
Okay, kommen wir seit langer Zeit mal wieder zu einem dieser hybriden Spiele, die versuchen die analoge mit der digitalen Welt zu verbinden. Kaum dass ich diese Worte in den digitalen Raum tippe, merke ich schon, wie die Hälfte derer, die das liest wahrscheinlich Hände über den Kopf zusammenschlagend laufend das Weite sucht. All diesen Menschen sei gesagt, seid tolerant und versucht es doch erstmal. Wie oft ärgere ich mich über diese sture Einstellung, die mir in meinem Beruf schon zu oft über den Weg läuft. Dinge abzulehnen, nur weil man überhaupt nicht bereit ist, sich mal mit ihnen auseinanderzusetzen, finde ich einfach nur dumm. Was anderes fällt mir dazu nicht ein. Schade wäre es in der Tat, wenn alle so denken würden, denn das erblicken zum Beispiel solche Spiele hier nie das Licht der Welt. Ich verstehe auch nicht was so schlimm an Hybriden sein soll. Okay, ich kann es verstehen, wenn Videospiele abgelehnt werden. Ich kann es auch verstehen, das Leute Brett- und Kartenspiele nicht mögen. Aber das Leute, die sich für das Spielen an sich, ob digital oder analog, interessieren, sich davor verweigern ein möglicherweise tolles Spiel nicht auszuprobieren, das beide Welten ein bisschen bedient… da fasse ich mir an den Kopf. Wenn das Spiel schlecht ist und überhaupt keinen Spaß macht okay, aber und da greife ich mal vor, Boss Fighters QR ist wirklich geil.
Worum geht es?

Bei Boss Fighters QR handelt es sich um einen familienfreundlichen Fantasy Boss Battler mit leichtem Deduktionsfaktor, der mit analogen Komponenten und einer App das Beste aus dem Genre herausholt. Die Spieler*innen treten gegen verschiedene Bosse der Reihe nach an, die immer ein wenig komplexer und schwieriger werden. Die gewählten Charaktere werden dabei durch neue Karten, Fähigkeiten und Ausrüstung immer stärker. Gesteuert wird das Spiel über die App und QR-Codes auf dem Spielmaterial.
Wie läuft das ab?
Der Einstieg in dieses Spiel könnte einfacher gar nicht sein. Wir müssen die App herunterladen und wählen uns dann eines der vier Heldendecks aus der Spielschachtel. Troll, Zwerg, Elfe oder Halbling sind möglich. Wir finden noch weitere Schachteln in der Box, davon interessiert uns zunächst aber nur die mit dem weiteren Spielmaterial. Das restliche Material werden wir später benötigen und an geeigneter Stelle dazu aufgefordert es zu öffnen. Wir wählen dann noch eine der vier Klassenkarten und jede Konstellation ist möglich. Der Trollkrieger genauso wie der Zwergenmagier. Schurke und Druide runden die Klassenauswahl ab, so dass wir hier einige Möglichkeiten bekommen uns auszutoben. Jede Klasse kommt mit eigenen Fähigkeitskarten und die verschiedenen Völker bedingen zum Beispiel unsere Lebenspunkte. Die App führt uns zunächst durch den ersten Intro-Boss, mit dem wir ganz langsam an das System herangeführt werden. Die insgesamt zehn Bosse fordern uns danach mit verschiedenen Fähigkeiten und wenn wir einen besiegen werden wir mit neuen Karten für unser Deck belohnt. Das System funktioniert dabei so butterweich und lässt kaum eine Frage offen. Die Mechanik funktioniert ähnlich einem Chronicles of Crime, über QR-Codes auf den Karten die wir vom Tablet oder Telefon scannen lassen, das ansonsten in der Tischmitte liegt und nur ab und zu berührt werden muss.

Die Karten sind das Herzstück des Spiels, wenn wir die App jetzt mal außen vor lassen. Die Karten sind unsere Angriffe und Ausrüstung, die uns neben Waffen und Rüstungsteilen auch spezielle Gegenstände liefern. Ein Boss kann immer auf drei Arten angegriffen werden und verfügt auch über drei Schilde für den Nahkampf, den Fernkampf und Magie. Wir knabbern so Stück für Stück vom Leben des Bosses ab und müssen seinen heftigen Angriffen widerstehen und sie aushalten. Dafür ist Absprache zwischen den Spielenden bitter notwendig, sonst beißen unsere tapferen Helden schneller ins Gras als uns lieb ist. Boss Fighters QR verfügt dabei über mehrere Schwierigkeitsgrade, die von einfach und familientauglich bis absolut krank und optimierungswütig taumeln.

