Cantaloop – Buch 1: Einbruch in den Knast

Cantaloop – Einbruch in den Knast

Dieses Spiel wird vielen jungen Menschen total toll und innovativ vorkommen, weil sie wahrscheinlich noch nie etwas von Maniac Mansion, Zak McKracken oder Monkey Island gehört haben. Das sind allesamt sogenannte Point & Click-Adventures, die in den späten 80er und frühen 90er Jahren der Hit in der Computerspielszene waren und bis heute von ihren Fans geliebt werden. Auch ich war ein Riesenfan dieses Genres. Cantaloop versprach von seiner ersten Ankündigung an genau das zu sein, ein Point & Click-Adventure. Aber wie genau soll soetwas in analoger Form funktionieren? Das konnte ich mir zunächst einmal gar nicht vorstellen, aber neugierig machte mich das schon ganz gehörig. Ich hatte zunächst nur Fotos von dem Spiel gesehen und wusste das es in Buchform daherkommt, allerdings war ich auf die Größe des Buches, als ich den Karton auspackte indem es geliefert wurde, nicht vorbereitet. Es war viel größer als es auf den Bildern aussah. Nun ja, aber wie verdammt nochmal funktioniert das? Ich erkläre es euch. Natürlich ohne Spoiler.

Worum geht es?

In Cantaloop spielen wir den Protagonisten Oz „Hook“ Carpenter, einen, so wie es zunächst scheint, Ganoven, der lange Zeit untergetaucht war und nun wieder in den Ort Cantaloop zurückgekehrt ist. Die Spieler begleiten ihn dabei seinen Racheplan gegen einen gewissen White in die Tat umzusetzen. Dazu will er sich ein kleines Team aufbauen und wir versuchen in diesem ersten Teil der Geschichte einen Hacker und eine „Frau in Rot“, die er für seine Gaunerei als Komplizen benötigt anzuheuern. Mehr verrate ich an dieser Stelle ersteinmal nicht, außer das das gesamte Werk auf drei Bände ausgelegt ist und wir hier also nur den Auftakt durchleben können. Das Spiel eignet sich für Solospieler und auch zu zweit.

Cantaloop – Buch aufgeklappt / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Das Spiel kupfert nicht nur das Gameplay eines Computerspiels ab, nein es bedient sich auch noch eines anderen Kniffs aus dem Medium der Computerspiele: dem Tutorial. Das Tutorial ist bei Computerspielen inzwischen sehr weit verbreitet. Kaum ein Spiel kommt heutzutage ohne eines auf den Markt. Bei Brettspielen ist das immer noch eine absolute Ausnahme, aber auch hier zeigen einige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, dass man soetwas durchaus tun kann (siehe Gloomhaven – Jaws of the Lion). Cantaloop macht das auch und löst das nahezu fantastisch. Wir beginnen einfach vorne im Buch zu lesen und werden Schritt für Schritt in das Spiel und seine Mechaniken sowie in die Geschichte eingeführt. Dabei testen wir alles, was das Spiel von uns verlangt auch gleich direkt aus und bekommen so ein Gefühl für das Spiel. Nach ein paar Seiten entlässt uns das Buch dann auch und lässt uns selber Grübeln und ausprobieren.

Cantaloop – Postkarte, Inventar und Koordinatensystem / Foto: Spieltroll

Gehen wir mal das Spielmaterial durch und schauen, was man damit machen kann. Zu dem Ringbuch gehören 60 Spielkarten, eine Postkarte, ein Faltblatt mit zunächst difus erscheinenden Codes, eine Rotfolie und eine weitere Karte mit einem Koordinatensystem. Das Ringbuch besteht aus mehreren Teilen. Nach dem Tutorial folgt zunächst der wichtigste Teil des Buches mit den Schauplätzen an die wir uns im Verlaufe des Spiels bewegen können. Die Orte sind mit einem Register durchnummeriert und zeigen uns immer ein Bild des jeweiligen Ortes. Dieses Bild ist immer auf der rechten Seite zu sehen. Auf der linken Seite befindet sich eine Seite mit Codes und Geheimschrift, die man nur mit der Rotfolie lesen kann. Das Register ist an dieser Stelle ein wenig gewöhnungsbedürftig, da man sich die Nummer an der Seite raussucht und dann die Seite umblättern muss, anstatt direkt auf der richtigen Seite zu landen. Daf führt zu Beginn manchmal dazu, dass man bereits Schuaplätze sieht, an die man erst viel später kommt. Nach dem Schauplatzteil, kommt ein Teil mit Gesprächen zwischen unserem Protagonisten Hook und Personen, die im Verlauf der Geschichte auftauchen. Zum Schluß kommt noch ein Hilfeteil, auf den ich etwas später eingehen möchte.

