Es ist bald wieder so weit und der Verein Spiel des Jahres e. V. verleiht seinen Preis. Einer der, wenn nicht sogar der wichtigste Brettspielpreis überhaupt, bringt jedes Jahr die gesamte Spieler*innenschaft dazu sich einen Kopf darüber zu machen, welches der vielen Spiele denn wohl eine Chance auf den Preis haben könnte. Diverse Youtube-Kanäle, Blogger* und Influencer*innen machen sich Gedanken über die zukünftigen Preisträger*innen. Da darf der Spieltroll natürlich nicht fehlen und, wie jedes Jahr, hole ich die Glaskugel aus der Trollhöhle und werfe einen tiefen Blick hinein in die diffusen wabernden Spielewelten. Jedes Jahr auf neue ein Spaß, bei dem du selbst herausfindest, welches Spiel in welche Kategorie gehört. Auch dieses Jahr sind wieder ein paar Grenzgänger dabei, die sowohl für das Spiel, als auch für das Kennerspiel des Jahres in Frage kommen würden. Egal wen du fragst, ein einhelliges Bild wirst du nie erhalten. Ganz generell möchte ich voraus schicken, dass der letzte Jahrgang für mich leider kein sehr guter war. Es gab zwar viele tolle Spiele, aber die großen Ausreißer nach oben fehlten für mich fast komplett und so kristallisiert sich hier kein besonders klarer Favorit heraus. Aber da sind wir schon mittendrin in der Voraussage.
Da ich keinerlei Kompetenzen im Bereich der Kinderspiele mehr besitze, lasse ich diese, wie in den letzten Jahren auch einfach außen vor. Hier zu spekulieren wäre einfach nicht richtig, da ich keine Kinderspiele mehr spiele. Deshalb komme ich gleich mal zur Hauptkategorie dem Spiel des Jahres.
Generell muss ich unterscheiden in Spiele denen ich eine Nominierung wünschen würde und Spielen, von denen ich ausgehe, dass sie nominiert werden. In diesem Jahrgang gibt es für mich keinen klaren Favoriten und das liegt wohl auch daran, dass sich in diesem Jahr besonders viele Spiele aus den beiden Bereichen der Party- und kleinen Kartenspiele hervortun, die ich definitv nicht im Fokus habe. Beides sind Spielkategorien, die ich nur selten an oder auf den Tisch bringe, die aber gerne von der Jury ausgezeichnet werden.
Mein Topfavorit auf den Titel ist jedoch Harmonies. Ein Spiel zu dem ich hier selbst noch gar keine Review verfasst habe, das aber bald nacholen werde. Das erste Spiel was mir optisch in den Sinn kam als ich es zum ersten mal sah, war definitv Dreamscape, mit dem es aber spielerisch eher weniger zu tun hat. Harmonies ist ein toller Mix aus Spielelementen von Cascadia und Azul und hat damit schonmal nicht die schlechtesten Referenzen. Für mich ist es einer der besten Titel des Jahrgangs und hat Substanz, gute Ideen, tolles Material und würde einen guten Preisträger abgeben, wenn nicht eben die Referenzen alle nicht auch schon Preisträger waren und somit stellt sich die Frage, ob die Jury erneut ein Legespiel mit verschiedenen Ebenen auszeichnen möchte. Ich würde es tun, denn für mich schlägt es Cascadia sogar noch in Punkto Spieltiefe und Material.
Danach kommt für mich dann lange Zeit nichts und würde es nach mir gehen, würde ich ebenfalls Drachenhüter nominieren. Ein Kartenspiel, dass mir durch seinen Mechanismus im letzten Jahr sehr positiv aufgefallen ist. Allerdings scheint es nicht besonders gut angekommen zu sein oder ich habe einfach einen seltsamen Geschmack, denn fast niemand sonst hat das Spiel auf der Rechnung. Michael Menzel zeigt hier, dass er nicht nur groß und episch, sondern durchaus auch klein kann. Drachenhüter ist ein sehr simples Kartenspiel mit dem gewissen Kniff, bei dem wir Punkte sammeln und niedliche Drachenkarten in unsere Auslage bringen. Insgesamt vielleicht ein bisschen zu brav, aber Drachenhüter hat mir im vergangenen Jahr in diesem Segment durchaus viel Spaß gemacht. Ich denke allerdings wirklich nicht, dass es nominiert wird.
