Harmonies – Azulscape oder Dreamcadia? Nein, Harmonies!

Harmonies

Ich wäre gern schon etwas früher dazu gekommen meine Eindrücke zu Harmonies zu schildern. Damit ich das nun tun kann, habe ich ein paar Titel, die schon länger auf eine Review warten, noch etwas weiter nach hinten geschoben. Harmonies wird nämlich nicht Spiel des Jahres, wie ich zunächst vermutete. Nein, das machen drei andere Kandidaten unter sich aus. Dennoch hat es Harmonies verdienter Weise auf die Empfehlungsliste geschafft und das natürlich völlig zurecht. Nach mir geht es zwar nicht, aber für mich ist Harmonies das stärkste Familienspiel des letzten Jahrgangs und ich bin fest davon überzeugt, hätte es in den vergangenen Jahren nicht schon ähnlich gute Lege- und Puzzlespiele gegeben, wären seine Chancen besser gewesen, weil es sich dann noch mehr aufgedrängt hätte. Ich behaupte nämlich das Harmonies besser ist als Azul und Cascadia und habe ihm deshalb gleichmal meinen Orden angeheftet. Auch Dorfromantik im letzten Jahr war ein tolles Legespiel mit Puzzelmechanik und darüber hinaus auch noch kooperativ, aber Harmonies ist auch definitiv besser als sein Wohlfühlvorgänger.

Worum geht es?

Bevor ihr jetzt denkt, der dicke Mann wäre größenwahnsinnig geworden, sage ich euch, das ich natürlich gute Gründe dafür habe und versuche das in den nächsten Zeilen mal zu beleuchten. In Harmonies dreht sich alles um den Einklang zwischen Flora und Fauna. Wir als übernatürliche Macht in diesem Spiel formen das Land und besiedeln es mit allerhand Getier. Fast so wie im alten Computerspielklassiker Populous, nur das wir keine Menschlein sondern Tiere in unsere Landschaft setzen. Fühlen sich die Tiere wohl, weil wir den richtigen Lebensraum geformt haben, bekommen wir Punkte dafür. Allerdings belohnt uns das Spiel auch durch tolle Landschaften. Erschaffen wir zum Beispiel ein Himalaya Gebirge auf unserem kleinen Tableau, kann sich das ebenfalls sehr lohnen.

Harmonies – Spielsituation / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Bewanderte Spieler*innen werden beim Aufbau zunächst ein paar Ähnlichkeiten zu den im Artikeltitel erwähnten Spielen entdecken, mit denen es im Netz zu Hauf verglichen wird. Auch ich mache das, weil diese Ähnlichkeiten nicht von der Hand zu weisen sind, gehe da aber erst zum Schluss darauf ein, weil ihr euch erstmal so ein Bild machen sollt. Der Spielaufbau ist recht fix erledigt. Es gibt einen Beutel mit Steinchen in sechs verschiedenen Farben, aus dem wir während der Partie immer Steinchen nachziehen. In der Mitte des Tisches wird ein Spielplan bereitgelegt, der eigentlich nur aus einer Pfeilspitze und fünf runden, kleinen Ablagen besteht. Der Pfeil wird so ausgerichtet, dass er auf den oder die Startspieler*in zeigt. Die runden Ablagen werden mit je drei Steinen befüllt. Alle Spieler*innen erhalten darüber hinaus je ein Tableau und eine Wertungsübersicht. Die Spielkarten werden gemischt und eine Auslage mit fünf Karten wird gebildet. Damit ist die Vorbereitung abgeschlossen und das Spiel kann losgehen.

Harmonies – Spielbrett mit Steineauswahl / Foto: Spieltroll

Das Spielprinzip dieses Puzzlespiels ist relativ simpel, erfordert allerdings ein gewisses Maß an räumlichen Vorstellungsvermögen, ohne dass du hier eindeutig aufgeschmissen bist. Je länger eine Partie dauert, desto komplizierter wird es sich in die einzelnen Vorgaben der Tiere auf seinem eigenen Tableau hineinzudenken und das Zusammenspiel mehrerer Tiere gut zu erkennen. Das ist die Aufgabe des Spiels. Wer an der Reihe ist muss alle drei Steine von einem der fünf Kreise nehmen und auf seinem Tableau einbauen. Danach darf ich pro Zug eine Tierkarte aus der Auslage nehmen und an mein Tableau anlegen. Ich darf maximal vier Karten besitzen. Zusätzlich darf ich auch einen Würfel von einer meiner Tierkarten in meine Auslage legen, wenn ich die Voraussetzungen einer meiner Karten erfülle. Am Ende jedes Zuges werden die Auslagen wieder aufgefüllt.

