Mythwind – Eine neue Art von Brettspiel

Mythwind

Es ist mittlerweile ein bisschen her, als wir Mythwind zum ersten Mal auf unseren Tisch brachten. Im Monatsüberblick Februar schrieb ich zuerst ein paar Zeilen dazu. Aufgrund des Zeitmangels der letzten Tage hat es bis heute gedauert, um diese Zeilen zu verfassen. Mythwind ist definitiv ein Spiel über das ich Worte verlieren muss, auch wenn inzwischen fast schon die ganze Brettspielwelt etwas dazu gesagt hat. Warum? Nun Mythwind ist ein wirklich spezielles Spiel. Eines, dass ein paar Dinge sehr gut hinbekommt, an dem andere bisher immer scheiterten. Auf der anderen Hand gibt es aber auch einige Kritikpunkte, über die hier nicht hinweggesehen werden darf. Trotzdem ist Mythwind ein bisher einzigartiges Spiel in der Brettspielszene und das allein reicht um hier meine Gedanken ins Netz zu posaunen, falls es jemanden interessiert. Spoiler frei versteht sich.

Worum geht es?

In Mythwind spielen wir allein oder als Gruppe eine Truppe Handwerker und Abenteurer, die in einem magischen Tal zusammen mit ein paar Naturgeistern ein neues Dorf errichten wollen. Die Spieler*innen übernehmen dabei die Rollen von ein bis zwei Handwerkern und haben für jeden Charakter etwas anderes zu tun. Alle zusammen bauen dabei gemeinsam das Dorf auf, welches sich von Jahr zu Jahr mehr entwickelt. Das Spiel läuft dabei in Jahreszeiten ab und ist im Prinzip endlos, da wir unseren Fortschritt immer wieder einpacken und bei der nächsten Sitzung weiterspielen können. In diesem Sinn gibt es also kein „richtiges“ Ziel auf das wir hinsteuern, um das Spiel zu beenden, sondern wir entscheiden uns nach jeder Jahreszeit, ob wir weiterspielen wollen, oder einpacken und beim nächsten Mal weiterspielen.

Wie läuft das ab?

Mythwind ist von vorn bis hinten durchdesignt, um dieses schnelle auf- und abbauen des Spiels zu ermöglichen. Das haben schon viele Spiele versprochen, aber ich sage euch gleichmal vorneweg: Mythwind löst da auch endlich mal ein. Dazu können hier auf einfachste Art und Weise Charaktere zwischen den einzelnen Spielsitzungen zwischen den Spieler*innen oder auch ganz ausgetauscht werden. Macht überhaupt nichts aus und lässt sich ganz einfach bewerkstelligen. Auch in dieser Hinsicht liefert Mythwind ab.

Mythwind – Waldhüter Gametray / Foto: Spieltroll

Nun aber erstmal zum Spiel an sich, ohne etwas zu spoilern. Das Spiel ist aufgrund seiner Verpackung recht schnell aufgebaut. Dazu benutzt das Spiel diverse Gametrays, die in der Schachtel gestapelt sind. Zuoberst hat jeder der vier Charaktere ein eigenes Tray, das komplett auf ihn zugeschnitten wurde und nur mit diesem Charakter funktioniert. So hat der Farmer zum Beispiel eine Fläche in seinem Tray auf der er Plättchen auslegen muss, um seine Farm zu repräsentieren. Die Händlerin hat einen Warenmarkt, auf dem sie Warenkurse einstellen muss usw. Nach den vier Charakteren kommt ein weiteres Tray für das Dorf. In diesem lagern drei Spielplanteile, die doublelayered sind und unser Dorf zeigen, welches wir in der Tischmitte aus den drei Teilen zusammenlegen. Dieses Brett verändern wir im Laufe der Zeit immer wieder und es zeigt unsere Ressourcenskalen für das gesamte Dorf, mit der wir zusammen Entscheidungen für das Dorf treffen müssen. Ganz unten in der Schachtel finden wir dann das restliche Spielmaterial in Form von jeder Menge verschiedener Karten und unsere Spielfiguren. Hier fallen sofort ein paar verschlossene Umschläge auf, die weiteres Material versprechen.

