Brazil Imperial – Ein Spiel wie ein Gemälde

Brazil Imperial

Heute widme ich mich mal einem nicht brandaktuellen Spiel. Brazil Imperial hat schon ein bisschen auf dem Buckel, ist aber immer noch aktuell. Bei uns stand es etwas länger herum, weil ich noch auf den Solomodus warten wollte, den ich mir extra bestellt habe, bevor ich in das Spiel eintauchte. Dieser wird aber doch kein Teil der Review sein. Brazil Imperial ist im Kern ein 4X-Spiel. Die meisten Spiele dieser Gattung sind allerdings riesige Brecher mit Tonnen von Material und haben Spieldauern, die eher in Tagen gemessen werden sollten, als in Stunden. Brazil Imperial ist ein kleinerer Vertreter dieser Gattung, hat aber dennoch viel zu bieten und überrascht geradezu durch seinen relativ moderaten Zugang zum Spiel. Die Regeln sind überschaubar und sehr gut gegliedert, so dass ich schnell in das Spiel hineinkam. Meine Frau ist eher selten für solche Spiele zu haben, aber hier war sie auch aufgrund der schönen Optik gerne bereit mir eine Lektion zu erteilen. Das Spiel sieht übrigens nicht nur in der Schachtel gut aus, sondern auch der modulare Spielplan macht auf einem Tisch einiges her. Alles in allem würde ich Brazil Imperial als 4X-Eurogame bezeichnen.

Worum geht es?

Für diejenigen, die mit dem Begriff 4X nicht allzu viel anfangen können, sei dieser nochmal kurz erläutert, denn darunter verstehen wir Brett- und auch Computerspieler*innen ein Spiel das sich mit den vier englischen Begriffen eXplore(entdecken), eXpand(ausbreiten/erobern), eXploit(ausbeuten) und eXterminate(auslöschen) auseinandersetzt. Für sich genommen alles äußerst „charmante“ Begriffe und viele Spiele sind hier im Kolonialismus zuhause, sei es auf irgendwelchen Kontinenten, Inseln oder auch gerne anderen Planeten. Heutzutage ist es durchaus angebracht sich durchaus differenzierter mit diesem Thema auseinanderzusetzen und ich als Europäer sollte das auf jeden Fall auch tun. Brazil Imperial ist ausschließlich von Brasilianern gemacht und erdacht worden. Es handelt von historischen, brasilianischen Ereignissen, von denen hierzulande kaum jemand eine Ahnung hat und das erwähnt das Spiel auch direkt in seiner Einleitung. Es ist der Versuche sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. Wie sehr das gelungen ist, vermag ich aus mangelnder Kenntnis nicht zu beurteilen. Wie das Spiel, was um das Thema gestrickt worden ist, sich spielt, kann ich unterdes schon beurteilen und darum dreht sich diese Review. Ich lehne 4X-Spiele nie grundsätzlich ab, denn einige können sogar dafür sorgen, dass ich mich mit dem Geschehen intensiver auseinandersetzen möchte, um es zu verstehen. Giant Roc stellt einen Disclaimer, eine Erklärung vor das Spiel, in der explizit darauf hingewiesen wird, das die widersprüchliche Historie Brasiliens die Neugier wecken soll, aber auch das sie die wohl recht patriotische Perspektive etwas abgemildert haben. Wie und wo genau das passiert ist, entzieht sich aber meiner Kenntnis.

Brazil Imperial: Spielfeld für eine Partie zu dritt / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Brazil Imperial ist in seiner Grundstruktur ein sehr einfach zu begreifendes Spiel, das gar nicht so viele primäre Regeln besitzt, die benötigt werden, um das Spiel zu spielen. Jedoch gibt es viele kleine Detailregeln, die die Dinge etwas komplizieren. Ich versuche mich erstmal nur auf die wichtigen Dinge zu beschränken, die ausreichen dürften, um das Spiel zu verstehen.

