Eigentlich hatte ich gedacht, die Zeiten für Sammelkartenspiele sein vorbei. Also nicht das diejenigen, die auf dem Markt sind verschwinden, nein, das sicher nicht, aber ich habe es lange für ausgeschlossen gehalten, dass es nocheinmal im großen Stil neue Versuche geben würde ein solches Spiel zu etablieren. Doch dann kam im letzten Jahr diese Ankündigung von Disney und Ravensburger, das man sich zusammengetan hätte, um genau das zu tun. Niemand hatte wohl damit gerechnet, aber nachdem du dir das ein paar Minuten durch den Kopf gehen lässt, macht das tatsächlich Sinn. Nur ist der Markt noch bereit für Sammelkartenspiele? Es gab mal eine Zeit in der versuchten alle ein Stück vom Magickuchen abzubekommen und es wurde enrom viel Geld in der Industrie verbrannt. Nur selten konnten andere Spiele größere Erfolge feiern und irgendwann galten Sammelkartenspiele als Gift für die Firmen. Disney Lorcana ist gerade von der Startlinie losgelaufen und hat einen guten Start hingelegt, soweit ich das beurteilen kann, ohne Zahlen zu haben. Die nicht vorhandene Verfügbarkeit trotz immer wieder beteuerter guter Vorbereitung spricht zumindest dafür. Aber um einen guten Start geht es gar nicht. Will Lorcana relevant sein, so müssen sie am Ball bleiben. Meine Frau wollte, seit sie von Lorcana weiss, auf jeden Fall reinschnuppern, da sie ein riesen Disneyfan ist. Also sind wir mal ganz sanft eingestiegen.
Worum geht es?
Die Spieler*innen schlüpfen in die Rolle eines Luminaris. Was das ganz genau ist, wird eigentlich nicht verraten, aber wir können das als Zeichner*in der Disneyfiguren deuten, der oder die durch Tinte Figuren, sogenannte Glimmer, zum Leben erwachen lässt. Wir spielen gegeneinander und wer zuerst 20 Legenden gesammelt hat, der gewinnt eine Partie. Legenden sind Punkte, die die erschaffenen Figuren durch Erkundung erlangen können. Wir können durch Herausforderungen aber auch gegnerische Glimmer am Erkunden hindern und vom Spielfeld nehmen. Also im Prinzip ein Standard Duellspiel nur das das Besiegen des Gegners durch Beseitigen seiner Lebenspunkte durch das Gegenteil, nämlich das Ansammeln von Punkten ersetzt wird. Klingt ein wenig freundlicher, obwohl es dasselbe in grün ist.
Wie läuft das ab?
Lorcana ist durch seine Ausrichtung an viele unterschiedliche Käuferschichten dazu gezwungen das Spielprinzip relativ einfach zu halten. Die Grundmechanik ist also schnell erklärt und wie bei jedem guten Sammelkartenspiel kommt die Komplexität durch das Zusammenspiel der einzelnen Kartenfähigkeiten. Der Kern von Lorcana lässt sich aber schnell erklären. Beide Spieler*innen benötigen ein Deck aus 60 Karten. Jede Karte darf maximal viermal darin vertreten sein. Ein Deck besteht aus zwei der Farben des Spiels. Insgesamt gibt es sechs, die sich durch verschiedene Taktiken auszeichnen sollen. Die gemischten Decks werden bereitgelegt und die Spieler*innen ziehen sieben Karten auf die Hand. Dann dürfen einmalig alle Karten die nicht gewünscht sind wieder ins Deck gemischt werden und anschließend wird dafür Ersatz gezogen. So wird zumindest versucht eine schlechte Hand zu umgehen.