Harmonies – Teil der Auslage mit Tierkarten / Foto: Spieltroll

Für das Einsetzen der Steine auf meinem Tableau gibt es natürlich bestimmte Legeregeln, die eingehalten werden müssen. Jeder Spielstein darf immer auf ein leeres Feld gelegt werden. Es dürfen aber auch Steine auf einen oder zwei bereits ausliegende Steine gelegt werden, jedoch darf niemals ein Stein unter einen bereits liegenden oder einen bereits liegenden Tierwürfel gelegt werden. Also immer nur obendrauf legen und Steinstapel mit Tierwürfel sind gesperrt. Zusätzlich sind nur bestimmte Kombinationen von aufeinanderliegenden Steinen erlaubt. Graue Steine stellen Berge dar und dürfen als einzelner, als zweier oder dreier Berg übereinander gelegt werden und bringen aufsteigend am Ende immer mehr Punkte. Rote Steine sind Gebäude wenn sie zwei Steine hoch ausliegen. Dabei darf der untere Stein entweder grau, braun oder rot sein. Wasser ist immer genau einen Stein hoch. Gleiches gilt für gelbe Felder. Als letztes gibt es noch Bäume, die entweder aus ein oder zwei braunen Steinen bestehen oder aus einem grünen oben auf. Dabei ist es möglich darunter ein oder zwei braune Steine liegen zu haben. Auch hier sind höhere Bäume mehr Punkte wert und die rein braunen Stapel sind immer null Punkte wert.

Harmonies – Punktekarten mit den Möglichkeiten zu punkten für beide Seiten des Tableaus / Foto: Spieltroll

Die Tierkarten werden in der oberen rechten Ecke mit Würfeln bestückt. Dort sind kleine Ablagefelder unter Zahlen zu sehen. Die Zahlen geben an, wie viele Punkte ich bekomme, wenn der Würfel in meiner Ablage liegt. Ich beginne die Würfel von unten weg zu nehmen und die Punktewerte steigen folglich an, je mehr Würfel ich auslegen kann. Die Anzahl der Würfel auf den Karten ist sehr unterschiedlich und hängt von der jeweiligen Bedingung der Karte ab, die unten auf ihr abgebildet ist. Hier wird genau gezeigt, welche Steine in welcher Kombination und Position ausliegen müssen, um einen der Steine von der Karte nehmen zu können. Schaffen wir das nach und nach mehrfach auf unserem Tableau, so entfernen wir mehrere Würfel von unserer Karte. Dieser wird immer auf nur einen der Stapel gelegt und sperrt diesen damit für das restliche Spiel.

Im Prinzip ist dies das gesamte Spiel. Es endet sobald der Beutel mit den Steinen leer ist oder auf einem Tableau der Mitspielenden gibt es am Ende eines Zuges nur noch zwei oder weniger freie Felder. Wer die meisten Punkte hat gewinnt. Dabei zählen nicht nur die Punkte für die Tiere sondern auch die für die Landschaft. Berge und Bäume bringen mehr Punkte je größer sie sind und Felder müssen zusammenhängend nebeneinander gebaut werden. Zwei reichen aber bereits aus. Die Gebäude wollen neben möglichst drei verschiedenen Farben errichtet werden, um überhaupt Punkte einzubringen. Mit den blauen Steinen sollten wir nach Möglichkeit einen möglichst langen Flusslauf bilden, denn auch dafür gibt es Punkte.

Harmonies – Geisterkarten mit zusätzlichen Punkteoptionen / Foto: Spieltroll

Zusätzliche Schwierigkeit können wir durch die Naturgeistkarten ins Spiel bringen, die uns jeweils eine weitere Siegbedingung mitbringen, sofern wir ihren Lebensraum in unserer Auslage nachbilden können. Auch die zweite Seite des Tableaus bringt noch eine andere Herausforderung mit: Hier müssen wir die Landmasse mit den Wassersteinen in möglichst viele kleine Inseln teilen um Extrapunkte zu erhalten.

