
Steven Aramini ist ein Spieleautor der inzwischen schon seit über zehn Jahren Spiele entwirft. Mir ist er seit 2017 bekannt, da kam seine erste Zusammenarbeit mit Button Shy auf den Markt. Das sind diese kleinen Kartenspiele in den Etuis, die nur aus 18 Karten oder so bestehen. Circle The Wagons hieß das kleine, vorzügliche Legespiel. Im nächsten Jahr zog er dann mit Sprawlopolis direkt nach und konnte einen noch größeren Hit landen. Ebenfalls sehr gut gefallen hat uns auch sein Animal Kingdoms, zu dem ihr hier ebenfalls eine Review vorfinden könnt. Meine Frau und ich haben sogar mal ein Spiel von ihm geplaytested. Eternal Palace erschien uns aber dann doch im Endeffekt ein wenig zu ungeschliffen. Auch dazu habe ich hier mal einen Beitrag gemacht. Nun also Fliptown: ein, wie der Name schon andeutet, Flip & Write mit Westernthematik. Strohmann hat sich die Lokalisierung geschnappt und dieses Kenner Flip & Write musste ich mir als Genre-Fan auch unbedingt mal anschauen.
Worum geht es?
Hier möchte ich mal wieder die Einleitung aus der Anleitung zitieren, die da lautet:
Im Wilden Westen warten Ruhm und Reichtum auf dich. Wie willst du dir deine Sporen in diesem ungezähmten Land verdienen? Wirst du dabei helfen, die Stadt aufzubauen? Entdeckst du als Pionier neues Land? Schürfst du nach Gold? Oder beschreitest du den Pfad eines Gesetzlosen? In diesem abenteuerlichen Flip & Write bestimmst du dein Schicksal.
Dieser Werbesprech verspricht uns ganz schön viel Auswahl. Wir können wohl verschiedene Wege und Karrieren einschlagen. Das stimmt aber leider nur bedingt, denn vor allem spielen wir auch noch Poker während der drei Runden dieses Flip & Writes. All das was da oben steht stimmt zwar irgendwie, aber eine große Wahl haben wir nicht, wir müssen mal in der Mine buddeln, mal buddeln wir auch eine Leiche auf dem Friedhof aus, dann überfallen wir wieder einen Zug oder gehen in der Stadt einkaufen. Wir springen von hier nach da, ganz was die Karten uns zugestehen. Wer am Ende die meisten Punkte in Form von kleinen Sternen auf seinem Tableau markiert hat gewinnt.

Wie läuft das ab?
Fliptown ist natürlich recht schnell aufgebaut. Das ist nun mal ein Merkmal dieses Genres. Die Spieler*innen bekommen alle ein recht beeindruckendes abwischbares Tableau, das dich am Anfang erstmal überfordern kann, denn da ist so viel in wirklich winzigen Details abgebildet, dass es dir erstmal ein wenig Ehrfurcht abverlangt. Nicht Hadrianswall-Ehrfurcht, aber dennoch durchaus beeindruckend. Den orangen Grafikstil des Spiels mag ich irgendwie, auch wenn mich orange gerade immer auf andere Weise an Amerika erinnert, aber lassen wir das.

Auf den Tableaus gibt es unten die verschiedenen Ressourcenlager. Geld, Gold, Punkte und Steckbriefe sind unsere Ressourcen. In einer normalen Partie starten alle Spieler*innen mit je vier Dollar und 2 Gold, die vor dem Spielstart schon mal markiert werden dürfen. Was auffällt sind Bezeichnungen an den Rändern der Tableaus, wo wir anscheinend Karten ab- oder anlegen sollen. Jedes Tableau ist für das Solospiel ausgelegt, welches, bei diesem Spiel durchaus als gelungen zu bezeichnen ist, worauf ich etwas später noch kommen werde.

Stifte sind natürlich im Spielumfang enthalten und auch ein Pokerdeck sowie ein paar weitere Karten. Das Pokerdeck ist das zentrale Element von Fliptown, denn im Gegensatz zu anderen Flip & Writes ziehen wir keine besonderen Karten, sondern ganz normale Spielkarten, um zu spielen. Das Deck wird gemischt und in der Mitte bereitgelegt. Im Spiel für bis zu vier Personen werden die Prämienkarten noch gemischt und drei von ihnen offen in der Mitte ausgelegt. Die obligatorischen Aufträge, für die wir Punkte bekommen können.
Eine Partie Fliptown hat eine feste Rundenstruktur. Es werden drei Runden gespielt. In jeder Runde spielen wir fünf Züge, bis wir ein Pokerblatt zusammenhaben. Dann wird neugemischt und es geht von vorne los. Nach drei Runden gewinnt wer die meisten Punkte hat. Eine solche Runde besteht allerdings insgesamt aus sechs Phasen. Der Zugstapel wird gemischt und anschließend eine Sheriffkarte von diesem verdeckt gezogen und in der Mitte platziert. Dann werden die fünf Züge gespielt. Danach wird das Pokerblatt abgehandelt, wir erhalten Einnahmen durch das Schürfen und Schuften in der Mine und zum Schluss überprüfen wir, ob der Sheriff noch Verhaftungen durchführt.

