Die Geschichte der Solospiele oder des Solospielens, ist eine voller Mißverständnisse. Der Brettspieler an sich gilt in der heutigen Zeit ja zunehmend als Nerd oder Geek. Früher war das, in Deutschland zumindest, noch ein wenig anders, oder trübt mich meine Erinnerung da? In der Familie gelegentlich ein Brettspiel zu spielen, gehörte in einem Haushalt mit Kindern in Deutschland irgendwie immer dazu. Für niemanden galt das als nerdig oder geekig. Ich habe das Gefühl, das sich das gerade ändert. Brettspielen an sich gilt nicht als besonders hip, obwohl es einen enormen Zulauf hat. Man wird gerne mal als Freak abgestempelt. Noch viel schlimmer verhält es sich mit dem Thema des Solospielens. Das gilt sogar noch in den meisten Brettspielerkreisen als seltsam oder zumindest nicht richtig, da sich die meisten ja rühmen Gesellschaftsspiele zu spielen, um in Gesellschaft zu sein. Man fühlt sich gerne als was besseres, als diese ganzen Videospieljunkies, die alleine vor den Bildschirmen versauern und keinerlei soziale Kontakte mehr haben. Das ist natürlich stark überzeichnet. Aber was ist dran am Solospielen? Seltsam oder doch im Trend?
Seit einiger Zeit beobachte ich am Spielemarkt einen Trend, der ein wenig im Verborgenen scheint. Zumindest reden nicht soviele darüber. Eine Menge Spieleneuerscheinungen verfügen neuerdings über einen Solomodus. Auf den Spieleschachteln steht doch tatsächlich des öfteren 1- bei der Spieleranzahl. Früher war das noch eine absolute Ausnahme und hat sich über vereinzelte Spiele im vergangenen Jahrzehnt innerhalb der letzten zwei, drei Jahre zu einem richtigen Trend gemausert. Obwohl das keiner drüber spricht, stimmt gar nicht, wie sich bei meiner Recherche herausstellte. Es gibt Blogs, Homepages und Podcasts zu diesem Thema. Aber das Ganze wird sehr nischig behandelt und kommt auf den größeren Seiten kaum vor. Trotz dieses anscheinenden Trends bei den Spieleentwicklern und Verlagen wird die Nase von vielen aber immer noch gerümpft, wenn es um das Solospielen von Brett- und Kartenspielen geht.
Dieses Vorurteil kann ich nicht ganz nachvollziehen, denn schon seit langer Zeit ist doch zum Beispiel das legen von Patiencen ein gängiger Zeitvertreib und man muss gar nicht soweit in die Vergangenheit schauen, denn das Spielen von mehr oder weniger tollen Apps auf dem Handy oder Smartphone ist weitestgehend akzeptiert. Warum gilt das eine also als seltsam, während das andere okay ist? Es kann also nicht am Spielen selbst liegen. Es muss mit dem Vorgang an sich zu tun haben. Vielleicht versteht man nicht, dass man sich alleine an einen Tisch setzt, ein Spiel aufbaut und beginnt Würfel zu werfen, Figuren zu verschieben und Aktionen von Karten auszuführen. Vielleicht kann auch nur ich das nicht verstehen, denn für mich war das noch nie seltsam. Ich habe schon in meiner Kindheit ab und zu vor Brettspielen gesessen und die ein oder andere Spielsituation durchgespielt.
Eines meiner absolut liebsten Spiele früher war Sherlock Holmes Criminal-Cabinet, dass für mich schon immer ein reines Solospiel war und noch ist. Ich fand das immer eher störend, wenn weitere Personen dabei waren und mitspielen wollten. Dieses Spiel war zu seiner Zeit eine absolute Rarität, denn auch damals prangte bereits eine 1- auf dem Karton und es wurde doch tatsächlich zum Spiel des Jahres 1985 gekürt. Übrigens erkannte die Jury vom Spiel des Jahres-Preis schon damals, dass es besser ist Sherlock Holmes Criminal-Cabinet alleine zu spielen:
Weil bei der Lösung der Fälle größte Genauigkeit vonnöten ist – jedes Wort in Zeitungsmeldungen oder im Buch der Indizien muss auf die Goldwaage gelegt werden – erfordert das Spiel in der Gruppe Konzentration. Das klare logische Denken, das Sezieren eines Falles, gelingt jedoch leichter in der Einsamkeit, ohne die Ablenkung durch die Einwürfe der Mitspieler.
