutigen Grenzen von England und Schottland verlief. Lange Zeit wurde angenommen, das der Wall dazu dienen sollte die Pikten fernzuhalten, was er sicherlich auch tat, jedoch diente er wohl hauptsächlich dazu den Personen- und Handelsverkehr zu kontrollieren und über die wenigen Durchgänge zu kanalisieren, so dass Zölle erhoben werden konnten. Im Spiel von Bobby Hill, dass uns über sechs Runden zu einem Kommandanten eines solchen Kastells macht, müssen wir uns um die Verteidigungsanlagen genauso kümmern, wie um unsere Bevölkerung und den Ausbau des Kastells. Am Ende einer Runde wird unser Kastell dann von den Pikten angegriffen und unsere Verteidigung getestet. Nach sechs immer heftiger werdenden Angriffen gewinnt, wer die meisten Punkte erreichen konnte.

Hadrianswall – Spielaufbau / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Okay, wir öffnen die wahnsinnig schwere Schachtel und finden ein paar Karten, ein paar schmale Papptableaus, ein paar Holzfigürchen in vier Farben, sowie ein paar Steine und vor allem zwei richtig dicke Blöcke, die so groß sind wie die Schachtel. Als erste Reaktion hatte ich ein wenig Ehrfurcht vor diesen schweren Blöcken, die aber recht schnell von der Frage vertrieben wurde, ob sie in meiner Ausgabe die Stifte vergessen haben. Nein, haben sie nicht, denn hier gibt es keine. Wahrscheinlich hätten sie auch gar nicht in die Schachtel gepasst.

Der Spielaufbau ist recht schnell erledigt. Hadrianswall ist mit bis zu sechs Spieler*innen mit einer Ausgabe spielbar. Das ist allerdings ein Witz, aber dazu komme ich später. Die Begrenzung auf sechs Spieler*innen liegt alleine an den sechs verschiedenfarbigen Kartensätzen für die Spieler*innen am Tisch. Wie bei vielen Roll & Writes ist es möglich Hadrianswall auch über das Netz mit Kamera zu spielen und kann so auch mit viel mehr Leuten gespielt werden.

Hadrianswall – Spielbereich / Foto: Spieltroll

Jede*r Spieler*in erhält einen Kartensatz, ein zweiteiliges Tableau und einen Zettel von jedem der zwei Blöcke. Die Figuren und Steine werden als allgemeiner Vorrat in die Mitte des Tisches gestellt. Die sogenannten Schicksalskarten werden gemischt und ebenfalls als Stapel in der Tischmitte ausgelegt. Die Spieler*innen bauen ihr Tableau zusammen und legen es so vor sich aus, das darunter die beiden Zettel nebeneinander Platz finden. Ihre persönlichen Karten werden gemischt und links neben das Tableau gelegt. Nun kann es auch schon losgehen.

Um Hadrianswall zu erklären kann ich im Anschluss nicht ins Kleinklein der Regeln gehen. Denn sagen wir es einmal so: wo Ein Fest für Odin mit seinen Worker-Placement-Einsatzfeldern angibt, tut es Hadrianswall mit seinen Ankreuzfeldern. Die beiden Blätter sind sehr einschüchternd und es gibt wahnsinnig viele Möglichkeiten. Ich werde hier ein paar Bereiche grob zusammenfassen, bevor ich im Fazit auf das große Ganze eingehe.

Hadrainswall – Planungskarte / Foto: SPieltroll

Hadrianswall spielt sich im Grunde ein wenig wie Ganz schön Clever. Wir dürfen Kreuzchen machen und erhalten dafür Belohnungen, die wir wiederum sofort benutzen dürfen und auch sollten, denn am Ende einer Runde ist alles, was wir nicht benutzt haben weg. Alles was wir an Arbeitern und Rohstoffen bekommen erhalten wir physisch, so das wir es uns nicht merken müssen, denn das ist fast unmöglich bei der Masse die wir in einer Runde hin und hertauschen. Jede Runde läuft dabei gleich ab. Vom mittleren Stapel der Schicksalskarten wird für alle Spieler*innen eine Karte umgedreht. Auf dieser sind neben ein paar anderen Dingen hauptsächlich unsere Arbeiter und Rohstoffe für diese Runde zu sehen, die wir uns prompt aus dem Vorrat nehmen und auf unser Tableau stellen. Anschließend ziehen wir zwei Karten von unserem Stapel und müssen eine Entscheidung treffen. Eine der Karten wird zu unserer Planungskarte und wird am oberen Rand unseres Tableaus untergeschoben. Sie liefert uns am Spielende Punkte für bestimmte Dinge. Die zweite wird rechts neben das Tableau gelegt und liefert uns weitere Rohstoffe für die Runde. Dann Spielen alle Spieler*innen parallel ihr Spiel, bis alle fertig sind. Dann greifen die Pikten in Form der Schicksalskarten nochmal in das Spiel ein und greifen bestimmte Mauerabschnitte an. Sind sie gut verteidigt gibt es Punkte, klappt es nicht, gibt es Missgunst. So spielen sich alle sechs Runden mit der Ausnahme, dass die Angriffe immer heftiger werden und wir hoffentlich gewappnet sind.

