Jetzt dreht er total durch… nur noch wirre Gedanken der Typ! War schon immer so, aber in dieser kleinen Serie wollte ich ja einzelne Spieljahrgänge aus der heutigen Sicht beurteilen und ich wage dieses Mal den Versuch mit einem noch ziemlich jungen Jahrgang – 2017. Man kann, so glaube ich, abschließend immer noch nicht sagen, ob es ein super Jahrgang für die Spielgeschichte sein wird. Dafür müssen wir noch ein paar Jahre abwarten und sehen, wie sich einige der Spiele auf Dauer halten werden. Schaut man sich die Boardgamegeekliste der besten Spiele an, so sind in den Top200 Spielen, aktuell mehr als die Hälfte aller Spiele aus den letzten fünf Jahren. Es scheint also in einer solchen Hitliste auch immer eine Frage von Aktualität zu sein. Dauerbrenner finden wir also wahrscheinlich eher unter den restlichen Jahrgängen. Heute möchte ich also erstmal das Potential des Jahrgangs abschätzen, aber ich denke trotzdem das sich einige zukünftige Klassiker in 2017 verstecken.
Für mich persönlich war das Jahr 2017 so eine Art Renaissance des Brettspiels, nachdem es mir ziemlich lange finanziell kaum möglich war, mich viel mit Brettspielen zu beschäftigen und wir in unserer Familie nur mit ein paar Klassikern die Fahne des Spielens hochhielten, haben wir uns in diesem Jahr wieder richtig ins Spielen gestürzt. Letzlich ist dort der Startschuß für meinen Blog gefallen, denn ich wollte schon immer gerne etwas über Brettspiele in die Welt hinaus lassen. Aber bis das spruchreif war und tatsächlich in die Tat umgesetzt wurde, verging ein weiteres Jahr.
In der Szene befinden wir uns gerade in einer Boomphase, die so 2014 richtig begann. Bis heute kommen jedes neue Jahr immer mehr neue Brett- und Kartenspiele auf den Markt. Woran dieser Boom genau liegt vermag ich nicht zu sagen, aber ich habe ein paar persönliche Theorien zu dem Thema. Ich glaube das sich fast jede populäre Strömung in Wellen bewegt und das es auch mit der Brettspielszene so ist. Mal gibt es viele Spieler, dann ebbt es wieder ab und dann kommt ein neuer Boom. Das ist hier denke ich der Fall, die Menschen sind durch bestimmte Dinge wieder enger zusammengerückt, zumindest bestimmte Menschen. Während die Teenager noch der Vorgängergeneration nacheifern und sich total in Social Media verlieren, sind die nun jungen Erwachsenen müde geworden. Müde von sozialer Kälte und treffen sich wieder auf die ein oder andere Spielrunde. Hinzu kommt eine in der Videospielbranche anhaltende Ideenarmut. Oder, vielmehr denke ich, dass schon innovative Ideen da sind, sie aber aus mangelnder risikobereitschaft, selten umgesetzt werden. Überall nur noch dritte, vierte Teile von erfolgreichen Serien und immer mehr vom gleichen. Mir persönlich ist es zu der Zeit zu langweilig und eintönig in den digitalen und virtuellen Welten geworden. Ich denke auch daher wird der Boom kommen, denn die Leute spielen einfach gern.
Schauen wir mal was der Markt zu der Zeit so hergab und welche Spiele aus 2017 besonders populär sind. Anfangen werde ich, wie gewohnt, mit den zehn bestplatziertesten Spielen aus der boardgamegeek.com Hitliste:
- Gloomhaven
- Gaja Project
- Twilight Imperium (4th Edition)
- Spirit Island
- 7th Continent
- Pandemic Legacy Season 2
- Azul
- Clans of Caledonia
- Anachrony
- Lisboa
Okay, was haben wir da, auf Platz eins, dass Spiel, das wahrscheinlich am ehesten eher ein Computerspiel sein könnte, rein vom Umfang her und es wird ja tatsächlich auch gerade umgesetzt. Überspitzt könnte man sagen: „Gloomhaven ist eigentlich ein Computerrollenspiel mit Brettspielmechnik“, dass sich nach wie vor großer Popularität erfreut. Ich fand Gloomhaven immer faszinierend und habe nie verstanden, wieso es so hoch gehandelt wird. Eigentlich spricht hier auch alles gegen einen Erfolg: die Größe, der Preis, das Thema… mich hat es nie überzeugt. Gaja Project ist die logische Konsequenz des Marktes nach den Erfolgen eines Terra Mystica das in einem Fantasysetting angesiedelt ist. Etwas ähnliches mit einem Sci-Fi-Anstrich – mehr vom Gleichen? Twilight Imperium ist ein Koloss und auch zu recht sehr beliebt. Aber auch hier haben wir es mit einer Neuauflage zu tun. Das erste Spiel, dass ich hier als neu und innovativ bezeichnen möchte, finde ich in Spirit Island auf Rang vier weider. Was für ein großartiges Spiel! Auch the 7th Continent gillt gemneinhin als großartig, hier kann ich leider nicht mitreden, da es mir bisher nicht vergönnt war es auszuprobieren. Aber auch hier würde ich behaupten ist der Versuch unternommen worden den massiven Content eines Computerspiels in ein Brettspiel zu pressen. Platz 6: Pandemic Legacy… Fortsetzung, es scheint fast so, als kommen wir hier tatsächlich langsam in ein ähnliches Fahrwasser, wie bei den Videospielen. Aber nein, mir wird da nicht Angst und Bange, ich denke nur, dass die Tendenz dahingehend immer mehr vom Gleichen (Erfolgreichen) zu produzieren zunehmen wird. Innovation wird trotdem ein fester Bestandteil bleiben, weil Brettspiele dann eben doch günstiger zu produzieren sind und wie Kickstarter und Co uns zeigen, die Gamer sich ihre Spiele eben selber finanzieren. Das funktioniert bei den Videospielen eben nicht, da die Budgets viel zu hoch sind. Azul ist ja dann auf Platz sieben soetwas wie ein Riesenerfolg, der sich hier nur andeutet, denn seine Stunde kommt auch im nächsten Jahr, wo es viele Preise einheimst.
