Hallertau

Hallertau

Es ist nun tatsächlich schon ein bißchen her, seit ein größeres Uwe Rosenberg Expertenspiel das Licht der Welt erblickt hat und so waren, nach der Ankündigung von Hallertau, alle schon ein wenig aufgeregt. Worum würde es gehen? Der Name steht für Bayern, Hopfen und … Bier! So zumindest die ersten Vermutungen. Rosenberg selber kündigte dann aber an, dass es ihm in dem Spiel um die Verfeinerung seiner Felderwirtschaft ging, mit der er in seinen anderen Spielen noch nicht ganz zufrieden war. Okay, so denkt wahrscheinlich auch nur ein Spieleautor. Denn kein Fan von Agricola, Caverna oder welchem Spiel auch sonst noch, indem man sich mit dem Bebauen von Ackerflächen beschäftigt hatte, würde wahrscheinlich so denken. Was auch immer Uwe Rosenberg jetzt noch aus dem Thema rausholen wollte, die Spielerschaft war gespannt und in Teilen auch, ja man muss es wohl so sagen, gelangweilt. Wann widmet sich Uwe Rosenberg einem neuen Gebiet, neuen Mechaniken und neuen Themen? Immer wieder das Gleiche nur neu verpackt? Im Fall von Hallertau würde ich ganz entschieden sagen: „Ja schon, aber auch irgendwie ganz anders!“ Ich versuche das mal zu erklären…

Worum geht es?

Die Hallertau ist das größte Hopfenanbaugebiet in Deutschland und ist seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu diesem Ruhm aufgestiegen. Die Spieler schlüpfen in diesem Spiel in die Rolle eines Dorfvorstehers in eben dieser Hallertau. Sie müssen entscheiden, welche Feldfrüchte sie anbauen und einen bäuerlichen Hof führen, um zu Wohlstand zu kommen. Wer seinen Hof und das Dorf am geschicktesten ausbaut und genügend Rohstoffe erwirtschaftet, wird am Ende gewinnen. Thematisch sind wir also bei Rosenbergs Lieblingsthema dem Bauernhof geblieben, aber das Spiel entwickelt sich mechanisch ein wenig anders.

Hallertau – Aufbau für einen Spieler

Wie läuft das ab?

Öffnet man die Schachtel von Hallertau, so sieht zunächst einmal alles aus, wie in anderen großen Rosenberg-Spielen. Jede Menge Holz und Pappe, viele Karten und wahnsinnig viel unterschiedliches Material. Insofern also ersteinmal nichts Neues. Zunächst sortiert man das Material und baut das alles auf, wenn man denn einen Tisch besitzt, der das alles aufnehmen kann, denn soviel sei an dieser Stelle schon einmal gesagt, auch Hallertau ist zu viert ein wahres Platzmonster. Rosenbergs Spiele erschlagen einen zunächst mit Material und dann kommt die Anleitung. Man gibt sich in den Anleitungen zwar immer redlich Mühe alles recht einfach, langsam und verständlich zu erklären, aber abgeschreckt ist man dann doch, da die großen „Rosenbergs“ über eine Fülle von kleinen Details verfügen, die man erklären muss. Das ist bei Hallertau nicht anders. Seine großen Spiele sind meist gar nicht so schwierig zu spielen, wenn man ersteinmal damit vertraut ist, was man alles so machen kann. Sie bieten viele Möglichkeiten sich zu entfalten, aber die Grundmechanik ist meist nicht allzu kompliziert.

Hallertau – Aktionsplan im laufenden Spiel

Hallertau besteht aus vielen Komponenten. In der Mitte des Tisches gibt es einen Spielplan, auf den alle Spieler zugriff benötigen, weil sie hier ihre Arbeiter für ihre Aktionen einsetzen müssen. Insgesamt gibt es 20 verschiedene Aktionen die wir ausüben können. Bei jeder Aktion gibt es mehrer Reihen in denen wir Arbeiter platzieren können. Von unten nach oben steigt dabei die Anzahl der Arbeiter an, die wir einsetzen müssen, um sie ausüben zu können. Im Grunde kostet jede Aktion einen Arbeiter. Falls aber schon jemand einen Arbeiter eingesetzt hat, muss man in die nächst höhere Reihe gehen und mehr Arbeiter investieren, um die gleiche Aktion auszuüben. Vier dieser Aktionen haben mit den vier unterschiedlichen Kartenstapeln des Spiels zu tun, von denen man Karten ziehen kann, die ebenfalls auf dem Spielbrett gelagert werden. Diese vier Decks teilen sich in ein Einstiegsdeck, ein Hofdeck, ein Bonusdeck und ein Punktedeck auf, die sich durch verschiedene Symbole unterscheiden.

