Matt Leacock ist ein sehr namhafter Autor von modernen Brettspielen. Mehrfach ausgezeichnet steckt er hinter Spielen wie Pandemie, Im Wandel der Zeiten oder auch Die verbotene Insel usw. Viele Spieler empfinden seine Spiele als ausgeklügelte Meisterwerke. Ich tue das leider nicht. Seine Spiele sind meistens sehr interessant, das gebe ich zu. Sie haben interessante Mechaniken die zugegebenermaßen auch innovativ sind, aber seine meisten Spiele sind für mich an irgendeiner Stelle nicht zu Ende gedacht. So ging es mir schon immer mit Pandemie, bei dem ich noch nie verstand, warum das Spiel sich in einer Eigendynamik einfach beenden kann ohne das die Spieler darauf Einfluß nehmen können. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur zu doof. Era – Das Mittelalter hat mich schon immer angesprochen. Ein Roll & Write mit echten Gebäuden die man auf einer 3D-Spielfläche baut ist zwar irgendwie auch wieder ein wenig drüber, aber angesprochen hat es mich. Ich wollte es mir leider nur nie kaufen, weil es eine solche Materialschlacht ist und ein Roll & Write für 50 Euro fand ich ein wenig übertrieben. Jetzt hatte ich die Chance ein günstiges Spiel zu erwerben und habe sie genutzt.
Worum geht es?
In Era – Das Mittelalter geht es um, wer hätte es gedacht, den Städtebau im Mittelalter. Der Name lässt vermuten, dass es vielleicht noch weitere Versionen geben soll, die in anderen Epochen spielen werden, aber bisher ist mir da nichts bekannt. Die Spieler bauen in diesem Spiel eine kleine dreidimensionale Stadt auf einer Lochplatte. Dabei handelt es sich strenggenommen um ein Roll & Build Spiel, also wir werfen Würfel und können danach etwas mit unseren erwürfelten Ressourcen bauen. Das machen wir genau so lang, bis drei der Gebäudesorten aufgebraucht sind. Danach zählen wir unsere Punkte und ermitteln den Sieger.
Wie läuft das ab?
Zunächst müssen wir das Spielmaterial vorbereiten. Die einzelnen Gebäude sollten wir so bereit legen, dass alle Spieler gut erkennen können, wieviele Gebäude jeden Typs noch im Vorrat vorhanden sind. Spielen wir nur zu zweit, so wird ein Gebäude jeden Typs entfernt. Ebenso wird ein Würfel in jeder Farbe zurück in die Schachtel gelegt. Die kreisrunden Spielendetoken werden mit der weißen Seite nach oben für alle sichtbar zwischen den Spielern platziert. Wenn später eine Gebäudeart nicht mehr verfügbar ist, wird einer der Token umgedreht und zeigt ein rotes Kreuz. Bei zwei oder drei Spielern gibt es nur drei dieser Token, bei der vollen Besetzung sind es gar fünf.
Jeder Spieler bekommt einen Satz Spielmaterial, der aus einem Spielbrett, einem Sichtschirm und einem Set aus sechs kleinen verschiedenfarbigen Plastikstiften besteht. Des weiteren erhält jeder Spieler drei gelbe und einen grauen Würfel. Das Spielbrett eines jeden Spielers ist eine Lochplatte, auf der wir verschiedene Bereiche erkennen können. Im oberen Bereich gibt es vier Leisten, auf denen wir unsere Ressourcen anzeigen können. Zu diesem Zweck platzieren wir die Plastikstifte in diesen Reihen. Die Rohstoffleisten von oben nach unten sind Handelswaren, Stein, Holz und Nahrung. Die Leisten werden von oben nach unten immer ein wenig länger. Der blaue Stift markiert die Handelswaren und wird zu Beginn auf die Nullposition gesteckt. Stein, Holz und Nahrung steigen um den Wert eins an und werden mit dem grauen, braunen und dem gelben Stift markiert. Darunter befindet sich das eigentliche Spielfeld, auf dem wir unsere Gebäude errichten. Dieses Feld ist 14×14 Steckplätze groß. Rechts daneben gibt es noch zwei Steckleisten für die Werte Kultur und Desaster. Auch hier werden zwei Stifte auf die Nullposition gesteckt. Darüber ist noch die Phasenanzeige. Diese wird immer nur vom Startspieler mit einem schwarzen Stift abgetragen, damit alle wissen in welcher Phase man sich befindet.
