Nachdem ich This War of Mine das erste mal Probe gespielt habe, hatte ich das unbedingte Bedürfnis etwas zu diesem Spiel sagen zu müssen. Ich weiß nicht, ob die Form einer Review dafür angemessen ist, aber dennoch möchte ich es versuchen. Eins steht nämlich auf jeden Fall fest, This War Of Mine, eine Umsetzung des erfolgreichen Computerspiels von 2011, ist ein Erlebnis, nicht unbedingt ein Spiel, in meinen Augen aber definitiv wichtig. Ich möchte dem Fazit aber nicht vorgreifen. Es gibt viel zu diesem Machwerk zu sagen und alles wirft in mir die Frage auf, ist das noch Spiel, oder interaktive Kunst? Warum ich so denke, möchte ich versuchen mit meinen Worten zu erklären, bin mir aber auch im Klaren, dass das nicht so einfach wird, denn This War Of Mine muß man wahrscheinlich selbst erleben, um es nachvollziehen zu können. Vergleiche, soviel kann ich schon vorweg nehmen, werde ich kaum welche anführen können, denn etwas ähnliches habe ich noch nie vorher gespielt.
Worum geht es ?
Der oder die Spieler spielen hier gemeinsam eine Gruppe von Menschen, die versuchen in einer Stadt, die von einem Krieg gezeichnet ist zu überleben. Gemeinsam heißt in diesem Fall tatsächlich auch genau das. Die Charaktere gehören alle zu einer Gruppe und die Spieler lenken sie alle gemeinsam. Die Spieler schlüpfen also nicht jeder in eine der Rollen. Danach ist das Spielziel einfach: Überleben! Es gibt drei Kapitel, die die Story vorgeben und die man durchleben muß. Am Ende muß mindestens einer der Startcharaktere noch am Leben sein, um das Spiel zu „gewinnen“. Das ist bei This War Of Mine aber nebensächlich, da es eher um das Erleben des Spiels mit seiner Geschichte geht. Oder, wie man gemeinhin sagt: „Der Weg ist das Ziel.“
Wie läuft das ab ?
Im Grunde ist This War Of Mine eine Art Worker-Placement-Spiel, das versucht eine Geschichte zu erzählen und das macht es erstaunlich gut und eindringlich. Das Spiel aufzubauen dauert ein Weilchen, denn man muß einiges vorbereiten. Im Grunde liegt alles an Spielmaterial auf dem Brett und man benötigt nur noch ein wenig Platz für die Charakterkarten und die Markerablage, die man am besten so gestaltet, wie einem das Spiel es vorschlägt. Man soll nämlich die Einlage des Bretts benutzen, um die Marker nach Farben und Funktion zu sortieren. Das stellte sich beim Spielen als erstaunlich praktikabel heraus. Das Spielbrett zeigt ein vom Krieg gezeichnetes Haus mit mehreren Räumen. Am Rand des Bretts werden einige der Kartenstapel bereitgelegt. Es gibt Stapel für Ereignisse, Ziele, Charaktere, Besucher usw. Zuviel, um es einfach nur aufzuzählen, ich werde gleich noch detailierter auf einiges eingehen. Die linke Seite des Spielbretts hält einige Bereiche für Begegnungen und Orte bereit und ist die spielerisch interessantere. In den Räumen auf dem Spielbrett sind einige Begriffe geschrieben: Kram, Mobiliar, Schutt usw. Diese geben uns vor, welche Karten wir verdeckt auf welche Position legen müssen. Fast jede Kartenart ist mehrfach vorhanden, so dass immer ein bißchen Varianz darin besteht, welche Karte wo liegt. Die Charaktere werden hinter den Eingang des Hauses platziert.
Das Spiel wirbt damit, dass man keine Regeln lesen muß, um es zu spielen. Man könne direkt loslegen. Das stimmt natürlich nur bedingt. Man sollte sich auf jeden Fall vor Beginn gar nicht alles durchlesen, sondern tatsächlich den Anweisungen des Regelheftes folgen. Um später einige Situationen zu verstehen, muss man dann doch genauer nachlesen, aber die Regeln findet man dann nicht im Regelheft, sondern findet sie im sogenannten Skript. Das ist ein dickes in kleiner Schrift vollgeschriebenes Buch, dass an ein Abenteuerspielbuch mit Abschnitten erinnert. Wenn man aber den Anweisungen im Regelheft folgt, wird man schonend an das Spiel herangeführt.
