Nach einer kleinen Pfingstpause geht es diese Woche wieder los. Den Anfang soll Carpe Diem aus dem Ravensburger/Alea-Verlag machen. In der Vergangenheit haben sowohl Stefan Feld, als auch die Alea-Sparte aus dem Ravensburger Verlag für einige gute Spiele gesorgt, manche sind sogar zu weltweiten Klassikern geworden. Mit den Burgen von Burgund haben die beiden auch früher schon ein Spiel zusammen veröffentlicht. In diesem Jahr sorgen sie mit Carpe Diem erneut für Furore, allerdings eher im negativen Sinn. Wir haben es hier nämlich mit einem recht zwiespältigen „Produkt“ zu tun. Ich sage bewusst Produkt, weil es hier nicht nur um das Spiel an sich gehen wird, sondern um das gesamte Paket. Carpe Diem hat es inzwischen sogar auf die Nominierungsliste zum Kennerspiel des Jahres 2019 geschafft, was die Kontroverse nur noch auf ein weiteres Level hievt. Aber fangen wir wie immer Vorne an!
Worum geht es ?
Thematisch bewegen wir uns in Italien und müssen unser Stadtviertel entwickeln. Rein Spielerisch ist Carpe Diem ein Plättchenlegespiel der gehobeneren Art. Es gibt viele Mechaniken, die hier ineinander greifen und von uns Beachtung verlangen, um hinterher die meisten Punkte zu generieren, denn das ist wie bei den meisten Eurogames, auch hier unser Ziel.
Wie läuft das ab?
Eines möchte ich vorweg nehmen, ich finde, das Stefan Feld hier ein tolles Spiel abgeliefert hat, dass man in seiner ursprünglichen Fassung tatsächlich empfehlen kann. Leider hat sich tatsächlich inzwischen soviel Negatives zu diesem Spiel angestaut, dass man das nun nicht mehr unkommentiert stehen lassen kann.
Der Spielaufbau nimmt ein bißchen Zeit in Anspruch, denn man muss einiges vorbereiten. Die Spieler bekommen jeder zunächst ein eigenes Tableau für ihr Stadtviertel das sechs mal sechs Felder groß ist. Um das Tableau herum puzzeln sie einen Rahmen mit verschiedenen Aufgaben, die es während des Spiels zu erfüllen gilt, da sie Punkte bringen. Auf jedem der vier Rahmenteile sind dabei zwei Aufgaben abgebildet, die immer auf eine der Linien zwischen zwei Felderreihen oder -spalten zeigen und ebenso einen bestimmten Gebäude- oder Geländetyp zeigen. Wenn wir es schaffen im Verlauf des Spiels über diese Linie hinweg, den entsprechenden Typ auszulegen, dann erhalten wir eine bestimmte Menge Siegpunkte dafür.
Neben den persönlichen Spielertableaus gibt es auch noch ein zentrales Spielbrett, auf dem vier Spielelemente zu finden sind. Hauptelement ist ein Rondell mit Verbindungslinien die einen Stern ergeben. Dieses Rondell besteht aus sieben Abteilungen und von jeder Abteilung gehen immer zwei Linien auf die gegenüberliegende Seite des Rondells. In den einzelnen Abteilungen befinden sich vier Plätze für Bauplättchen, die wir hier bekommen können, um sie auf unserem Stadtvierteltableau einzubauen. Außerdem gibt es immer ein halbrundes Feld davor, auf dem unsere Spielfiguren stehen können. Das zweite große Element ist eine Ablage für die Werungskarten, von denen in jedem Spiel immer wieder andere Kombinationen ausliegen. Zu den Wertungskarten komme ich später noch genauer. Aber je nach Spieleranzahl liegen hier acht bis zwölf Karten aus. Das Spiel kommt insgesamt mit 60 Karten daher, so dass hier jede Menge Varianz möglich ist.
Die beiden anderen Elemente sind Leisten. Auf der einen werden Banderolenpunkte gezählt, die man erhält, wenn man einen ebensolchen Marker von seinem Stadtvierteltableau entfernt. Diese werden auf bestimmten Feldern zum Start dort platziert und entfernt, sobald man auf dem entsprechenden Feld ein Bauplättchen platziert. Die Leiste gibt dabei vor, wer bei den Wertungsrunden zuerst seinen Wertungsmarker platzieren darf. Die Wertungsmarker, sowie der Marker für die Leiste sind kleine bunte Markierungssteine. In der anderen Leiste liegen einfach nur zusätzlich Bauplättchen eines anderen Typs aus, die man über eine bestimmte Aktion als Bonus bekommen kann.
Der Rest des Spielaufbaus ist dann schnell erledigt. Die Spieler legen wie schon erwähnt die Banderolenplättchen auf die Felder ihres Spielertableaus, wo welche angegeben sind. Sie erhalten eine Spielfigur, die sie auf eines der halbrunden Felder im Rondell stellen, sowie die schon erwähnten Markierungsteine. Zusätzlich erhält jeder noch eine kleine Übersichtstafel, auf der man sehen kann welche Boni man erhält, wenn man ein bestimmtes Gebäude fertiggestellt hat, sowie welche Dinge einem alles Punkte für das Spielende einbringen. Punkte- und Brunnenkarten, sowie sämtliche Rohstoffmarker werden bereitgelegt.