Brazil Imperial: Spieler*innentableau / Foto: Spieltroll

Ziel sind wie fast immer in einem Eurogame, die Siegpunkte, die wir hier in drei Epochen sammeln müssen. Ein bisschen ist Brazil Imperial auch ein Rennspiel, denn die Spieler*innen erhalten zu jeder Epoche eine Aufgabenkarte und die Epochen werden gewechselt, sobald jemand eine Aufgabenkarte der Epoche erfüllt hat. Die anderen Spieler*innen können ihre Aufgaben natürlich auch später noch erfüllen, aber das Spiel schreitet auf diese Art voran. Jede Epoche wird zusätzlich durch einen anderen Aktionsmarker angezeigt. Dieser wird von den Spieler*innen in jeder Runde dazu benutzt ihre Aktion auszuwählen und verfügt, je nach Epoche, über eine andere Bonusfähigkeit.

Brazil Imperial: Aktionsmarker / Foto: Spieltroll

Diese Aktionen wählen die Spieler*innen über ihr Tableau aus. Am unteren Rand befinden sich dort sieben Aktionsfenster in dei der Marker gelegt werden kann um die entsprechende Aktion auszulösen. Die Aktionen können über spezifische Waren noch verbessert werden, die die Spieler*innen aber erst freispielen müssen. Alle Spieler*innen verfügen über fünf Einheiten mit denen sie auf dem modularen Spielfeld herumlaufen. Auch diese müssen erst durch eine Rekrutierungsaktion von den Spieler*innen vom Tableau ausgehoben werden, bevor sie eingesetzt werden können. Die Einheiten sind je nach Fraktion verschieden. Neben den Einheiten finden die Spieler*innen noch die Baukosten für die Gebäude der drei Epochen auf ihren Tableaus und am rechten Rand stehen ihnen individuelle Paläste für das Spielfeld zur Verfügung, die bestimmte Wirtschaftszweige verbessern können. Links an das Tableau wird der oder die jeweilige Anführer*in mit Spezialfähigkeiten angelegt. Jede Fraktion, außer die brasilianische hat die Wahl zwischen zwei unterschiedlichen Anführer*innen. Die Brasilianer haben vier. Das Spiel findet zu großen Teilen auf den Spieler*innentableaus statt.

Brazil Imperial: Aktionsfenster / Foto: Spieltroll

Mittig wird ein modulares Spielfeld aus wunderschönen Hexfeldern aufgebaut. Das Spiel schlägt verschiedene Aufbauvarianten je nach Spieleranzahl und oder Konfrontationsgrad vor. Grundsätzlich gibt es Stadt-, Wiesen, Hold und Goldfelder und natürlich Wasser. Bestimmte Gebäude können nur auf bestimmtes Gelände gebaut werden. Es gibt auch Fragezeichenfelder, auf die vor Spielbeginn noch entsprechenden Entdeckungsplättchen gelegt werden. Damit hätten wir eines der vier X schon abgehandelt. Diese können von Einheiten der Fraktionen erkundet werden. Die Spieler*innen starten alle auf einem Startstadtfeld mit einem ihrer Gebäude darauf. Von hier aus breiten sie sich aus und können weitere Felder durch Gebäudeplättchen belegen (Nummer 2).

Brazil Imperial: Waren und Kosten / Foto: Spieltroll

Die Ressourcenmechanik von Brazil Imperial ist recht interessant, denn sobald wir eines der Ressourcengebäude bauen, wie zum Beispiel eine Sägemühle oder eine Zuckerrohplantage, so erhalten wir die vom Gebäude angezeigten Ressourcen auf dem Feld , wo sie produziert werden. Verbrauchen wir sie, nehmen wir sie auch von dort weg. Die Ressourcen werden erst wieder aufgefrischt, sobald wir die Aktion Erneuern auswählen. Dann werden aber alle unsere Ressourcen wieder auf ihr Maximum aufgefüllt. Zusätzlich zu diesen Ressourcen ist es uns möglich bis zu fünf auf unserem Tableau zu lagern. Insgesamt gibt es sechs Ressourcen in Brazil Imperial: Holz, Baumwolle, Zuckerrohr, Kaffee, sowie Geld und Bildung. Geld ersetzt dabei die vier erstgenannten eins zu ein und Bildung kann dazu auch noch Geld ersetzen.

