Was will uns der Spieltroll mit dieser Überschrift sagen? Es ist ein wenig kompliziert. Oltréé ist ein französisches Rollenspiel, indem die Spieler*innen am Weltenbauprozess über Storytelling beteiligt sind. Das ganze spielt in einer mittelalterlichen Fantasyumgebung und die Spieler*innen übernehmen dabei die Rollen von patrouillierenden Charakteren, die das Land wiederaufbauen. Das Spiel ist sehr offen gestaltet und die Spieler*innen wissen meist nicht wohin es führen wird. Das Spiel wurde von John Grümph entwickelt. Ob er auch hieran beteiligt ist, oder nur aufgrund des zugrundeliegenden Rollenspiels mit auf der Schachtel steht, ist mir leider nicht bekannt, aber Antoine Bauza ist ein bekannter Name in der Brettspielszene und zeichnet auf jeden Fall für dieses Spiel verantwortlich. Die Wurzeln haben wir nun erklärt und wissen, dass das Setting aus einem Rollenspiel stammt. Dieses wurde hier in ein Brettspiel verwandelt, dass mit Brettspielmechaniken funktioniert. Normalerweise würde ich hier nun kein Familienspiel erwarten, aber genau das wird uns hier serviert. Oltréé ist in dieser Variante ein kooperatives Brettspiel auf gehobenem Familienniveau und ob das funktioniert, schauen wir uns mal etwas genauer an. Der Name Oltréé bedeutet im Französischen soviel wie „gehasst“.
Worum geht es?
Ich möchte an dieser Stelle die Schachtel sprechen lassen:
Vor langer, langer Zeit führte das Kaiserreich einen gnadenlosen Krieg gegen den grossen Zauberer, dem hohen Priester des Vaters aller Monster. Das Reich gewann zwar den Krieg, aber zu einem hohen Preis: der Einheit des Reiches und somit seiner eigenen Existenz. Auf den Frieden folgten dunkle Zeiten, zerschlagene Ländereien, endlose Streitigkeiten, teuflische Kulte, Ruinen und Leid. Aber eine Tradition des alten Reiches hat überlebt: mit der Burg und Bastion im Zentrum patrouillieren die Spieler unermüdlich durch das Land um die Bewohner zu schützen, erkunden die Wildnis, fügen das Gemeinwesen wieder zusammen, bekämpfen Monster und sichern des Kaiser’s alte Schätze auf dass die Hoffnung eines Tages wieder aufleben kann.
Es liegt an dir, einer dieser Helden zu sein!
Das ist der Hintergrund vor dem wir uns bewegen und die Geschichten dieses Spiels erleben. Die Spieler*innen spielen in einer Partie eine einzelne Geschichte, genannt Chronik, durch und versuchen sie zu meistern. Dabei ist das Spielprinzip so klassisch kooperativ, wie es bei einem Brettspiel nur sein kann. Die Spieler*innen spielen Feuerwehrmann und müssen zu verschiedensten Orten Reisen, Probleme lösen und nebenbei ihre Festung wieder errichten. All das mündet am Ende der Chronik in einem zu bestehendem Ereignis.
Wie läuft das ab?
Im Zentrum des großen wunderschönen Spielbretts liegt die Burg, die von den Spieler*innen im Laufe des Spiels wieder aufgebaut werden muss. Sie können Gebäude im Inneren errichten, um Vorteile bei Proben für sich zu erlangen oder aber die vier Türme an den Ecken wieder aufbauen. Diese sind von zentraler Bedeutung, denn sie schützen die beiden angrenzenden Gebiete. Um die Burg herum gibt es acht Orte. An jeder Seite der Burg zwei. Diese sind nummeriert und bieten jeder für sich einen anderen Vorteil, den wir als Unterstützung bekommen können, oder aber wir können dort Quests erfüllen, die uns mitunter belohnen werden.