Dann geht es los. In jeder Runde werden zunächst alle Karten bereit gemacht, etwaige Effekte abgehandelt und dann wird eine neue Karte vom Stapel gezogen. Danach kann gespielt werden. Pro Runde darf einen Tinte in den Vorrat ausgelegt werden. Dazu zeigen die Spielenden eine Karte vor und legen sie verdeckt vor sich ab. Fast alle Karten können als Tinte gespielt werden. Es gibt einige Ausnahmen, deren Tintenkosten in der oberen linken Ecke weisen keine Verzierung auf. Danach kann soviel gespielt werden, wie die Hand hergibt und wie wir mit unserer Tinte bezahlen können. Tinte wird erschöpft (zur Seite gedreht), sobald sie benutzt wurde. Alles Erschöpfte kann nicht mehr benutzt werden, bis es zu Beginn einer Runde wieder bereitgemacht wird. Glimmer die wir ausspielen können in der Runde, in der wir sie gezeichnet haben, noch nichts machen, denn ihre Tinte muss, der Geschichte entsprechend, erst noch trocknen. Haben wir bereite Glimmer können diese Erkunden gehen und soviel Legendenpunkte sammeln, wie auf ihnen, in der Textbox durch Legendensymbole, abgebildet sind. Diese werden auf unseren Vorrat addiert. Erreichen wir irgendwann den Wert 20 haben wir gewonnen. Glimmer werden ebenfalls durch das Erkunden erschöpft. Nur wenn sie erschöpft sind, können sie von unserem/unserer Gegner*in durch Glimmer herausgefordert werden. Dann werden Angriffs- und Verteidigungswerte der Glimmer miteinander verglichen. Wird genug Schaden zugefügt um die Verteidigung zu erreichen oder zu überbieten, wird der Glimmer abgelegt. Ansonsten kommen Schadensmarken drauf, um die Verletzung anzuzeigen.
Das ist eigentlich alles, was Lorcana spielmechanisch ausmacht. Der Rest sind die diversen Fähigkeiten, die mit dieser Mechanik interagieren, indem sie Teile verändern oder außer Kraft setzen und mit diversen Sonderaktionen das Salz in die Suppe bringen.
Was brauchen wir zum Spielen?
Zwei Starterdecks reichen aus. Es gibt drei verschiedene die mit jeweils einem Booster zusammen verkauft werden. In den Starterdecks befinden sich auch ein paar Pappmarken und eine kleine Papiervorlage, um unsere Punkte zu zählen. Also rudimenär ist alles da, was benötigt wird und sollte den Startpunkt für Disney Lorcana darstellen, wenn ihr vorhabt es zu spielen. Boosterpacks sind zufällig sortiert und brennen euch ein Loch in den Geldbeutel, wenn ihr bestimmte Karten sucht. Dazu aber später mehr. Die ganzen anderen erhältlichen Dinge könnt ihr erstmal vergessen. Sollte euch das Spiel zusagen, gibt es mehr zu entdecken.
Das Fazit
Zunächst möchte ich anmerken, das das mediale Interesse innerhalb der Spieleszene sehr groß ist und Ravensburger anscheinend einiges daran setzt, Lorcana zu einem Erfolg werden zu lassen. Wochenlang gab es kaum ein anderes Thema und überall beschäftigten sich Youtuber*innen und Blogs mit dem Sammelkartenspiel. Dabei konnte man sehen, dass ziemlich viele gar keine Ahnung von der Materie haben und zum Teil ihre Brett- und Kartenspielmaßstäbe an ein solches Spiel ansetzten. Einige waren zumindest so ehrlich zuzugeben, dass sie von einem Sammelkartenspiel eigentlich keine Ahnung haben und das ist dann auch gut so. Andere wiederum hypten es in den Himmel, um den Spendern ihrer Rezensionsexemplare zu gefallen oder versuchten es schlechtzureden. Ihr kennt das, sobald eine Sau durchs Dorf getrieben wird, hauen die einen drauf und die anderen versuchen sie auf ihren Hof zu treiben.
Um Disney Lorcana initial zu beurteilen, ist das Stadium in dem es sich befindet zu beachten. Wie oben geschrieben ist es, um bei der Sportmethapher zu bleiben gerade aus dem Startblock losgelaufen und hat einen vielversprechenden Start hingelegt. Ob es den Marathon schafft muss es noch beweisen und das hängt davon ab, wie es weitergeht. Die Kritik an Lorcana war bisher, dass noch nicht viel möglich sei, was den Deckbau angeht und das es kaum Karten gibt, die dich Karten ziehen lassen und du irgendwann einfach verhungerst, weil du nichts mehr auf der Hand hast und jede Runde eine Karte ziehst und eine ausspielst. Vielmehr Kritik habe ich aber kaum gelesen, was das Spielerische angeht zumindest. Es gab noch Kritik am Boostersystem und das die Startdecks zu schlecht und nicht ausgewogen sein. Stimmt das?
