Klassiker – Zug um Zug

Wenn mich jemand fragt: „Was ist eigentlich ein Gateway-Spiel?“, dann antworte ich für gewöhnlich: „Zug um Zug“. Die sogenannten Gateway- oder zu deutsch Türöffner-Spiele, dienen dazu Nicht- oder Seltenspieler dazu zu bringen Brettspiele auszuprobieren. In den meisten Fällen sind diese dann nicht allzu komplex, haben eine sehr geringe Downtime und bringen den Spielern schnell kleinere Erfolgserlebnisse. Das Alles trifft in der Tat auf Zug um Zug zu. Dem britischen Autor Alan R. Moon ist hier tatsächlich ein, meiner Meinung nach, zeitloser Klassiker gelungen, der zurecht im Jahre 2004 mit dem Spiel des Jahres-Preis ausgezeichnet wurde. Moon ist kein unbekannter für die Jury, denn ein paar Jahre zuvor gewann er den Preis auch schon mit Elfenland, dass mich nicht überzeugen konnte. Mit Zug um Zug gelang ihm aber der ganz große Wurf und machte einen Verlag den niemand kannte erst populär: Days of Wonder.

Ursprünglich komme ich aus dem Bremer Umland und dort gab es nur wenige Läden in denen man Spiele kaufen konnte. Auch in Bremen selbst gab es nur ein paar Läden in denen man etwas mehr als den Durchschnitt an Spielen kaufen konnte. Der Spieltroll wollte dieses Spiel aber damals unbedingt haben und versuchte es zu bekommen. Nirgendwo gab es das. Bei den Händlern meines Vertrauens, die mir eigentlich alles besorgen konnten, kannte niemand diesen Verlag mit dem komischen Namen, oder sie wussten gar, wer die Spiele von Days of Wonder vertreibt. So blieb Zug um Zug ein Mysterium, bis es mit dem Spiel des Jahres-Preis ausgezeichnet wurde. Dann stand es da plötzlich in einem großen Kaufhaus in ausreichender Menge im Regal und ich schlug sofort zu. Das trifft wohl nicht nur auf mich zu, denn Zug um Zug wurde zu einem sehr großen Erfolg für Alan R. Moon und Days of Wonder. Über eine halbe Millionen Kopien vom „Urspiel“ gingen über die Ladentheke. Aber dabei sollte es nicht bleiben.

Bis heute gibt es eine ganze Menge Ergänzungen und Erweiterungen zum ursprünglichen Spiel. Auch Neuauflagen mit anderen Regionskarten sind erhältlich. Bis heute gibt es sechs verschiedene Stand-Alone Varianten, diverse kleinere Erweiterungen und sechs sogenannte Map Collections, bei denen es sich eigentlich nur um weitere Spielpläne mit bestimmten Besonderheiten handelt. Darüber hinaus gibt es auch noch eine Kartenspielvariante.

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Spielsituation Zug um Zug / Foto: Spieltroll

Das Spiel an sich ist nicht wahnsinnig kompliziert. Jeder Spieler erhält einen Satz farbige Waggons, mit denen er im Verlauf des Spiels die Strecken auf dem Spielplan markiert, die seine Eisenbahnlinie befährt. Zwischen den meisten Städten existiert nur eine Verbindung aus eins bis sechs Feldern. Ein paar wenige Verbindungen sind mit zwei nebeneinander liegenden Strecken versehen. Die Felder geben die Anzahl der Waggons vor, die man auf das Spielfeld setzen muß, um die Strecke in Beschlag zu nehmen. Manche dieser Strecken sind farbig gekennzeichnet, die meisten sind jedoch grau.

Das weitere Spielmaterial setzt sich aus zwei unterschiedlichen Kartensorten zusammen: den Tickets und den Waggonkarten. Die Waggonkarten werden gemischt und als Zugstapel bereitgelegt. Fünf Waggons werden gezogen und offen ausgelegt. Die Karten zeigen unterschiedliche Waggons in unterschiedlichen Farben. Einige zeigen auch Lokomotiven, die im Spiel als Jokerkarten dienen und jede Farbe annehmen können. Die Ticketkarten werden ebenfalls gemischt und bei Spielstart werden an jeden Mitspieler drei der Tickets ausgegeben. Auf den Karten sind Strecken zwischen zwei Städten abgebildet. Diese können unterschiedliche Längen haben und bringen den Spielern am Spielende, wenn sie es geschafft haben diese beiden Städte miteinander zu verbinden, Punkte ein. Dabei müssen die Spieler nicht den vorgegbenen Weg auf dem Spielplan nehmen, es genügt, wenn sie am Spielende eine Verbindung mit ihren eigenen Waggons auf dem Spielfeld hergestellt haben. Die Punktezahl, die auf dem Ticket angegeben ist entspricht dabei der Anzahl der Waggons, die man mindestens dafür benötigt die Strecke fertigzustellen. Von den drei Tickets müssen die Spieler zwei behalten und dürfen eins wieder abgeben.