Cantaloop – Schauplatz 01 / Foto: Spieltroll

Die Rotfolie benötigen wir also um hinterher in den Codetabellen den Text lesen zu können, der uns erstmal verborgen bleibt, damit wir nicht zufällig irgendwas lesen. Bei den Spielkarten handelt es sich meistens um Gegenstände, die wir im Verlaufe der Geschichte bekommen können und die wir natürlich auch benötigen, um in der Geschichte voranzukommen. Zu Beginn erhalten wir genau zwei Gegenstände unser Mobiltelefon und eine Lupe. Das Faltblatt mit den ganzen Codes, das so ähnlich aussieht wie die linken Seiten im Ringbuch ist unser Inventar, indem sämtliche miteinander kombinierbaren Gegenstände aufgeführt sind und der entsprechende Text dazu, der uns eventuell weiterbringt. Die Postkarte ist ein besonderer Gegenstand, den wir irgendwann im Verlauf der Geschcihte bekommen und am Anfang erstmal ignorieren sollen und das Koordinatensystem ist soetwas wie das Herzstück des Spiels, denn dieses bestimmt unseren Fortschritt. In Cantaloop werden wir immer wieder aufgefordert werden eine bestimmte Koordinate (zb. B4) anzukreuzen. Die Geschichte fragt uns dann zu gegebener Zeit ab, ob wir ein Kreuz gesetzt haben und wenn ja kriegen wir eine bestimmte Information.

Cantaloop – Schauplatz 01 Codeseite / Foto: Spieltroll

Wie funktioniert das nun aber genau? Wir befinden uns auf einer Seite im Buch. Am Anfang sind wir an einem Leuchtturm. Hier zeigt uns das Bild ein paar Codes. Einige Gegenstände und Orte auf dem Bild haben einen kleinen Code aus Zahlen und Buchstaben auf grauem Untergrund. Wenn wir uns diese näher anschauen wollen können wir die Rotfolie einfach links an die entsprechende Stelle legen und uns eine Beschreibung und Informationen holen. An manchen Stellen gibt es Codes, die untereinander in einer kleinen Leiste geschrieben sind. Hier müssen wir immer einen Gegenstand passend an die graue Leiste anlegen. Sowohl auf der Leiste, als auch auf der Gegenstandkarte befinden sich jeweils Pfeile, die der Leiste jeweils gegenüber zugewannt sind. Hier müssen wir nun die beiden Teile des Codes zusammenfügen und können danach ebenfalls links nachschauen, was dabei herauskommt. Natürlich gibt es hierbei mehrere Möglichkeiten, denn man kann mehrere Gegenstände anlegen.

Cantaloop – Kombination Karte + Buch / Foto: Spieltroll

Auch die Kombination von zwei Gegenstände ist so möglich. Diese werden einfach nebeneinander gelegt und auch so entsteht ein Code. Hierbei sind nur zwei Dinge zu beachten. Die Gegenstände sind zusätzlich noch nummeriert und der mit der niedrigeren Nummer muss immer links liegen, um einen gültigen Code zu erhalten. Die zweite Sache, die man beachten muss ist die, dass wenn man Gegenstände kombiniert, man immer im Inventar nachschauen muss und nie auf der Seite auf der man sich gerade befindet.

Cantaloop – Kombination Karte + Karte / Foto: Spieltroll
Cantaloop – Gespräch / Foto: Spieltroll

Manchmal führen Codes dazu, dass wir Gespräche mit abgebildeten Personen führen dürfen. Sollte das der Fall sein, so blättern wir nach hinten und suchen das Gespräch heraus. Ist man zu zweit, kann man die sehr gut mit verteilten Rollen vorlesen. Auch hier wird häufiger das Koordinatensystem abgefragt um weitere Gesprächsoptionen freizuschalten.

Sollte man irgendwann einmal feststecken, so ist das natürlich kein Problem, denn Cantaloop verfügt über ein ausgezeichnetes Hilfesystem. Hier gibt es viele Seiten mit dem schon bekannten verschlüsselten Text. Ganz am Anfang des Hilfesystems gibt es ersteinmal eine Koordinatenliste die es abzuhaken gilt. Man beginnt einfach ganz oben und checkt ab, welche Koordinaten man bereits angekreuzt hat. Irgendwann taucht eine auf, die man als nächstes benötigt, um in der Geschichte weiter voranzukommen. Dahinter steht eine Nummer unter der wir nachschauen können. Hier wird die Hilfe dann aber nochmal unterteilt. Wir bekommen zwei Tipps und dann die Lösung und wir können mit der Rotfolie erstmal nur einen Teil lesen, der uns vielleicht hilft von alleine weiterzukommen. Das funktioniert erstaunlich gut.