Als erstes nimmt man den kleinen Stapel mit Charakterkarten mischt ihn und deckt Karten auf. Die ersten beiden normalen Karten, sowie der erste rote Charakter den man aufdeckt, sind die drei Charaktere, mit denen man das Spiel bestreitet. Darunter sind ganz normale Alltagscharaktere, wie die Kindergärtnerin, ein Feuerwehrmann oder eine Anwältin. Man sucht sich also keine Charaktere aus, sondern bekommt sie einfach zugelost. Find ich schon mal gut. Jeder von den Charakteren wird noch mit einem Statusmarker Hunger in der Wertigkeit 2 versehen. Die Statusmarker gibt es in fünf verschiedenen Versionen und Farben für Hunger, Traurigkeit, Verletzung, Erschöpfung und Krankheit.
Danach bittet einen das Regelheft sämtliche Kartenstapel auf ihre Plätze zu legen, die Startmaterialien ins Lager zu legen und den Ereignisstapel für das Spiel vorzubereiten. Im Ereignisstapel werden in bestimmten Abschnitten Kapitelkarten mit eingearbeitet, die vorgeben, wann ein Kapitel beendet ist. Auf dem Zielstapel liegen die sogenannten Kapitelziele und das Endziel. Das Endziel ist in jeder Partie gleich und lautet: „Überlebe mit einem deiner Startcharaktere mit allen Statusmarkern außer Erschöpfung auf Stufe 2.“! Die Kapitelziele sind variabel und man muß bestimmte Ausrüstung abgeben oder Materialien sammeln. Wenn man dann im Ereignisstapel die entsprechende Kapitelkarte zieht, muß spätestens das Ziel erfüllt sein, sonst bekommt man Sanktionen. Anschließend geht es auch schon los. Das Spiel bedient sich der unterschiedlichen Tageszeiten als Spielphasen. Mit dem Sonnenaufgang geht es los und man beginnt mit dem Aufdecken der ersten Ereigniskarte.
Zu bestimmten Tageszeiten muß man nun also verschiedene Dinge tun. Am Tag gehen die Charaktere in ihrem kaputten Haus Aktivitäten nach. Sie können das Haus durchsuchen, versuchen Gegenstände und Einrichtung zu erfinden oder ruhen sich einfach nur aus. Jeder Charakter verfügt über ein bis drei Aktionen, die von seinen Statusmarkern begrenzt werden. Die Karten, die im Haus ausliegen können so quasi erforscht werden, um weitere Materialien im Haus zu finden, oder um Platz für Einrichtung zu schaffen, die einem das Leben erleichtert. Man hat in der Tat eine Menge Möglichkeiten etwas zu tun und man merkt recht schnell, dass man was machen muß, um zu überleben. Nahrung und Wasser findet man nämlich nicht so leicht in einem zerbombten Haus. Rausgehen kann man am Tag aber auch nicht ohne weiteres, denn dort warten Scharfschützen auf einen.
Nachdem alle Aktionen ausgegeben wurden beginnt der Abend und die Charaktere müssen versorgt werden. Alle müssen Trinken, tun sie das nicht, weil man nicht genug Wasser im Lager hat, oder weil man sparen möchte, so wird der 10-seitige Würfel des Spiels bemüht. Bei bestimmten Zahlen ändern sich bestimmte Statuswerte. Danach müssen die Charaktere Essen. Es gibt drei Sorten von Essen in This War Of Mine, Konserven, Rohes Essen und Gemüse, Jedes Essen sorgt dafür das der Hunger nicht steigt, aber gesenkt wird er auch nur durch bestimmtes Essen. Wenn die Charaktere versorgt sind kommt die Nacht, in der man Plündern geht und Wache halten muß. Beim Plündern kann man diverse Sachen finden, die einem weiterhelfen, aber es ist auch gefährlich. Man muß auch Wache halten, denn sonst brechen Plünderer in den eigenen Unterschlupf ein und stehlen das mühselig zusammengeklaubte Hab und Gut der Charaktere. Hier muß man wählen, welche Charaktere Wachen und welche Plündern, oder ob man schlafen gehen möchte.
Die Plündertouren wirken ein wenig wie das Kernstück des Spiels, hier kann so wahnsinnig viel passieren. Man ackert sich einen kleinen Kartenstapel durch, muß aufpassen das man nicht zu laut ist, sollte Begegnungen vermeiden und kann eventuell reiche Beute machen. Man muss allerdings auch immer noch alles nach Hause schleppen können. Das Spiel verlangt überall gravierende und schwierige Entscheidungen vom Spieler. Nach dem Plündern muß man noch eine Begegnung für den oder die Wachestehenden überstehen, bevor die Plünderer nach Hause kommen und man sich über das Plündergut freuen kann.