Ich denke vieles davon ist einfach nicht wahr. Okay, ich mag Disney Lorcana zu diesem Zeitpunkt, dass sollte ich vorweg schicken. Es ist definitv nicht das beste Sammelkartenspiel das ich je gespielt habe, aber es ist auch weit davon entfernt schlecht zu sein. Die meisten machen den Fehler Lorcana mit bekannten und gerne gespielten Sammelkartenspielen zu vergleichen, was momentan einfach noch kaum möglich ist, da nur ein Set von Lorcana erschienen ist. Der Kartenpool ist viel zu klein, als das es mit Magic, oder Pokemon oder was auch immer verglichen werden könnte. Magic war bei Release auch noch nicht der große Checker mit diversen Mechaniken und Möglichkeiten. Es deutete an wo es hingehen kann, aber mehr auch nicht. Genau das tut Lorcana derzeit aber auch. Es hat sehr gute Ansätze und Potential sich vielseitig ausbauen zu lassen. Es jetzt schon zu vergleichen und zu bewerten ist vorschnell. Also der Kritikpunkt mit dem Deckbau stimmt zwar, aber ist dem noch kleinen Kartenpool geschulded. Es stellt sich schnell raus, welche Karten gut miteinander harmonieren und diese Decks werden dann auch gespielt.
Das mit dem Carddraw, also dem nicht vorhandenen nachziehen der Karten ist definitv nicht richtig. Es gibt Karten die es ermöglichen. Allerdings nicht in allen Farben und bei dem kleinen Kartenpool natürlich noch wenige. Das Problem liegt vielmehr darin, das unerfahrene Spieler*innen dazu neigen, entschuldigt den Begriff, overextending zu betreiben. Soll heißen, sie spielen zuviele Karten aus, nur weil sie es können und behalten nichts in der Hinterhand. Das führt dann meist zum sogenannten Topdeckmodus bei dem keine Karten mehr auf der Hand gehalten werden und man mit dem leben muss, was in dem Moment gezogen wird. Natürlich kommt es auch mal zu solchen Situationen, aber ein grundsätzliches Problem erkenne ich da bisher nicht.
Sind die Starterdecks wirklich so schlecht? Es sind Starterdecks. Natürlich sind diese nicht mit Topkarten gespickt. Sie sollen funktionieren und das tun sie. Sie geben Mechaniken und Ausrichtungen vor und wir haben jede Kombination gespielt. Alles hat funktioniert und nichts hat sich als extrem viel besser oder schlechter herausgestellt. Nun kommen wir zum Knackpunkt und das ist einer bei dem es ein wenig heikler wird. In der Natur eines Sammelkartenspiels liegt natürlich das Sammeln. Es wird nicht eben wenige Menschen geben, denen das Spiel total egal ist, denn es sind Disney Sammelkarten. Es gibt diverse Sammler von Disneyzeugs und auch die werden sich auf das Spiel stürzen. Mir bereiten hier nur die kleinsten Kopfschmerzen: die Kinder, denn Booster sind teuer und locken mit tollen Karten. Lootboxen, Booster, egal wie wir es nennen, es bleibt ein Glücksspiel. Du kannst richtig viel Geld lassen, wenn es zu einer Sucht wird und das Potential hat es, denn wenn du einen Booster aufreist und es sind tolle Karten drin, gibt es einen Endorphinkick und das Verlangen das zu wiederholen. Das finde ich bei einem Produkt das sich zwar nicht ausschließlich aber auch an Kinder richtet durchaus problematisch, denn die haben noch nicht den Durchblick sich Einzelkarten vielleicht bei einem Händler billiger zu kaufen. Allerdings habe ich keine Lösung für das Problem außer es wird gesetzlich verboten. Darüber müssen sich aber andere als ich den Kopf zerbrechen.
So, das war jetzt viel Zeug, aber generell muss ich sagen, dass uns Lorcana recht gut gefallen hat. Es ist wirklich noch nicht der große Wurf, hat aber sehr gute Ansätze und wir wollen noch ein wenig am Ball bleiben, um zu sehen, wo die Reise hingeht. Das zweite Set ist noch für dieses Jahr angekündigt und dann wird sich schon zeigen, ob Lorcana nur auf der Durchreise ist, oder doch ein wenig länger bleibt. Der Grundstein ist gelegt, aber auch noch nicht mehr. Das Spiel funktioniert und macht Spaß, ob es was für euch ist, müsst ihr herausfinden. Aber haltet euren Geldbeutel fest. Das gilt sogar wenn das nächste Set erscheint noch mehr als jetzt.
- Verlag: Ravensburger
- Autor(en): Ryan Miller, Steve Warner
- Illustrator(en): Cory Godbey, Luis Huerta, Cam Kendell, Jake Parker
- Erscheinungsjahr: 2023
- Spieleranzahl: 2 – (6) Spieler*innen
- Dauer: ca. 20 Minuten
Ein Gedanke zu „Disney Lorcana – Gekommen um zu bleiben?“