Das italienische Autorentrio Brasini, Gigli und Luciani dürfte vielen von euch durchaus bekannt sein. Allerdings stehen diese Namen eher für einen gehobenen Schwierigkeitsgrad im Eurogamesegment. Titel wie Lorenzo il Magnifico, Coimbra, Alma Mater, Grand Austria Hotel oder auch der neuerliche Brecher Golem dürften vielen ein Begriff sein. Virginio Gigli steckt nun aber auch hinter diesem Spiel, das von Außen erstmal wie Kinderspiel wirkt. Gemeinsam mit Gabriele Ausiello hat er First Rat entwickelt. Ein Laufspiel, bei dem die Spieler*innen über eine Reihe von Feldern versuchen ein Ziel zu erreichen. Früher wurde ein Würfel benutzt um eine zufällige Anzahl von Feldern zurückzulegen und meist passierte etwas auf den Feldern. damit kannst du aber heutzutage niemanden mehr hinter dem Ofen vorlocken und so wurde hier mit viel Liebe zum Detail ein Spiel kreirt, dass viele durch seine Aufmachung und sein zugrundeliegendes Spielprinzip erstmal ganz schön in die Irre liefen ließ. Ja, ich spreche da durchaus von meiner persönlichen Erfahrung. Mein erster Blick auf das Spiel war tatsächlich voller Vorurteile und ich musste mich erst davon überzeugen First Rat eine Chance zu geben. Deshalb erhebe ich an dieser Stelle den Zeigefinger und sage euch: „Seid nicht so doof wie ich, sondern aufgeschlossen!“ Es lohnt sich eigentlich meistens.
Worum geht es?
Die Spieler*innen schlüpfen in die Rollen von Ratten auf einem Schrottplatz, die sich seit Generationen die Legende vom Käsemond erzählen. Als eines Tages ein Comic auf dem Schrottplatz gefunden wird, der von der ersten Mondlandung erzählt, ist es nur noch ein kleiner Schritt für die Rattheit. Sie entschließen sich eine Rakete zu bauen und Rattonauten zum Mond zu schicken. Alle Arbeiten zusammen um das Ziel zu erreichen, aber die einzelnen Rattenfamilien wollen natürlich einen großen Teil des Käserads am Himmel abbekommen und versuchen den größten Teil der Rakete zu bauen und die meisten Rattonauten auszubilden. Damit das funktioniert, ziehen sie über den Schrottplatz und sammeln Ressourcen, die sie für die Rakete benötigen und versuchen ihre Ratten in der Rakete zu platzieren.
Wie läuft das ab?
First Rat ist ein klassisches Brettspiel, denn es kommt ohne viel Extramaterial aus. Das gesamte Spiel findet auf dem Spielbrett statt, dass in der Tischmitte liegt. Die Spieler*innen agieren mit ihren Rattenfiguren auf diesem und sammeln Ressourcen. Das Spielbrett zeigt eine Reihe von ovalen Feldern in den Farben blau, gelb, orange, grün und weiß. Auf jedem der Felder ist eine Ressource abgebildet. Auf den weißen Feldern gibt es immer nur Apfelgehäuse, auf den blauen nur Glühbirnen und auf den gelben nur Käse. Die grünen und orangen hingegen zeigen immer etwas anderes. Entlang dieser Felderreihe gibt es noch eine Lichterkette mit kleinen Glühbirnen. Zu jdem großen Feld gehört immer auch eine Glühbirne. Dieser Felderweg schlängelt sich von unten nach oben über das Spielbrett und kommt dabei an drei tierischen Verkaufsständen vorbei. Der Hamster verkauft Rucksäcke, der Frosch Energydrinks und die Krähe Kronkorken, mit denen wir unsere Sammelbdingungen verbessern können. Die Felder münden im oberen Bereich des Spielfelds in die Rakete mit diversen Punkteleisten. Hier wird festgehalten welche Ratte zuerst ins Cockpit darf und welche Teile der Rakete schongebaut wurden. Ganz unten auf dem Spielfeld befindet sich noch der Rattenbau. Hier laufen die Spieler*innen mit einem Rattenmarker herum um weitere Vorteile zu verdienen. Unter anderem können weitere Ratten freigspielt, zusätzliche Punkte verdient oder auch wertvolle Comics entdeckt werden.
Jede*r Spieler*in erhält zu Beginn vier Rattenfiguren, 10 Wertungssteine, einen Rattenbau- und einen Lichtmarker. Zwei der Rattenfiguren kommen auf das Startfeld der Leiste und die anderen beiden in die Kinderstube des Rattenbaus im unteren Spielfeldbereich. Der Rattenbaumarker kommt ebenfalls dort auf das Startfeld, während der Lichtmarker über dem Startfeld der Ratten ausgelegt wird. Von den 10 Wertungssteinen sind zwei nur für die letzte Runde relevant, die Spieler*innen spielen das Spiel mit genau acht Stück. Eines der möglichen Spielenden wird durch das Platzieren eines achten Wertungssteins ausgelöst. Nur aus diesem Grund existieren die weiteren, weil in der nochzuspielenden Zeit weitere Steine platziert werden können.
