Oder die Kunst der Langsamkeit, sollte da noch als Untertitel stehen, denn genau darum geht es in diesem Spiel von Antoine Bauza. Ja genau um den Antoine Bauza, der für Spiele wie 7 Wonders, Takenoko oder Ghost Stories bekannt ist. Tokaido ist kein neues Spiel. Es stammt bereits aus dem Jahr 2012 und hat somit bereits 10 Jahre auf dem Buckel. Wer diesen Blog verfolgt, dem dürfte schon mal der ein oder andere Kommentar meinerseits über dieses Spiel untergekommen sein, denn ich Liebe dieses Spiel. Damit ist natürlich bereits das Fazit vorweggenommen, aber das ist egal, denn ich werde euch auch verraten warum ich es so liebe. Wenn ihr euch über dieses Spiel woanders im Netz informiert werdet ihr auf ein sehr geteiltes Echo treffen und das liegt an den verschiedenen Spielertypen, die genau bei diesem Titel aufeinandertreffen und unterschiedlicherer Meinung kaum sein könnten. Die einen lieben es für seine Art und die anderen finden es schlicht langweilig. Einige andere sagen gar, es enthalte eigentlich kein Spiel. Das ist natürlich bösartig und sowieso schonmal falsch, denn solche Gestalten wissen gar nicht mehr was ein Spiel eigentlich ist. Also begleitet mich auf eine spezielle Liebeserklärung an ein, für die heutige Zeit, schon betagtes Spiel.
Worum geht es?
Tokaido ist ein Name und bezeichnet im Japanischen eine Straße. Die sogenannte Ostmeerstraße, die eine Verbindung zwischen der kaiserlichen Stadt Kyoto und Edo, dem heutigen Tokio, darstellte. Diese Straße hat in der Vergangenheit eine große Bedeutung für Japan gehabt, denn sie diente dem besseren Handel und der Postverteilung. Es siedelten sich viele kleine Dörfer und Städte entlang dieser Straße an, so dass sie bald zu einer frequentierten Straße wurde. Die Menschen nutzten den Weg bald auch als Pilgerpfad für spirituelle Reisen und zur inneren Einkehr, denn den Blick den sie hier wohl sowohl aufs Meer, als auch auf die Landschaft bekamen, muss sehr beeidruckend sein. Das Spiel Tokaido lässt die Spieler*innen genau das erleben. Sie pilgern mit einem von zehn Charakteren entlang dieser Straße und versuchen Punkte zu ergattern, die representieren, wie erfolgreich ihre Reise war. Wer nach vier Teilabschnitten der Straße die meisten Punkte gemacht hat gewinnt Tokaido.
Wie läuft das ab?
Wenn die Schachtel von Tokaido geöffnet wird, dann denke ich zunächst, oh das ist aber überschaubar. Jede Menge Platz in der Schachtel. Überschaubares Spielmaterial und ich denke bereits an dieser Stelle, dass es wohl so gewollt ist. Das Spielbrett erfordert eh den Platz also lassen wir den Rest einfach leer. Das ist eine Analogie zum Artwork auf der Schachtel. Auch hier sehen wir diese wunderhübsche Illustration von Naïade relativ klein auf der riesigen weißen Schachtel. Das hat eine Wirkung von Weite und das ist etwas das Tokaido erzeugen will.
Das Spiel ist aufgrund des wenigen Materials schnell aufgebaut. Ein Brett für die Tischmitte. Ein paar verschiedene Kartenstapel für die verschiedenen Ereignisse auf der Reise. Diese finden Platz auf dem Spielfeld. Ein paar weitere Karten für Erfolge während und nach dem Spiel werden am rand bereitgelegt. Jede*r Spieler*in erhält eine Spielfigur und einen Zählstein in der gewählten Farbe und einen farbig passenden Pappchip. Das Spielgeld wird neben dem Spielfeld als Vorrat bereitgelegt. Dann erhätl jede*r Spieler*in zufällig zwei der Charaktere und sucht sich einen für die Partie aus. Die Charakterplättchen haben oben links eine runde Aussparung, in die der farbige Pappmarker hineinpasst, so dass alle Spieler*innen immer wissen, welcher Charakter, welche Farbe hat.
Jeder der Charaktere hat eine besondere Fähigkeit, die diesem im Verlauf der Reise bestimmte Vorteile verschafft. Je nachdem, wie stark diese Fähigkeit ist, desto weniger Startgeld hat dieser Charakter für die Reise zur Verfügung. Die Spieler*innen bekommen entsprechend viel Startgeld und stellen ihre Figuren in einer beliebigen Reihenfolge auf die Startfelder ganz links auf dem Spielbrett.