Am Ende des Tages schlägt dann noch das Schicksal in Form einer Karte zu. Vorher muß man aber seine kranken und verletzten Charaktere noch versorgen, sofern man kann. Eventuelle negative Eigenschaften, wie zum Beispiel Süchte der Charaktere können hier auftreten. Danach wiederholt sich der ganze Ablauf an den nächsten Tagen, bis entweder alle Charaktere gestorben sind, man keinen Startcharakter mehr in seiner Gruppe hat oder man bis zum Schluß durchhält.
Praktisch überall kann es passieren, das einen das Spiel über irgendeine Karte dazu auffordert einen Abschnitt aus dem Skript zu lesen und abzuhandeln. Hier weden meistens durch Würfelwürfe, aber auch durch moralische Entscheidungen der Spieler Ereignisse beschrieben. Da kann alles mögliche dabei sein: es werden Greueltaten des Krieges geschildert, glückliche Momente von Beutefunden, ab und an einfach irgendwelche Erinnerungen der Charaktere, die dem ganzen Spiel Tiefe verleihen.
Mehr möchte ich an dieser Stelle gar nicht zum Spiel sagen, denn ihr merkt schon, es gibt wahnsinnig viele Details zu beschreiben. Das Spiel dauert einiges an Zeit, das muss man sich vor Augen halten, aber man hat die Möglichkeit, wie bei einem Computerspiel, This War Of Mine abzuspeichern und später weiter zu spielen.
Das Fazit
This War Of Mine ist ein dicker Brocken und ich empfehle es uneingeschränkt. Es ist eine Erfahrung, die sich jeder einmal gönnen sollte, aber es ist meiner Meinung nach kein Spiel im herkömmlichen Sinne. Spaß hat man dabei nämlich nicht und wenn man es mit einer größeren Gruppe spielen würde, verliert es wahrscheinlich an Intensität. Auf der Schachtel ist zwar angegeben, dass es für 1 – 6 Spieler sein soll, aber das halte ich für Blödsinn. Das Spiel ist ein Solospiel, dass man vielleicht maximal mit ein bis zwei weiteren Gleichgesinnten in Angriff nehmen sollte, aber alle Teilnehmer müssen in der Stimmung sein, sich ein solches Spiel zu Gemüte führen zu wollen.
Es prangt auch noch ein 18+ als Altersangabe auf der Packung und das macht es für einige natürlich wieder attraktiv. Aber das ist nur eine Zahl, rein spielerisch traue ich das Spiel jedem Zwölfjährigen zu, aber es erfordert halt eine gewisse geistige Reife, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Das Thema ist grausam und es ist sehr intensiv und grausam umgesetzt worden. Die Texte im Skript sind gut geschrieben und erwischen einen manchmal direkt in die Magengrube und man fragt sich was man da gerade macht. Man simuliert eine Kriegserfahrung, die man niemandem wünschen würde und das tut man freiwillig. Irgendwie schon seltsam.
Was macht man also nun mit diesem „Spiel“? Zunächsteinmal würde ich es nicht als Spiel sehen. This War Of Mine ist Kunst! Ein interaktives Kunstwerk, an dem man teilhaben kann und das man durchleben muß. Ich würde es gut finden, wenn man es in Schulen einsetzen würde, um Jugendliche für solche Themen zu sensibilisieren. Natürlich nur unter Anleitung und in kleinen Gruppen, sonst wirkt es nicht. This War Of Mine verfügt über dieses Potential und ist in meinen Augen ein wichtiges Spiel für die Brettspielszene, die seit Jahren darum kämpft vom deutschen Kulturrat als Kunstform, wie auch andere Medienformen, anerkannt zu werden. Ein besseres Beispiel dafür, warum Brettspiele das definitv sind, gibt es nicht.
Also, mein Fazit lautet. Kauft es euch, wenn ihr ein ganz besonderes Erlebnis haben wollt. Wenn ihr einen guten und lustigen Abend mit Freunden haben und dabei ein Brettspiel konsumieren wollt, um euch zu amüsieren, lasst die Finger davon, ihr werdet enttäuscht sein, denn das kann This War Of Mine nicht liefern. Was es aber kann, ist euch Solo in seinen Bann zu ziehen und euch über die Leute nachdenken zu lassen die tagtäglich in dieser Situation stecken und um ihr überleben kämpfen müssen. Natürlich muss man am Ende aber sagen: „Alles nur ein Spiel.“! Die Realität ist um vieles grausamer!
- Verlag: Galakta
- Autor(en): Michal Oracz, Jakub Wisniewski
- Erscheinungsjahr: 2018
- Spieleranzahl: 1 – (6)
- Dauer: mehrere Stunden
3 Gedanken zu „This War Of Mine“