Das schöne und der beste Kniff am Spiel aber ist die Tatsache, dass wir uns Boss erst „erarbeiten“ müssen. Die Bosse tun Dinge, die für uns erstmal nicht unbedingt verständlich sind. Erst nach und nach fällt einem auf, dass zum Beispiel immer wenn ein Schild kaputt geht jemand eine Attacke kassiert oder das wenn das physische Nahkampfschild angegriffen wird, wir ein paar Schadenspunkte bekommen. Schadenspunkte dürfen wir übrigens noch selber auf unseren Lebenspunkterädern abziehen und hinzufügen. Hier ist die App aus dem Spiel, was zunächst merkwürdig wirkt aber ein cleverer Schachzug ist. Durch dieses Unwissen, wird Boss Fighters QR zu einem Deduktionsspiel, bei dem wir uns an jeden Boss erst herantasten müssen und nach und nach ausprobieren, wie wir ihn besiegt bekommen. Da werden bei mir gute alte WOW-Zeiten wieder wach, wo ich mit meiner Gilde den einen oder anderen Boss auf der Jagd nach First-Kills beackert habe. Das Gefühl hier ist ähnlich, und sobald der Boss verstanden wurde, geht der Anreiz etwas in die Knie, aber besiegt ist er dadurch meist noch lange nicht, denn das Teamwork und unterschiedlichste Fähigkeiten sind immer noch notwendig um das zu vollbringen. Das Spiel skaliert die Bosse dabei wunderbar nach Schwierigkeitsgrad und Spieler*innenanzahl. Auch wenn die Positionierung der Charaktere aktuell noch keine Rolle spielt, so könnte ich mir vorstellen, dass dieses in möglichen Erweiterungen eine Rolle spielen könnte. Wir wählen am Anfang nämlich schon eine Tischposition für unseren Helden aus. Zukunftsmusik?

Viel mehr möchte ich zu Boss Fighters QR gar nicht sagen, denn ich möchte euch auch nichts spoilern.

Das Fazit
Wer hier schreiend davon läuft, weil das Spiel auf einer App basiert und immer dieselbe Leier auspackt, von wegen Spielbarkeit, wenn das Spiel mal zwanzig Jahre alt ist. Wie sieht es dann mit der Unterstützung der App aus? Kommt mal im neuen Jahrtausend an. Ihr lest ja auch nicht immer noch nur Zeitungen und schreibt Leserbriefe, sondern kommentiert in Online-Foren zu diesen Spielen, wie unmöglich ihr digitale Spiele findet. Erspart uns das bitte. Gebt einem Spiel wie diesem hier mal eine faire Chance.
Ich hatte mit noch nicht vielen Spielen im laufenden Jahr so viel Spaß wie mit diesem hier und das liegt für meinen Geschmack an der extrem guten Mischung von digital und analog. Die App ist essenziell übernimmt aber eben auch nicht alles für die Spieler*innen und ich finde es zum Beispiel sehr clever, das die Spieler*innen noch selbst ihre Lebenspunkte verwalten, was ihnen gefühlt mehr Kontrolle über ihren Charakter verleiht. Was sie aber sehr wohl tut, ist die Reihenfolge der Spieler*innen zu verwalten und anzukündigen wer am Zug ist. Auch das hat einen sehr auffordernden Charakter. Zufallseffekte die meine Kartenhand betreffen, muss ich durch Mischen und ziehen auch immer noch selber durchführen. Die App verwaltet eigentlich nur den Boss und den Spielfluss. Der Rest liegt in den Händen der Spieler*innen.
Das Deduktionsmoment ist Klasse und hält die Kämpfe spannend. Wir haben noch nicht alle Schwierigkeitsgrade für alle Bosse ausprobiert und wissen nicht, ob die Bosse sich extremer unterscheiden. Lebenspunkte und Schadenswerte sind aber auf jeden Fall schwieriger gestaltet. Diese Mechanik führt zu lebhaften Diskussionen am Tisch und zu taktischen Beiträgen einzelner Spieler*innen, welche Karten gespielt werden sollten und wer was zuerst spielen kann, um Schilde zu durchschlagen etc. Das macht richtig Spaß und mehr Interaktion habe ich in letzter Zeit bei keinem Brettspiel beobachten dürfen. Die Kämpfe sind fordernd ohne dass das Spiel schwierig ist. Das ist die perfekte Voraussetzung für einen tollen Spielehit. Mir bleibt hier nichts anderes übrig als einen Orden zu zücken und das Spiel ausnahmslos zu empfehlen. Ich sehe hier viel Potenzial für Erweiterungen. Verschiedene Boss Mechaniken und noch höhere Schwierigkeitsgrade mit mehr Deduktion wären ein Traum. Volle Empfehlung.

- Verlag: Pegasus Spiele
- Autor(en): Michael Palm, Lukas Zach
- Illustrator(en): Artur Fast, Maximilian Jasionowski, Bartłomiej Kordowski, Timo Mimus
- Erscheinungsjahr: 2025
- Spieleranzahl: 2-4 Spieler*innen
- Dauer: 40-60 Minuten