All das passiert im Grunde auf unserem Tableau. Ein Zug sieht für alle Spieler*innen aus wie folgt. Drei Karten werden vom Stapel offen gezogen. Die Aufgabe der Spieler*innen ist es nun sich zu überlegen, wie sie diese drei Karten einsetzen wollen. Es gibt eine Farb-, eine Wert- und eine Spielkarte. Die Spielkarte benötigen wir nach den fünf Zügen für unser Pokerblatt. Die beiden anderen bestimmen, wo wir was auf unserem Tableau ankreuzen oder umkreisen können. Die Farbkarte, also Karo, Herz, Pik oder Kreuz gibt uns vor in welchem Spielbereich wir eine Aktion machen und die Wertkarte sagt uns genau welche. Zusätzlich haben wir die Möglichkeit diese beiden Karten zu ignorieren und einfach eine Aktion auf dem Friedhof zu machen.

Die Wildnis ist der Herzbereich und zeigt einfach eine lange Strecke, entlang derer die Kartenwerte aufgereiht sind und darunter werden uns Belohnungen angezeigt. Das Ass hat nebenbei gesagt in diesem Spiel immer den Wert 1 und hat damit den niedrigsten Wert. Je nach Wertkarte dürfen wir hier eine Position einkreisen. Allerdings werden alle übersprungenen Stationen der Strecke durchgestrichen und stehen uns später nicht mehr zur Verfügung. Wir dürfen die Karte aber auch niedriger ansetzen. Soll heißen bis zu dem Wert der Karte wählen wir unsere Position.

Im Ödland (Pik) gehen wir unserem Outlaw-Business nach und stehlen Hühner oder Vieh, Überfallen Postkutschen oder Eisenbahnen. Hier gibt die Werttkarte genau vor wen oder was wir hier überfallen. Jedes Ziel darf auch nur einmal überfallen werden. So ein Überfall ist aber nicht automatisch erfolgreich. Wir müssen noch eine Karte vom Stapel ziehen um zu sehen ob es geklappt hat. Dazu muss diese Karte mindestens den Wert des Verbrechens anzeigen.

Die Mine ist der Karobereich und hier müssen wir uns immer tiefer in den Berg buddeln. Die Wertkarte gibt uns dabei das jeweilige Feld vor und wir müssen entlang vorgezeichneter Linien immer weiter nach unten kommen, denn dort warten die fetteren Belohnungen.

Der Kreuzbereich ist die Stadt mit diversen Häusern. Die Wertkarte gibt das Haus vor. In die Stadt können wir immer wieder kommen und die Aktionen der Häuser auch mehrfach benutzen. Nur die Boni, die uns die Häuser beim ersten Mal bringen, dürfen nicht erneut kassieren. In der Stadt können wir an viele Stellen auch einkaufen und uns für unser weiteres Spiel Boni oder Erleichterungen kaufen.


Auf dem Friedhof markieren wir Grabsteine und sollten wir zwei nebeneinander liegende Grabsteine markieren können, so erhalten wir die Belohnung zwischen diesen beiden.
Nach den fünf Zügen haben die Spieler*innen fünf Karten für ihr Pokerblatt gesammelt. Dies wird nun nach den gängigen Pokerwertigkeiten mit Boni belohnt. Ein Paar bringt dabei natürlich nur eine geringe Belohnung, während ein Royal Flush natürlich gehörig mehr einbringt.
Auf dem gesamten Tableau sammeln wir neben den Ressourcen Geld und Gold, natürlich auch Punkte und die schon erwähnten, negativen Steckbriefe. Wir können aber auch ein Einkommen erwirtschaften, das wir am Ende jeder Runde gutgeschrieben bekommen. Zu diesem Zweck sammeln wir kleine Goldwäscherpfannen und Hämmer. Pro Pfanne erhalten wir am Ende der Runde ein Gold und pro Hammer zwei Dollar.
Am Ende der Runde verhaftet der Sheriff eventuell noch Leute, die zu viele Steckbriefe gesammelt haben. Sollten sie bis zu vierzehn von diesen angekreuzt haben, so dürfen sie den Sheriff vorher mit Gold bestechen. Dafür müssen sie für jeden Steckbrief ein Gold abgeben. Die Steckbriefe bleiben aber trotzdem erhalten, werden nur in dieser Runde nicht gezählt. Es müssen auch alle bezahlt werden. Nachdem alle sich entschieden haben wird die Sheriffskarte vom Anfang aufgedeckt und sie zeigt uns wie viele Steckbriefe du haben darfst, um nicht verhaftet zu werden. Wen es erwischt, muss eine sehr heftige Strafe zahlen. Diese wird von Runde zu Runde auch erhöht. Wer mehr als 14 Steckbriefe sein eigen nennt, darf den Sheriff nicht mehr bestechen. Die Reputation ist wohl schon zu schlecht.