Brazil Imperial: Unterschiedliche Einheiten / Foto: Spieltroll

Somit fehlt nur noch das vierte X mit der Auslöschung und hier bleibt Brazil Imperial erstaunlich human. Kriegerische Handlungen sind zwar vorhanden, sind aber gar nicht unbedingt nötig und selten bricht ein größerer Konflikt aus. Irgendwann steht irgendwer mal im Weg herum oder jemand benötigt ein bestimmtes Geländefeld für eines seiner Ziele, aber ansonsten ist Konflikt eher etwas das mich hier nervt und mich weiter zurückwirft. Die Spieldauer ist durch den konstanten Fortschritt auch erstaunlich kurz. Zu zweit spielten wir kaum 75 Minuten und zu dritt brauchten wir auch nur etwas mehr als 90 Minuten. Für diese Art Spiel ist das eine Seltenheit. Das Spiel rast nur so dahin und ist schnell vorbei.

Brazil Imperial: Aufgewertete Rekrutieren Aktion / Foto: Spieltroll

Ein Spielzug sieht so aus, dass ich meinen Aktionsmarker auf ein freies Aktionsfenster legen muss. Dann führe ich die entsprechende Aktion aus, die durch Waren schon aufgewertet sein kann und darf danach eine freie Bewegungsaktion durchführen plus die Bewegungsaktion die unter meiner gewählten Aktion angegeben ist. Wähle ich zum Beispiel die Aktion Bauen, mit der ich ein Gebäude errichten kann, so darf ich in der Bewegungsphase zu einer freien Aktion zusätzlich eine Einheit auf ein benachbartes Gebäude oder eine Stadt ziehen. Dann ist mein Zug schon abgeschlossen. In späteren Epochen, kommen evtl. noch Bonusaktionen hinzu je nachdem unter welchem Aktionsfenster ich meine Marker platziert habe und welcher Effekt ausgelöst wird.

Die Aktionen die ich durch meinen Marker auslösen kann, sind das Rekrutieren von Einheiten, das Erwerben eines Gemäldes, das Bauen eines Gebäudes, sowie der Erneuern der Ressourcen und das Herstellen einer Ware. Zusätzlich gibt es noch eine Hafen und eine Marktaktion. Im Hafen bekomme ich Ressourcen und am Markt kann ich bestimmte Kombinationen tauschen.

Brazil Imperial: Gemäldekarten / Foto: Spieltroll

Gemälde sind im Grunde nichts anderes als Sonderfähigkeiten die ich mir kaufen und benutzen kann. Gemälde liegen in einer Auslage zur Wahl bereit und machen optisch einiges her. Gemälde sind aber nicht die einzigen Karten im Spiel, neben den bereits erwähnten Epochenaufgaben gibt es noch zwei Sorten kleinformatige Karten. Zum einen Geldkarten, die als Geldmünze fungieren und von denen ich zusätzlich drei Stück halten darf, denn auch Geld ist eine Ressource und darf nur auf entsprechenden Gebäuden oder meinem Tableau gelagert werden. Zusätzlich verfügt eine Geldkarte aber auch über eine Sonderfähigkeit auf der Rückseite die meist dafür sorgt, dass ich das Geld gar nicht auf der Hand behalten will. Neben dem Geld gibt es auch noch Kampfkarten, die im Kampf eingesetzet werden können und für Überraschungseffekte sorgen können. Kampf ist nur ein Vergleich von Stärken. Wobei Gebäude und Einheiten Stärkewerte haben die aufaddiert und dann mit Karten modifiziert werden. Im Grunde ist das alles, was ihr wissen müsst.

Brazil Imperial: Spielgeschehen / Foto: Spieltroll

Am Ende gewinnen die meisten Siegpunkte und die bekommen wir über unser Tableau durch freigespielte Dinge, durch Gemälde, erfüllte Epochenkarte, Geldkarten und Entdeckungsplättchen, sowie Gebäude und Städte. Bei Gleichstände entscheidet die momentane Bildung.

Das Fazit

Nach der ersten Partie war ich sehr erstaunt über Brazil Imperial. Ich wusste im Vorfeld, das es einen eher eurospielartigen Ansatz mitbringen sollte, aber das es so locker und flockig von der Hand geht hätte ich bei der Ansicht nicht gedacht. Das Spiel sieht hervorragend aus. Nicht nur die Illustrationen auf der Schachtel sind Bombast pur, nein auch das modulare Spielfeld sieht einfach sehr gut aus. Im Verlauf des Spiels wird das zusehends immer besser, denn durch Gebäude kommen weitere Schichten auf das Feld und es wirkt direkt ein wenig hügelig. Auf den ersten Blick wirkt es durch die schönen unterschiedlichen Holzfiguren wie ein intensives Einheitenumhergeschiebe, was es aber tatsächlich gar nicht ist. Einheiten können sich durch zusätzliche Bewegungen immer mal wieder bewegen, aber große Truppenaufmärsche sind selten und bringen gar nicht so viel wie gedacht. Alles in allem muss hier mit den Ressourcen klug hausgehalten werden, sonst gerätst du schnell ins Hintertreffen. Gebäude benötigen immer wieder neue Rohstoffe und eine Konsolidierungsrunde zu viel oder zur falschen Zeit könnte schon den Ausschlag geben.