Als dritten Nominierten würde ich mir Auf den Wegen von Darwin wünschen, weil es für mich das kompletteste Spiel des Jahres war. Hier bekommen die geneigten Spieler*innen alles geboten. Absolut tolles optisches Material, das an keiner Stelle übertreibt. Dazu ein simpler aber dennoch sehr schön durchdachter Auswahlmechanismus, mit dem wir unsere Auslage an Tierplättchen bilden müssen. Dazu gesellen sich noch weitere kleine Systeme, mit denen wir Punkte machen können. Am Ende zählt der Blick von oben auf unser Tableau und gut überbaute Plättchen können hier erneut für gute Punkte sorgen. Das Spiel ist dabei erstaunlich kurz für das was auf dem Tisch liegt und erzeugt durch die Begrenzung der Runden eine gewisse Spannung, denn wir können einfach nicht alles füllen und überall Punkte generieren. Aber auch Auf den Wegen von Darwin wird wohl nicht nominiert werden, denn die Jury mag Party- und Kartenspiele.
Schauen wir uns die in Frage kommenden Kartenspiele an, so fällt auf, das Ausrufezeichen dieses Jahr ganz groß im Trend sind, denn sowohl FTW?! von Friedemann Friese, als auch Passt Nicht! und Cabanga! führen das Satzzeichen im Namen. Die ersten beiden sind neuartige Maumauvarianten und damit in dieser Kategorie sehr gut aufgehoben und ich würde einiges darauf setzen, dass Passt Nicht! tatsächlich nominiert wird. Auch Schnitzeljagd ist ein Kartenspiel, das ich im Dunstkreis des Preises sehe. Wahrscheinlich ist es aber eher etwas für die Empfehlungsliste. Auf der sehe ich auch Trio den Preisträger des französichen As d’Or, der mir persönlich allerdings überhaupt nicht gefällt.
Bei den Partyspielen sieht es ähnlich aus. Ghost Writer ist für mich ein durchaus preiswürdiger Kandidat, bei dem ich allerdings von der Jury noch recht wenig gehört habe. Höher im Kurs stehen dort wohl The Same Game von Wolfgang Warsch und Sides. Beides Spiele mit Wort- bzw. Buchstabenassoziation genau wie Ghost Writer. Alles nicht mein Kerngebiet, ich spiele soetwas mal ganz gerne für einen recht begrenzten Zeitraum, aber fesseln tun mich solche Spiele nie über einen längeren Zeitraum.
Pan Am ist ein Titel den ich auch noch erwähnen möchte, der ebenfalls Chancen haben könnte auf die Empfehlungsliste zu kommen, allerdings spricht die Anleitung wohl ein wenig dagegen. Auch Knarr könnte darauf erscheinen, auch wenn es im Grunde nur ein thematischerer Splendor-Klon ist, der mir aber auch ganz gut gefallen hat.