Vor Beginn des Spiels muss sich nun jeder Spieler noch eine Startaufstellung zurechtbasteln. Jeder Spieler nimmt einen Turm und steckt ihn genau in die Mitte des Spielfeldes. Danach erhält jeder noch einen Bauernhof, drei Bauernhäuser und drei Mauerstücke mit der Länge vier. Zu guter letzt bekommt jeder noch sogenannte Ödnisplättchen, die wiederum von der Spielerzahl abhängig sind. Bei zwei Spielern sind es zwei Plättchen, bei drei nur eins und bei vier Spielern muss sogar gar keins platziert werden. Diese Startaufstellung bauen die Spieler hinter ihrem kleinen Sichtschirm auf, so das die Gegenspieler es nicht sehen können. Der Startspieler wird durch einen Würfelwurf mit dem grauen Würfel ermittelt. Wer mehr Schwertsymbole erwürfelt beginnt und erhält den schwarzen Markierstift für die Phasenanzeige.
Nun kann es losgehen. Era – Das Mittelalter wird über sechs Phasen gespielt. Die erste Phase wird parallel von allen Spielern gespielt und danach werden die Phasen im Uhrzeigersinn abgehandelt. Im Prinzip können auch die Phasen zwei und drei parallel abgehandelt weden, aber zu Beginn sollte man die Reihenfolge einhalten. In Phase eins wird hinter den Sichtschirmen gewürfelt. Die Spieler würfeln alle ihre Würfel. Grundsätzlich darf man jeden Würfel zur Seite legen. Würfel die Totenköpfe zeigen müssen zur Seite gelegt werden. Andere Würfel dürfen wir bis zu zweimal nachwürfeln. Wenn wir mit unserem Wurf zufrieden sind, oder alle maximal dreimal gewürfelt haben, warten wir bis alle Spieler fertig sind und decken dann gemeinsam unsere Würfel auf, indem wir unsere Sichtschirme entfernen. In Phase zwei sammeln wir all unsere Rohstoffe ein. Die Würfel zeigen und die diversen Symbole und wir tragen sie auf unserem Spielbrett mit den Stiften ab. Überzählige Rohstoffe, die wir nicht mehr anzeigen können, gehen verloren. Danach müssen wir in Phase drei unsere Bevölkerung ernähren. Unsere Bevölkerung wird durch die Anzahl unserer Würfel dargestellt. Zu Beginn haben wir vier Würfel, also müssen wir vier Nahrung abgeben. Können wir das nicht, so müssen wir den Stift der Desasterleiste für jeden nicht ernährten Würfel um eines vorsetzen. Danach folgt die Desasterphase in der wir schauen müssen, wieviele unserer Würfel einen Totenkopf zeigen. Für jede Totenkopfanzahl gibt es ein spezielles Ereignis. Eine Tabelle dieser Ereignisse befindet sich auf der Innenseite der Sichtschirme. Bei einem Totenkopf müssen wir entweder unseren Desastermarker um eins weitersetzen oder eine beliebige Ressource abgeben. Die Ereignisse werden immer schlimmer. Bei vier Totenschädeln zum Beispiel bricht ein Brand in unserer Stadt aus und wir müssen eines unserer Gebäude entfernen.
In Phase fünf dürfen wir dann endlich auch mal Gebäude bauen. Allerdings nur, wenn wir auf unseren Würfeln Hammersymbole finden. Für jeden Hammer dürfen wir ein Gebäude bauen, sofern wir es mit Rohstoffen bezahlen können. Die Angaben hierzu finden wir ebenfalls auf der Innenseite unseres Sichtschirms. Ein Bauernhof kostet zum Beispiel ein Holz, ein Stück Mauer nur einen Stein, aber größere Gebäude kosten durchaus auch mehr. Ein Hospital zum Beispiel schlägt mit sechs Holz und einer Handelsware zu Buche. Die unterschiedlichen Gebäude bringen uns am Spielende unterschiedliche Siegpunkte und bringen uns meistens auch noch weitere Vorteile. Einige Gebäude bringen uns auch weitere Würfel. Jeder Turm zum Beispiel einen grauen Würfel. Die Bauernhäuser bringen die gelben und Bürgerhäuser und Kirchen bringen uns blaue und weiße Würfel, die wir von Beginn an gar nciht haben.