Hallertau – Hausplan

Jeder bekommt noch ein Set aus Tableaus auf dem agiert wird. Ein Hausplan, ein Stallplan und ein Ackerplan bilden die Auslage. Auf dem Hausplan sind links nur ein paar aufsteigende Zahlen in einer Reihe abgebildet und auf der rechten Seite gibt es ein Gitter mit fünf Reihen. Hierauf wird ein großes Hausplättchen gelegt, dass im Verlauf des Spiels immer weiter nach rechts wandert. Das Hausplättchen hat ein Fenster durch das immer genau eine der Zahlen sichtbar ist, die uns anzeigt, wieviele Arbeiter wir in einer Runde zur Verfügung haben. Die Zahlen ganz rechts zeigen zudem noch Siegpunkte an, die wir bekommen können, wenn wir es bis zum Spielende schaffen das Haus soweit nacht rechts zu verschieben. Das große Haus ist allerdings nicht das einzige, dass auf diesem Plan verschoben wird. Wir dürfen es sogar gar nicht verschieben, wenn rechts daneben kein Platz ist und dort warten fünf weitere Gebäude darauf genauso weiterverschoben zu werden, wie das Haupthaus. Um das tun zu können, müssen wir die entsprechenden Ressourcenkombinationen für jedes Gebäude bezahlen und es gibt noch weiter rechts Findlinge, die wir ebenfalls erst beseitigen müssen, um weiter verschieben zu dürfen. Das am wenigsten verschobene Gebäude blockiert also die Möglichkeit, das Haupthaus weiterschieben zu können.

Hallerau – Ackerplan

Auf dem Ackerplan lagern wir unsere Ressourcen und errichten unsere Äcker auf denen wir Pflanzen anbauen können. Im Prinzip ist der Plan hier eine Tabelle. Ganz links haben wir kleine abgebildete Lagerräume mit den Werten 1-5. Zum Anzeigen unserer Ressourcen legen wir einen entsprechenden Marker in einen der Räume. Befindet sich ein Flachsmarker in Raum vier, so verfügen wir über vier Flachs. Befindet sich ein Milchmarker auf Feld 5 und einer auf Feld 3, so haben wir insgesamt 8 Milch zur Verfügung. Rechts daneben haben wir dann Spalten für unsere Äcker. In jeder der acht Spalten kann nur ein Acker liegen. Je weiter oben er liegt, desto fruchtbarer ist der Acker. Haben wir einen gutgedüngten Acker auf der fünfer Position, so bringt uns dieser genau den Ertrag von fünf. Haben wir also zum Beispiel einen Flachsmarker auf dem Acker liegen, so dürfen wir den bei der Ernte einfach nach links in den entsprechenden Raum legen. Die Äcker verlieren dann aber an Fruchtbarkeit und werden innerhalb der Spalte nach unten bewegt. Der Ertrag beim nächsten Anbau wird also geringer. Wir können das erst wieder steigern, indem wir Äcker brachliegen lassen. Ein wirklich sehr gut durchdachter Mechanismus, um den es Herrn Rosenberg wohl hauptsächlich ging, wenn man einigen Interviews glauben schenken darf.

Hallertau – Stallplan

Der Stallplan zeigt uns dann noch weitere Elemente des Spiels. Natürlich dürfen Tiere nicht fehlen, aber er beschränkt sich diesmal auf Schafe, die Wolle, Leder, Milch und Fleisch bringen. Der Stallplan unterteilt sich grob in zwei Bereiche. Im oberen Bereich legen wir zu Beginn des Spiels verdeckt sechs Hofkarten aus. Es gibt entsprechende Felder für sie. Im unteren Bereich gibt es einen Gatterberecih, in dem wir unsere Schafe unterbringen. Die Hofkarten geben uns die Runden des Spiels vor. Nach sechs Runden ist alles vorbei. Zu Beginn einer jeden Runde nehmen wir die nächste Hofkarte vom Tableau ohne sie umzudrehen und platzieren soviele Arbeiter auf ihr, wie uns das Fenster im Hausplan vorgibt. Und damit sind wir dann auch schon beim Spielablauf, der einen wiedermal von Beginn an ein wenig einschüchtert, weil es viele Phasen abzuhandeln gilt. Wer aber Rosenberg-Spiele dieser Größe kennt, weiß auch, dass das meistens alles nur halb so schlimm ist und man die meisten Phasen schnell abhandeln kann. Hallertau hat zehn Phasen, die wir durchlaufen müssen, bevor eine Runde zu Ende ist.