Wie ich vorher schon sagte, ist Zug um Zug für mich das Gateway-Spiel überhaupt und das liegt vor allem daran, dass dieses Spiel so rasant ist. Man hat nahezu keine Downtime am Tisch, denn wenn ein Spieler an der Reihe ist hat er nur drei Möglichkeiten etwas zu tun. Erstens, er nimmt sich Waggons, dabei darf er bis zu zwei Karten nehmen, er hat die Wahl zwischen den offen ausliegenden und dem Stapel. Nimmt er eine offene Karte so wird sofort eine neue aufgedeckt, die der Spieler auch sofort nehmen kann, wenn er es möchte. Er darf auch erst eine verdeckt und dann eine offen ziehen, jede Kombination ist denkbar. Es gibt nur eine Ausnahme und das sind die Lokomotiven: nimmt ein spieler eine offen ausliegende Lokomotive, so entfällt das Nehmen einer zweiten Karte für ihn. Danach ist sein Zug auch schon vorbei und der nächste Spieler ist dran. Die zweite Möglichkeit ist der Bau einer Strecke zu diesem Zweck muß er genügend Waggons einer Farbe auf seiner Hand gesammelt haben, um eine Strecke bauen zu können. Für eine Strecke mit nur einem Waggon spielt er einfach eine Karte offen aus. Will er eine graue Strecke auf dem Spielfeld bauen, die vier Felder lang ist, so benötigt er vier gleichfarbige Waggons, um die Strecke bauen zu können. Ist die Strecke farbig, so benötigt er die Waggons der entsprechenden Farbe um bauen zu können. Für das Bauen einer Strecke bekommt man direkt im Anschluß Siegpunkte, je länger die Strecke, desto mehr. Die dritte Aktionsmöglichkeit ist das Ziehen von weiteren Ticketkarten. Möchte man diese Aktion ausführen, so zieht man drei Tickets vom Stapel, sieht sie sich an und legt anschließend alle zurück, die man nicht erfüllen kann oder möchte. Eines der Tickets, muß man aber auf der Hand behalten.

Mehr Möglichkeiten gibt es nicht. Das reicht aus, um für jede Menge Spielspaß zu garantieren. Bis zu diesem Spiel, hatte ich noch kein Spiel gespielt, dass so rasant um den Tisch läuft. Jeder wusste im Prinzip schon vorher, was er tun wollte und man konnte seine Aktion meist sehr schnell ausführen. Das ist die absolut größte Stärke von Zug um Zug, der auch die meisten Nicht- oder Seltenspieler verfallen. Außerdem bekommen die Spieler für das bauen der Strecken direkt eine Belohnung in Form von Siegpunkten, dass ist für die meisten Gelegenheitsspieler eine positive Bestärkung. „Es zahlt sich aus, das ich das hier tue.“

Bis zum Schluß bleibt das Spiel spannend, da man die Tickets der Mitspieler ja nicht kennt, man kann sie nur anhand der Strecken, die sie bauen erahnen. Mit der Abrechnung der Tickets kann sich das ganze Spiel nocheinmal drehen. Zu guter letzt werden nocheinmal Sonderpunkte für die längste zusammenhängende Strecke aus Waggons vergeben und wie bei den meisten Eurogames so üblich, gewinnt derjenige Spieler, der die meisten Punkte gesammelt hat.

Ich habe bis heute Zug um Zug immer als Türöffner eingesetzt, wenn es darum ging mit Menschen zu spielen, die sonst eigentlich nicht spielen. Es hat eigentlich immer funktioniert. Ich erinnere mich zumindest nicht daran, dass es irgendjemandem nicht gefallen hat. In meiner neuen Spielerunde, von der ich hier ab und an berichte, habe ich es auch als aller erstes Spiel eingesetzt und auch dort waren alle begeistert. Das Spiel ist zeitlos, hat einen guten und schnellen Mechanismus, ist in fünf Minuten aufgebaut und erklärt und bietet auch nach unzähligen Partien immer noch Spaß. Für mich eines der wenigen nahezu perfekten Spiele und vor allem ein richtiger Klassiker, auch wenn es zu diesem Zeitpunkt erst 14 Jahre alt ist.

Der Verlag Days Of Wonder ist seit der Veröffentlichung von Zug um Zug nicht mehr von der Bildfläche der Brettspielszene wegzudenken und steht für Spiele mit hervorragendem Spielmaterial und vor allem außergewöhnlich hübschen Artworks und Spieleschachteln. Die Spiele fallen in Spieleregalen immer wieder durch ihre Farbenpracht und Gestaltung auf. Ich denke Days Of Wonder hätte heute nicht diesen Stellenwert, wenn es Zug um Zug nicht gegeben hätte.


  • Verlag: Days Of Wonder
  • Autor(en): Alan R. Moon
  • Erscheinungsjahr: 2004
  • Spieleranzahl: 2 – 5
  • Dauer: 30 – 60 Minuten

6 Gedanken zu „Klassiker – Zug um Zug“

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