Mythwind – Das Dorftray mit unserem Dorffortschritt / Foto: Spieltroll

Im Grunde ist das Spiel dann bereits aufgebaut. Ein paar der Kartenstapel müssen noch vorbereitet werden, indem sie gemischt werden, aber ansonsten müssen die Spieler*innen nur ihre Charaktere ihren Regeln entsprechend vorbereiten und sofort kann die Partie losgehen. Was da im Einzelnen zu tun ist, würde hier jeden Rahmen sprengen, denn die Charaktere verfügen alle über ihre eigenen Regeln in zum Teil recht umfangreichen Regelheftchen. Das macht natürlich die Erstpartie etwas zeitintensiver und sorgt für viele Regelfragen.

Der Spielablauf ist dann wie folgt. Wie bereits erwähnt spielen wir immer eine Jahreszeit in einer Partie. Eine solche Jahreszeit besteht in diesem Fall aus mehreren Runden, die einzelne Tage darstellen und die Tage wiederum werden in drei Phasen, Morgen, Mittag und Abend, unterteilt. Die Anzahl der Tage wird durch unseren Wetterkartenstapel bestimmt. Zu Beginn jedes Tages wird eine Wetterkarte gezogen und ist der Stapel aufgebraucht, so endet auch die Jahreszeit. Das Wetter kann für bestimmte Effekte sorgen. So ist zum Beispiel der Farmer sehr abhängig vom Wetter. Es gibt aber nur die drei Arten Sonne, Wolken und Regen. Je nachdem in welcher Jahreszeit wir uns gerade befinden, treten andere Jahreszeiteneffekte auf. Dafür werden immer die drei letzten Wettersymbole zu Rate gezogen. Im Frühjahr führt zum Beispiel Dauerregen an drei aufeinanderfolgenden Tagen zu einem Nahrungsmittelverlust für das Dorf. Außerdem lösen manche Wetterkarten bestimmte Dorfeffekte aus. Es wird zum Beispiel ein Ereignis ausgelöst, oder ein Baufortschritt findet statt. Während jedes einzelnen Schritts, die wir vom Tagesablauf befolgen müssen, können sich die verschiedenen Charaktere einklinken. Das heißt es kann sein, das einer von ihnen in der Wetterphase auch eine Aktion machen muss.

Mythwind – Zwei Drittel unseres Dorfs nach einigen Jahreszeiten

Am Mittag machen die einzelnen Charaktere dann ihre Arbeit. Wir dürfen alle zuerst eine Dorfaktion machen, müssen uns dabei mit unseren Mitspieler*innen aber absprechen, da auf jedem Dorf Feld immer nur ein Charakter stehen darf. Außerdem sind bestimmte Aktionen immer mit bestimmten Aktionsfarben verbunden. Wie am Anfang erwähnt, bauen wir das Dorf hier gemeinsam mit ein paar Naturgeistern auf. Es gibt in diesem Spiel zwei Sorten Arbeitskraft die wir in Form von Würfeln benutzen können: blaue Geisterwürfel und orangene Menschenwürfel. Die einzelnen Dorffelder geben uns diese Farben vor und bestimmen so schon eine Auswahl von Aktionen die wir im nächsten Schritt, der Charakteraktion, überhaupt nur tun können. Die einzelnen Charaktere verfügen über unterschiedlichste Fähigkeiten, die diesen Farben zugeordnet sind. Nach Dorf- und Charakteraktion können unsere Charaktere auch noch Hilfsaktionen mit den Würfeln ausführen indem diese Arbeitskräfte ihnen helfen ihre Aktionen auszuführen. Dazu benötigen sie aber Würfel in ihrem eigenen Vorrat und diese verbrauchen sich mit jedem Einsatz um einen Punkt. Die Würfel zeigen Werte von ein bis drei.