Kommen wir nun zum Kennerspiel des Jahres. Hier sieht der Jahrgang für mich deutlich besser aus und während ich beim Spiel des Jahres sagen würde, dass es viele gute, aber nur sehr wenige sehr gute Spiele gegeben hat, finde ich hier deutlich mehr sehr gute Spiele. Dafür ist die Breite nicht ganz so stark wie die in den vergangenen Jahren. Zunächst muss ich hier einen (eigentlich zwei, aber auf den zweiten komme ich etwas später zu sprechen) Titel aus dem vergangenen Jahr nennen, die es letztes Jahr nicht mehr rechtzeitig in das Jahr 2023 geschafft haben. Erde war für mich der Titel des letzten Jahres und ich spiele ihn immer noch rauf und runter. Wenn es nach mir ginge, wäre der Titel ganz vorn mit dabei, aber ich habe ja nichts zu sagen und von den einzelnen Jurymitglieder*innen habe ich nicht so wahnsinnig viel zu dem Titel vernommen. Ich würde ihn aber tatsächlich in diesem Jahr auch nicht nominieren, denn ein Titel passt für mich viel besser zu diesem Preis und das ist mein meistgespieltes Spiel in diesem Jahr bisher: Mischwald. Für mich wäre Mischwald der Topfavorit und ich sehe ihn auch bei der Jury als sicheren Nominierten an. Das Spiel ist bärenstark, einfach zu verstehen, bietet dennoch viele Möglichkeiten unterschiedlich vorzugehen und ist ein perfekter Titel für diesen Preis.
Das zweite Spiel, welches ich als sicher für den Platz eines Nominierten ansehe ist e-Mission von Matt Leacock. Thematisch ganz weit vorn mit leichten optischen Schwächen und recht unterirdischem Material ist e-Mission aber spielerisch eine kleine Macht. Kooperativ versuchen die Spieler*innen die Welt zu retten, indem sie die richtigen Klimakrisen bewältigen und hilfreiche Projekte anstossen. Das Spiel trifft absolut den Nerv der Zeit und könnte zu einem wichtigen Spiel werden. Trotz der Schwächen ist das Spiel für mich sicher gesetzt für die engere Auswahl. Beim dritten Titel ist es für mich dann nicht mehr ganz so eindeutig, aber ich denke das die Jury sich für den Publikumsliebling Sky Team entscheiden könnte, auch wenn es nur ein Spiel für zwei Personen ist und damit eventuell zu wenige Leute ansprechen könnte. Für mich steht das Spiel aus dem Schweigegrund wie immer nicht ganz vorn in der Reihe, weil ich aus Geselligkeit Spiele spiele und mich nicht am Tisch anschweigen möchte, aber das ist meine persönliche Präferenz. Für mich gehört viel eher The Vale of Eternity auf diesen Platz, von dem ich aber überzeugt bin, das es auf die Empfehlungsliste kommen wird.
Auf dieser sehe ich noch ein paar andere Titel als gesichert an. Zum einen glaube ich das Die Gilde der fahrenden Händler aus dem letzten Jahr auf diese kommen wird, weil es recht gute Reaktionen ernten konnte und auch Zug um Zug Legacy ist für mich gesetzt auf der Liste. Neben dem Eisenbahnlegacy sehe ich möglicherweise noch einen zweiten Legacy Kandidaten auf dieser Liste und das könnte Aeons End Legacy sein, welches einen sehr guten Job macht, die Spieler*innen in sein Spielprinzip hineinzuführen. Inzwischen ist wohl auch bekannt geworden, das einige Mitglieder*innen der Jury das Spiel Bier Pioniere in höchsten Tönen loben. Von der Komplexität ist das aber wohl zu hoch angesiedelt für einen modernen Preisträger und dürfte allein schon deswegen nur auf der Empfehlungsliste landen. Darüber hinaus ist das Spiel für mich einfach ein wenig altbacken in Punkto Produktion. Die Optik spielt inzwischen auch mit und Carpe Diem wurde zu recht immer wieder wegen seiner Optik abgestraft, obwohl es ein recht gutes Spiel ist. Allein schon aus diesem Grund dürfte hier eigentlich kaum mehr drin sein.
Damit wäre ersteinmal alles gesagt. Viele andere Spiele sehe ich für die beiden Preise nicht in Frage kommen und schauen wir mal ob ich mit meinen Tipps richtig liege. Also Harmonies wird Spiel des Jahres 2024 und Mischwald Kennerspiel des Jahres 2024 wenn ich mitreden dürfte. Bis dahin spielt schön!