Hallertau – Viertelkarten

Gehen wir es mal kurz durch. Die Phase eins heißt „Viertel“ und in dieser Vorbereitungsphase, entfernen wir Arbeiter wieder vom Aktionsplan. Spielen wir zu viert, so wird einfach von jedem Aktionsfeld die oberste Reihe mit Arbeitern zurück in den Vorrat gelegt. So werden einige Aktionen wieder frei und manche billiger. Spielen weniger Spieler mit, so zieht man vom Viertelstapel eine Karte und diese gibt vor, welche der Viertel abgeräumt werden. Erste Phase erledigt und in Phase zwei passiert genau das, was ich oben bereits erwähnt hab. Karte vom Stallplan nehmen und Arbeiter darauf parken. Nun folgt eine Einkommensphase, falls wir Karten besitzen sollten, die uns mit Einkünften versorgen. Dann beginnt mit der Aktionsphase das Kernspiel. Hier wählen die Spieler dann reihum eine der Aktionen aus und platzieren ihre Arbeiter auf dem Aktionsplan. Ich kann hier nicht alle Aktionen aufzählen, aber im Grunde kauft und tauscht man über die Aktionen Ressourcen, baut Pflanzen an, schlachtet oder schert die Schafe und so weiter und so fort. Das machen die Spieler dann solange, bis alle ihre Arbeiter verbraucht haben. Dann erhält jeder seine neue Karte, die bisher umgedreht unter den Arbeitern lag. In Phase sechs überprüfen wir unsere Äcker und sollten irgendwelche Äcker leer sein, so werden sie um einen Rang nach oben geschoben. Anschließend darf man noch irgendeinen seiner leeren Äcker ein weiteres Feld nach oben schieben. Nun wird geerntet, wie bereits am Anfang mal erwähnt. Die angepflanzte Ressource runternehmen und nach links in die Lagerräume verschieben und den abgeernteten Acker um ein Feld nach unten bewegen. In Phase acht werden dann die Schafe gemolken und wir bekommen eine Milch pro Schaf auf unserem Stallplan. Nun folgt noch die zweite Hauptphase des Spiels, in der wir all unsere verdienten Rohstoffe für Aufwertungen der Gebäude ausgeben können und müssen, um voranzuschreiten. Jedes der fünf Gebäude benötigt andere Rohstoffkombinationen, wie bereits erwähnt. Nach dieser Phase müssen die Findlinge noch verschoben werden, so dass sie weider im richtigen Abstand liegen. Dann startet eine neue Runde.

Hallertau – vier unterschiedliche Kartendecks

Fast alle Karten können jederzeit ausgespielt werden und auch ein paar andere Aktionen können einfach zwischendurch abgehandelt werden. Außer der Aktionsphase können die Spieler fast alles parallel abhandeln, was Hallertau zu einem erstaunlich schnellen Spiel, dieser Komplexität und Größe macht. Weitere Elemente die ich bisher kaum oder gar nicht erwähnt habe sind der Familienschmuck, der eine besonders wertvolle Ressource darstellt, die Werkzeuge, die man für einige Aktionen braucht und die ganzen unterschiedlichen Karten, die wie bei Rosenbergs komplexen Spielen üblich in mehreren Decks daherkommen und verschiedene Spielerfahrungen vom Einsteigerset bis hin zum deutlich schwieriger zu handhabenen Profideck alles beinhaltet.

Hallertau – Schmuckschatulle

Nach den sechs Runden werden die Punkte zusammengezählt die sich aus Punkten vom Hausplan, für das möglichst weite Verschieben des Hauses, plus Punkte für Schafe und den Schmuck, sowie restliche Ressourcen und Punkten für die ausgespielten Karten ergeben. Die meisten Punkte gewinnen wie üblich.