Auch die Dorf Aktionen alle zu beschreiben würde den Rahmen sprengen, denn wir können im Dorf Gebäude mit unterschiedlichsten Fähigkeiten bauen. Standardaktionen sind aber zum Beispiel das generieren von Ressourcen durch Geld, das Anwerben von Arbeitskräften für unseren persönlichen Vorrat und das Bauen von neuen Gebäuden. Jeder Charakter erzeugt andere Ressourcen verschieden gut. Das zeigt sich über den Geldwert, den ein Charakter ausgeben muss, um eine bestimmte Ressource zu steigern. Der Farmer kann Nahrung zum Beispiel günstig beschaffen, während ein anderer Charakter die Kulturressource besser besorgen kann.

Mythwind – Dorftray mit dem restlichen Spielmaterial / Foto: Spieltroll

Im Dorf können die Spieler*innen auch, falls sie gerade nichts Besseres zu tun haben, auf Abenteuer gehen. Das ist eine der Triebfedern des Spiels, denn hier können besondere Dinge gefunden werden und der Dorffortschritt beschleunigt werden. Mythwind hält einen großen Abenteuerstapel bereit. Auch hier betritt das Spiel einen eigenständigen Weg, denn in unserem Dorf gibt es einen Abenteuerstapel, der sich durch bestimmte Ereignisse weiter ausbauen kann. Konkret heißt das, dieser Stapel besteht aus einem bestimmten Stock aus Karten, gehen wir auf Abenteuer, so arbeiten wir eine dieser Karten ab und der Stapel wird kleiner. Bestimmte Ereignisse erlauben uns dann aber die Abenteuer 100 bis 105 dem Stapel hinzuzufügen oder ähnliches. Wir haben also immer nur auf bestimmte Teile der Geschichte des Spiels Zugriff. So wird unser Fortschritt gesteuert. Selbiges trifft auch auf den Ereignisstapel zu der nur ungleich dicker ist.

Mythwind – Unterschiedliche Handbücher für unterschiedliche Charaktere / Foto: Spieltroll

Im Grunde ist das auch schon alles. Über die Charaktere verrate ich euch erstmal nichts, nur so viel, das ein Farmer, eine Händlerin, eine Handwerkerin und ein Waldhüter im Spiel vorhanden sind. Alle spielen sich komplett anders, haben andere Dinge zu tun und bereichern das Spiel durch andere Dinge.

Das Fazit

Okay, Mythwind ist also kein Spiel wie irgendein anderes Kampagnenspiel. Im Grunde haben wir es hier mit der Brettwerdung eines Videospiels á la Animal Crossing und Co. zu tun. Auch das sind Spiele die kein wirkliches Spielziel vorgeben sondern gespielt werden wollen, des Spielens wegen. Das ist Exakt das, was Mythwind eben auch versucht und für meinen Geschmack auch hervorragend schafft. Das macht es dann in der Tat bisher zu einem Unikat. Ich kenn kein anderes Spiel, das mit dieser Prämisse versucht Spieler*innen an sich zu binden. Einige werden sich jetzt fragen was das soll? Wie es gibt kein Ziel das ich erfüllen muss? Wie, ich kann nicht gewinnen? Häh? Wenn ihr direkt so reagiert, dann ist Mythwind für euch mal absolut gar nichts. Die Kampagne, die hier drinsteckt, ist eher das Erleben eines Märchens oder einer Geschichte, ohne selbst durch die Handlungen zu viel verändern zu können. Du bist aber dabei, wenn Dinge passieren, erlebst sie als Geschichte und steuerst in gewisser Weise durch den Ausbau des Dorfs, wann du welche Teile erlebst.

Im Grunde sind die Charaktere und ihre Handlungen nur Staffage und beschäftigen dich auf interessante Weise. Mythwind ist genau für diejenigen gedacht, die sich gerne wiederkehrend und ohne viel Aufwand an das Erleben einer Geschichte setzen wollen. Jeden Abend mit Frau, Freund oder Lebensgefährt*in ein Stündchen runterkommen, ein bisschen den Dorf Bau vorantreiben und die ein oder andere putzige Geschichte über die Naturgeister und uns zu erleben. Ohne Ziel, okay es gibt ein Jahreszeitenziel, dass wir erfüllen müssen, was aber meist überhaupt kein Problem ist. Ohne Stress, aber auch eben keine Langeweile. Das Spiel ist der pure Frieden.