Die Spieler*innenanzahl ist wichtig für die Startaufstellung, denn je nach Anzahl liegen mehr oder weniger Gegenstände bei den tierischen Händlern aus und auch neutrale Steine blockieren Felder auf den Wertungsleisten. Zum Start erhalten alle Spieler*innen noch gestaffelt etwas Startkäse. Der Spielablauf ist dann relativ simpel, denn wer an der Reihe ist, spielt vier Phasen der Reihe nach durch, von denen die letzten beiden aber nur optionaler Natur sind.
Zunächst müssen Ratten bewegt werden. Dazu stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Entweder wird eine eigene Ratte um ein bis fünf Felder weit gezogen oder aber zwei bis vier eigene Ratten um je ein bis drei Felder. Wobei bei der zweiten Möglichkeit darauf geachtet werden muss, dass alle Ratten auf gleichfarbenen Feldern zum Stehen kommen. Natürlich gibt es noch weitere Bewegungsregeln zu beachten. Die Ratten dürfen nur in Richtung der Rakete bewegt werden. Außerdem dürfen niemals zwei Ratten der gleichen Farbe auf demselben Feld stehen. Auf Felder mit andersfarbigen Ratten darf aber gezogen werden. In diesem Fall muss für jede Ratte dort ein Käse an ihre*n Besitzer*in gezahlt werden. Ist nicht genug Käse vorhanden, so muss ein Schimmelkäsemarker genommen werden, für den ich drei Käse erhalte, mit denen ich dann bezahlen kann. Dieser Schimmelkäse kostet am Ende zwei Minuspunkte. Zusätzlich bietet das Spielfeld noch mehrere Abkürzungsröhren an, durch die ich ziehen kann, wenn ich die auf ihnen abgebildete Ressource bezahle.
Nach meiner Bewegung, sammle ich Ressourcen von meinen Feldern ein. Auf den gelben Feldern erhalte ich Käse in meinen Vorrat. Käse ist die Währung des Spiels. Für sie kaufe ich bei den Tierhändlern ein, bezahle andere Rattenfamilien, wenn ich auf ihrem Feld halt machen will oder aber ich kann Käse für das Raketenprojekt spenden um Punkte zu bekommen.
Auf den grünen und orangenen Feldern gibt es die anderen Ressourcen des Spiels, die ich für den Bau der Rakete benötige. Flaschen, Blechdosen, Backpulver und Taschenrechner. Auf den blauen Feldern sammle ich Glühbirnen ein, mit denen ich sofort meinen Lichtmarker auf der Leiste nach vorne bewege. Mehr Licht heisst ich kann auf dem Schrottplatz besser sehen und so erhalte ich von allen Feldern an denen mein Lichtmarker schon vorbei ist, eine Ressource extra. Die weißen Felder zeigen Apfelreste mit denen ich meinen Rattenbaumarker weiterbewegen darf. Der Rattenbau besteht aus einem Rundkurs um den ich mich im Uhrzeigersinn bewege. Es gibt zwei Abzweigungen, an denen ich mich für eine Richtung entscheiden muss. Eine führt zur Bibliothek, wo ich mir einen Comic aussuchen kann, der mir gewisse Vorteile verschafft und die zweite führt zur Kinderstube, in der ich mir meine beiden weiteren Ratten freispielen kann. Sollte ich mich an den Abzweigungen immer für den normalen Rundkurs entscheiden, so komme ich irgendwann an der Vorratshöhle vorbei, die eine weitere Punkteleiste enthält, auf der ich einen Wertungsstein platzieren darf.
Die dritte Phase meines Zugs trifft nur ein, wenn ich an den Läden der Tierhändler stehe und auch etwas kaufen oder stehlen möchte. In diesem Fall darf ich mir einen entsprechenden Gegenstand nehmen, wenn ich diesen entweder mit Käse bezahlen kann oder ihn einfach ohne Käse zu zahlen klaue. In diesem Fall muss ich meine Rattenfigur aber an den Anfang der Leiste zurückstellen. Der Hamster verkauft Rucksäcke, mit denen ich Extraressourcen des auf dem Rucksack angebildeten Typs erhalte. Der Frosch verkauft einen Energydrink mit dem ich einmalig alle Ressourcen einer Runde, die ich gerade eingesammelt habe verdoppeln kann und der Rabe verkauft Kronkorken, die mir Punkte am Spielende für bestimmte Dinge bringen.
Als letzten Schritt meines Zuges kann ich Teile der Rakete bauen oder Käse für den Flug spenden. Ich gebe also die entsprechenden Ressourcen zurück in den Vorrat und platziere einen Wertungsstein auf der entsprechenden Leiste. Gebaut werden müssen Teile des Cockpits, Frachträume und Antriebe. Die Anzahl hängt von der Spieler*innenzahl ab und wer etwas zuerst baut erhält mehr Siegpunkte. Soll heißen die Wertungssteine sind von links nach rechts auf den Leisten zu platzieren und werden nach hinten raus immer weniger Wert. Auf die gleiche Art kann ich auch 10 Käse für den Flug spenden. Wer mit einer Ratte auf der Startrampe, dem letzten Feld ankommt, setzt seine Ratte auf die Pilotenwertungsleiste, die ebenfalls Punkte am Ende einbringt und kassiert eine Bonusauszeichnung. Neben der Käse- und den drei Bauleisten, sowie der Piloten und Vorratshöhlenleiste existieren noch zwei weitere Punkteleisten. Eine für jeweils ein Set aus drei Raketenteilen und eine weitere für die Lichtleiste, auf der ich Baulampen passiere. Sobald ich die dritte überquert habe, darf ich einen Wertungsstein auf dieser Leiste platzieren.