Jeder der Spielenden übernimmt die Rolle eines Helden mit einzigartigen Fähigkeiten. Wer an der Reihe ist muss zunächst einmal den Fortschrittswürfel werfen und löst damit Ereignisse des Spiels aus. Zum Beispiel kommen weitere Quests an die Orte. Liegen vier dieser Karten an einem Ort gilt der Ort als gefährdet und sollten weitere hinzukommen müssen, so wird unsere Ruhmesleiste gesenkt, weil wir uns einfach nicht um die Belange der Bürger kümmern. Sinkt unser Ruhm auf Null, so haben wir die Partie verloren. Das ist aber nicht unsere einzige Leiste auf die wir achtgeben müssen, denn unsere Festung verfügt über eine Festungsleiste, die der Verteidigung der Burg entspricht. Bei dieser verlieren wir ebenfalls sofort, wenn sie auf Null fällt. Beim Fortschritt könnte aber auch ein Problem aufgedeckt werden, dass einen Ort für uns wertlos macht, weil wir dort keine Unterstützung mehr bekommen können. Wir müssen das Problem in Form von Eigenschaftsproben erst beseitigen, bevor wir ihn wieder nutzen können. Es können aber auch ganz generelle Ereignisse in der Welt auftauchen, die uns das Leben schwerer machen. Verantwortlich dafür ist die Fortschrittsleiste auf der wir einen Marker immer weiterziehen müssen. Sie besteht nur aus vier Feldern, aber kommen wir am Ende an, ziehen wir den Marker wieder auf das erste Feld und beginnen eine neue Runde. Jedesmal wenn wir vorne wieder ankommen wird die Chronik um eine weitere Karte fortschreiten und uns dem Ende näher bringen. Wenn wir Glück haben, lässt uns der Würfel nicht vorziehen, aber bei viel Pech gehen wir sogar gleich zwei Schritte.
Die Chroniken liegen in Form von mehrteiligen Kartensets aus. Wann immer wir die Runde durchschritten haben, wird eine neue Karte umgedreht und neue Ereignisse treten ein. Nicht nur die Chronik bestimmt aber unser Handeln, nein, auch der Schwierigkeitsgrad kann für jede Chronik individuell gewählt werden. Wir können uns nämlich über den Schwierigkeitsgrad Hilfe bei der Chronik verschaffen und je nach Grad der Schwierigkeit, ist das natürlich simpel oder aber wird zu einer heftigen Herausforderung. Verantwortlich dafür ist jeweils eine Karte, die es in verschiedenen Versionen gibt und einen Nebenplot erzählt. Das macht Oltréé im Kern sehr modular und für verschiedene Gruppen und Schwierigkeiten anpassbar. Diese Szenariokarte gibt uns auch vor, aus welchen Questkarten unser Aufgabenstapel besteht, der zu Beginn der Partie immer aus zwei Sorten Questkarten zusammengemischt wird. Insgesamt gibt es fünf Sorten Questkarten, die uns ähnlich wie bei Paleo, auf ihrer Rückseite schon einen Hinweis geben, um was es sich auf der Vorderseite drehen könnte.
Man darf sich Nichts vormachen, aber Glück ist ein Faktor in diesem Spiel. Es wird viel gewürfelt. Wir haben zwar Einfluss darauf, denn Würfe werden modifiziert, aber würfelst du mies, dann gewinnst du keinen Blumentopf. Der Rest des Spiels dreht sich darum mit Aktionen und Ressourcen so zu jonglieren, dass ich mir bessere Chancen bei den Würfeln heraushole. Insgesamt erinnert mich Oltréé stark an Pandemie auch wenn es viel immersiver ist und den Spielenden Geschichten erzählt um sie mehr in das Spielgeschehen hineinzuziehen. Im Spielverlauf werden durch die Chronik die Daumenschrauben deutlicher angezogen und wir befinden uns oft in Zwickmühlen, die wir mit gutem Zusammenspiel aber oftmals auch lösen können. Wo gehen wir ein Wagnis ein, um uns woanders zu befreien. Das sind die Fragen, die sich die Spieler*innen hier ständig stellen. Beispielhaft läuft das dann so, das ein Held irgendwo Ressourcen sammelt, die sofort in den Burghof gelegt werden, wo jemand anders sie in seinem Zug direkt verbauen kann, um bei einem wichtigen Würfelwurf einen zusätzlichen Würfel zu generieren, den wir benötigen um ein Problem woanders auf dem Spielfeld zu entfernen, so dass wir im nächsten Zug wieder Zugang zu einer bestimmten Ressource haben, die wir benötigen um einen Turm zu errichten. So läuft das die meiste Zeit ab, wenn nicht gerade besondere Ereignisse durch die Chronik auftauchen.
