Witchstone

Witchstone

Vor der diesjährigen Messe in Essen machte der Titel eines Spiels in der Brettspielszene die Runde, von dem ich nicht gedacht hätte, dass es zu so einem Geheimtipp werden könnte. Die Rede ist von Witchstone, dass plötzlich von ziemlich vielen Leuten als absolute Überraschung gehandelt wurde. Der Name lief einem plötzlich ziemlich häufig über den Weg. Seltsamerweise war mir das Spiel schon viel früher einmal aufgefallen, wegen des doch eher seltsam generisch wirkenden Covers. Als ich das zum ersten mal sah, muss ich zugeben, habe ich das direkt als uninteressant abgehakt, allein nur wegen der Optik. Sollte ich nicht machen, ich könnte was verpassen. Was aber bei Witchstone noch erschwerend hinzukam ist die Tatsache, dass es zu einem Teil von Reiner Knizia stammt und ich mit vielen seiner Spiele der letzten Zeit eher nicht so viel anfangen konnte. Auch das sollte ich nicht machen, denn ich könnte auch hier wieder etwas verpassen. Reiner Knizia hat in der Vergangenheit diverse gute Spiele gemacht, aber in der letzten Zeit waren seine Spiele mir doch eher zu seicht. Hier haben wir es mit etwas ganz anderem zu tun und ambitionierte Familienspieler, genau wie Kennerspieler, sollten sich nicht von der schrecklichen Optik des Schachtelcovers abschrecken lassen.

Worum geht es?

In Witchstone treffen wir uns als Vertretung unserer Zauberer- und Hexenzirkel zu einem geheimen Treffen mit anderen Zirkeln, um das Kraftfeld um den legendären Hexenstein zu erneuern. Wer dabei das beste Geschick an den Tag legt, wird zum Meister des Hexensteins gekürt. Soviel zur Hintergrundgeschichte. Worum es natürlich in erster Linie geht sind Punkte, die wir in den verschiedensten Disziplinen verdienen können und wer von uns die meisten sammelt gewinnt. Das Thema ist natürlich nur aufgesetzt, funktioniert aber, weil es trotz der ausgelutschten Optik irgendwie charmant ist und das aufgesetzte Thema so trotzdem einigermaßen durch das Spiel führt und die zum Teil weit voneinander entfernten Teile zusammenhält.

Witchstone – Spielaufbau / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Witchstone ist in erster Linie ein Punktesalat von einem Spiel. An allen Ecken und Enden gibt es etwas zu tun und alles wird letztlich ständig belohnt, aber dazu später mehr. In diesem Spiel geht soviel ab, dass ich mich nicht kleinteilig in Details verlieren möchte, sondern alles nur grob anreiße. Ich fange wie gewohnt mit dem Spielaufbau an, aber halte mich da schonmal ein wenig zurück. Witchstone verfügt über ein sehr großes zentrales Spielbrett, auf dem zunächst die riesige Kristallkugel mit vielen verzweigten Wegen auffällt. Links davon ist ein Regal mit lauter bunten Fläschchen abgebildet. Am unteren Rand befindet sich noch ein Zauberstab, der in viele Felder eingeteilt ist und auf der rechten Seite gibt es einen Bereich für eine Kartenauslage.

Witchstone – Zauberkessel / Foto: Spieltroll

Jede*r Spieler*in bekommt zu Beginn einen eigenen Zauberkessel, sowie einen kleinen Sichtschutz und diverses Spielmaterial in der gewählten Spielerfarbe. Auf dem Spielbrett werden einige Marker an den Kreuzungspunkten der Wege innerhalb der Kristallkugel gelegt und auch über dem Regal in einem Pentagramm werden einige Marker platziert. Darüber hinaus werden sechs Karten vom Zugstapel als Auslage auf das Brett gelegt. Auch der jeweilige Kessel muss vorbereitet werden. In der Mitte gibt es einige Felder auf denen Blasen abgebildet sind. Hier werden die Kristalle des jeweiligen Spielers ausgelegt. Ganz in die Mitte des Kessels kommt der einzige schwarze Kristall aus dem Spielmaterial eines jeden. Jede*r Spieler*in findet auch 15 Doppelhexplättchen in seinem Vorrat, die verdeckt gemischt werden. Anschließend werden fünf gezogen und offen hinter den jeweiligen Sichtschirm platziert.

