Nicht erschrecken! Dieser grimmige Kollege hier links gehört zu einem der optisch erstaunlichsten Spiele der letzten Jahre. Viele werden das Coverartwork kennen, aber wahrscheinlich haben es noch nicht allzu viele Leute hierzulande gespielt, denn zu bekommen war es eigentlich kaum. Abyss stammt schon von 2014 und in diesem Jahr ist die einzige deutsche Auflage erschienen. Seitdem herrschte gähnende Leere. Für das Artwork ist Xavier Collette verantwortlich, der mit seinen Artworks auch andere Spiele, die für ihr Aussehen berühmt sind, gestaltet hat. Jeder hat bestimmt schonmal die phantasievollen Karten von Dixit betrachtet oder die schrulligen Charaktere in Mysterium bewundert. Wirklich geil! Spielerisch stammt das Spiel aber von einem nicht minder fähigen Gesellen, denn Bruno Cathala ist für das spielerische Verantwortlich und hat das Spiel gemeinsam mit Charles Chevallier (Kanagawa / Micropolis) entwickelt. Auch das spricht für Qualität. Worum geht es also nun in Abyss, dass schon wegen der Tatsache bemerkenwert ist, dass sein Titel nicht auf dem Cover steht, um den grimmigen Look nicht zu zerstören? Um Unterwasserwesen, die wir durch verschiedenste Mechanismen auf unsere Seite ziehen und versuchen die Kontrolle zu erlangen. Warum aber jetzt eine Review zu diesem Spiel? Ganz einfach, Grimspire hat sich dem Spiel angenommen und eine neue Auflage auf deutsch herausgebracht. Ihr habt also die Chance ein Exemplar zu bekommen.
Worum geht es?
In der Welt von Abyss geht es um Macht und den Thron über die verschiedenen Unterwasserwesen. Die Spieler*innen versuchen durch geschicktes intrigieren eine Hand an den Thron zu bekommen. Zu diesem Zweck sichern sie sich Stimmen des Rats mit deren Hilfe sie die Gunst der einflussreichsten Lords des Hofs gewinnen können, die wiederum dafür sorgen das sie Teile des Unterwasserreichs in Form von Orten kontrollieren. Nebenbei gilt es noch das Reich vor unliebsamen Feinden zu beschützen. All das bringt natürlich Punkte ein und wer die meisten einsammelt gewinnt Abyss. Das Spiel ist dabei ein Mix von diversen Mechaniken und vereint Set Collection, Drafting, Push Your Luck, Memoryanleihen, sowie einen Auktionsmechanismus zu einer einzigartigen Mischung.
Wie läuft das ab?
Wer jetzt aufgrund dieser ganzen Mechaniken ein Komplexitätsmonster erwartet, segelt ganz weit am Ziel vorbei. Abyss ist im Kern ein recht simples Spiel, auch wenn es durch all diese Dinge etwas mehr vortäuscht, als es eigentlich ist. Das klingt jetzt vielleicht zu negativ, ist aber erstmal gar nicht so gemeint. Fangen wir zunächst beim Spielaufbau an. Der ist trotz einiger Komponenten recht schnell erledigt.
Das Spielbrett wird in der Mitte ausgelegt und zeigt uns drei große Bereiche. Ganz oben die Erkundungsleiste auf der wir ganz links den gemischten Erkundungsstapel platzieren. Daneben gibt es fünf Ablagefelder. Auf dem ganz rechts ist eine Perle abgebildet. Im mittleren Teil ist der Rat zu sehen, welcher aus je einem Ablagefeld für eine der fünf Fraktionen (Quallen, Krebse, Seepferdchen, Muscheln und Tintenfische) dient. Darunter befindet sich der Hofbereich auf dem wir ebenfalls den gemischten Stapel der Edlen auslegen und anschließend sechs von ihnen offen in der Reihe platzieren. Die großen Ortstafeln werden gemischt und noch darunter bereitgelegt. Auch von ihnen wird eine offen ausgelegt. Neben das Spielbrett wird noch die Bedrohungslseite gelegt auf dessen oberstes Feld wir das rote Bedrohungsplättchen platzieren. Die Leiste zeigt nach unten hin fünf weitere Felder die uns mit immer besseren Schätzen belohnen. Das restliche Material in Form von Monsterplättchen, Schlüsseln und Perlen wird als Vorrat bereitgelegt. Die Perlen sehen sehr gut aus und werden in eigens dafür enthaltenen Muschelschälchen aufbewahrt, da sie sonst vom Tisch rollen würden. Jede*r Spieler*in erhält zu Beginn ein Schälchen mit einer Perle. Die restlichen im Vorrat werden als Schatzkammer bezeichnet. Mehr Spielaufbau gibt es nicht, es kann direkt losgehen.