Viel mehr gibt es an dieser Stelle nicht über das Spiel zu sagen, denn viel mehr geht hier erstmal gar nicht vor. Der Rest betrifft die Fertigkeitsproben und die speziellen Fähigekeiten der einzelnen Charaktere, aber das ist rein spielerisch alles gar nicht so der Rede Wert und für Familien die gerne spielen, sollte das durchaus kein Problem darstellen.
Das Fazit
Board Game Box überraschen mich bereits ein zweites Mal mit einem kooperativen Spiel. Nach The Loop, dass ich letztes Jahr erst kennenlernen durfte und seitdem zu einem festen Bestandteil unserer Sammlung wurde, ist nun auch Oltréé dort eingezogen und auch wenn der vorangegangene Text es vielleicht nicht vermuten lässt, ich mag Oltréé sehr. Hier werden einfach sehr viele Punkte meiner Checkliste positiv abgehakt. Ich mag Spiele die Geschichten erzählen. Check. Ich mag kooperative Spiele bei dem wir zusammenarbeiten und Probleme lösen, die uns das Spiel stellt. Check. Ich mag hübsche Spiele. Doppelcheck. Hier stimmt einfach eine ganze Menge auch wenn Oltréé zu keinem Zeitpunkt neu, oder innovativ wirkt. Das, was es von den Spieler*innen verlangt, macht es wirklich sehr solide und mit der hervorstechenden Optik eines Vincent Dutrait Spieles ist dieses Spiel bis ins kleinste Detail einfach hübsch anzusehen und verschönert einfach jeden Spieltisch.
Rein spielerisch, ich habe es im Text schon erwähnt, erinnert mich Oltréé an Pandemie. Wir eilen von Ort zu Ort und erledigen Dinge, um das generelle Problem zu lösen. Dabei helfen uns bestimmte Dinge und das Spiel verscuht uns permanent daran uns Knüppel zwischen die Beine zu werfen, um uns zum Straucheln zu bringen. Dabei ist Oltréé nicht so präzise wie Pandemie und verzeiht auch den ein oder anderen Fehler, weil eben die Glückskomponente der Würfelwürfe miteingebaut wurde. Und so sehr diese ja zu einem Rollenspiel gehören und mich im Spielverlauf auch überhauptnicht stören, so sehr stört mich das Ende einer jeden Partie und das ist mein Hauptkritikpunkt dieses ansonsten hervorragenden Spiels. Bricht man es nämlich runter, so steht am Ende eines Spiels immer ein Ereignis, das wir mit einem Würfelwurf zu unseren Gunsten entschieden müssen. Oltréé lässt uns im Verlauf einer Chronik genug Chancen diesen Wurf in unsere Richtung zu begünstigen, aber wer nicht gut spielt, der braucht viel Glück und kann die Partie dennoch positiv entscheiden. Wer aber richtig gut spielt und am Ende einfach riesiges Pech hat, verliert trotzdem und das fühlt sich nicht richtig an. In einem Rollenspiel hättest du an dieser Stelle einen Spielleiter, der hinter seinem Sichtschirm einen Wurf tätigt, bei dem die Spieler*innen dasitzen und auf den Fingernägeln kauen, bis er verkündet das es ein Erfolg war und der Jubel einsetzt, obwohl er einen Mißerfolg gewürfelt hat. Dieses regulativ hast du hier einfach nicht. Aber das ist ein Schönheitsfehler, den ich nur allzugern verzeihe, da der Rest auf dem Niveau eines Familienspiels für mich bisher einzigartig ist. Denn Oltréé ist nie zu kompliziert und bleibt immer beherrschbar. Für diejenigen die es etwas knackiger haben wollen bietet es unterdess genug Stellschrauben um ein schwierigeres Spiel zu ermöglichen.
Hier stimmt die Abwechslung des Spiels mit der Balance des Schwierigkeitsgrades, dem wertigen Material und auch der Länge der Spielzeit perfekt überein, so dass ich Oltréé allen Freunden von kooperativen Spielen, allen spielfreudigen Familien und generell jedem, der auf solch geschichtsgetriebene Spiele steht, empfehlen würde.
- Verlag: Board Game Box
- Autor(en): Antoine Bauza, John Grümph
- Illustrator(en): Vincent Dutrait
- Erscheinungsjahr: 2022
- Spieleranzahl: 2 – 4 Spieler
- Dauer: 60-120 Minuten