Brazil Imperial: Unterschiedliche Charaktere / Foto: Spieltroll

Ich sehe das 4X-Spiel bin aber mehr der Meinung, dass wir es hier mit einem Eurogame mit 4X-Thematik zu tun haben. Das ganze Spiel schreit Eurogame und ist für mich näher an Scythe als an Eclipse und Co. Dabei verfügt es über clevere Mechaniken, die Spaß bringen. Die Aktionswahl über die Plättchen ist gut. Dass die Plättchen später Aktion aufwerten, ist ebenso gelungen. Das sich die Aktionen aufwerten lassen ist clever. Das wir nur mit begrenzten Ressourcen hantieren können ebenso. Das bringt massiv viel Denkarbeit mit ins Spiel, denn ich möchte meine Ressourcen so effektiv wie möglich ausgeben, um keine unnötigen Erneuerungsrunden einlegen zu müssen.

Brazil Imperial: Spielsituation / Foto: Spieltroll

Klingt alles relativ positiv, aber es gibt auch ein bisschen Kritik, die sich aber in Grenzen hält. Ein, zwei sind produktionstechnischer Natur und nur ein bisschen ärgerlich. Wenn ich doch schon ein schönes Tray beipacke, das mir vorgibt, wo ich welchen Rohstoff und welches Plättchen reinzulegen habe, dann sollten diese auch alle hineinpassen. Ich bekomme den Deckel nicht mehr auf das Ding, wenn ich alles Geld in das Geldfach lege. Ebenso nervt es mich, dass die Hexfelder nicht hundertprozentig passen. Aber wie gesagt das ist für das Spiel absolut nebensächlich. Ein bisschen größer fällt für mich die Kritik bei der Asymmetrie der Fraktionen aus. Zunächst macht es diese interessant, wenn sie nicht alle die gleichen Einheiten besitzen und andere Gebäude aufstellen, aber ich bin mir nicht sicher, ob die Fähigkeiten der einzelnen Anführer*innen fair sind. Hier halte ich einige für deutlich besser als andere und allein schon das die Brasilianer aus vier Charakteren wählen können ist ein wenig seltsam, auch wenn ich es verstehen kann. Aber auch damit kann ich insgesamt leben, denn das Spiel funktioniert großartig und hat uns viel Freude gemacht. Ich weiß nur nicht, ob wir Brazil Imperial oft aus dem Regal ziehen werden? Aber wer solche Spiele grundsätzlich mag sollt hier mal halt machen und wer in diese Art Spiele reinschnuppern möchte, erhält hier einen leichteren Ansatz.


  • Verlag: Giant Roc
  • Autor(en): Ze Mendes
  • Illustrator(en): Adalberto Junio, Isaias Junior, Carlos Eduardo Justino, Vinicius Menezes, Arthur Parisi, Girleyne Costa Ramalho, Victor Sales, Ryan Teo, Tom Ventre
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Spieleranzahl: 1 – 4 Spieler*innen
  • Dauer: 100 Minuten

3 Gedanken zu „Brazil Imperial – Ein Spiel wie ein Gemälde“

  1. Sehr informative Rezi, dafür besten Dank!

    Gut gemeinter Hinweis, wie es noch besser wäre:
    Vor dem Posten noch mal auf Rechtschreibfehler überprüfen (deren Anzahl hier tangiert wirklich die Lesbarkeit!), oder überprüfen lassen, falls der Rezensent selbst den Unterschied zwischen „das“ und „dass“ nicht klar hat.

    1. Die ganzen Tippfehler sind der Schreibgeschwindigkeit geschulded. Der Rezensent wird solange in den Keller gesperrt, bis er jeden einzelnen Fehler gefunden hat und demnächst wieder eine Rechtschreibprüfung vor dem Hochladen durchführt!

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