Furnace – Das Zeitalter der Industrialisierung

Furnace

Mit Furnace komme ich zugegebener Maßen fast schon ein bißchen spät, aber auch das ist leider dem Umzug im Sommer geschuldet. Aber besser spät als nie, denn wie ihr sehen könnt, habe ich Furnace mein Prädikat angeheftet und das hat diverse gute Gründe, die euch eute endlich darlegen möchte. Die ersten Partien dieses wirklich tollen Spiels, habe ich bereits im Sommer gespielt und dann musste es lange warten, weil es ein paar Dinge noch auszuprobieren galt. Das ist nun erledigt und der Berg der Spiele des Sommers wird allmählig abgearbeitet. Wenn man Furnace so sieht könnte der geneigte Käufer denken, es sei ein hochgradig komplexes Wirtschaftsspiel. Zumindest sieht es so aus, wie manch andere Brecher aus diesem Genre. Die Schachtel ist dafür aber recht klein und leicht und so könnte es zunächst auf alle eher abschreckend wirken. Diejenigen, die denken es sei ein Wirtschaftsgigant genauso wie diejenigen, denen ein leichtes Spiel zwar zusagt, aber die mit dem Thema fremdeln. Last euch aber sagen, ihr verpasst etwas. Furnace versteckt seine Zugänglichkeit hinter dieser Fassade und besitzt trotzdem genug Tiefe um in diversen Partien zu fesseln. Was aber ist so toll an einem Spiel über die Industrialisierung?

Worum geht es?

Industrialisierung und Kapitalismus. Es gab schon viele Spiele, die sich mit diesen Themen beschäftigten und viele sehr gute sind daruas hervorgegangen. Keines beschäftigt sich so richtig mit den Schattenseiten, immer muss man soviel Geld verdienen wie möglich und fabelhafte Produktionslinien aufbauen, um seine Ziele zu erreichen. Furnace ist da auch nicht die erhoffte Ausnahme, sonder schlägt exakt in die gleiche Kerbe. Egal, solche Spiele reflektieren diese Zeit und gehören zu unserer Vergangenheit und Zukunft dazu. Wir sollten sie also nicht verdammen, sondern sie dazu benutzen etwas darüber zu lernen. Vielleicht finden wir so Wege etwas besser zu machen. Furnace beleuchtet diesen Themenkomplex nicht besonders intensiv. Wir bieten auf Fabriken und verleiben unserer Firma immer mehr Fabriken ein, um perfektere Produktionsketten zu schaffen, die uns mit den Gütern des Spiels, Kohle, Eisen und Öl versorgen und uns diese letztendlich in nur vier Runden in ein Vermögen zu verwandeln. Wer das meiste Geld gescheffelt hat gewinnt Furnace natürlich schlußendlich.

Furnace – Spielsituation / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Bisher klingt das alles noch recht gewöhnlich aber es sind auch schon ein paar Begriffe gefallen die es interessant machen könnten, wie das Bieten zum Beispiel. Nun bin ich eigentlich überhaupt kein Freund von Bietmechaniken, aber Furnace spricht mich total an.

Furnace – Ressourcen / Foto: Spieltroll

Der Aufbau von Furnace ist recht schnell erledigt, denn wie es sich für ein schnelles, leichtverständliches Spiel gehört, hat es gar nicht soviel Material. Jede*r Spieler*in erhält zu Beginn den Farbmarker und vier Auktionsscheiben der gewählten Farbe. Die Auktionsscheiben haben verschiedene Größen und werden von eins nach vier immer größer. Die Farbmarker dienen nur dazu, damit jede*r am Tisch auch immer weiss, wer welche Farbe besitzt. Das Geld sowie die drei Rohstoffe und die Moderniesierungsmarker werden als Vorrat bereitgelegt. Der Rundenanzeiger und Startspielermarker werden ebenfalls bereitgelegt und die Startkarten, von denen es fünf gibt werden gemischt und verteilt. Übrige werden nicht benötigt. Die Startfabrik legen die Spieler*innen vor sich aus. Die anderen Karten werden bis auf die Investorenkarten gemischt und als Stapel auf den Rundenanzeiger gelegt. Die Spieler*innen nehmen sich die Rohstoffe, die oben auf der Karte angegeben sind als Startrohstoffe und legen sie ebenfalls vor sich aus. Die Karten zeigen alle auf beiden Seiten Fabriken. Diejenige Seite mit den Rohstoffen oben aufgedruckt ist die normale Seite. Die Rückseite ist die ausgebaute. Das kann auch daran erkannt werden, dass unten auf der Karte zwei Produktionsmöglichkeiten aufgedruckt sind, von denen die zweite noch farblos ist. Erst auf der ausgebauten Seite ist diese dann auch farbig.