Einiges zu tun also, um Carpe Diem spielfertig auf dem Tisch zu haben. Der Spielverlauf ist dann aber erfreulich einfach gehalten. Carpe Diem verläuft nur über insgesamt vier Runden. Nach jeder Runde gibt es eine Wertungsrunde und am Ende nochmal eine Schlußwertung. Ein Zug in einer Runde spielt sich dann wie folgt, der jeweilige Spieler setzt seine Figur im Rondell auf eines der zwei über die Linien angeschlossenen Felder und sucht sich eines der Bauplättchen, die dort liegen aus und baut es auf seinem Tableau ein. Ist das Feld bereits abgeräumt darf er auf das nächste über Linien verbundene Feld weiterziehen. Durch geschicktes Taktieren kann man hier seine Auswahlmöglichkeiten auch deutlich steigern. Stehenbleiben darf man nur, wenn man dafür einen Rohstoff Brot abgibt. Die Plättchen zeigen diverse Gebäude, Seen, Hühnerställe, Weinberge oder Getreidefelder, die alle gemeinsam haben, das sie mindestens an einer Seite des Plättchens abgeschnitten werden und durch weiter Plättchen ergänzt werden müssen, um ein komplettes Gebäude/Geländestück zu zeigen. Die Endstücke gibt es nur in der Leiste auf dem Spielfeld vorab oder aber in der letzten Runde, in der die Auslage im Rondell nur aus diesen Plättchen besteht. Zu diesen beiden Plättchenarten komme ich gleich noch ausführlich. Im Prinzip ist das dann auch schon der ganze Zug. Wenn ich ein Gebäude fertigstelle bekomme ich noch einen Bonus, in der Form von Rohstoffen die ich einlager. Bebaue ich ein Feld mit Banderole, so ziehe ich auf der Leiste voran. So wechseln sich die Spieler ab, bis sich die Felder im Rondell lehren. Mit vier Spielern wird solange gespielt bis alles leer ist und bei zwei Spielern, wird sobald nur noch zwei Plättchen in einer Auslage liegen, der Rest abgelegt.
Sind alle Plättchen verspielt, endet die Runde und die Spieler müssen eine ihrer Wertungsscheiben in den Wertungsbereich legen. Sie tun das, wie gesagt, gemäß der Reihenfolge der Banderolenleiste. Man kann ein solches Plättchen immer nur zwischen zwei Karten legen, egal ob am oberen, unteren oder irgendeinem der Seitenränder. Er muss dann beide Karten werten. Manche erfordern den Bau gewisser Gebäudearten, manche wollen Rohstoffe in bestimmten Anzahlen. Kann man eine Karte nicht erfüllen, so muss man vier Punkte bezahlen. Für die anderen bekommt man Punktekarten im entsprechenden Wert. Hier kann man seine Mitspieler ganz schön ins Verderben reißen, wenn man für sie günstige Position wegmopst. Dann startet die nächste Runde und die Spieler spielen bis zum Ende der vierten Runde so weiter und versuchen möglichst viele Punkte über die Zwischenwertungen zu erreichen. Ganz am Ende erhalten die Spieler dann noch Punkte für Rohstoffe, ihre Gebäude auf dem Stadtvierteltableau und so weiter.
Insgesamt ein sehr gelungenes Plättchenlegespiel, bei dem es viele Möglichkeiten gibt zu Punkten zu kommen. Das Spiel macht auch wirklich jede Menge Spaß und wäre rein spielerisch auch ein verdienter Kandidat für das Kennerspiel des Jahres 2019. ABER!
Das Fazit
…aber, wo soll ich anfangen? Ok, bei der Optik. Wenn ich das Spiel so im Laden stehen sehe, dann würde ich es nicht kaufen. Einfach dran vorbeilaufen, weil es so nichtssagend aussieht. Graue Verpackung mit einem Bild das absolut nichts über das Spiel sagt. Wenn man dann doch versucht ist die Packung umzudrehen und mal hinten draufschaut, was denn dort so in der grauen Verpackung schlummert, sieht man… nichts! Zumindest nichts aussagekräftiges, außer dsa die Teile von schlechter Qualität zu sein scheinen, weil sie überall Grate zeigen und noch im Prototypenstadium zu sein scheinen. Man sieht aber wirklich überhaupt nicht, was sich insgesamt für ein Spiel in der Schachtel befindet. Das ist irgendwie seltsam. Heutzutage, bei der Konkuurrenz darf ein Spiel nicht mehr so aussehen. Ganz besonders nicht, wenn es für die gleichen Beträge verkauft wird.
