
Life of the Amazonia hat viele Vorschusslorbeeren erhalten. Es sei das bessere, weil etwas komplexere, Quacksalber von Quedlinburg, welches sich weltweit einer großen Beliebtheit erfreut. Da werden die Fans des Push Your Luck Spielprinzips natürlich hellhörig und hoffen auf ein gutes Spiel. Bei uns gehören die Quacksalber auch zu den Lieblingsspielen und von daher war es klar, dass wir uns Life of the Amazonia anschauen würden. Aus meiner Sicht wird das dem Spiel aber gar nicht unbedingt gerecht und greift sogar ein wenig zu kurz. Hier ist ein wenig mehr los, als in einem Quacksalber von Quedlinburg und es gesellt sich eine deutlich präsente Puzzlekomponente hinzu, die für einiges an zusätzlichem Tiefgang sorgt. Es sei aber auch erwähnt, dass hier leider nicht alles Gold ist was glänzt. Die Materialqualität stand schon recht schnell im Fokus und ist, soviel sei vorweg schon mal gesagt, wirklich ein Schwachpunkt des Spiels und wird auch von Strohmann in einem Statement auf der Produktseite erklärt. Dem Spiel tut das natürlich nicht gut, aber dem Spielprinzip auch keinen Abbruch. Ich drösle das mal auf und versuche ein Urteil zu finden.
Worum geht es?
Unsere Aufgabe besteht darin ein Stück Regenwald zu „bauen“ in dem sich Tiere ansiedeln können, die bestimmte Voraussetzungen erfüllt wissen wollen. Insofern haben wir es hier mit einem Lege-/Puzzlespiel zu tun, das ähnlich wie die Quacksalber von Quedlinburg auch einen Bag Building Mechanismus verwendet nur gänzlich ohne den Push Your Luck Effekt. Das Setting ist als der Regenwald. Im Besonderen thematisch ist das Spiel leider nicht, sondern bleibt relativ abstrakt, was es aber durch seine hübsche Ausstattung ein wenig vergessen lässt.

Wie läuft das ab?
Natürlich spielen wir auch in Life of the Amazonia um Punkte und der Weg um an die meisten Punkte zu kommen sind die Tiere, die das zentrale Element bilden. Acht Tiere sind in einer Partie und jedes hat seine eigenen Bedingungen an den Lebensraum. Der Specht zum Beispiel möchte immer neben einem Baum platziert werden, dann erhalten wir vier Punkte für ihn. Ein Jaguar, der gleich zwei Felder deines Urwalds belegt, punktet für jedes angrenzende Tier 3 Punkte bis zu einem Maximum von 15 Punkten. Der Jaguar kostet mich 10 Obst, um ihn in meinen Wald zu locken, den Specht kann ich für nur 3 Obst und ein Blatt haben. Welche Ressourcen ich zur Verfügung habe erfahre ich am Ende des vorherigen Zugs. Da ziehe ich meine fünf Ressourcenchips aus meinem Beutel. Neben Blättern und Obst, gibt es noch Münzen und Wasser. Ähnlich den Quackslabern gibt es diese Chips in unterschiedlichen Wertigkeiten. Je höher, desto besser und so mehr kann ich damit anfangen. 10 Obst für einen Jaguar mit fünf Startchips zu erzeugen ist gar nicht möglich, also muss ich diese verbessern.

Wenn ich an der Reihe bin, darf ich meine Chips ausgeben, für die ich mir in der Zwischenzeit schon mal einen Plan zurecht gelegt habe. Mit ihnen kann ich nicht nur die Tiere anlocken, sondern auch weitere Landschaftsplättchen, Bäume und Wasserpflanzen und natürlich die Chips. Für bessere Chips brauche ich die Münzressourcen. Alles was ich bezahle wandert in mein Boot. So etwas wie meine Recyclingtonne, denn wenn mein Beutel leer ist, schütte ich das Boot mit allen Chips wieder in den Beutel und greife erneut auf alles zu.

Das Puzzle ergibt sich dann aus dem Zusammenspiel des gebauten Lebensraums, der aus Plättchen mit unterschiedlichen Feldern aus Sumpf, Wald und Fluss besteht. Viele der Tiere wollen zum Beispiel möglichst große Lebensräume, also versuche ich meine Plättchen so zu puzzeln das gleichfarbige Flächen aneinandergrenzen, so entstehen aber nicht nur große, sondern immer auch kleine Gebiete. Dann können auch noch Wasserpflanzen und Bäume auf die Landschaft gebracht werden. Einige der Tiere wollen auch diese in ihrem Lebensraum. Ein Baum gehört zum Beispiel in den Wald und eine Wasserpflanze natürlich in den Fluss. Daraus ergeben sich schon mal Abhängigkeiten. Auf einigen Feldern der Plättchen gibt es auch Boni zu erspielen, sobald ich etwas darauf platziere. So etwas, wie einen ungeliebten Chip entsorgen oder einen weiteren aus den Beutel ziehen. Das kann natürlich sehr verlockend sein und ich verliere anderes aus den Augen.