Furnace – Gebot und Förderung / Foto: Spieltroll

Furnace spielt sich danach in vier Runden mit je zwei Phasen. Phase eins ist die Auktionsphase, in der zunächst Karten ausgelegt werden. Zunächst wird die oberste Karte des Nachzugstapels unter den Stapel geschoben und anschließend je nach Spieler*innenzahl eine Reihe von sechs bis acht Karten neben den Rundenzähler ausgelegt. Die erste Karte wird unter den Stapel geschoben, damit sich keiner auf diese Karte einstellen kann, da die Rückseite ja für alle offen sichtbar ist. An der Reihe muss nun eine Auktionsscheibe auf eine der Fabriken gelegt werden. Du nimmt eine aus deinem Vorrat und legst sie auf die Karte, die du möchtest. Dabei sind zwei Dinge zu beachten. Du darfst niemals zwei von deinen Scheiben auf die gleiche Karte legen und es dürfen niemals zwei gleichwertige Scheiben auf einer Karte liegen. Soll heißen liegt schon eine rote Zwei auf der Karte, darf ich meine schwarze zwei da nicht platzieren. Haben alle Spieler*innen der Reihe nach all ihre Auktionsscheiben platziert wird die Phase noch ausgewertet. Von links nach rechts werden die einzelnen Fabriken nun ausgewertet. Die höchste Scheibe auf einer Fabrik gewinnt sie. Dadurch wird die Fabrik vor den jeweiligen Spieler gelegt. Alle anderen Spieler*innen erhalten für ihr Interesse eine sogenannte Förderung, die oben auf der Karte angegeben sind. Sie erhalten diese Förderung so oft wie sie der Höhe der Auktionsscheibe entspricht. Ist diese Förderung zum Beispiel zwei Kohle wert und man hat eine 3er Auktionsscheibe platziert und gewinnt die Fabirk damit nicht, so gibt es eine Förderung in Höhe von sechs Kohle dafür. Alle Spieler*innen die Scheiben auf einer Fabrik haben, die sie nicht gewinnen konnten erhalten diese Förderung. Solche Förderungen sind aber nicht immer Ressourcen, sondern können auch der Tausch solcher sein.

Furnace – Verschiedene Fabriken / Foto: Spieltroll

Das wäre im Prinzip der Spielaufbau für ein ganz einfache Partie, zur fortgeschrittenen und zweipersonen Variante komme ich dann im Anschluss, denn die sind ebenfalls ein paar Worte wert.

Furnace – Spielgeld / Foto: Spieltroll

Hat niemand auf eine Fabrik geboten, so wird sie abgelegt. Sind alle Fabriken abgehandelt beginnt die Produktionsphase. In dieser dürfen die Fabriken nun in beliebiger Reihenfolge benutzt werden. Das Spiel gibt nicht vor, wie hier verfahren werden soll, entweder die benutzen Fabriken werden nach oben oder unten geschoben, sie werden auf einem Stapel gesammelt oder in die Hand genommen und der Reihe nach benutzt. Ganz wie gewünscht. Auf diese Weise wird eine Fabrik nach der anderen aktiviert. Nach der Aktivierung werden alle ihre Effekte von oben nach unten abgehandelt. Bevor die nächste Fabrik aktiviert wird müssen alle Effekte der vorigen Fabrik abgeschlossen sein. Es darf auf beliebig viele Effekte der Fabriken verzichtet werden, falls ihre Effekte nicht durchgeführt werden können oder ihre Effekte gerade nicht in deinen Kram passen. Transparente Effekte wwerden nciht ausgeführt, da sie noch nciht zur Verfügung stehen. Genauso bekommt auch kein*e Spieler*in die Förderung am oberen Rand in dieser Phase.