Spiel des Jahres-Jury 1985
Sudoko, Rätseln, Quizzen, Puzzeln, das alles macht man doch auch alleine und niemand findet das seltsam… Wenn man sich aber hinsetzt und ein komplexes Brettspiel über Stunden spielt und das auch noch öffentlich zugibt, ist man ein Freak?! Nein, ist man nicht! Es gibt Spiele die machen deutlich mehr Spaß, wenn man sie in einer Gruppe spielt. Zugegebenermaßen fänd ich es auch seltsam wenn sich jemand hinsetzt und mit sich selber Codenames spielt oder sowas, aber wenn ein Spiel doch über einen Solomodus verfügt, der auch noch gut funktioniert, dann kann ich daran absolut nichts freakiges oder seltsames finden. Das muss halt jeder selbst wissen. Fakt ist, heutzutage hat man eine wahnsinnig große Auswahl von richtig guten Spielen mit richtig guten Solomodi. Ein paar Beispiele gefällig? Everdell, sieht nicht nur wahnsinnig gut aus und ist ein wirklich tolles Worker Placement und Engine Building Spiel, es lässt sich zu allem Überfluß auch noch richtig gut alleine Spielen, weil einem das Spiel einen schönen Mechanismus in Form eines Gegenspielers bereitet, der auch noch über verschiedene Schwierigkeitsgrade verfügt. Auch Spirit Island kann man sehr gut solo spielen. Hier benötigt man nicht mal besonders große Veränderungen am normalen Spiel. Spirit Island funktioniert einfach auch alleine sehr gut ohne Sonderregeln. Auch Spiele wie Die Architketen des Westfrankenreichs, Imperial Settlers oder Winziges Verlies funktionieren alleine sehr gut.
Natürlich hat sich die Spieleindustrie auch darauf eingestellt und so gibt es inzwischen sogar die ersten Brettspiele die sich hauptsächlich an Solospieler richten, wie zum Beispiel Der Unterhändler oder Onirim, das man zwar auch kooperativ zu zweit Spielen kann, aber im Kern ein Solokartenspiel ist, bei dem man ähnlich wie bei einer Patience versucht das Kartendeck aufzulösen.
Und dann gibt es da natürlich noch die ganzen Erzählerischen Spielerfahrungen, die sich besonders gut dafür eignen solo gespielt zu werden. Man erlebt dabei eine Geschichte, die dann fast wie ein Buch wirken kann. An dieser Stelle sei nur an das fantastische Arkham Horror Kartenspiel erinnert oder aber an This War Of Mine, das einem eine Spielerfahrung liefert, die meiner Meinung nach mit mehr Spielern gar nicht diese Wirkung entfalten kann, die sie durch eine Soloerfahrung bekommt. Auch sämtliche Exit und Escape-Room-Spiele bieten Erfahrungen, die man auch alleine absolvieren kann, wenn man denn will, natürlich sind diese aber meist in Gesellschaft ein wenig spaßiger.
Probiert es ruhig einmal aus. Solospielen ist nichts Schlimmes oder Verwerfliches, man darf das machen. Für den ein oder anderen mag es sich seltsam anfühlen und für manchen auch gar nichts sein. Das ist völlig in Ordnung. Genauso in Ordnung wie das Solospielen. Wie steht ihr zu dem Thema? Habt ihr Erfahrungen in dem Bereich gemacht? Würde mich wirklich interessieren…