Die reine Optik hört aber nicht außerhalb der Schachtel auf, sondern das ganze Spiel ist von einer Häßlichkeit, die seinesgleichen sucht. Selbst vor zwanzig Jahren wurden schon Spiele produziert, die farbenfroher und ansprechender aussahen als Carpe Diem. Einzig Ausnhemen von dieser Kritik möchte ich die wirklich ganz hübschen Rohstoffsteinchen, im Gegensatz zu den Brotplättchen, die eher nach vergammelten Orangenscheiben aussehen, denn nach Brotlaibern. Dann gibt es aber auch mit der Optik tatsächlich ein paar spielerische Probleme. Die beiden Bauplättchensorten unterscheiden sich über ihre Rückseiten. Beide sind grün, die eine hell und die andere dunkel. Spielt man nicht auf einem gut ausgeleuchteten Tisch, hat man aber Probleme den Unterschied zu erkennen. Auch zwei der Häuserfarben sind farblich zu dicht beieinander, so das es zu Verwechslungen kommen kann. Irgendwie spricht das für eine stiefmütterliche Behandlung des Produkts. Hinzu kommt noch ein Fehler bei den Randteilen, hier sollten sich am besten nicht zweimal die gleichen zu puzzelnden Gebäudesorten auf einer Linie befinden und das tun sie auch nicht, bis auf eine Ausnahme, die anscheinend redaktionell durchgerutscht ist. Warum das nicht so sein sollte erklärt sich von selbst, hier kann ein Einzelner sich einen Punktevorteil verschaffen. Das alles sind Aufgaben der Redaktion und hier wurde anscheinend nicht gut gearbeitet. Mancher mag jetzt sagen, das sind alles nur Kleinigkeiten, aber sie stören definitv das Gesamtbild. Ich persönlich bin auch bereit all das zu ignorieren, weil mir das Spiel in dieser Form wirklich Spaß macht, aber darf ein Spiel mit solchen Mängeln noch Kennerspiel des Jahres 2019 werden? Meiner Meinung nach nicht, denn es sendet falsche Signale an die Industrie. Stefan Felds Leistung möchte ich nicht schmälern, aber das fertige Spiel hat es mit all den Mängeln nicht verdient. Das wäre ein Schlag ins Gesicht eines Jamey Stegmaiers, der in seinem Verlag seit Jahren versucht Spiele auf einem hohen Niveau zu veröffentlichen und dessen Spiel (Flügelschlag) in der gleichen Kategorie nominiert ist.
Was das Ganze jetzt aber zu einem kompletten Ärgernis werden läßt, ist die Tatsache, dass Alea/Ravensburger eine neue Auflage auf den Markt geworfen hat, in dem sie diese optischen und redaktionellen Mängel zumindest am Spielmaterial behoben haben. Ich selber habe so eine Version noch nicht in den Fingern gehabt, aber es gibt entsprechende Youtube-Videos zum Vergleich. Warum ist das ein Ärgernis werden sich einige jetzt fragen, aber sie haben an der Stelle nicht halt gemacht, sondern haben auch gleichzeitig den Stern aus dem Rondell entfernt und lässt die Spielfiguren nun auf benachbarte Felder ziehen. Spielmechanisch macht es auf den ersten Blick tatsächlich keinen Unterschied, ob man die Möglichkeit hat auf eines der zwei Nachbarfelder oder auf zwei Felder auf der gegenüberligenden Seite des Rondells zieht. Zwei Möglichkeiten sind zwei Möglichkeiten, aber der Stern war deutlich flexibler, denn ich hatte die Möglichkeit durch das Weiterziehen über leere Felder auch auf weiter Felder zu ziehen, die mir nun nicht mehr zur Auswahl stehen, sogar auf mein Ausgangsfeld konnte ich so zurückkommen, dass funktioniert jetzt nicht mehr und macht mich deutlich unflexibler. Carpe Diem wird in meinen Augen ein wenig schlechter dadurch und ein verändertes Spiel hat nun eine Nominierung zum Kennerspiel des Jahres 2019. Es muss aber jeder für sich selber beurteilen, ob er das Gut heisst oder nicht. Carpe Diem ist in seiner ursprünglichen Form ein gutes Spiel mit schlechter Optik. Meiner meinung nach ist es in dieser zweiten Auflage ein weniger gutes Spiel mit minimal weniger schlechter Optik.
- Verlag: Alea/Ravensburger
- Autor(en): Stefan Feld
- Erscheinungsjahr: 2018
- Spieleranzahl: 2 – 4
- Dauer: 45 – 75 Minuten
Ich glaube, du machst einen Überlegungsfehler. Der Stern und das Rondell sind von den Möglichkeiten und der Flexibilität identisch.
Ich muss das noch mal klarstellen. Ich selber habe eine neue Version noch nicht in den Fingern gehabt und beziehe mich da nur auf Aussagen anderer. Der Stern und das Rondell wären grundsätzlich gleich flexibel, schreibe ich ja auch, aber angeblich verbietet die Regel der neuen Version das Zurücksetzen auf die Ausgangsfelder, was ich aber nicht bestätigen kann, weil Alea da alles andere als transparent agiert. Es gibt Aussagen darüber im Netz, wie z.B. bei Rahdo, aber selbst auf der Page bei Ravensburger ist noch die alte Regel verlinkt. Zumindest war sie das vor kurzem noch. Wenn das wirklich so ist, dann finde ich das deutlich unflexibler…