Hier haben wir es in vielerlei Hinsicht mit einem besonderen Spiel zu tun. Wird das Spiel im verschweisten Zustand erworben, so sieht es so aus, wie das Cover es links es zeigt. Wird daraufhin die Folie von der Schachtel entfernt, um das Spiel auszupöppeln, ist die erste überraschung groß. Der Name Canvas (englisch für Leinwand) ist nur auf der Folie vorhanden. Hinterher hat die Schachtel auf dem Cover keine Aufschrift mehr. Erst dann viel mir auf, dass die Schachtel hinten ein Loch hat. Ein Loch auf der Rückseite die zudem aus ziemlich fester Pappe besteht. Die Schachtel kann wie ein Bild an die Wand gehangen werden. Erst jetzt ergibt es auch noch Sinn, das die Schachtel wie ein Schuber gestaltet ist, in den von oben der Inhalt eingefügt wird, so das beim Aufhängen an der Wand nichts herausfallen kann. Ein nettes Gimmik, dass ich so thematisch bei einem Spiel noch nicht gesehen habe. Im Schuber finden wir dann das Spielmaterial, das ebenfalls recht außergewöhnlich ist. Denn hier haben wir es mit einem seltenen Vertreter der Cardcrafting-Spiele zu tun. Wobei das auch nicht ganz richtig ist, aber das erkläre ich euch gleich, denn es bleibt außergewöhnlich bei Canvas.
Worum geht es?
Um Kunst und Malerei könnte man sagen. Die Spieler*innen „malen“ während des Spielverlaufs drei Bilder und versuchen dafür von einer fachkundigen Jury Preise zu erhalten. Die Jury legt in jeder Partie auf andere Dinge Wert und die Spieler*innen müssen versuchen durch das Draften von verschiedenen Bildbestandteilen, die nicht unbedingt hübschesten, sondern den Vorgaben entsprechenden, Bilder zu fertigen. Mehr ist hier nicht zu sagen. Canvas ist ein sehr einfaches, trotzdem interessantes, Gateway-Spiel, dass jede Menge Tischpräsenz besitzt und auch für Anfänger schnell erlernbar ist. Dabei dauert eine Partie auch selten länger als eine halbe Stunde.
Wie läuft das ab?
Das Spielmaterial ist bis hin zur Anleitung absolut hochwertig produziert. Das Spielbrett ist ein bedrucktes Stofftuch, das aufgerollt in der Mitte des Schubers Platz findet. Am oberen Rand befinden sich vier farbige Bereiche, die jeweils einem anderen Kunstpreis zugeordnet sind. Auf diese vier Bereiche werden vier Wertungskarten gelegt, die wir uns entweder aus dem Stapel der Wertungskarten aussuchen, oder auch per Zufall bestimmen können. Die Anleitung schlägt uns am Ende sogar einige Sets von Karten vor, die wir ausprobieren können. Auf den Wertungskarten ist mit guter Symbolik dargestellt, was wir für den Preis tun müssen. Die Preise werden in Form von kleinen farbigen Schleifchenmarken über den jeweiligen Wertungsbereich gelegt. Auf jeder Wertungskarte ist außerdem angegeben, wieviele Punke wir am Ende des Spiels für wieviele Preise bekommen. Bei den meisten Preisen liegt das Maximum natürlich bei drei Preisen, da wir im Verlauf des Spiels nur drei Bilder herstellen. Es gibt aber auch durchaus Wertungen, bei denen wir mehr als einen Preis pro Bild abräumen können und es deshalb mehr Punkte gibt. Neben diesen vier Wertungsbereichen gibt es noch einen fünften, den wir für Bonussymbole auf den Karten erhalten können. Von diesem Bonuspreis ist jeder, den wir erhalten bei Spielende zwei Punkte wert.
Unter den Wertungsbereichen ist eine Reihe mit fünf weißen Kartenfeldern zu sehen, auf denen die Bildbestandteile in Form von Kunstkarten ausgelegt werden. Diese Kunstkarten befinden sich ebenfalls wieder in einem kleinen Schuber, so dass man sie nicht einsehen kann. Der Schuber wird rechts daneben platziert und anschließend fünf der durchsichtigen Kunstkarten auf die weißen Bereiche gelegt. So kann man gut erkennen welche Bildbestandteile auf ihnen abgebildet sind. Auf diesen Kunstkarten befinden sich drei Elemente. Im oberen Bereich ist irgendeine Darstelung zu sehen. Zum Beispiel Luftballons, eine Frau mit wehenden Haaren oder ein Fensterrahmen vielleicht. Darunter befindet sich ein Titelteil. Entweder der linke oder rechte Teil. Ganz unten gibt es den spielrelevanten Bereich wo verschiedene Farbbereiche mit Symbolen abgebildet sind.
Jede*r Spieler*in erhält für den Start drei Hintergrundkarten und vier sogenannte Inspirationsmarker. Diese sehen aus wie kleine Farbpaletten und sind soetwas wie die Währung des Spiels. Die Hintergrundkarten sind im Prinzip nur farbige Hintergründe in einer durchsichtigen Kartenhülle. In diesen Hüllen „malen“ wir unsere drei Bilder, indem wir die durchsichtigen Kunstkarten in einer für uns sinnvollen Reihenfolge hintereinander platzieren. Im oberen Bereich ergeben sich dadurch interessante Bilder. Darunter entsteht der Titel des Gemäldes und im unteren Bereich müssen wir natürlich die Symbole so anordnen, dass wir möglichst viele Preise mit dem Bild gewinnen. Am Ende gewinnt der- oder diejenige mit den meisten Punkten.