Das ist auch schon das ganze Spiel. Es endet entweder sobald jemand den achten Wertungsstein setzt oder ein*e Spieler*in die vierte Ratte in die Rakete setzt. Die laufende Runde wird zu Ende gespielt und im Anschluss daran noch eine komplette weitere, bevor das Spiel zu Ende ist und die Punkte gezählt werden. Punkte erhalte ich für alle Leisten, für meine Auszeichnungen, durch Kronkorken und Sets von jeweils vier Ressourcen. Die meisten Punkte gewinnen natürlich.
Erwähnen möchte ich noch, das das Spielbrett noch eine zweite Seite hat, auf der alles genauso angeordnet ist, nur die Wertungsleisten und die Felder der Bewegungsleiste sind leer. Dafür kommt das Spiel mit einem Satz Leisten und Feldern zum auslegen, um das Spiel jede Partie anders zu gestalten.
Das Fazit
Es ist wirklich kein Wunder, dass First Rat als eine der größten Spieleüberraschungen des letzten Jahres gilt. Das Spiel gibt sich auch alle Mühe sich unter Wert zu verkaufen und das ich so denke ist schon irgendwie seltsam, denn es gibt ja tatsächlich nichts vor zu sein, was es nicht ist. Ich sehe First Rat im Regal eines Spieleladens stehen, sehe antropomorphe Ratten und denke sofort an ein Kinderspiel. Allerhöchstens vielleicht an ein Familienspiel. Habe ich doch bei Everdell auch nicht gedacht? First Rat ist aber knallbunt und kommt mit einer erstaunlichen Detailverliebtheit zu seiner Optik daher. Alles wurde hier thematisch gestaltet. Die Marker sind nicht einfach rund oder eckig, nein sie haben die Form von Kronkorken oder Getränkedosen, von dem Teil eines Käserads. Alles wirkt irgendwie kindlich und auch wenn ich mir das Spielprinzip und die Prämisse durchlese, glaube ich nicht sofort an ein Familienspiel, bei dem ich Spaß haben könnte.
Weit gefehlt, denn First Rat hat deutlich mehr zu bieten, als ich bereit war ihm auf den ersten Blick zuzugestehen. Das Laufspiel ist nämlich gut inszeniert. Ich habe die Wahl zwischen den beiden Zugmöglichkeiten und da sind schon ganz nette Entscheidungen zu treffen und es ist gar nicht so leicht da immer das beste rauszuholen, wenn ich nicht alle überanalysiere. Das Spielprinzip macht echt Laune, weil es im Grunde so einfach ist, aber ich dennoch gut sein kann in dem was ich da tue. Es gibt soviele Möglichkeiten hier voranzukommen. Setze ich auf die Lichtleiste um im Endeffekt mehr Ressourcen zu bekommen, oder drehe ich Runden in meinem Bau um mehr Ratten zu erhalten. Setze ich auf die Boni der Gegenstände und bezahle ich sie oder stehle ich, denn dann gehe ich zurück auf der Leiste und kann den ganzen Weg nochmal für Ressourcen abschreiten. Was ja nicht schlimm sein muss, da ich ja mit mehreren Ratten gleichzeitig laufen kann. Herrlich! Hier kann ich in vielen Partien, verschiedene Dinge ausprobieren. Je mehr Leute mitspielen, desto wichtiger wird allerdings die Bedeutung von Käse.
Nach einigen Partien auf der Standardseite empfehle ich dringend die Seite zu wechseln, denn die immer gleiche Anordnung sorgt dafür, dass sich Taktiken rauskristallisieren. Druch das immer weider andere Layout der zweiten Seite wird das umgangen und da hier sogar auch noch die Punkteleisten ausgetauscht werden bekommen die Dinge unterscheidlche Wertigkeiten und das Spiel muss oder viel mehr kann anders gelesen werden.
First Rat ist ein Familienspiel im besten Sinn, bei dem nicht zu junge Kinder, sowie auch Oma und Opa mitspielen können. Auch der Vielspieler wird auf seine Kosten kommen und sich über First Rat verwundert die Augen reiben. Das Spiel verkauft sich deutlich unter seinem Wert und ihr solltet nicht so dumm wie ich sein und ihm eine Chance geben. Gerne mehr von solchen Überraschungen.
- Verlag: Pegasus Spiele
- Autor(en): Gabriele Ausiello, Virginio Gigli
- Illustrator(en): Dennis Lohausen
- Erscheinungsjahr: 2022
- Spieleranzahl: 1 – 5 Spieler*innen
- Dauer: 30-75 Minuten