Klassiker – Sherlock Holmes Criminal-Cabinet

In letzter Zeit kam es öfter vor, dass ich bei der anhaltenden Welle von Deduktionsspielen den Namen von Sherlock Holmes Criminal-Cabinet lobend erwähnt habe. Es wird also höchste Zeit diesen Klassiker entsprechend zu würdigen und so habe ich ihn aus meiner Sammlung ausgegraben, um ihn nicht nur den Jüngeren vorzustellen, sondern auch den Älteren wieder ins Gedächtnis zu rufen. Das amerikanische Original mit dem Titel Sherlock Holmes Consulting Detective hat in diesem Jahr bereits 38 Jahre auf dem Buckel. Die deutsche Version erhielt im Jahre 1985 den Preis für das Spiel des Jahres und war damals ihrer Zeit voraus. Ganz besonders wird das deutlich, wenn man sich den heutigen Boom bei dieser Art von Spielen anschaut und meiner Meinung nach müssen sie sich alle mit diesem Klassiker vergleichen lassen, denn eine intensivere Beschäftigung mit den Aufgaben eines Kriminalisten hat es lange Zeit nicht gegeben.

Sherlock Holmes Consulting Detective kam in Amerika bereits 1981 auf den Markt. Die Autoren Gary Grady, Raymond Edwards und Suzanne Goldberg veröffentlichten ihr Spiel über den Verlag Sleuth Publications, den es heute gar nicht mehr gibt. 1984 erschien das Spiel dann in Deutschland beim Verlag Franckh-Kosmos, der sich bis dato nur mit Büchern und den recht beliebten Experimentierkästen einen Namen gemacht hatte. Mit Sherlock Holmes Criminal-Cabinet startete der Verlag, den wir heute als KOSMOS kennen seine erfolgreiche Spielegeschichte und verlegte zunächst recht hochwertig aufgemachte Spiele in der „Edition Perlhuhn“. Insofern ist Sherlock Holmes Criminal-Cabinet für den deutschen Markt auch ein wichtiges Spiel, denn KOSMOS wurde durch das Spiel und den Gewinn der Spiel des Jahres Auszeichnung im Jahr 1985 zu einer nicht mehr wegzudenkenden Größe im deutschen Spieleverlagswesen.

Spielmaterial Sherlock Holmes Criminal-Cabinet / Foto: Spieltroll

Was genau aber ist Sherlock Holmes Criminal-Cabinet für ein Spiel? Es ist ein Deduktionsspiel, bei dem die Spieler versuchen durch das Aufspüren von Hinweisen und das geschickte Verknüpfen von Informationen versuchen Kriminalfälle zu lösen. Ich würde sogar sagen, es ist das DAS Deduktionsspiel, denn es hat bis ins letzte Jahr hinein gedauert, bis neue Spiele aufgetaucht sind, die sich mit diesem Spiel vergleichen lassen. Das Spiel ist in jeder Hinsicht eine Besonderheit. Man kann es sowohl kooperativ mit einer Gruppe, als auch alleine Spielen, aber auch ein Wettbewerb ist möglich. Das Spielmaterial besteht dabei nur aus einer Reihe von verschiedenen kleinen Büchern, einem Stadtplan und einem Zeitungsarchiv. Unter den Büchern gibt es eines, das den Spielern die Kriminalfälle vorstellt, eines ist ein Londoner Adressbuch, ein weiteres enthält die Lösungen und eines mit Quizfragen zu den Fällen gibt es auch. Das Herzstück ist aber das A4-formatige Ringbuch mit den Informationen. Die Spieler sollten sich zusätzlich aber noch Papier und Stifte organisieren, um die Hinweise festzuhalten.

