Nachdem ich in diesem Jahr bereits Caverna von Uwe Rosenberg nachgeholt habe und ziemlich begeistert war, musste ich mir unbedingt auch Ein Fest für Odin anschauen und ausprobieren, gilt es doch momentan als sein bestes Spiel. Ich bin aber ganz ehrlich, Bilder von diesem Spiel haben mich in den letzten Jahren immer ein wenig abgeschreckt. Nicht weil es häßlich wäre, dass ist es nicht, aber wenn man Bilder von Ein Fest für Odin sieht, dann sieht man massenhaft Spielmaterial und vor allem sieht man einen Einsatzspielplan für seine Arbeiter mit so wahnsinnig vielen Möglichkeiten, dass man zunächst einmal schlucken muss. Wer Rosenbergs große Spiele kennt, weiss aber, was einen erwarten könnte und das es wahrscheinlich alles gar nicht so schlimm ist, nur ziemlich abwechslungsreich und noch wahrscheinlicher, ziemlich umfassend. Man sollte sich bei diesem Meisterwerk – ich nehm es einfach mal vorneweg -, obwohl der Orden natürlich auch auf dem Bild prangt, aber nicht von der Optik abschrecken lassen. Warum, versuche ich mal kurz zu beschreiben…
Worum geht es?
Wikinger. Ein Fest für Odin ist rein thematisch der Versuch das historische Volk der Wikinger, oder besser, den Verband der Stämme, der unter diesem Namen bekannt ist, in einem Brettspiel abzubilden. Ihr Alltagsleben in allen Facetten, ihr Kampf ums Überleben in der kargen nordischen Landschaft, in der sie lebten und den daraus resultierenden Entdeckungs- und Plünderungsfahrten quer durch Europa und andere Teile der Welt. Ein Fest für Odin verbindet dabei das fast schon typische, rosenbergsche Worker-Placement mit einem Puzzle-Legespiel.
Wie läuft das ab?
Ihr könnt euch sicher schon denken, dass ich auch bei diesem Spiel nicht jedes kleine Detail erklären kann, denn das würde den Rahmen deutlich sprengen, aber ich will versuchen das Spielmaterial und die Abläufe kurz anzureißen. Genau wie bei Caverna, muss man auch hier vor dem ersten Spiel ersteinmal eine Menge Material auspöppeln und auch noch sortieren. Ein Fest für Odin bringt aber bereits zwei Sortierkästen für die ganzen unterschiedlich großen Marker mit, damit man sich während des Spiels nicht dumm und dämlich sucht.
Trotz, dass das Spiel ein Monster in punkto Inhalt ist, so ist es erstaunlich gut auf einen Tisch zu bekommen, da es keine besonders großen Komponenten gibt. Es gibt zwar sehr viele Komponenten, aber die meisten kann man gut irgendwo auf dem Tisch anordnen. Jeder Spieler hat sein eigenes Heimattableau auf dem er seine Figuren lagert und seine Schiffe und das Vieh verwaltet. Den Hauptteil macht aber ein Bereich aus, der über und über mit Symbolen und vor allem negativen Punkten versehen ist. Das ist letztlich unser Hauptaufgabenbereich. Wir spielen, um hier Sachen abzulegen, die all die negativen Punkte verdecken sollen. Dazu dienen jede Menge verschiedene Pappmarker in verschiedenen Größen und Farben. All diese Marker stellen Waren dar, die wir produzieren, handeln und erbeuten können. Die vier Farben stehen dabei für Agrarprodukte (orange), Tierprodukte (rot), Handwerksprodukte (grün) und Luxuswaren (blau). Einige Felder sind aber nicht von negativen Punkten bedeckt, auf ihnen erwarten uns Rundenboni in Form von Waren und Rohstoffen. Sollten wir es schaffen diese Bonusfelder komplett mit Waren zu umbauen, so erhalten wir das gezeigte Gut in jeder Runde zu unserer Verfügung.
In Ein Fest für Odin gibt es aber nicht nur diese Waren, sondern auch noch drei Ressourcen (Holz, Stein und Erz), sowie Geld in Form von Münzen. Holz und Stein braucht man im Verlauf des Spiels um Dinge zu bauen oder zum Tausch. Erz fällt eine Sonderrolle zu, denn das kann man nicht nur für Aktionen auf dem Spielplan benutzen, nein, es ist würfelförmig und kann ebenfalls benutzt werden, um auf dem Heimatplan Felder abzudecken. Die Münzen sind in diesem Spiel genauso speziell, denn jede Münze deckt ebenfalls ein Feld ab und wir können größere Mengen Münzen in 2er, 4er und 10er Sets bekommen, um entsprechend viele Felder abzudecken. Ansonsten ist es genauso eine Ressource wie die anderen drei.