Die sechste Phase schließlich nennt sich dann Erpressen und hier werden die Schwerter und Schilde auf den Würfeln wichtig. Der Spieler mit den meisten Schwertern darf von den schwächeren Spielern Ressourcen fordern. Schilde gleichen fehlende Schwerter aus. Die Mitspieler können sich auch verweigern, müssen dann aber den Desasterstift vorrücken.
Am Ende einer jeden Runde kontrollieren die Spieler, ob sie die korrekte Anzahl Würfel haben und schauen ob das Spiel beendet wird, wenn die maximale Tokenanzahl erreicht ist. Ist es noch nicht soweit, wird eine weitere Runde gespielt. Ansonsten endet das Spiel und die Punkte werden gezählt. Zu diesem Zweck hält das Spiel einen umfangreichen Wertungsblock bereit. Die Spieler bekommen Punkte für ihre Gebäude. Einige Gebäude bringen Bonuspunkte und auch die erzielte Kultur bringt Siegpunkte. Sollte es ein Spieler im Verlaufe des Spiels geschafft haben Teile seines Gebietes komplett von Mauern und Tümen umbaut zu haben, so werden die Gebäude innerhalb der Mauern doppelt gezählt. Derjenige von ihnen mit dem größten Gebiet innerhalb der Mauern erhält nocheinmal 10 Bonuspunkte. Die Punkte der Desasterleiste werden von der Gesamtpunktezahl noch abgezogen. Bei Gleichständen zählen die noch vorhandenen Ressourcen.
Das Fazit
Ein bißchen fühlt man sich bei Era – Das Mittelalter so, wie es mein früherer Mathematiklehrer immer gerne bezeichnete: „Mit Atombomben auf Spatzen schießen!“ Irgendwie steht das, was man da spielt in keinem Verhältnis zum Material. Era ist „nur“ ein Roll & Write, oder in diesem Fall korrekterweise ein Roll & Build. Das dreidimensionale Plastik könnte man theoretisch auch durch einen Zettel und ein paar farbige Stifte ersetzen. Soviel ist klar, aber so wie es aussieht, sieht es schon ziemlich cool aus und macht echt Spaß. Ganz besonders, wenn man sich die Mühe macht und die kleinen Häuschen auch noch bunt bemalt, dann wird das Spiel echt zu einer kleinen Augenweide. Obwohl, hier wurde von Beginn an schon eine Menge falsch gemacht. Ich kann zum Beispiel nicht verstehen, warum die Lochplatten gelb sind. Das passt irgendwie nicht. Dann sind sie auch nicht bedruckt. In der Erstauflage kamen sie so ganz pur, man konnte kaum erkennen, was man auf welcher Leiste abtragen sollte. Hier musste man schon selbst mit Farbe aktiv werden. In den späteren Auflagen lagen zumindest Aufkleber dabei, die man an die entsprechenden Stellen kleben kann. Das hilft zwar, aber die Aufkleber haben auch nicht die richtige Größe, was zwar nur bei genauer Betrachtung auffällt, aber schon irgendwie ärgerllich ist. Das ist leider nicht ganz optimal.
Das Spiel an sich macht schon Spaß und gehört für mich eindeutig zu den besseren Roll & Writes, kann seine Herkunft von seinem Vorgänger Im Wandel der Zeiten aber auch auf gar keinen Fall verleugnen. Wem das aber nichts ausmacht bekommt hier ein sehr solides Spiel, bei dem wir Rohstoffe in möglichst sinnige Gebäude umwandeln müssen. Viel mehr gibt es hier gar nicht zu sagen. Es muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er sich so eine Materialschlacht für ein solch kleines Spiel geben möchte. Der Schwierigkeitsgrad ist nicht hoch und das Spiel ist auch von einer Familie gut zu bewältigen. Trotz kleiner Fehler und Schwächen beim Material würde ich trotzdem eine Empfehlung für das Spiel aussprechen. Außerdem ist es gut erweiterbar und inzwischen sind auch ein paar kleine Erweiterungen für das Spiel erschienen.
- Verlag: Eggertspiele, Pegasus Spiele
- Autor(en): Matt Leacock
- Illustrator(en): Chris Quilliams
- Erscheinungsjahr: 2019
- Spieleranzahl: 1 – 4 Spieler
- Dauer: 40 – 60 Minuten