Das Spiel ist ja, wie bereits erwähnt denkbar einfach und auch für Anfänger schnell zu erlernen. Der eigene Spielzug besteht im Grunde aus zwei Möglichkeiten. Entweder es wird eine Kunstkarte aus der Auslage auf die Hand genommen oder ein Gemälde wird vervollständigt. Nur diese beiden Zugmöglichkeiten existieren. Soll eine Kunstkarte genommen werden, so wird eine aus der Auslage genommen. Die erste Karte ist gratis und kann einfach so genommen werden. Möchte man eine weiter hinten platzierte Karte aufnehmen, so muss auf jede Karte davor ein Inspirationsmarker platziert werden. Sind keine mehr im eigenen Vorrat, so darf nur die erste Karte genommen werden. Maximal dürfen fünf Kunstkarten auf der Hand gehalten werden. Ist dies der Fall muss ein Gemälde vervollständigt werden.
Hast du mindestens drei Kunstkarten auf der Hand, kann ein Gemälde vervollständigt werden, indem die drei Karten in gewählter Reihenfolge in die Kartenhülle auf die Hintergrundkarte geschoben werden. Dann wird der Titel des Bildes laut vorgelesen und das Bild der Spielerschaft gezeigt. Im Anschluss bekommst du alle Preise für dein Gemälde. Dies wiederholt sich bis alle Spieler*innen drei Gemälde fertiggestellt haben. Sollte jemand schon früher als die anderen fertig sein, so muss abgewartet werden bis alle fertig sind. Eine Partie geht aber wirklich recht schnell. Sind alle Spieler*innen fertig, werden die Punkte zusammengezählt und verglichen.
Wie genau werden denn nun Punkte gemacht fragt ihr euch. Dazu möchte ich ein Beispiel bemühen. Die Wertungskarte Vielfalt zum Beispiel fordert von den Spieler*innen vier verschiedene Symbole auf dem Bild zu haben. Wiederholung hingegen möchte zwei gleiche Formsymbole. Betonung möchte genau ein Farbsymbol, nicht mehr, aber auch nicht weniger und Gestaltung möchte das alle fünf Farben unten auf dem Bild vertreten sind. Dies ist ein recht einfaches Beispiel, denn all das ist ohne Probleme möglich. Jeder Farbbereich belegt, dabei vier verschiedene Symbole, als fünftes Symbol ein zweites Formsymbol und das eine Farbsymbol ist bei den vier verschiedenen eh schon mit dabei. In diesem Fall würden alle Preise einmal für das Bild vergeben werden. Aber es gibt durchaus viel schwierigere Wertungskarten, die in Kombination mit anderen nicht alles ermöglichen und darin liegt der Reiz einer jeden Partie.
Das Fazit
Canvas ist wie eingangs bereits geschildert besonders. Es hört nicht bei der Schachtel auf, sondern setzt sich im hervorragenden Material fort. Normalerweise sind Stoffspielpläne nicht so mein Ding, aber hier passt das einfach so wunderbar zum Thema. Die durchsichtigen Karten sind mir als Mystic-Vale-Fan natürlich bekannt. Auch sie kommen mit einer Schutzfolie. Hier craften wir uns keine Karten, auch wenn es genauso funktioniert. Hier stellen wir Bilder her und das auf eine wirklich einfach Weise. Wir draften Bestandteile und die Bilder verkommen dabei tatsächlich zur Nebensache, denn einzig die Symbole interessieren uns. So kommt es selbst für die Spieler irgendwann überraschend, wenn sie ein recht ansehnliches Bild erschaffen haben.
Im Kern ist Canvas also ein recht simples Draftingspiel mit Set Collection-Elementen, dass aber aufgrund seiner Anmutung und der Präsenz auf dem Tisch für staunende Augen sorgen dürfte und so auch Neulinge total für das Hobby begeistern kann. Ich sehe da zumindest enormes Potenzial in diesem kleinen Spiel. Die Anleitung ist schnell gelesen uns schnell verstanden. Das Spiel hat in einer Partie zu viert oder fünft genau die richtige Länge für diese Spieler*innengruppe. Zu zweit ist es minimal taktischer und für den Solomodus hält es Erfolge bereit, die man versuchen soll zu schlagen. Alles in allem ist Canvas ein gelungenes Paket. Ein Spiel das einfach zu erlernen ist, aber doch ein wenig Planung erfordert, um es gut zu bestehen. Gerade genug, damit es erfahrenen Spielern nicht langweilig wird und nicht zuviel um Neulinge nicht abzuschrecken. Ich würde sagen eine nahezu perfektes Gatewayspiel das optisch so einiges hermacht.
- Verlag: Road to Infamy Games, Asmodee
- Autor(en): Jeffrey Chin, Andrew Nerger
- Illustrator(en): Luan Huynh
- Erscheinungsjahr: 2021
- Spieleranzahl: 1 – 5 Spieler
- Dauer: 30 Minuten