Unsere Startfabriken zeigen einen Moderniesierungseffekt für den wir einen Moderniesierungsmarker benötigen. Mit diesem Effekt werten wir Fabriken auf, so das wir sie auf die bessere zweite Seite umdrehen dürfen. Dieser Effekt ist beliebig oft durchführbar, solange die Ressourcen jedes Mal bezahlt werden können.

Furnace – Rundenzähler / Foto: Spieltroll

Sobald alle Spieler*innen alle Fabriken aktiviert haben, wird der Rundenzähler eine Runde weiter gedreht und der Startspielermarker wandert weiter. Nach vier Runden gewinnt der- oder diejenige der/die das meiste Geld verdient hat. Geld? Ja, einige Effekte der Fabriken erzeugen auch Geld und so kommt es überhaupt ins Spiel.

Hier könnte jetzt natürlich das Fazit kommen, denn mehr Spiel gibt es erstmal nicht, dass beschrieben werden müsste und ich denke nach dieser Beschreibung denken erstmal einige, dass es doch ein relativ simples und langweiliges Spiel sein muss… Nun ja, dazu gebe ich gleich im Fazit ein paar Denkanstösse.

Furnace – Startcharaktere / Foto: Spieltroll

Furnace bietet nicht nur dies einfachste aller Spielweisen. Zum normalen Spiel hinzu gehören eigentlich noch die asymetrischen Startcharaktere, von denen jede*r Spieler*in zu Beginn einen erhält. Diese haben verschiedenste Fähigkeiten, sie könnten kaum unterschiedlicher sein. Da wäre zum Beispiel der Vollbarttyp, der dafür sorgt, dass wenn eine Förderung ausgezahlt wird, der Wert der zugrundeliegenden Auktionsscheibe immer um eins höher ist. Oder der Zylindertyp, der eine weitere Auktionsscheibe mit Wert 2 mitbringt. Auch Frau Perlenkette erlaubt es die Regeln zu ignorieren. Bei ihr werden die Platzierungsregeln der Auktionsscheiben ignoriert. Ihre Scheiben werden aber nicht zusammengezählt und bei Gleichstand der höchsten Scheibe bekommt sie nie die Fabrik und so weiter und so fort. Das würzt das normale Spiel erstmal zusätzlich.

Furnace – aufgewertete Fabriken / Foto: Spieltroll

Dann hält Furnace noch den fortgeschrittenen Modus bereit und verwandelt das durchaus fordernde, aber unkomplexe Spiel in einen Hirnschmelzer. In dieser Variante liegen die Fabriken nämlich immer in einer Reihe vor den Spieler*innen aus. Sie bilden eine Reihe. Wann immer eine neue Fabrik durch eine Auktion hinzukommt wird die Fabrik irgendwo in die Reihe eingegliedert. Die relative Reihenfolge ändert sich also nie. In der Produktionsphase werden die Fabriken dann von links nach rechts aktiviert. Hier ist immens viel Vorausplanung gefragt, denn vorne in der Reihe müssen rohstoffe produziert werden, die hinterher verarbeitet werden und das natürlich möglichst gewinnbringend. Herrlich!

Auch das Spiel zu zweit sein erwähnt, denn hier spielt Monika mit. Monika ist eine simulierte Spielerin, die durch eine Würfelmechanik Fabriken mit Scheiben belegt und so mitbietet. Das funktioniert ganz hervorragend und ist superschnell abgehandelt. So ist Furnace auch für zwei Personen ein Genuß.