Witchstone – Sichtschirm mit Hexplättchen / Foto: Spieltroll

Den Rest erkläre ich bei den einzelnen Möglichkeiten, die die Spieler*innen in ihren Zügen haben. Das eigentlich wichtige Spiel findet im Kessel der Spieler*innen statt. Wer an der Reihe ist nimmt sich eines seiner fünf Plättchen und platziert es im Kessel. Dabei sollten möglichst große Gruppen von gleichen Symbolen gebildet werden, denn je mehr Symbole, desto Stärker die Aktion. Von Beginn an sind die sechs möglichen Aktionen bereits je einmal in den Kesseln vorgedruckt. An diese können die Hexplättchen angelegt werden. Die Kristalle in den Kesseln blockieren Felder und müssen erst durch eine der Aktionen entfernt werden. Konkret heisst das nun, wenn zum Beispiel ein Plättchen so platziert wird, dass vier Kristalle und drei Zauberstäbe in einer Gruppe liegen, so wird die Kristallaktion viermal und die Zauberstabaktion dreimal ausgeführt.

Was genau bewirken die Aktionen und was kann getan werden?

Witchstone – Energieaktion / Foto: Spieltroll

Die Energieaktion findet in der Kristallkugel statt. Hier müssen die Spieler*innen vollständige Verbindungen mit Energiekristallen herstellen. Dafür werden ein bis drei Energiekristalle benötigt. Die Spieler*innen starten in der Kristallkugel von ihrem Turm aus und legen die Kristalle aus. Sie erhalten je nach Länge Punkte für eine fertige Verbindung. Eine unfertige Verbindung muss zuerst fertiggestellt werden, bevor eine neue begonnen werden darf.

Die Hexenaktion findet ebenfalls in der Kristallkugel statt und es können entweder Hexenfiguren in die Kugel hineingeholt oder in ihr bewegt werden. Kommen sie in die Kugel, werden sie neben dem eigenen Turm abgelegt und können von dort aus gezogen werden. Hexen können nur über fertige energetische Linien bewegt werden. Dabei ist es grundsätzlich egal, ob die Linien aus eigenen oder fremden Kristallen bestehen. Mit einer Aktion kann über beliebig viele eigene Verbindungen an einen Ort gezogen werden und für jede Linie die aus fremden Kristallen besteht muss eine weitere Aktion ausgegeben werden. Wenn sie an einem neuen Punkt ankommen erhalten sie einen Bonus in Form eines Chips, der dort ausliegt. Diese Chips können zusätzliche Aktionen und Ähnliches einbringen. Die beiden möglichen Hexenaktionen können beliebig miteinander kombiniert werden.

Witchstone – Pentagrammaktion / Foto: Spieltroll

Die Pentagrammaktion wird auf dem Pentagramm oberhalb des Regals mit den ganzen Fläschchen ausgeführt. Hier steht jeweils eine Eulenfigur der Spieler*innen und wird im Uhrzeigersinn auf den Feldern des Pentagramms pro Aktion ein Feld weitergezogen. Wird ein oranges Feld erreicht oder überquert, wird das oberste Plättchen des jeweiligen Punktestapels hinter dem eigenen Sichtschirm für das Spielende platziert. Erreicht oder überquert die Spieler*in ein dunkles Feld so wird der dort platzierte Chip genommen und dieser kann einmalig für eine der abgebildeten Aktionen benutzt werden oder aber permanent im eigenen Kessel platziert werden und steuert zukünftig Symbole zu den Aktionen bei.