Das Fazit

Wie ihr meiner Einleitung entnehmen könnt bin ich ganz schön begeistert von Harmonies und es ist in der Tat seit Zug um Zug Legacy: Legenden des Westens das erste Spiel, das wieder einen Orden von mir erhält. In letzter Zeit sind sie ein wenig rarer gesät. Die Vergleiche zu anderen Spielen, die ihr schon zu Hauf im Netz finden könnt kommen auch definitiv nicht von ungefähr und dürften der Grund sein, warum Harmonies nicht ganz oben auf dem Treppchen beim diesjährigen Spiel des Jahres landen konnte. Da werden nämlich ganz schöne Schwergewichte ins Feld geführt. Cascadia wurde 2022 mit dem Preis für das Spiel des Jahres ausgezeichnet und das völlig zurecht auch dafür, dass es mit seinem zweilagigen Spielprinzip überzeugen konnte. Wir bauen eine Landschaft und legen Tierchips oben auf. Diese müssen je nach Tierart verschieden auf den Landschaften platziert werden. Das klingt nicht nur fast schon nach Harmonies, sondern ist eindeutig eine Inspiration. Harmonies macht das nur noch besser, weil es durch die verschiedenen Landschaftshöhen und Voraussetzungen für die Tiere, von denen es mehr gibt, eine höhere Spieltiefe erreicht, ohne dabei schwieriger oder komplexer zu werden. Über Cascadia schrieb ich seinerzeit: „Eine ähnlich simple, doch fordernde und elegante Spielerfahrung hatte ich zuletzt gefühlt mit dem ersten Azul.“

Harmonies – Erster Spielzug / Foto: Spieltroll

Da wären wir dann beim nächsten Schwergewicht. Azul ist das Spiel des Jahres 2018 und ein echter Dauerbrenner. Das Material war seinerzeit einfach nur toll und die Spielerfahrung ist so simpel wie wirksam. Jeder versteht es schnell und es ist für alle gut beherrschbar. Auf Dauer aber entwickelt das Spiel eine Tiefe und fast schon kleine Gemeinheiten und das hat mit dem phänomenalen Auswahlmechanismus zu tun. Der ist bei Harmonies zwar nicht ganz so ausgefeilt, hat aber Ähnlichkeiten, weil wir aus verschiedenen Feldern wählen und alles auch auf unserem Tableau einbauen müssen. Viel mehr hat es aber wohl mit dem weniger schwergewichtigen und weitaus unbekannteren Dreamscape zu tun, von dem es seine Optik und grundsätzliche Spielidee hat. Dreamscape ist natürlich weitaus komplexer, weil sich die gebauten Landschaften im Spielverlauf noch ändern und die Traumkarten noch Fähigkeiten haben, aber dennoch schon sehr an die aus Harmonies erinnern.

Alles also nur geklaut? Nein auf gar keinen Fall. Die Spielerfahrung von Harmonies ist eine ganz andere. Die Ähnlichkeiten sind nur Versatzstücke. Die Grundidee Landschaften aus Holzscheiben zu bauen mag von Dreamscape stammen, aber es hat einen völlig anderen Ansatz. Der Auswahlmechanismus erinnert an Azul, ist aber viel milder zu den Spieler*innen und dient nur zum Zweck. Im Prinzip so wie jeder Worker der in jedem Worker-Placement-Spiel zur Aktionswahl gesetzt wird. Die Idee mit den Tieren, die nochmal auf den gelegten Scheiben ihr eigenes Ding machen mag von Cascadia inspiriert sein, aber durch die verschiedenen Höhen des Spielfelds und die vielen unterschiedlichen Tiere die ich in Einklang auf dem Spielbrett bringen muss, erfordern einfach ganz andere spielerische Dinge von mir. Dennoch ist Harmonies im Kern so simpel und spielt sich so schön, dass es mir besser als alle zuvor genannten Spiele gefällt.

Harmonies – Inselseite des Tableaus / Foto: Spieltroll

Die beiden Varianten mit den Naturgeistern und den Inseln finde ich zusätzlich interessant und tatsächlich etwas schwieriger. Es ist also Potential vorhanden das Spiel für die Familie auch noch ein wenig mehr zu würzen. Insgesamt stimmt das Paket hier allerdings wie die Faust aufs Auge. Gute Spielzeit, wenig Downtime, für ein Familienspiel eine sehr gute Tiefe im Puzzlecharakter und durch die vielen unterschiedlichen Tiere spielt sich jede Partie ein bisschen anders. Die Kirsche auf der Torte ist dann noch die wunderhübsche Optik mit dem schönen Material. Für mich eindeutig das beste Familienspiel des letzten Jahrgangs.


  • Verlag: Libellud, Asmodee
  • Autor(en): Johan Benvenuto
  • Illustrator(en): Maëva da Silva
  • Erscheinungsjahr: 2024
  • Spieleranzahl: 1 – 4 Spieler
  • Dauer: 30 – 45 Minuten

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