Ein Spielzug besteht aus drei möglichen Phasen. Die erste nennt sich Politik am Hof und ist absolut freiwillig. Wer an der Reihe ist kann in dieser Phase für den Preis von jeweils einer Perle einen neuen Edlen vom Stapel auf ein freies Feld am Hof legen. Die Aktion ist mehrfach möglich funktioniert aber nur wenn genug Perlen und Platz am Hof vorhanden sind. Die zweite ist die Aktionsphase und die muss von jedem ausgeführt werden. Drei mögliche Aktionen stehen zur Auswahl und das Spielbrett unterstützt uns dabei, sie uns zu merken. Die erste Möglichkeit ist das Erkunden der Tiefe und findet natürlich auf der Erkundungsleiste statt. Der Erkundungsstapel besteht aus je 13 Karten der fünf Fraktionen mit Werten zwischen eins und fünf. Hinzu kommen noch sechs Monsterkarten. Wer an der Reihe ist und sich für diese Aktion entscheidet, deckt nacheinander Karten vom Stapel auf und muss wenn es sich um einen Verbündeten handelt die Karte den Mitspieler*innen im Uhrzeigersinn anbieten. Diese können die Karte dann für Perlen kaufen oder Passen. Der Preis richtet sich nach der Anzahl der Käufe in dieser Runde. Die erste Karte kostet eine Perle, die zweite zwei usw. Die Perlen erhält der Verkäufer. Möchte die Karte keiner ersteigern, muss ich mich entscheiden, ob ich die Karte selbst auf die Hand nehme und meinen Zug beende oder sie in die Reihe lege und die nächste vom Stapel ziehe und mit ihr genauso verfahre. Das kann solange so weitergehen, bis ich den letzten Platz erreicht habe. Sollte ich hier ankommen, muss ich die Karte auf die Hand nehmen und bekomme sogar noch eine Perle obendrauf. Ziehe ich ein Monster, so muss ich entweder kämpfen oder mit dem erkunden fortfahren. Kämpfe ich, gewinne ich automatisch und erhalte die Belohnung, die auf der Bedrohungsleite neben dem Bedrohungsplättchen aufgedruckt ist. Das können Perlen, Punkte in Form von Monsterplättchen oder Schlüssel sein. Erkunde ich weiter, so wandert das Bedrohungsplättchen um ein Feld nach unten. Sollte das letzte Feld erreicht sein, so muss ich Kämpfen, falls ich ein Monster aufdecke. Am Ende der Erkundungsaktion werden die aufgedeckten Verbündetenkarten nach ihren Fraktionen sortiert und verdeckt auf die Ablagefelder des Rats gelegt. Die Spieler*inne sollten sich merken, welche Werte in den Stapeln zu finden sind. (Memorykomponente)
Die zweite und auch die dritte Aktion sind wesentlich einfacher und schneller abgehakt. Ich kann die Hilfe des Rats erbitten und nehme mir einfach alle Karten einer Ratsfraktion die auf dem entsprechenden Feld liegen. Hierzu ist es natürlich günstig zu wissen, was sich in welchem Stapel befindet. Die dritte Aktionsmöglichkeit findet dann unten auf dem Brett statt und ich kann versuchen einen Edlen anzuwerben. Die Edlen gehören ebenfalls den fünf Fraktionen an und zusätzlich gibt es noch die Botschafter, die allen Fraktionen zugeordnet sind. Die Karten der Edlen zeigen uns diverse Dinge. Neben den erstaunlichsten Illustrationen, haben die Edlen jeweils einen Namen, unten links stehen Kosten, oben links Siegpunkte für das Spielende und dann haben sie jeweils noch eine Fähigkeit. Außerdem bringen manche von ihnen einen Schlüssel mit, den ich benötige um Orte zu kontrollieren.