Nach drei Runden werden die Punkte ausgerechnet und die Spieler*innen erhalten für jeweils 4 Dollar einen Punkt. Gold ist pro 2 Nuggets einen Punkt wert und dazu werden natürlich noch die Sterne gezählt. Auf dem Tableau gibt es auch noch besondere silberne Sterne, die am Ende der Partie noch Extrapunkte einbringen.


Fliptown kommt neben den unterschiedlichen Prämienkarten für Variation auch noch mit einem Set Charakterkarten daher, die den Spieler*innen andere Startbedingungen bescheren und jeweils über eine Spezialfähigkeit verfügen. Diese bringen deutlich mehr Abwechslung ins Spiel. Auch eine Texas Hold’em Variante, bei der die Spieler*innen zwei zusätzliche verdeckte Handkarten zu Beginn erhalten, mit denen sie am Rundenende ihr Pokerblatt bauen können, bringt zusätzlich Abwechslung mit.
Fliptown funktioniert aber wie schon erwähnt auch erstaunlich gut als Solospiel, denn hier wurden vier sogenannte Cowbot Karten integriert, die alle ein wenig anders, aber sehr einfach funktionieren und auch im Schwierigkeitsgrad noch variiert werden können. Das bietet zumindest mir genügend Abwechslung um mich mit Fliptown auch allein eine ganz Zeit beschäftigen zu können.
Das Fazit
Ich bin bekennender Roll, Flip & Write Fan und mag auch durchaus komplexere Vertreter dieses Genres. Fliptown spielt da in der Mittelklasse. Ähnlich einem Drei Schwestern, welches ich allerdings deutlich schlechter finde. Es gibt aber auch bei Fliptown ein paar Elemente die mich ein wenig stören. Ich möchte allerdings vorwegschicken, dass ich das Spiel sehr mag und es mich speziell in der Solovariante am meisten reizt. Das erste ist der nicht vorhandene Mehrwert es mit mehr Personen zu spielen. Es gibt keinerlei Berührungspunkte, wenn du mal von den Prämienkarten absiehst. Alle benutzen die gleichen Karten und bauen damit den für sie bestmöglichen Zug auf dem eigenen Tableau und die Tableaus machen es ja auch sichtbar, das alles als Solospiel konzipiert ist, denn die Aufdrucke am Rand sind für die Mehrspieler*innenpartie unerheblich. Darüber hinaus fühlen sich die unterschiedlichen Spielbereiche zwar unterschiedlich aber dennoch nicht ausgewogen an. Herz ist einfach zu managen, Karo genauso, bei Pik kommt ein unberechenbarer Glücksmoment dazu, der manchmal schwer zu verdauen ist und Kreuz macht erst Sinn, wenn du in den anderen Bereichen schon Geld verdient hast, stellt dann aber Hilfsmittel zur Verfügung um dort noch besser zu sein.
Egal, macht trotz alle dem Spaß. Soviel Spaß, dass ich in letzter Zeit öfter zu Fliptown gegriffen habe um mich mal eine halbe Stunde abzulenken. Wenn du das Spiel verinnerlicht hast brauchst du nicht mal eine halbe Stunde für eine Partie. Der Cowbot Mechanismus ist dabei fordernd, weil er ebenfalls unberechenbar ist und damit auch gut einen Gegenspieler simuliert. Ja Fliptown macht Spaß und sieht irgendwie auch cool aus. Die Stifte gefallen mir auf Seiten des Materials allerdings überhaupt nicht. Das Tableau ist so filigran und kleinteilig und dann bekommst du einen Stift, der dicker kaum sein könnte. Na ja, aber irgendwas ist ja immer. Gebt Fliptown mal eine Chance.
- Verlag: Strohmann Games
- Autor(en): Steven Aramini
- Illustrator(en): Naomi Ferrall
- Erscheinungsjahr: 2024
- Spieleranzahl: 1-4 Spieler*innen
- Dauer: 30-45 Minuten