Das Fazit

„Nicht schon wieder!“, habe ich zuerst gedacht. Schon wieder ein großes Rosenbergspiel indem man Äcker bepflanzen, Tiere vermehren und seinen Hof ausbauen muss. Ob ihn das Thema wohl jemals loslassen wird? Egal, denn Hallertau spielt sich in der Tat ganz anders als all seine anderen Spiele. Ich würde tatsächlich behaupten das Hallertau um einiges zugänglicher ist und einen ganz enormen Wiederspielreiz besitzt, weil es sich so schnell spielt, nachdem man alle kleinen Regeldetails einmal drauf hat. Hallertau erschlägt einen wie jedes seiner anderen großen Spiele durch die Vielfalt des Materials, die Myriaden von kleinen Teilen und die vielen kleinen Systeme, die in jedem Detail stecken, aber es bleibt erstaunlich flott und unkompliziert spielbar.

Hallertau – verschiedene Warensteine

Das A und O des Spiels sind die vielen verschiedenen Karten, die man bekommen kann und die einen mit zusätzlichen Rohstoffen und Siegpunkten versorgen, die uns dazu auffordern bestimmte Sachen zu erledigen und zu sammeln, so dass wir enorm viele Punkte scheffeln können. Durch die Einteilung in die vier unterschiedlichen Kartenstapel weiß man auch immer in etwa auf was man sich einläßt, wenn man von einem bestimmten Stapel ziehen möchte. Das macht einfach Spaß mit ihnen zu planen.

Das Herzstück ist aber sein Ackersystem, das wirklich hervorragend funktioniert und sich auch ganz natürlich anfühlt. Wenn man etwas herunternimmt wird der Acker nach unten geschoben und wenn in einer Runde mal gar nichts angebaut wird, erholt sich der Boden wieder. Der Warenanzeiger mit den unterschiedlichen Lagerräumen ist im Prinzip eine super Sache, wenn man sich nicht erst daran gewöhnen müsste. Bei uns kam es zeimlich oft zu Schwierigkeiten, weil man gerne mal verführt wird einfach eine der Ressourcen auf einen Acker zu legen um ihn anzubauen, was dann natürlich meist nicht nur eine Ressource war. Auch mit dem Verschieben muss man aufpassen. Nach einer Weile sitzt das aber auch.

Die Spielzeit ist mit einer halben Stunde pro Spieler angegeben und somit durchaus moderat. Bisher sind wir auch immer mit einer Stunde hingekommen, weil wir das Spiel nur zu zweit spielen konnten. Warum? Das Spiel ist ein Monstrum und benötigt wahnsinnig viel Platz. unsser Tisch ist nur klein und mehr als zwei Spieler können wir so nicht ausstatten. Die gesamten Spielertableaus nehmen schon wahnsinnig viel Platz ein. Allerdings kann man Hallertau auch sehr gut allein spielen. Hier komme ich allerdings wegen des Aufwands selten mit einer halben Stunde hin.

Hallertau ist ein großartiger Rosenberg, den vor allem diejenigen ausprobieren sollten, denen seine anderen Spiele immer ein wenig zu viel waren. Nicht falsch verstehen bitte, auch Hallertau erfordert ein hohes Maß an Aufwand um sich zurechtzufinden, aber der Spielverlauf ist schnell und sitzt einfach nach relativ kurzer Zeit und man beginnt sofort sich auszuprobieren und Taktiken zu entwickeln, mit welchen Karten man zu welchem Ziel kommt. Das macht Hallertau in meinen Augen für viele zugänglicher und auch die Spielzeit ist sehr moderat. Also Worker -Placement Freunde die vor etwas größeren Spielen nciht zurückschrecken sollten den neuen Streich unbedingt ausprobieren. Wenn man Rosenbergs generelle Herangehensweise an ein Spiel nicht mag, wird aber wohl auch mit Hallertau ein Problem haben. Mir gefällt es aber richtig gut, weil es eben ein wenig reduzierter ist und sich tatsächlich nicht verzettelt.


  • Verlag: Lookout Spiele
  • Autor(en): Uwe Rosenberg
  • Illustrator(en): Lukas Siegmon
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Spieleranzahl: 1-4 Spieler
  • Dauer: 60-140 Minuten

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