Zentrales Element des Spiels ist der Aktionsplan, von dem ich schon in der Einführung berichtet habe. Ein gutes Fotomotiv für dieses Spiel, denn dieser Aktionsplan verfügt über eine fast schon lächerlich wirkende Anzahl an möglichen Einsatzfeldern. 61 Stück habe ich gezählt. Diese sind in verschiedene Bereiche, wie Markt, Jagd usw. unterteilt und sind darüber hinaus noch in vier Spalten angeordnet, die definieren wieviele unserer Arbeiter wir benötigen, um die Aktion auszuführen. Bis zu vier Wikinger kann das also kosten und je mehr wir investieren, desto mehr bekommen wir auch heraus. Das bedeutet allerdings auch, dass die Spieler im Spielverlauf unterschiedlich oft Arbeiter einsetzen können, wenn sie unterschiedlich teure Aktionen auswählen.
Zu Beginn des Spiels hat jeder Spieler nur einen Teil seiner Wikinger zur Verfügung, der Rest sitzt an der Wikingertafel. Der freie Platz muss jede Runde zusätzlich mit Nahrungmitteln abgedeckt werden, sonst bekommt man weitere Minuspunkte. Nach und nach gesellen sich dann weitere Wikinger zu unserer Arbeiterschar hinzu und wir müssen jede Runde für mehr Nahrung sorgen. Das Spiel geht zum Glück schon davon aus das Wikinger Ackerbau betreiben und versorgt uns mit allerlei Produkten. Die Wikinger sammeln sich so jede Runde auf unserem Thingplatz, von wo aus wir sie zur Arbeit einsetzen können.
Eine normallange Partie von Ein Fest für Odin wird über sieben Runden gespielt und jede dieser sieben Runden besteht aus zwölf Phasen. Das klingt erstmal total viel, ist aber trotzdem recht überschaubar. An dieser Stelle gehe ich das mal durch und hol noch ein paar andere Elemente mit ins Langboot.
Es geht ganz einfach los, denn Phase eins besteht ersteinmal nur daraus, das wir uns wie schon erwähnt einen neuen Wikinger von der Tafel nehmen. Dann wird die Ernte eingebracht und hier bekommen wir ebenfalls, wie schon erwähnt, ein paar Nahrungsmittel. In der dritten Phase kommen dann die Entdeckungspläne ins Spiel. Von ihnen gibt es vier und sie sind doppelseitig. Sie zeigen Inseln und Länder in die die Wikinger segeln können und die sie genau wie ihren Heimatspielplan mit Plättchen bedecken müssen, um die Minuspunkte zu vermeiden, aber sie bringen weitere tolle Rohstoffe, die wir erlangen können, wenn wir sie geschickt umbauen. In Phase drei wird ein Anreiz für die Spieler geschaffen sich diese Pläne zu ergattern, denn sie werden mit Münzen belegt, wenn sie nicht genommen werden. Ab und an wird auch ein Plan umgedreht und steht nicht mehr zur Verfügung.
Danach gibt es eine Phase in der wir eine Waffenkarte ziehen, das sind Karten die wir im Lauf des Spiels zum Jagen und Plündern benötigen. Zu Spielbeginn bekommt ein jeder Spieler eine Karte jeder der drei Startarten, die vierte Sorte Langschwerter ist nur im Stapel zu finden und durch diese Phase zu bekommen. Dann kommt die schon beschriebene Aktionsphase in der die Spieler abwechselnd ihre Wikinger auf die Felder einsetzen. Besetzte Felder sind für die Mitspieler blockiert und wie ebenfalls schon erwähnt, kann diese Phase für die Spieler aufgrund der assymetrischen Einsetzung der Wikinger, verschieden lang dauern. Die sechste Phase dient dann nur daszu den Startspieler zu bestimmen und in Phase sieben bekommen die Spieler ihr Einkommen. Das wird ebenfalls durch unseren Heimatspielplan bestimmt, denn auf den abzudeckenden Feldern gibt es in einer Diagonale von links unten nach rechts oben jeweils ein Feld, das mit einem Geldwert bedruckt ist. Wir bekommen den Geldwert der als erstes offen ist.
Phase acht ist dann soetwas wie das Lieblingsthema von Herrn Rosenberg, die Tiervermehrung. Unsere Schafe und Rinder bekommen Nachwuchs wenn sie als Pärchen in unseren Ställen stehen. Dann findet das namensgebene Festmahl statt indem wir unsere Wikinger ernähren müssen. hier müssen wir rote und orange Waren, sowie Geld platzieren, um nicht mit weiteren negativen punkten bestraft zu werden. In Phase zehn erhalten wir unssere Prämien von unseren Spielplänen und bevor wir in der letzten Phase all unsere Wikinger zurückholen, müssen wir noch die Bergstreifen anpassen und aufdecken. Bergstreifen? Ja, das sind Rohstofftableaus, die unsere nähere Umgebung repräsentieren und von denen wir in der Aktionsphase Rohstoffe bekommen können.
Es gibt noch weitere Elemente, wie besondere Gegenstände die wir herstellen können und Gebäude, die uns mit weiteren Waren und negativen Punkten mehr Lagerplatz zur Verfügung stellen und vor allem gibt es drei Stapel voll mit Ausbildungskarten. Von denen man im ersten Spiel erstmal nur den einfachen benutzen soll. Diese Karten stellen Berufe dar, die uns mit extra Möglichkeiten versorgen Waren zu erhalten und Punkte für die Schlußwertung zu verdienen. Vom Jagen und Plündern über die Aktionen des Aktionsplans will ich mal gar nicht sprechen. Es ist wahnsinnig viel, aber seltsamer Weise fügt sich das alles sehr organisch zusammen und ist überhaupt nicht überborden und übermäßig kompliziert. Ach ich bin schon beim Fazit. Eins noch, wer die meisten Punkte oder die wenigsten Minuspunkte hat, gewinnt. Ach nee, noch eins. Ein Fest für Odin verfügt auch über einen guten Solospielmodus.
