Wonderlands War Deluxe – Krieg im Kaninchenbau

Wonderlands War

Lewis Carrolls Romane sind weltberühmt und dennoch speziell. Immer wieder wurde ihm Drogenkonsum angedichtet, weil seine Geschichten keine konstanten Erzählstränge besitzen und wie Drogentrips wirken. Alice im Wunderland wird deswegen auch oft als Nonsens Literatur bezeichnet und ich konnte damit früher auch nicht so viel anfangen. Doch das hat sich gewandelt und nachdem ich ein paar Kinder gesehen habe die mit den verrückten Figuren in Zeichentricks ihren Spaß hatten wurde ich irgendwann auch zum Fan. Tim Burtons Alice fand ich dann ganz großartig und in der Tradition dieses Films kann Wonderlands War gesehen werden. Das Spiel ist in der Deluxe Version opulent ausgestattet und ich habe mir auch die Spielchips dazu gegönnt, nur damit ihr wisst, welches Paket ich hier zur Review heranziehe. Ob das alles nötig ist, weiß ich nicht, aber es gibt dir ein sehr gutes Spielgefühl. Wonderlands War ist eine ganz besondere Mischung aus Bag Builder wie Orléans, Push Your Luck á la Die Quacksalber, gepaart mit Area Control in bester El Grande Manier. Die Kenner*innen erkennen bestimmt auch eine Prise Blood Rage in der Melange und so bekommen wir hier eine Mischung aus vielen guten Zutaten. Aber schmeckt das? Ja, wie eine Magic Mushroom Pfanne auf einem zuckersüßen Regenbogen. Mit anderen Worten: großartig aber trotzdem seltsam.

Worum geht es?

Wonderlands War – Eine riesige Schachtel / Foto: Spieltroll

Wonderlands War stellt das Thema erstmal ganz nach oben. Das Spiel atmet Alice im Wunderland und nimmt sich viele Elemente aus dem Buch und strickt darum Mechanismen. Das Spiel ist dabei überhaupt nicht freundlich und spart nicht mit Interaktion. Die Spieler*innen bewegen ihren Hauptcharakter, der für ihre Fraktion steht, zu Beginn des Spiels in einem Rondell um die Tafel der Teeparty und nehmen mit jedem Schritt eine Karte auf, die dazu führt Einheiten auf die Kriegsschauplätze zu stellen, besondere Wunderländer für sich zu gewinnen oder Kräfte in Form von Spielchips in ihren Beutel zu bekommen. Nachdem alle genug Karten gesammelt haben, endet diese Phase und die Regionen werden ausgekämpft. Dazu ziehen die Kontrahenten in den Gebieten parallel Chips aus ihren Beuteln und ermitteln den oder die Sieger*in. Am Ende gewinnt, wer die meisten Punkte verdient hat. All das wird noch über die eigene Tableau Entwicklung durch die Spielchips aus dem Beutel unterstützt.

Wonderlands War – Erste Runde des Spiels / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Wahrscheinlich habt ihr schon bemerkt, dass sich Wonderlands War nicht mit wenigen, einfachen Worten beschreiben lässt. Hier geht wirklich eine ganze Menge ab und ich versuche mal so gut wie möglich alle Bestandteile kurz zu beleuchten.

Die Teeparty

In der Mitte des Tisches liegt das riesige Spielbrett auf dem eine Tafel abgebildet ist, um die wir mit unserem Figuren auf einem Rundkurs herumlaufen. Auf den Stühlen werden zu Beginn einer Runde offen Karten ausgelegt. Insgesamt machen wir diese Teeparty-Phase im Spiel dreimal. Die Karten werden in jeder Runde stärker. Wir laufen in jeder Runde solange um den Tisch herum, bis alle Spieler*innen vier Karten in diesem offenen Draft eingesammelt haben. Wir können unsere Figur so weit voran ziehen, wie wir möchten und sammeln die Karte des entsprechenden Stuhls ein. Sollten wir dabei wieder über den Stuhl des Hutmachers an der Spitze der Tafel hinaus ziehen, so füllen wir leere Stühle mit neuen Karten auf und Würfeln den Scherbenwürfel und erhalten die gewürfelte Anzahl dieser kleinen wahnsinnig machenden Scherben. Von denen sollten wir nicht zu viele sammeln, denn sie machen sich auf unserem Punktekonto negativ bemerkbar.