Im Spielverlauf stellt sich dann aber immer mehr heraus, das Life of the Amazonia eigentlich ein Rennspiel ist, in dem die Spieler*innen versuchen vor den anderen an die wichtigen Tiere zu kommen. Bei der Spielzeit von gerne mal zwei Stunden ist das allerdings auch nicht der erste Gedanke auf den du kommst. Das entwickelt sich auch ganz plötzlich. Eben noch bauen alle ganz gemütlich vor sich hin. Hier ein Laubfrosch da ein Bäumchen und ehe du dich versiehst ist nur noch ein Ara oder ein Kaiman da und du hast doch alles für ein solches Tier vorbereitet. Hoffentlich schnappt mir das jetzt nicht noch eine*r Weg. Wäre ich doch nur schneller gewesen. Eine Partie endet nämlich, wenn fünf der acht Tiere nicht mehr zu haben sind. Ähnlich dem Markt bei Dominion. Drei Stapel leer gleich Spielende. Hier liegt die Gefahr, dass ich einfach nicht alles fertigbekomme und mich zu lang verzettle bevor das Spiel ganz schnell vorbei ist und mir Punkte durch die Lappen gehen.

Das Puzzle lässt sich natürlich modifizieren, obwohl schon die Starterversion durchaus anspruchsvoll ist. Es gibt vier verschiede Möglichkeiten für jedes Tier und ich kann natürlich auch mixen, so dass neue Kombinationen entstehen. Mehr muss ich an dieser Stelle gar nicht sagen, denn das Spielprinzip sollte klar geworden sein und ist auch gar nicht schwierig. Mal wieder ist es das Zusammenspiel der geforderten Aufgaben, die hier die Komplexität ausmachen.
Das Fazit
Hier gibt es etwas mehr herauszuarbeiten, denn, obwohl mir Life of the Amazonia recht gut gefällt, das will ich mal vorwegscheiben, gibt es doch einige Problemchen und Baustellen an dem Spiel, die einen von dem Spiel abbringen können. Da wäre als erstes Mal die Dauer von in voller Besetzung bis zu 150 Minuten, die für diese Art von Spiel erstmal viel zu lang anmutet. Diese Spielzeit kann sich auch noch deutlich verlängern, wenn ihr mit Leuten spielt, die viel Zeit zum Nachdenken benötigen. Ja, Downtime ist hier ein Thema. Du kannst zwar frühzeitig deinen Zug planen, aber eben nicht immer, weil sich manches erst später ergibt und das tun ja auch nicht immer alle. Es ist eben auch möglich in diesem Spiel Fehler zu machen und das versuchen alle stets zu vermeiden und das geht zu Lasten der Spielzeit. Deshalb kann sich Life of the Amazonia lang anfühlen, wenn ihr ein Problem damit habt. An sich ist das Spiel aber dennoch spannend, denn zu Beginn wissen wir nicht wo die Reise hingeht und entwickeln uns langsam. Mein Beutel wird besser und ein stetiger Fortschritt ist spürbar. Irgendwann wird dann wie erwähnt allen klar, dass es hier eigentlich ein Wettrennen ist und ab da ist die Spannung auf jeden Fall noch stärker spürbar.

Es gibt noch ein bisher unerwähntes Element im Spiel, bei dem wir Karten erwerben können, die Soforteffekte und Schlusswertungskarten bringen. Dieses Element fühlt sich für mich absolut überflüssig an und wirkt ein bisschen wie ein angeflanschter Fremdkörper. Diesen hätte es aus meiner Sicht einfach gar nicht mehr gebraucht.
Der angestrengte Vergleich mit den Quacksalbern hinkt natürlich auch, dass solltet ihr gemerkt haben, denn das Bag Building ist hier nur ein Mittel zum Zweck und nebensächlich. Das Puzzle ist es auf das es ankommt und das wird hier ganz hervorragend umgesetzt. Eine Partie verläuft nicht gleich und bleibt auch bei Wiederholungen spannend. Für weitere Abwechslung ist gesorgt und der Wettrenncharakter am Ende macht das Spiel zu einem Erlebnis.

Jetzt kommt noch ein dickes ABER, es gibt noch etwas zu bemängeln und das ist der größte Kritikpunkt: die Materialqualität. In der Schachtel finden wir einen dreidimensionalen Wasserfall der als Punkteanzeiger und für diverse Leisten als Fortschrittsanzeiger fungiert. Dieser ist aus Pappe und muss für jede Partie wieder neu aufgebaut werden, weil er sonst nicht in die Schachtel passt. Die Qualität der Pappteile ist für ein solches Spiel einfach unwürdig. Es gibt auch Papptrays für die Chipsaufbewahrung. Sogar mit Deckeln. Baut sie am besten erst gar nicht zusammen, denn die Deckel sind so dünn und labbrig, das die Laschen eh sofort ausreißen. Strohmann Spiele sind sich des Problems bewusst und haben auch hier eine Stellungnahme dazu verfasst, aber das ändert leider nichts an der Qualität und am Preis. Die Tiere sind wunderhübsch und die Anleitung macht einen guten Job, aber die Pappe, eieiei…

Trotzdem muss ich sagen, dass ich hier meinen Spaß habe und weiter haben werde. Life of the Amazonia ist ein sehr schönes Spiel, dass ich gerne zu zweit oder dritt Spiele, mit vier Personen ist es mir eine Spur zu lang. Dennoch eine schöne Herausforderung die ich immer gerne annehme.
- Verlag: Strohmann Spiele
- Autor(en): Jamie Bloom
- Illustrator(en): Sophia Kang
- Erscheinungsjahr: 2025
- Spieleranzahl: 1 – 4 Spieler*innen
- Dauer: 60-150 Minuten