Auch jenseits der Top Ten von 2017 sind viele weitere erwähnenswerte Titel zu nennen. This War of Mine, dass ich, trotz das es eine Videospielumsetzung ist, für eines der wichtigsten Brettspiele der letzten Jahre halte. Wer wissen möchte warum, darf sich gerne hier meinen Artikel dazu durchlesen. Sagrada, Magic Maze, Rajas of the Ganges, Bunny Kingdom und noch so viel mehr, alles erblickt in diesem Jahr das Licht der Welt. Durchaus einiges mit Klassikerpotential dabei.
Schauen wir uns aber auch den Spiel des Jahres e.V. 2017 an. Preisträger ist das sehr beliebte Kingdomino, dass sich gegen Magic Maze und Wettlauf nach El Dorado durchsetzt. Magic Maze ist auch wieder eines dieser schön innovativen Spiele, das sich bis heute in der Szene hält. Für dieses jahr ist gerade erst eine neue Erweiterung angekündigt. Der Wettlauf nach El Dorado hat mich nie sonderlich überzeugt, aber Kingdomino finde ich wirklich sehr gelungen. Auf der Empfehlungsliste finden sich noch viele weitere tolle Titel, wie zum Beispiel das beliebte Geschicklichkeitsspiel Klask, aber ich möchte ganz besonder noch das Spiel Fabelsaft von Friedemann Friese hervorheben, welches ein tolles Familienspiel mit jeder Menge abwechslung ist, das nie langweilig wird.
Der Kennerspielbereich ist aber noch ein wenig spannender in diesem Jahrgang gewesen, denn dort waren mit Exit, Terraforming Mars und Räuber der Nordsee drei absolut beliebte Spieler in der Spielerschaft nominiert. Exit ist es schlußendlich ziemlich verdient geworden, weil sie für mich die bestfunktionierenden Escape-Room-Spiele sind. Die beiden anderen Spiele sind beide nicht so meins, aber das liegt bei Terraforming Mars vor allem am Thema und Räuber der Nordsee gefiel mir nie sonderlich gut, obwohl ich die Mechaniken von Shem Phillips als wirklich gut empfinde. Auch die Empfehlungsliste ist prall gefüllt mit tollen Titeln. Les Poilus, Great Western Trail, Das Grimoire des Wahnsinns und Captain Sonar sind alles tolle und zum Teil sehr schöne und innovative Titel, die hier zurecht empfohlen werden.
Der Deutsche Spielepreis greift dann in seiner Top Ten auch gleich einige der Titel wieder auf. Terraforming Mars, dass sich bis heute als eines der beliebtesten Brettspiele überhaupt herausstellte, landet 2017 hier auf Platz eins und holt sich den Preis der Gamerschaft. Great Western Trail folgt hier auf Platz 2 und das Uwe Rosenbergspiel „Ein Fest für Odin“ komplettiert das Treppchen. Scythe von Jamey Stegmaier mit seinen atemberaubenden Artworks von Jakub Rozalski folgt auf Platz vier und erfreut sich, wie Terraforming Mars bis heute großer Beliebtheit. Mit First Class findet sich ein ansonsten in diesem Jahr völlig missachteter Titel in der Gunst der Spielerschaft auf Platz fünf und verwaist selbst das amtierende Spiel des Jahres Kingdomino auf den sechsten Platz, den es sich gemeinsam mit Räuber der Nordsee teilt. Das von mir bereits genannte Fabelsaft schneidet beim DSP ebenfalls ganz gut ab und belegt noch vor Captain Sonar und den, für das Spiel des Jahres Nomminierten, Magic Maze und Wettlauf nach El Dorado, Platz sieben der Top Ten.
Welche von den genannten Spielen sind nun also für die Spielehistorie wichtige Spiele. Mit so wenig Abstand betrachtet, lässt sich das noch gar nicht gut sagen. Aber ich denke einige Titel kann man schon erwähnen, z.B. Azul, auch wenn es erst im nächsten Jahr richtig durchstarten wird, gehört definitiv zu den wichtigen Spielen, denn es schaffte es wieder Mal, wie es nur alle paar Jahre passiert ein Spiel für eine breitere Masse zu werden. Woran es genau liegt, kann ich nicht sagen, aber Azul ist eines von diesen Spielen. Gloomhaven hat definitiv in Sachen Größe einen Fußabdruck gesetzt, denn ich denke bisher hat niemand daran geglaubt, dass man ein Spiel dieser Größe überhaupt verkaufen kann. Man kann! Wenn ich es mir wünschen könnte, dann würde ich hoffen, dass This War of Mine einen bleibenden Eindruck hinterlassen würde und uns in Zukunft noch andere „Spiele“ erreichen werden, die uns spielerisch an solche Themenbereiche heranführen werden und uns so künstlerisch Erfahrungen vermitteln, denn für den Kunst- oder Kulturbegriff des Spiels ist es wichtig.
Meine Empfehlungen für die Spiele, die in einer Spielesammlung aus diesem Jahr auf keinen Fall fehlen sollten, sind das definitiv hervorragende Spirit Island, Azul und eine kleine verborgene Perle von Richard Garfield: Bunny Kingdom. Es gibt aber 2017 viele Spiele die man zumindest mal ausprobiert haben sollte, ob man sie im Regal braucht, sei dahingestellt.