Wonderlands War – Tisch der Teeparty / Foto: Spieltroll

Wir laufen nun also um den Tisch herum und sammeln Karten, die uns erlauben unsere Fraktions Meeple in einer bestimmten Anzahl in eins der Gebiete zu stellen, die rund um die Tafel angeordnet sind. Um fünf Gebiete geht es dabei und alle bringen uns in jeder der drei Runden einen anderen Punktewert ein, sollten wir sie am Ende der Runde gewinnen können. Die Karten können uns auch mit besonderen Wunderländern ausstatten, die wir dann dauerhaft für den Rest des Spiels als Figur und mit Chips einsetzen dürfen. Die Chips wandern in unseren Beutel. Die Karten lassen uns auch Chips aus dem allgemeinen Vorrat nehmen. Das ist ähnlich wie bei den Quacksalbern. Wir spielen mit einem bestimmten Satz von Chips mit bestimmten Fähigkeiten und ziehen wir später einen der Chips aus dem Beutel, bringen die Figuren einen Kampfwert und besondere Fähigkeiten mit.

Wonderlands War – Gefolgsleute des Jabberwocky im Roten Schloss / Foto: Spieltroll

Die Regionen und das Kampfsystem

Das Area Control-Element von Wonderlands War wird über die Figuren gesteuert. Am Ende der Teeparty dürfen wir unseren Anführer noch in ein Gebiet stellen. Während der Teeparty versammeln wir in den Gebieten unsere Meeple und Gefolgsleute. Diese sind am ehesten mit Lebenspunkten zu vergleichen, denn wenn es zum Konflikt kommt, müssen wir Figuren entfernen, sobald wir einen Wahnsinnschip aus unserem Beutel ziehen (ähnlich schlimm wie die Knallerbsen bei den Quacksalbern) Unser Ziel ist es aber auf der Kampfleiste ganz vorn zu landen. Jede Region bringt uns dabei aufgrund unserer Anführer, Meeple und Wunderländer eine gewisse Grundstärke. Auch unsere Burgen erhöhen diese, die dürfen wir allerdings erst platzieren sobald wir ein Gebiet errungen haben. Im weiteren Verlauf ziehen dann alle, die noch Figuren in der Region haben, gleichzeitig und verdeckt einen Chip aus dem Beutel. Die Hände werden gedreht und die Chips offengelegt. Je nach Stärke wird der Chip bewegt und seine Fähigkeit abgehandelt. Habe ich nur vorgegeben einen Chip zu ziehen, so steige ich aus dem Kampfgeschehen aus und verbleibe mit der Anzahl Figuren in der Region.

Wonderlands War – Charaktertableau des Hutmachers / Foto: Spieltroll

Charaktertableaus

Das größte Plus von Wonderlands War ist neben dem insgesamt cleveren Spiel, die Abwechslung, die durch die asymmetrischen Charaktere entsteht. Die Fraktionen und ihre Hauptcharaktere spielen sich alle anders und lassen sich über ihre Tableaus auch noch entwickeln. Chips die im Kampf eingesetzt wurden, kann ich zum Schmieden verwenden und so neue Fähigkeiten freischalten. Dazu benötige ich allerdings Schmiedesymbole auf der Kampfleiste oder Schmiedechips aus meinem Beutel. So lassen sich ungeliebte schwache Chips später entfernen. Chips die ich während des Kampfes aus dem Beutel ziehe werden danach oben in meine aktiven Chips gelegt und wandern erst am Ende des Kampfes in einen Bereich für erschöpfte Chips. Aus den aktiven kann ich zum Schmieden wählen und meine erschöpften Chips wandern erst wieder in meinen Beutel zurück, wenn die Runde komplett vorbei ist, oder ich aber durch den vierten aufgedeckten Wahnsinnschip so am Ende bin, dass ich eh aussteigen muss. Das ist auch der unintuitivste Teil des Spiels, der bei der Spielerklärung die meiste Zeit benötigt.

Wonderlands War – Leiste für die Wahnsinnschips / Foto: Spieltroll

Chips die ich zum Schmieden verwendet habe bringen mir neue Charakterfähigkeiten, die ich den Kämpfen benutzen kann. Darüber bilden sich die unterschiedlichen Charaktere noch besser heraus. Von Haus aus sind die Helden aber schon grundverschieden. So kann der Verrückte Hutmacher besser mit Wahnsinn umgehen, während der Jabberwocky Giftchips verteilen kann. Alice, die Herz-Königin sowie die Grinsekatze komplettieren den bunten Reigen der beliebten Wunderländer.