Das Fazit
Einige sagen ja: „Der Rosenberg, der wiederholt sich ständig.“ Ich sage nein, tut er nicht, er variiert höchstens und verbessert. Ein Fest für Odin stellt für mich bisher die Krönung seines Schaffens dar. Sollte man seine Worker-Placement Meilensteine Agricola und Caverna zu trocken finden und seine Puzzlespiele zu wenig fordernd, so kulminiert das ganze in genau diesem Spiel und bringt eine total faszinierende Mischung zu Tage, die ich so nicht erwartet hätte.
Ich gehöre zu den Rosenberg-Fans. Ich vergöttere seine Spiele jetzt zwar nicht so sehr wie andere, aber sie sind für mich so gut gemacht, dass sie genau den richtigen Punkt zwischen Komplexität und Einfachheit treffen. Man kann sie auch Spielern, die normalerweise nicht so komplexe Spiele gewohnt sind näherbringen, wenn sie sich darauf einlassen wollen. Sie spielen sich verhältnismäßig einfach, denn sie erlangen ihre Komplexität aus den vielen Möglichkeiten die man hat und den Entscheidungen die man treffen muss. Neulinge können hier einfach mitspielen und werden ebenfalls gewisse Erfolge erzielen, nur um richtig erfolgreich zu sein muss man die verzahnten Aktionen verstehen und erfassen. Seine Spiele erlauben meistens diverse Wege um ans Ziel zu kommen, was sie außerdem extrem abwechslungssreich und wiederspielenswert macht. Ein Fest für Odin ist da absolut keine Ausnahme.
Genial finde ich den Puzzleansatz in Ein Fest für Odin und die Tatsache, dass man das Spiel mit sovielen negativen Punkten beginnt. In der ersten Partie fragt man sich zu Beginn noch, wie man diese ganzen negativen Punkte in so wenigen Runden ausgleichen soll, aber mit jeder weiteren Runde und immer mehr Arbeitern entwickeln sich langsam die ersten Strategien und plötzlich merkt man, wie man seinen Plan schnell voll bekommt. Aber dann sind da ja noch die Inselpläne und zusätzlichen Gebäude, die man sich anlachen kann nur dann bekommt man gleich weitere Minuspunkte, die man erst wieder abdecken muss. Genug Material mit dem man sich auseinandersetzen kann, wenn man meint das Spiel druchschaut zu haben. Aber dann gibt es da noch die drei Kartenstapel mit unterschiedlichen Berufskarten, von denen im ersten Stapel nur die einfach zu spielenden untergebracht sind. Für eine Partei braucht man aber auch nur einen Bruchteil dieses riesigen Stapels und dann gibt es noch zwei weitere. Unglaublich viel Wiederspielwert.
Ein Fest für Odin stellt in sovielen Dimensionen den Gipfel dar. Kein Spiel das ich kenne hat mehr Aktionsmöglichkeiten auf seinem Spielplan. Kein Spiel verbindet so gekonnt das Puzzlegenre mit dem Worker-Placement-Mechanismus. Kein Spiel bietet soviel Wiederspielreiz. Das Spiel ist von Feuerland sehr wertig produziert und sein Geld definitiv wert. Der einzige Wehrmutstropfen, der verhindert, dass Rosenbergs große Spiele öfter auf den Tisch kommen ist die Aufbau- und Abbauzeit. Man muss soviele Dinge aus Tütchen auf dem Tisch platzieren und später wieder aufräumen, das man es dann, wenn man mal ein bißchen Zeit hat, eben doch nicht auf den Tisch bringt. Das gleiche Problem, das auch Caverna und Agricola für mich haben. Ansonsten kann man Ein Fest für Odin nur loben und es reiht sich nahtlos in die großen Rosenberg Werke ein. Wer Rosenbergs Worker-Placement-Spiele mag wird auch hier nicht falsch liegen, aber auch Spieler, die die anderen Werke eher nicht mögen, sollten hier ruhig mal einen Blick riskieren, denn das Puzzlelement macht eben doch ein anderes Spiel aus Ein Fest für Odin.
Ich kann nicht anders, als auch für dieses Monster von Herrn Rosenberg die Höchstnote zu zücken und ihm meinen Orden anzuheften. Ein toll verzahntes Spiel mit enormer Tiefe und Variation, dass dem Vielspieler kaum Wünsche offen lässt.
- Verlag: Feuerland Spiele
- Autor(en): Uwe Rosenberg
- Illustrator(en): Dennis Lohausen
- Erscheinungsjahr: 2016
- Spieleranzahl: 1 – 4 Spieler
- Dauer: 30 – 120 Minuten