Um einen Edlen anzuwerben, muss ich die Kosten mit Ratsmitgliedern bezahlen (soll heißen Erkundungskarten). Auf der Edlenkarte ist immer eine Fraktion bei den Kosten angegeben, die ich zwingend als Fraktion unter den Erkundungskarten benötige um genau diesen Edlen anzuheuern. Des weiteren steht dort eine Zahl und es ist eine Anzahl Blasen dargestellt. Der Wert sagt uns, wieviel die Erkundungskarten insgesamt mindestens Wert sein müssen und die Anzahl der Blasen gibt an, wieviele weitere Fraktionen benötigt werden, um ihn zu bekommen. Fehlende Punkte des Werts können hier ebenfalls mit Perlen bezahlt werden. Nach der Bezahlung werden die Erkundungskarten abgelegt. Nur diejenige mit dem geringsten Wert bleibt vor dem Spieler als Gefolge liegen. Diese Karten sind am Ende ebenfalls Siegpunkte wert, je höhere Karten ich hier sammeln kann dest besser. Einige Edele haben keine dauerhaften Fähigkeiten sondern Soforteffekte, die beim Kauf unmittelbar eintreten. Der Hof wird nciht automatisch wieder aufgefüllt. sollten noch mindestens drei Edle am Hof liegen, werden sie soweit es geht nach rechts verschoben und es bleiben Plätze frei. Sollten aber nur noch zwei Edle am Hof liegen, erhält der- oder diejenige die angeworben hat zwei Perlen und füllt den Hof komplett neu auf.
In Phase drei des Spiels geht es dann noch um die Kontrolle der Orte. Sollte ich drei Schlüssel gesammelt haben, sei es durch Schlüsselmarker oder auf Edlen, so muss ich die Kontrolle über einen Ort übernehmen. Die Ortstafeln zeigen jeweils ein Symbol und eine Möglichkeit am Ende der Partie Punkte zu generieren. Habe ich nun also drei Schlüssel zusammen, muss ich sie einlösen und kann entweder einen der offen ausliegenden Orte wählen oder aber ziehe ein bis vier Orte vom Stapel, von denen ich mir einen aussuche und die anderen offen auslege. Habe ich mit einem Schlüssel eines oder mehrerer Edlen bezahlt, so wandern diese Edlen hinter die Ortstafel, so dass ihre Fähigkeiten verdeckt werden und diese von nun an nicht mehr benutzt werden können.
Das Spiel endet, wenn ein*e Spieler*in entweder den siebten Edlen anheuert oder aber der Hof nicht mehr aufgefüllt werden kann, wenn es getan werden müsste. Die Spieler*innen zählen die Punkte ihrer Orte, Edlen, Verbündeten und Monsterplättchen zusammen und die meisten Punkte gewinnen. Bei den Verbündeten zählt an dieser Stelle aber nur derjenige mit den meisten Punkten von jeder Fraktion.