Wonderlands War – Karten für die drei Runden der Teeparty / Foto: Spieltroll

Spielende

Nach drei Runden Teeparty und anschließendem Gebeule in den fünf Regionen des Wunderlands gewinnt, wer die meisten Punkte scheffeln konnte. Da immer nur einer Punkte für die Gebietshoheit bekommt, ist es natürlich noch wichtig woanders Punkte herzubekommen und zu diesem Zweck gibt es natürlich auch noch Aufträge, die sich aber auf die Gefechte beziehen und bestimmte Ausgänge wollen, so soll zum Beispiel ein Kampf in einer bestimmten Region mit einem bestimmten Kampfwert beendet werden. Das kann lukrativer sein, als den Kampf überhaupt zu gewinnen. Diese Art von Aufträgen ist für dieses Spiel nahezu genial, weil sie die Kämpfe damit steuern und ein stückweit mehr Verantwortung in die Spieler*innen-Entscheidung legen. Vielmehr gibt es erstmal nicht zu sagen, denn ich hoffe das Spielprinzip ist einigermaßen klar geworden. Den Rest gibt es im Fazit.

Wonderlands War – Miniaturen der Burgen der Fraktionen / Foto: Spieltroll

Das Fazit

Wonderlands War – Nicht Teil der Deluxe Edition: Die Chips / Foto: Spieltroll

Meine Frau sah das Spiel vor ein paar Jahren und wollte es haben. Ich wollte es aber nicht auf Englisch kaufen, weil das in unseren Runden zu Problemen geführt hätte. Nur für uns zwei wäre mir das egal gewesen, allerdings machte das Spiel schon den Eindruck mit mehr als zwei Personen gespielt werden zu wollen. So kam es zunächst nicht zu uns nach Hause, als es dann aber in der deutschen Version angekündigt wurde, war ich sofort dabei. Ich habe nicht gezögert und sofort die Deluxeversion mit den Chips bestellt. Seit Anfang des Jahres ist das Spiel nun bei uns und all die Vorschusslorbeeren, die es aufgrund der Optik und des Spielprinzips bekommen hat, stimmen und versprechen einfach nicht zu viel.

Um das nochmal ganz klar zu machen. Die Deluxe Version kommt in Deutschland mit den Miniaturen für die Charaktere und Wunderländer. Auch die Burgen sind als Miniaturen gestaltet. Die Meeple sind ebenfalls je nach Fraktion unterschiedlich. Die Spielchips hingegen sind nicht Teil der Deluxe-Ausgabe sondern müssen Extra erworben werden. Das Ganze hat seinen Preis und stellt für unsere Sammlung das bisher teuerste Spiel überhaupt dar. Dennoch möchte ich es nicht in einer anderen Version spielen. Warum? Kann ich nicht genau sagen, aber ich finde diese opulente und schon verrückt zu nennende Ausstattung passt zum verrückten Look des Spiels. Alles ist absolut hochwertig und macht beim Spielen schon enorm Spaß.

Wonderlands War – Beutel der Fraktionen / Foto: Spieltroll

Der zweite Punkt auf den ich auf jeden Fall noch eingehen möchte ist meine Annahme, dass Wonderlands War mit mehr als zwei Spieler*innen gespielt werden möchte. Das ist nicht unbedingt wahr, zwar macht eine Partie mit mehr Spieler*innen und mehr Gefechten in den einzelnen Regionen auch viel Spaß, aber Wonderlands War funktioniert auch zu zweit absolut großartig.

Wonderlands War – Wunderländer: Das Walross und Dideldumm & Dideldei / Foto: Spieltroll