Hadrianswall findet auf den beiden Zetteln statt, die prall gefüllt mit einzelnen Spielelementen sind. Der linke Zettel beschäftigt sich mit unserem Kastell und der rechte mit den Menschen darin. Ankreuzfelder sind in der Regel eckig, können aber verschieden breit sein. Ihr Hintergrund ist immer weiss, aber es können sich unterschidliche Symbole in den Kästchen befinden, die Boni darstellen, die wir sofort erhalten.

Hadrianswall – Kastellbereich / Foto: Spieltroll

Ganz oben auf dem linken Blatt finden sich unsere Kohorten wieder. Das ist quasi unsere Armee, die wir an unserem Mauerabschnitt aufstellen müssen. Hier setzen wir im Spielverlauf links, mittig und rechts Kreuze, die hinterher am Rundenende unsere Verteidigung gegen die Pikten darstellt. Ein sehr wichtiger Bereich. In den fünf Zeilen darunter bauen wir die wichtigsten Bereiche unseres Kastells aus. Alle Zeilen sind von links nach rechts mit Kreuzen zu befüllen. Der gesamte Bereich ist ebenfalls in drei Spaltenabschnitte unterteilt und wir können erst in den nächsten der oberen vier vordringen, wenn wir im untersten den nächsten Abschnitt freigesschaltet haben. Hier bauen wir unsere Produktion, unsere Mauer und unsere Barrikaden sowie unsere Wachmannschaft aus.

Hadrianswall – Fertigkeiten und Wertungsbereich / Foto: Spieltroll

Darunter folgt ein Teil unseres Kastells, der sich mit unserer Produktion beschäftigt und uns zu Beginn einer jeden Runde zusätzliche Arbeiter und Ressourcen zur Verfügung stellt, je nachdem wie gut wir ihn ausgebaut haben. Knapp darunter gibt es noch einen Bereich für vier Wahrzeichen, die wir errichten können, die aber hohe Vorasussetzungen besitzen und erst spät im Spiel genaut werden können. Jedes der vier Wahrzeichen beruft sich dabei auf eine der vier Eigenschaften des Spiels. „Eigenschaften?“, fragt ihr euch bestimmt? Wir verkörpern ja einen Kommandanten in Hadrianswall und im unteren Bereich des linken Blatts finden sich vier Zeilen mit ihnen wieder. Diese vier Zeilen sind im Prinzip die wichtigsten des Spiels, denn sie sind es für die wir Punkte am Ende bekommen. Es ist also unser Ziel auf diesen Leisten so weit es geht voranzukommen.

Hadrianswall – Bürgerbereich / Foto: Spieltroll

Der rechte Zettel beschäftigt sich ganz mit den Bürgern unseres Kastells und mit den Gebäuden die durch sie entstehen. Links sehen wir fünf unterschiedliche Kategorien von Bürgern: Händler, Darsteller, Priester, Beamte und Patrizier. Diese fünf Bürgerklassen können wir aufleveln und je nach Level rechts daneben Gebäude bauen, die uns weitere Boni und Möglichkeiten bringen. Diese Gebäude bauen je Klasse auch wieder aufeinander auf und müssen nacheinander errichtet werden. Bei den Händlern zum Beispiel können wir einen Markt errichten und mit Handelswaren handeln. Diese finden wir auf den Schicksalskarten wieder. Sie sind mit Nummern von eins bis sechs versehen und wir können diejenige, die auf unserer eigenen Karte angezeigt wird und die auf den Karten unserer Nachbarn handeln. Das ist fast schon der einzige Interaktionsmoment.