Eine Partie gestaltet sich dann wie folgt: Man ließt den Kriminalfall laut vor. Dort wird grob geschildert was genau passiert ist. In dieser kleinen Szene sind bereits die ersten Hinweise enthalten. Sie werden allerdings in keinster Weise hervorgehoben, die Spieler müssen selber entscheiden was wichtig erscheint und welche Informationen sie aus dem Vorgelesenen ziehen können. Ist zum Beispiel ein bestimmter Ort genannt, so kann das eine wichtige Information sein. Die Spieler müssen dann erstmal anhand des Adressbuchs herausfinden, wo der Ort genau ist. Das fördert dann eine Buchstaben und Zahlenkombination für den Stadtteil und die Hausnummer zu Tage und verrät den Spielern, unter welchem Abschnitt sie im Buch nachlesen können. Gibt es die Nummer, stehen dort weitere Informationen. Gibt es sie nicht, war die Information wohl unwichtig. Ein Blick in das Zeitungsarchiv lohnt sich auch immer, denn dort sind mitunter ebenfalls Hinweise versteckt. Jeder Fall findet zum Beispiel auch an einem bestimmten Datum statt und zu diesem Datum gibt es eine dreiseitige Zeitung mit Anzeigen, Berichten und allerlei Werbung. Aber auch ältere Zeitungen können eventuell Informationen zu einem aktuellen Fall enthalten. Darüber hinaus gibt es ein paar Anlaufstellen für die Spieler, die sie in jedem Fall gebrauchen können und die zum Netzwerk des Sherlock Holmes gehören. Das sind dann Orte wie die Leichenhalle oder Scotland Yard, aber auch seine Straßenkinder oder ein befreundeter Gastwirt. Auch der Stadtplan kann Informationen bereitstellen, wenn man sich zum Beispiel manche Routen zwischen Orten auf ihm anschaut, trifft man eventuell auf Ortschaften, die sich lohnen, sie anzusehen. Auch auf dem Stadtplan sind alle Orte mit den entsprechenden Nummern und Buchstaben versehen.

Zeitungsarchiv Sherlock Holmes Criminal-Cabinet / Foto: Spieltroll

Sherlock Holmes Criminal-Cabinet fordert von den Spielern jede Menge Hirnschmalz. Die Fälle sind nicht leicht zu lösen. Manche Informationsquellen kann man auch gerne mal übersehen, wenn man nicht aufmerksam ist. Bei komplexeren Fällen hat man ganz schön was abzuarbeiten, bis man ein Bild des Falles gewinnt. Andere Fälle wiederum scheinen ganz klar zu sein, bieten aber Fallstricke. Wann immer man der Meinung ist, man hat eine Lösung und weiß über den Fall bescheid, schlägt man das Quizbuch auf, liest sich die Fragen durch und notiert die Antworten darauf. Wenn man solo oder kooperativ spielt kann man es natürlich auch einfach in der Runde erörtern. Sollte man aber gegeneinander Spielen, so geben die Fragen nach ihrer Wichtigkeit später auch Punkte, so dass man sich vergleichen kann. Zum Abschluß ließt man dann wieder laut die Lösung von Sherlock Holmes zum Fall vor.

Adressbuch Sherlock Holmes Criminal-Cabinet / Foto: Spieltroll

Insgesamt gibt es 10 Fälle zu lösen und man hat eine ganze Weile daran zu spielen. Aber Franckh-Kosmos brachten nach dem Erfolg auch noch zwei weitere Boxen auf Deutsch heraus. Sherlock Holmes Tatort London war die erste Erweiterung mit fünf weiteren Fällen, in denen zusätzlich noch ein großes Herrenhaus mit Raumplänen eine Rolle spielte. Auch diese waren wieder mit den bekannten Nummern versehen und konnten zur Lösung der Fälle beitragen. Die zweite Erweiterung mit dem Namen Queens Park Affaire habe ich leider selber noch nie in der Hand gehabt, aber laut Beschreibungen enthält sie nur einen einzigen sehr komplexen Fall und ein weiteres Spielelement mit einem Zeitfaktor kommt hinzu. Mehr kann ich darüber leider nicht berichten, diese Erweiterung bekommt man nur ganz selten zu Gesicht, ganz zu schweigen gar von der Chance sie für sehr hohe Preise zu erwerben.