Ich kann also nicht verhehlen, dass uns Wonderlands War richtig gut gefallen hat und das liegt zum einen an seinen wunderbaren Umsetzung des Wunderlandthemas. Das lässt hier absolut keine Frage offen und stimmt auch in den Details. Hier wurde sich richtig Mühe gegeben, ein Spiel rund um diese verrückte Welt zu spinnen in der Alice alles durcheinander bringt. Optisch eine wahre Pracht und auch spielerisch ziemlich gut umgesetzt. Das Ganze wirkt auf den ersten Blick zwar total überfrachtet und chaotisch, aber das täuscht ganz gewaltig. Wurde das System verstanden und durchschaut ist Wonderlands War ein umfangreiches aber dennoch zugängliches Spiel. Die Teeparty ist ein reiner Selbstläufer und recht schnell absolviert. Es passiert ja auch gar nicht so viel. Die Spieler*innen rennen im Kreis und sammeln vier Handkarten, sammeln Wahnsinnssplitter und bestücken die Regionen mit Soldaten und Wunderländern. Die Downtime ist hier schon erstaunlich kurz. Dann wird auch schon gekämpft und wir ziehen parallel Chips aus den Beuteln. Für diejenigen, die nicht an einem Kampf beteiligt sind hält das Spiel noch eine Wette bereit, bei der du dich von Splittern befreien kannst. So bleibt das Spiel auch für unbeteiligte spannend. Diese Phase dauert rein vom Ablauf her länger, weil wir die Gebiete nacheinander durchspielen müssen. Trotzdem sind alle immer irgendwie involviert. Langweilige Downtime gibt es einfach kaum.

Wonderlands War – Die Kampfleiste / Foto: Spieltroll

Nach den Kämpfen ist ja auch noch nicht Schluss, durch die gezogenen Chips folgt der Verbesserungspart unseres Charakters durch das Schmieden und hier kommt dann das Thema Asymmetrie noch so richtig zum Tragen. Welche Fähigkeiten wir freischalten und ob wir auf mehr Burgen, mehr Einheiten oder einen stärkeren Hauptcharakter setzen, bleibt ganz uns selbst überlassen. Wonderlands War ist auch hier eine Wucht. Spielerisch machte uns das gesamte Spiel einfach wirklich Spaß.

Wonderlands War – Die Chips die gekauft werden können: Set A / Foto: Spieltroll

Ich komme noch kurz auf die Anleitung zu sprechen, die möchte ich nämlich auch sehr lobend hervorheben. Sie ist zwar übertrieben groß und umfangreich, für das was einem hier an Spiel vermittelt werden soll, funktioniert aber aller erste Sahne. Sie ist hervorragend bebildert und unterstützt in Form und mit Bildern hervorragend die Vermittlung des Spiels.

Wonderlands War – Auftragskarten / Foto: Spieltroll

Jetzt werden wahrscheinlich einige den Orden ins Fazit einwerfen, bei all den überschwänglichen Beschreibungen von Wonderlands War und hier habt es gesehen, er prangt nicht auf dem Bild oben. Ich habe ein bisschen damit gehadert und mich dann entschlossen ihn nicht an die Schachtel zu heften. Das Spiel gefällt mir sehr gut und ist optisch eine Wucht, aber das Spiel hat auch ein paar Dinge, die ihn für mich verweigern. Zum einen ist das hier kein Spiel für jeden. Der Preis ist hoch und das Spiel ist enorm aufgebläht für das, was es im Kern ist. Da müssen alle selber wissen, ob sie das gutheißen oder es ihnen egal ist. Das Spiel kommt an sich schon als Sammlerstück und ist die Zierde für jede Brettspielsammlung. Auch ohne Deluxe Version. Dennoch ist Wonderlands War im Kern ein gar nicht so umfangreiches Spiel. Es bedient das Area Control Genre auf eine andere Weise und dürfte mit seinem Bag Building und Push Your Luck Momente, die sehr strategisch agierenden Area Control Spieler*innen eher enttäuschen, denn wenn du Wahnsinn aus dem Beutel ziehst, ziehst du Wahnsinn aus dem Beutel. Das könnte vielen zu glückslastig sein und damit müssen die Spieler*innen umgehen können. Ein weiterer Punkt, der uns ein wenig gestört hat, den wir aber bisher nicht ausreichend verifizieren konnten, ist die Tatsache, dass sich nicht alle Charaktere ausbalanciert anfühlen. Dafür haben wir es noch nicht oft genug gespielt. Der Jabberwocky ist recht seltsam zu spielen, kann aber von jemandem der oder die weiß was sie tun, zu einem richtig üblen Gegner mutieren und Alice ist einfach stark und simpel zu bedienen. Das alles sind für mich kleine Faktoren, die den Orden nicht möglich machen und ich niemanden auf das Glatteis führen möchte.


  • Verlag: Mirakulus
  • Autor(en): Tim Eisner, Ben Eisner, Ian Moss
  • Illustrator(en): Manny Trembley
  • Erscheinungsjahr: 2024
  • Spieleranzahl: 2 – 5 Spieler*innen
  • Dauer: 90-125 Minuten

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