Mythwind – riesengroße Spielfiguren / Foto: Spieltroll

Mythwind ist also ein sehr, sehr spezielles Spiel, das unter Garantie nicht für jeden zu gebrauchen ist. Soviel habe ich jetzt glaube ich klargemacht. Allerdings gibt es neben dieser Spielerischen Seite, die mich überzeugt hat, auch noch die des Materials. Es wird Zeit auf ein paar Kritikpunkte zu sprechen zu kommen. Die Trays sind aus Plastik und leider notwendig, um den schnellen Auf- und Abbau zu garantieren. Das ist zwar heute nicht mehr so ganz zeitgemäß, aber ich würde darüber hinwegsehen können, wenn sie denn wenigstens gut wären und das sind sie in ihrer Funktion leider nicht immer. Der Farmer stellt hier wohl das Extrembeispiel dar, denn sein Plättchenlegespiel mit seinen Beeten funktioniert so gar nicht gut, weil die Plättchen nicht so richtig in die Vertiefungen passen. Das dürfte eigentlich nicht passieren. Darüber hinaus sei noch erwähnt, dass Mythwind mit Ausnahme der Spielfiguren, absolut nichts für Grobmotoriker ist. Die Spielfiguren sind so groß, das selbst ein Kleinkind sie in die Patsche Händchen nehmen kann und zielgerichtet auf die Felder des Dorfes platzieren kann, während du mit deinem, zum Teil fitzelig kleinem, Spielmaterial in deinen Tray rumhantierst, was nicht immer so zielgenau funktioniert. Ich verstehe natürlich, warum das alles so klein sein muss, um überhaupt machbar zu sein, aber eine Warnung sei dennoch ausgesprochen.

Der nächste Kritikpunkt sind die Anleitungen der einzelnen Charaktere. Während die Dorfanleitung noch recht gut funktioniert, obwohl auch diese für meinen Geschmack etwas mehr Arbeit hätte vertragen können, sind mir die Zusammensetzungen so mancher der Charakteranleitungen ein Rätsel. Für ein Spiel, bei dem die einzelnen Charaktere von unterschiedlichen Spieler*innen erlernt werden sollen, haben wir es hier mit einer sehr schlechten Gliederung zu tun. Da natürlich auch nicht auf Anhieb alles sitzt, suchst du dich hinterher immer wieder dumm und dämlich nach einzelnen Passagen. Das ist aber leider noch nicht alles, denn es haben sich eklatante Fehler in die Anleitungen hineingeschlichen. Die des Waldhüters ist eigentlich gar nicht richtig zu verstehen und lässt mehr Fragen offen, als sie klärt. Dafür gibt es auf der Seite des Verlages inzwischen ein FAQ mit Erläuterungen und Richtigstellungen. Auch für die Handwerkerin gibt es dort wichtige Passagen, denn die macht nach dem Lesen einfach überhaupt keinen Sinn. Auch dort wurde geschlampt.

Trotz all dieser kleinen Kritikpunkte kam das Spiel bei uns dennoch immer wieder auf den Tisch und wird das auch in Zukunft tun, denn es ist einfach eine gute Abwechslung mal am Sonntagnachmittag das Dorf eine Jahreszeit weiter auszubauen. Überlegt euch aber gut, ob ihr mit einem so wettbewerbsarmen, ziellosen Brettspiel etwas anfangen könnt, denn Mythwind ist definitiv kein Spiel für Jedermann und Jedefrau. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass nach Mythwind weitere Spiele in diese Kerbe schlagen werden und wir ein neues Genre (Cozy Boardgames) zu sehen bekommen werden.


  • Verlag: Board Game Circus
  • Autor(en): Nathan Lige, Brendan McCaskell
  • Illustrator(en): Amanda Kadatz
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Spieleranzahl: 1-4 Spieler*innen
  • Dauer: 30 – 90 Minuten

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