Das Fazit
Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich Abyss mag. Es stammt von einem meiner liebsten Autoren und sieht einfach herausragend aus. Leider habe ich es nicht zu seiner Zeit kennengelernt, sondern erst jetzt und das macht für die Rezeption dieses Spiels einen großen Unterschied für mich. Abyss war immer das Spiel von Cathala, dass so viele Leute mochten und das du nicht bekommen konntest, weil sie es nicht neu auflegten. Seltsamerweise kann es dann wohl gar nicht so erfolgreich gewesen sein oder? Zumindest auf deutsch mal nicht. Gleichzeitig sah es so phantastisch aus, dass ich es mir gerne ins Regal gestellt hätte. Das Zusammen erhob Abyss für mich schon fast in den Status eines Myhos und jetzt da ich es endlich habe, bin ich fast ein wenig enttäuscht… Bitte wirklich nicht falsch verstehen, Abyss ist ein tolles Spiel, aber es ist dann eben doch nicht so toll und besonders, wie es sich in meiner Phantasie spielte.
Kommen wir zu den Fakten. Eigentlich ist Abyss ein Kartenspiel. Das Brett ist nur eine Ablagefläche und es unterstützt in der Tat den Spielfluss und dass finde ich ziemlich gelungen, denn das Brett repräsentiert die drei Aktionsmöglichkeiten der Hauptphase und somit haben die Spieler*innen immer vor Augen, was sie tun können. Das Potpurri der verschiedensten Mechanismen halte ich ebenfalls für sehr gelungen und abwechslungsreich, jedoch habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich Abyss rein von den Abläufen her schwierig vermitteln lässt, denn es passiert soviel Verschiedenes. Das Spiel mit der Erkundungsleiste und den nach und nach aufgedeckten Karten die in einer Auktion verkauft werden halte ich für super gelungen. Die Spieler*innen können sich hier selbst mit Handkarten versorgen, die sie eventuell benötigen, um einen punkteträchtigen Verbündeten zu bekommen. Diese Mechanik benötigt für mein dafürhalten aber mindesens drei Spieler*innen um gut zu funktionieren. Zu zweit ist sie leider nicht so richtig der Bringer. Der Schwächste Part des Spiels ist aber die lieblose Bedrohungsleiste, die irgendwie aufgesetzt wirkt. Allerdings ist sie recht wichtig, da es hier viele Schlüssel zu ergattern gibt. Eine der Erweiterungen soll hier aber nachhelfen, sie etwas besser in das Spiel zu integrieren.
Nun aber genug Negatives gesagt. Alles andere ist wirklich sehr gelungen. Die Edlen wollen gut eingesetzt sein und sobald wir genug Schlüssel haben, kontrollieren sie eh die Orte für uns und verlieren ihre Fähigkeiten. Hier muss ich gut abwägen, wann ich genau was mache. Selbst bei der Bezahlung der Edlen muss ich darauf achten möglichst hochwertige Verbündete zu benuten, damit teure Karten in mein Gefolge kommen, denn diese sind ebenfalls Punkte wert. Selbst die Entscheidung für einen Ort will gut überlegt sein. Ich kann mir aussuchen wieviele Orte ich ziehe und gebe sowohl mir als auch meinen Mitspieler*innen dadurch mehr Auswahl oder schränke mich so ein, dass ich gefahrlaufe einen ungünstigen Ort zu erhalten. Nahezu jede Entscheidung ist wichtig und fühlt sich gut an. Das alles mag ich an Abyss. Ich hatte nur einfach mehr erwartet. Dafür kann das Spiel aber nichts. Auf Boardgamegeek habe ich mir speziell zu diesem Spiel mal Bewertungen angeschaut und es gibt wahnsinnig viele Spieler*innen für die Abyss soetwas wie der heilige Gral darstellt. Es gibt aber auch einige, die es als gnadenlos überbewertet abstempeln. Beides ist nicht der Fall. Aber gerade für drei oder vier Spieler*innen ist Abyss ein sehr gelungenes Spiel mit sehr viel Abwechslung und vielen kleinen Details, an denen ich als Spieler*in feilen kann. Ach und sieht das gut aus! Von mir gibt es also ein Empfehlung für das Spiel.
- Verlag: Grimspire
- Autor(en): Bruno Cathala, Charles Chevallier
- Illustrator(en): Xavier Collette
- Erscheinungsjahr: 2014
- Spieleranzahl: 2 – 4 Spieler
- Dauer: 30 – 60 Minuten