Cantaloop – Hilfetabelle / Foto: Spieltroll

So spielen wir uns nach und nach durch das ganze Buch, bis es uns ganz eindeutig verrät, das wir am Ende des ersten Teils angekommen sind.

Das Fazit

Wo fang ich denn da bloß an. Cantaloop hält genau das, was es verspricht. Es ist definitv ein analoges Point & Click Adventure. Da gibt es nichts dran zu rütteln. Eine andere Bezeichnung wäre da nicht gerechtfertigt. Eine völlig neue Kategorie von Spiel, die ich so in unserem Hobby noch nie gesehen habe. Friedemann Findeisen, der ja eigentlich aus ganz anderen Ecken kommt und sich hier als Brettspielautor versucht hat, liefert hier ganz schön was ab. Cantaloop macht vor allem eines: Spaß! Man fühlt sich direkt wieder an die alten Computerzeiten erinnert in der man Gegenstände kombiniert und mit anderen Objekten ausprobiert hat, um sinnvolle Lösungen herbeizuführen. Die Lucasarts-Adventure sind hier natürlich zu allererst zu nennen, aber auch neuere Machwerke, wie die Deponia-Reihe oder Harveys Neue Augen möchte ich hier nennen. Cantaloop fängt sogar nicht nur das Gamepla perfekt ein, nein es schafft sogar den süeziellen Humor der Spiele zu retten, der manchmal dümmlich und manchmal genau auf den Punkt ist. Herrlich! Wir haben das Spiel sehr genossen und konnten es kaum weglegen. Wir haben es an einem Samstagmittag angefangen und wolltes es nur ausprobieren. Eigentlich hatten wir gar nicht soviel Zeit. Schwupps da waren schon zwei Stunden weg. Abends haben wir dann nochmal weitergespielt und am Sonntag wurde das Spiel vollendet. So ca. 6 Stunden haben wir gebraucht und wir fühlten uns sehr gut unterhalten. Ein Toppspiel. Hier funktionierte wirklich alles. Das System mit den Gegenständen, die Rotfolie und das Hilfesystem, falls man dann doch mal hängt. Großartig!

Warum kein Orden dranhängt, wenn es doch so großartig ist kann ich aber auch noch erklären, denn es hat für mich eine Schwäche und das ist das Material. Die einzelnen Seiten des Ringbuchs sind zu dünn und zeigen schon nach ein paar Mal hin und her blättern leichte Ermüdungserscheinungen. Ich verstehe ja auch, dass man alles Material irgendwie in dem Buch unterbringen wollte, aber die Kartenfächer zu Beginn sind auch eher hinderlich und geben auch ihren Geist schnell auf, da man die Karten da kaum vernünftig rein stecken und rausholen kann. Schade. Außerdem gab es an einer Stelle ein Rätsel, dass man an der Stelle so nicht erwartet hat. Das Spiel schwört einen die ganze Zeit auf die Point & Click-Mechanik ein und dann taucht plötzlich ein Rätsel wie aus einem Escape-Room auf, dass man so nicht erwartet und was viel wichtiger ist so nicht identifiziert. Das sorgte für einiges an Irritation und konnte nur durch Hilfestellung beseitigt werden. Das hätte irgendwie klarer kommuniziert werden müssen.

Ich kann es tatsächlich kaum erwarten, bis der zweite Teil erscheint. Leider, und das ist ebenfalls eine Schande, ist der erst für den November diesen Jahres angepeilt. Das ist noch verdammt lange hin. Von Teil drei wollen wir mal gar nicht erst reden. Absolute Empfehlung also für alle die, die eine neue Erfahrung suchen oder aber die Vergangenheit wiederaufleben lassen wollen.

Wer noch nicht ganz entschlossen ist, hat die Möglichkeit sich in einem Prequel zu dem Buch, dass alles einmal anzuschauen. Hier kann man es auf der Lookout-Homepage zum Print & Play downloaden.


  • Verlag: Lookout-Spiele
  • Autor(en): Friedemann Findeisen
  • Illustrator(en): Kerstin Buzelan, Johannes Lott
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Spieleranzahl: 1+ Spieler
  • Dauer: 360 – 480 Minuten

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