Das Spielbrett zeigt einen Weg der in vier Abschnitte unterteilt ist. Am Ende eines jeden Abschnittes wartet ein Gasthaus auf unsere Reisenden, bevor die Reise fortgesetzt wird. Entlang des Weges gibt es einzelne Felder, die jeweils zu einem anderen Ort gehören, an dem Halt gemacht werden kann. An einigen Orten können (ab vier Spieler*innen) mehr als ein Charakter stehen, ansonsten ist ein Ort immer auf einen Charakter begrenzt.
Tokaido spielt sich sehr simpel. Wer an der Reihe ist, zieht seine Figur soweit vor, wie gewünscht. Dann wird die Aktion des Ortes ausgeführt, die meistens irgendetwas unserer Sammlung hinzufügt und dann ist der oder die nächste Spieler*in an der Reihe. Wer das ist, wird durch die Reihenfolge auf dem Spielbrett bestimmt. Wer nämlich am weitesten hinten steht ist als nächstes an der Reihe. So kann es möglich sein, dass ein oder mehrmals hintereinander die gleiche Spieler*in an der Reihe ist. Dieses Spiel setzt sich solange fort, bis wir an einen Gasthof kommen. Hier müssen alle Spieler*innen einen Stop einlegen und wenn es geht eine Mahlzeit kaufen, denn diese bringen viele Siegpunkte. Dann startet der nächste Reiseabschnitt. Das wird solange wiederholt, bis die Reisenden am Ende des Spielbretts angekommen sind.
Das A und O sind natürlich die verschiedenen Orte, an denen die Spieler*innen verschiedene Dinge tun und Punkte verdienen können. Gehen wir diese einmal durch. Es gibt Berg-, Meer- und Wiesenfelder, die besonders schöne Orte darstellen sollen. An diesen Orten bekommen wir jeweils eine Landschaftskarte des entsprechenden Typs. Die Karten sind durchnummeriert und es wird jeweils mit Karte eins gestartet. Diese Karten legen wir vor uns aus und sie ergeben jeweils ein Panorama der entsprechenden Landschaft welches wir vervollständigen müssen. Dabei bestehen die drei Panoramen aus drei, vier und fünf Karten. Jede Karte bringt uns Punkte im Wert ihrer Nummer. Sie werden also wertvoller, je öfter wir einen bestimmten Landschaftstyp besuchen. Zusätzlich bekommt diejenige Spieler*in, die zuerst ein Panorama vervollständigen konnte einen drei Punktebonus in Form einer Extrakarte.
Es gibt heiße Quellen als Ort, an denen wir Baden gehen können. In dem Fall ziehen wir eine Karte vom entsprechenden Stapel, die entweder zwei oder drei Punkte wert ist. An einem anderen Ort können wir eine Begegnung haben und wir ziehen eine Karte von einem anderen Stapel der uns einen besonderen Bonus, wie eine Extra Landschaftskarte oder Ähnliches. Da wir uns auf unserer Reise nicht nur Essen und Unterkunft kaufen müssen, benötigen wir Geld, das wir uns an einigen Bauernhöfen am Wegesrand verdienen können. Machen wir hier Halt, so erhalten wir drei Münzen aus dem Vorrat.
Geld spielt durchaus eine Rolle auf unserer Reise, denn wir können uns an Geschäften Andenken kaufen. Kommen wir an ein solches Geschäft, so ziehen wir Karten vom Andenkenstapel und können soviele Andenken kaufen wie wir wollen und uns leisten können. Bei den Andenken ist wichtig, das sie einer von vier Kategorien angehören und wir versuchen Sets von verschiedenen Kategorien zu sammeln, denn umso wertvoller sind sie für unsere Punkte später. Wir können aber auch an Tempeln verweilen und dort Spenden gehen. Ein bis drei Münzen können wir an einem soclhen Tempel abdrücken und das Geld wird auf dem Spielbrett, auf dem ein Tempelbereich abgedruckt ist, gesammelt. Für jede*n Spieler*in gibt es hier ein Feld und all das Geld, dass an allen Tempeln gespendet wird, wird hier aufbewahrt. Warum das Ganze? Nun ja, der großzügigste Spender wird am Ende ebenfalls mit Bonuspunkten belohnt.
An den Gasthöfen müssen die Spieler*innen, wie gesagt, stehen bleiben und warten, bis alle anderen Spieler*innen ebenfalls eingekehrt sind. Wer zuerst einen Gasthof erreicht zieht eine Speise mehr als Spieler*innen teilnehmen und kann anschließend eine Mahlzeit kaufen. Auch diese kosten unterschiedliche viel und es darf jede Speise nur einmal gekauft werden. Die Speisen sind Punktemäßig recht wertvoll, so dass sie möglichst nicht ausgelassen werden sollten.