Spielbuch Sherlock Holmes Criminal-Cabinet / Foto: Spieltroll

In anderen Ländern sind noch zwei weitere Erweiterungen erschienen: „Adventures by Gaslight“ und „West End Adventures“. Zusätzlich gab es noch einige weitere einzelne Fälle. Leider haben all diese Erweiterungen es nicht nach Deutschland geschafft, denn Sherlock Holmes Criminal-Cabinet war zu seiner Zeit ein echter Exot in der Brettspielszene, die noch klein und überschaubar war.

Der kleine Marco entdeckte das Spiel zum ersten mal in der Stadtbibliothek seines kleinen Wohnortes, wo es auch eine Ecke mit Spieltischen gab und man sich ein paar Brettspiele zum spielen ausleihen konnte. Hier spielte ich es zum ersten mal mit ein paar Freunden und ich kann mich noch erinnern es total spannend zu finden, auch wenn man nur die Hälfte verstand und nicht alle Geheimnisse enträtseln konnte. Danach musste ich das Spiel selbst besitzen und habe es im örtlichen Spieleladen zum ersten mal gekauft. Ja, zum ersten mal, denn nach ein paar Jahren aufenthalt im Kinderzimmer war mein Exemplar so zerfleddert, das ich es irgendwann entsorgt habe. Außerdem hatte ich es ja durchgespielt. Jahre später erzählte ich von dem Spiel in meiner Spielerunde und erntete nur Begeisterung, so dass ich es ein weiteres mal erstand. Zu dem Zeitpunkt, war das Spiel schon ein Sammlerobjekt aber durchaus noch bezahlbar. Auch in der Gruppe spielten wir ein paar Fälle, wenn auch nicht alle. Dann verlieh ich das gute Stück und sah es nie wieder. In den Zeiten als ich meinen Spieleladen hatte, kaufte ich es ein drittes mal und zeigte es wiederum immer mal wieder einigen Kunden. Nach einem Umzug fand ich das Spiel nie wieder und es war erneut verschollen. Wiederum Jahre später lief ich mit meiner Frau durch die Stadt und wir wollten nur ein paar gebrauchte Sachen in einem caritativen Laden abgeben, als das Spiel dort in absolut perfektem Zustand für 2 Euro im Fenster lag. Ich habe es an diesem Tag für 10 Euro zum vierten mal gekauft und seitdem schlummert es wie ein gut behüteter Schatz im Regal.

Karte von London Sherlock Holmes Criminal-Cabinet / Foto: Spieltroll

Kleiner Fun Fact zum Schluß: als deutscher Autor des Spiels wird immer wieder Anthony Uruburu genannt. Ob diese Person tatsächlich existiert ist ein Mythos. Laut Franckh-Kosmos ist damals tatsächlich jemand mit diesem Namen im Verlag zur Vertragsunterschreibung erschienen. Zur Preisverleihung kam dann aber niemand. Anthony Uruburu ist der Name einer Figur in Fall Nummer 5 „Der Fluch der Mumie“ aus dem Spiel. In diesem Fall beteuert er immer absolut gar nichts zu wissen. Sehr mysteriös Watson!


  • Verlag: Franckh-Kosmos
  • Autor(en): Anthony Uruburu
  • Erscheinungsjahr: 1984
  • Spieleranzahl: 1 +
  • Dauer: 60 – 120 Minuten

6 Gedanken zu „Klassiker – Sherlock Holmes Criminal-Cabinet“

  1. Wir haben gestern zu Silvester zu viert an den ersten beiden Fällen geknobelt. Sehr lustig und knifflig, weil man so viele Freiheiten besitzt. Positiv gemeint. Für mich ein einzigartiges Spielerlebnis, kann mich deiner Vorstellung nur anschließen! Schade, dass die Erweiterungen so seltrn und teuer sind …. :-/

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