Nachdem alle Spieler*innen alle Ressourcen und Arbeiter ausgegeben haben und fertig sind, ziehen wir gemäß der Runde und des Schwierigkeitsgrades eine Anzahl Karten des Schicksalsstapels offen und schauen wieviele Pfeile auf die jeweilige Kohorte zeigen. Dann vergleichen wir die Anzahl mit der Anzahl unserer Kreuze. Ist die Anzahl Kreuze an jedem angegriffenen Mauerabschnitt gleich oder größer haben wir standgehalten und werden mit Tapferkeit (eine unserer Eigenschaften) belohnt. Schaffen wir das nicht, so ernten wir Missgunst, die am Spielende Minuspunkte wert ist. Nach sechs Runden zählen wir die Punkte zusammen und ermitteln eine*n Sieger*in.

Das Fazit

Nehmen wir die Kuh erstmal vom Eis: Hadrianswall ist eigentlich ein Solospiel. Wird es mit mehr Leuten am gleichen Tisch gespielt möchte ich allen Leuten die jemals behauptet haben Imperial Settlers sei ein Multisolitärspiel entgegenrufen: „Das hier ist die Definition eines Multisolitärspiels!“. Das ist nicht übertrieben, denn nie hat dieser Begriff, für meinen Geschmack, besser gepasst als bei Hadrianswall. Die Spieler*innen werkeln alle nur auf ihren Zetteln herum und tauschen munter Arbeiter und Ressourcen zwischen ihrem Tableau und dem Vorrat hin und her, bis nichts mehr übrig ist. Interkation: Fehlanzeige! Ist aber auch für ein solches Spiel nicht schlimm, solange alle Wissen auf was sie sich da einlassen. Wobei ein einziges kleines Moment der Interaktion gibt es ja wirklich und das ist das erwähnte Handeln, welches ich aber im Spiel mit mehreren Spieler*innen auch ein wenig problematisch finde, denn falls ein*e Spieler*in mit einem/einer Nachbar*in handeln möchte, weil zufällig eine Handelsware mit der richtigen Nummer dort liegt, so bekommt die Mitspieler*in die Ressource. Streng genommen kann das herausgezögert werden, bis diese*r keine Möglichkeit mehr hat diese Ressource sinnvoll einzusetzen. Da ist die Regel einfach schwammig, sollte aber in vernünftigen Runden kein Problem darstellen und ich finde an dieser Stelle wird klar, dass es eigentlich ein Solospiel sein soll. Hadrianswall kommt auf jeden Fall mit Spielmaterial für sechs Spieler*innen. Wobei ich denke das einige Arbeiter bei sechs Spieler*innen knapp werden könnten, habe ich aber selbst nicht ausprobiert.

Hadrianswall ist ansonsten aber eine tolle Expertenknobelei, die ich gerne aus dem Schrank hole, um eine Runde zu spielen und meine vorigen Ergebnisse zu überbieten. Beim englischen Verlag Garphil Games könnt ihr euch auch eine Solokampagne herunterladen, bei der ihr einzelne Partien mit Sonderregeln absolvieren müsst. Das ist ein sehr guter Antrieb und diese Kampagne erfordert sogar noch ein wenig mehr Überlegung, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Rein spielerisch habe ich hier wirklich nichts zu bemängeln, es ist eine Ressourcenherumtauscherei, um die besten Boni zur richtigen Zeit zu erwischen. Das Niveau ist recht hoch, bleibt aber noch am unteren Rand des Expertengenres.

Hadrianswall – Unsere Römer / Foto: Spieltroll

Die Optik muss gemocht werden, ich finde sie jetzt nicht überragend aber durchaus okay. Das Material ist topp, ich finde nur das die beiden Blöcke irgendwie so einen Grauschleier haben, der nicht unbedingt dabei hilft alles gut zu erkennen. Ein schwarzer Filzstift ist hier wirklich Pflicht, wer meint mit kleinen Kugelschreiberkreuzchen noch den Überblick zu behalten, sollte sich vorsehen.

Alles in allem ist Hadriansfall kein überragendes Spiel, aber ein doch sehr gutes, dass mir an den vergangenen Wochenenden doch so die ein oder andere Stunde klauen konnte, weil meine Frau gerade mit Horizon Forbidden West abgelenkt ist.


  • Verlag: Schwerkraft Verlag
  • Autor(en): Bobby Hill
  • Illustrator(en): Sam Phillips
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Spieleranzahl: 1-6 Spieler
  • Dauer: 60-90 Minuten

4 Gedanken zu „Hadrianswall“

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