Dann starten wir erneut auf den nächsten Teilabschnitt und so bewegen die Spieler*innen sich über das ganze Spielbrett. Am Ende erhalten sie noch Punkte für ihre Sets und die besonderen Auszeichnungen und die meisten Punkte gewinnen wie üblich.
Das Fazit
Soviel zu dem Spielablauf von Tokaido. Ein wirklich simples Set Collection Spiel. Die meisten Spiele dieses Genres sind eh nicht besonders Komplex, aber warum mag ich gerade dieses so besonders gern? Eingangs schrieb ich ja bereits, dass es ein sehr geteiltes Echo über Tokaido geben würde. Viele Spieler*innen finden es schlicht langweilig, was ich durchaus gelten lassen kann. Spiele nicht zu mögen, weil sie dem eigenen Spielstil nicht passen ist ja auch total legitim. Aber viele Kommentare handeln dann davon, dass sie nicht verstehen, warum so viele Leute das Spiel auch mögen würden. Das hat in diesem Fall aber weniger mit dem Spiel, als mit der Erfahrung zu tun, die dieses Spiel bietet. Rein spielerisch betrachtet setzen wir unsere Figur einfach immer soweit nach vorn, dass wir die nächste Aktion ausführen können. Darin liegt die einzige Entscheidung begründet, ob uns diese Aktion ausführbar erscheint und ob wir sie nutzen wollen, oder wir doch ein Feld weiter vorrücken und eines hinter uns für andere Spieler*innen offen lassen. Mehr ist es nicht. Punkte gibt es fast überall und die Kunst besteht letztlich darin, den besten Weg zu finden, um viele Punkte zu generieren.
Da kommt dann meist schon die nächste Kritik ins Spiel, da die Charaktere und ihre Startvoraussetzungen nicht ausgeglichen seien. Das stimmt sogar, denn einige lassen sich mit Autopilot spielen und erreichen immer eine gute Punktezahl, andere wiederum erfordern es, ihre Möglichkeiten so einzusetzen, dass sie den Weg erfolgreich absolvieren können. Wenn die anderen Spieler*innen das wiederum auch wissen und durchschauen, dann wird Tokaido zu einer taktischen Herausforderung. Ich kann aber durchaus verstehen, warum das einigen als zu wenig Spiel erscheint. Sie sind von heutigen Spielen mehr Effekte und Mechaniken gewohnt. Ihr Handeln hat meistens mehr Konsequenzen. Das es aber, wie bereits erwähnt, Zeitgenossen gibt, die behaupten in Tokaido stecke überhaupt kein Spiel, weil sie ja eigentlich gar keine Entscheidungen treffen müssten und das Spiel sie im Prinzip spielt, kann ich eher nicht nachvollziehen. Diesen Menschen sei einmal die Definition eines Spiels nahegelegt: „Tätigkeit, die ohne bewussten Zweck zum Vergnügen, zur Entspannung, aus Freude an ihr selbst und an ihrem Resultat ausgeübt wird.“
Tokaido spricht als Spiel in keinster Weise diejenigen Spieler*innen an, die erfolgsorientiertes Spielen bevorzugen. Für die der Wettbewerb im Vordergrund steht. Tokaido ist ein Spiel, bei dem das „Event“ des Spielens im Mittelpunkt steht. Es kann wunderbar nebenher gespielt werden, während die Spieler*innen sich über andere Dinge unterhalten und einfach eine gute Zeit haben. Es erfordert kein umfangreiches Engagement oder viel Überlegung. Ein Langzeitplan steht nicht im Vordergrund. Tokaido ist für mich ein sehr entspanntes Spiel und da ich ein Spieler bin, für den das Spielen und nicht der Erfolg im Vordergrund steht, ist es quasi sinnbildlich für meine Art des Spielens zu sehen. Oder anders gesagt: „Der Weg ist das Ziel“! Und siehe da, das Thema scheint perfekt zu passen. Ich bin Fan und bleibe es auch.
Bei all dem Gelaber bin ich jetzt noch gar nicht auf die Optik eingegangen und da kann ich es vielleicht einfach kurz machen. Es ist hübsch! Naïade ist ein begnadeter Künstler und hat hier ganze Arbeit geleistet, indem er wunderbare Charaktere und eine herausragende Optik erschaffen hat. Ich hoffe tatsächlich nach dieser Neuveröffentlichung bei Pegasus, dass es vielleicht auch eine Kleine Chance darauf gibt, dass das Deluxematerial in Form der Figuren und Münzen auch neu aufgelegt wird. Alternativ könnte mir endlich mal jemand ein Angebot dafür machen.
- Verlag: Pegasus Spiele
- Autor(en): Antoine Bauza
- Illustrator(en): Xavier Gueniffey Durin (Naïade)
- Erscheinungsjahr: 2012, 2022
- Spieleranzahl: 2-5 Spieler
- Dauer: 30-45 Minuten