Das Fazit

Ich liebe dieses Spiel. Trotz des Themas, das natürlich nicht unzeitgemäßer sein könnte, aber egal, das Spiel ist rein mechanisch eine Wucht und Furnace weiß auch das die Industrialisierung nicht nur viele Vorteile sondern auch Leid mit sich gebracht hat. Wer die Fabrikkarten genauer in Augenschein nimmt wird feststellen, dass die jeweils verbesserte Seite mit mehr Verschmutzung und Düsternis einhergeht. Der Illustrator weiss hier also durchaus um seine Verantwortung, die dieses Thema heutzutage mitbringt. Furnace ist aber vor allem mechanisch herausragend und das offenbart sich den meisten ersta auf den zweiten Blick, denn eine elegantere und intelligentere Bietmechanik habe ich in einem Spiel bisher noch nie gesehen. Die Auktionsscheiben mit den verschiedenen Wertigkeiten an sich sind ja noch nichtmal so einzigartig. Ziemlich genial aber ist der Vorgang der Kompensation durch Förderung. In vielen Fällen will hier gar keiner gewinnen und eine Fabrik mit nach hause nehmen. Die Förderung ist das, was mitunter benötigt wird, um die Maschinerie zum laufen zu bringen. Was aber wenn sie einem durch die Lappen geht, weil ein Konkurrent sie erhält oder ich plötzlich eine Fabrik gewinne, die ich gar nicht unbedingt brauche, außer um die Förderung abzugreifen. Das ist schon ziemlich vertrackt und erfordert genauer Überlegung.

Und einige haben jetzt wahrscheinlich noch immer nicht verstanden, warum das so genial sein soll. Dann solltet ihr die Reihenfolge der Auslage mit in Betracht ziehen. Denn die Auslage wird von links nach rechts abgehandelt und einige der Förderungen sind auch Umwandlungen von Ressourcen, oder aber sie geben uns Ressourcen. So kann bereits beim bieten miteinbezogen werden, dass die frühen Förderungen später in der Reihenfolge bereits benutzt werden können. All das macht Furnace zu einem nicht komplizierten, aber komplexen Spiel in seinen Überlegungen.

Furnace – Modernisierungsmarker / Foto: Spieltroll

Die Fähigkeiten der Charaktere sollten unbedingt gespielt werden und ich empfehle Furnace nur in der Kennenlernpartie ohne zu spielen, denn diese erhöhen den Spielspaß nochmal, da sie allesamt sehr wirkmächtige Fähigkeiten sind, die gleich ganze Regeln, von denen das Spiel ja nur sehr wenig hat, außer Kraft setzen. Das fühlt sich gut an und obwohl sie so unterschiedlich sind, erscheinen sie mir sehr ausgewogen. Der fortgeschrittene Modus, der mir noch viel lieber ist, stellt für ungeübte Spieler*innen aber eine wirkliche Herausforderung dar. Hier zermatert sich das ein oder andere Hirn und damit wären wir bei einem kleinen Kritikpunkt, denn Furnace ist anfällig für Analyseparalyse. Mit Spieler*innen die dazu neigen sollte besser etwas anderes gespielt werden. Furnace ist ansonsten ein sehr schnelles Spiel. Nur Scheiben legen, auswerten und dann eine Produktionskette abarbeiten. Nächste Runde. Die Produktionsketten werden natürlich verzwickter und länger aber im Grunde ist Frunace wirklich schnell gespielt. Und durch die nur ganz wenigen Regeln ist es auch echt schnell erklärt. Trotzdem ist Furnace kein Spiel für ungeübte, weil die Entscheidungen die hier zu treffen sind schon gehörigen Einfluss haben, wie sich das Spiel entwickeln wird. Letzlich haben die Spieler*innen ja auch nur vier Runden Zeit Geld zu verdienen, da müssen gute Entscheidungen her und nicht immer klappt alles so wie gewünscht, weil irgendein*e Mitspieler*in etwas nicht so macht wie gewünscht.

Furnace ist simpel und komplex zu gleich. Das ist paradox, macht es aber auch für jeden spiel- und erfahrbar. Das ist das schöne an beiden Spielmodi. Der normale ist auch für Anfänger gut geeignet, während die Vielspieler sich mit der festen Produktionskette des fortgeschrittenen Modus auf ein anderes Niveau der Planung im Kopf begeben. Furnace bietet den in meinen Augen ausgefeilsten und besten Bietmechanismus, den ich bisher in einem Spiel gesehen habe und erreicht ein tolles, tiefes Spielerlebnis mit recht minimalistischen Mitteln. Für mich ist Furnace eines der Spiele des Jahres!


  • Verlag: Kobold Spieleverlag
  • Autor(en): Ivan Lashin
  • Illustrator(en): Sergey Dulin, Marta Ivanova, Ilya Konovalov, Oleg Yurkov, Vadim Poluboyarov, Egor Zharkov
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Spieleranzahl: 2 – 4 Spieler
  • Dauer: 30 – 60 Minuten

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