Witchstone – Kristallaktion / Foto: Spieltroll

Die Kristallaktion findet zunächst im Kessel statt, denn mit ihr werden die Kristalle im Kessel bewegt. Ziel ist es sie aus dem Weg zu schaffen und sie über den Rand des Kessels zu ziehen. Die Punkte an denen das möglich ist sind durch Pfeile gekennzeichnet. Außerdem erhalten die Spieler*innen zwei entsprechende Bonusaktionen an dieser Stelle. Die aus dem Kessel gezogenen Kristalle dürfen die Spieler*innen anschließend noch im Regal auf einem der Fläschchen platzieren und erhaöten wiederum den dort abgebildeten Bonus. Kristalle müssen innerhalb des Kessels immer auf freien Feldern zum liegen kommen. Sie dürfen für Extrakosten über besetzte Felder gezogen werden, aber müssen schlußendlich auf unbesetzen Feldern liegen.

Witchstone – Zauberstabaktion / Foto: Spieltroll

Die Zauberstabaktion betrifft den Zauberstab am unteren Rand des Spielbretts. Auch hier steht eine Eulenfigur und darf auf den Feldern des Zauberstabs gezogen werden. Pro Aktion auch hier um ein Feld. Dabei gibt es verschiedene Felder mit verschiedenen Auslösern. Wird ein dunkelbraunes Feld erreicht, so ist dort eine Bonusaktion abgebildet die umgehend genutzt werden darf. Ist die eigene Eulenfigur nach der Bewegung am weitesten vorn auf dem Zauberstab, so dürfen doppeltsoviele Aktionen ausgeführt werden. Auf silbernen Feldern erhalten die Spieler*innen Punkte für die abgebildeten Errungenschaften. Das können Anzahl Hexen, Chips, fertige Energieverbindungen oder sonstwas sein.

Witchstone – Schriftrollenaktion / Foto: Spieltroll

Die Schriftrollenaktion zu guter letzt betrifft die Kartenauslage am Rand des Spielbretts. Ihr ahnt es wahrscheinlich schon, je stärker die Aktion, aus so mehr Karten darf gewählt werden. Hat die Aktion nur Stärke eins, so darf nur die am weitesten vom Nachziehstapel entfernte Karte gewählt weden und mit jeder weiteren Stärke darf auch aus einer Karte mehr gewählt werden. Die Schriftrollen gibt es derweil in zwei Variationen. Zum einen gibt es Verstärkungszauber, die dazu benutzt werden können einzelne Aktionen stärker zu gestalten. Das ist nur einmalig möglich. Die zweite Art sind Prophezeiungen und diese sind im Prinzip Aufgabenkarten die es zu erfüllen gilt, um am Spielende Punkte zu erhalten.

Das Spiel endet nach insgesamt 11 Spielrunden, wenn jede*r Spieler*in nur noch vier Doppelhexplättchen im Vorrat hat. Die Punkte werden gezählt und auf der Kramerleiste abgetragen. Wer die meisten Punkte hat gewinnt natürlich.

Witchstone – Kristallaktion im Phiolenregal / Foto: Spieltroll

Das Fazit

Oh man, ein solches Spiel habe ich Reiner Knizia schon fast gar nicht mehr zugetraut. Das könnte damit zusammenhängen, weil er gar nicht der alleinige Autor ist. Martino Chiacchiera, der bisher mit Deckscape und Similo auf sich aufmerksam machte, ist Co-Autor bei Witchstone. In dem Spiel ist wie ihr oben lesen könnt jede Menge los. Die Aktionsmöglichkeiten sind alle eng miteinander verzahnt und hier den richtigen Weg durch den Dschungel der Belohnungen zu finden ist die Krux des Spiels. Dabei wirkt der Aktionsmechanismus wie Einfach Genial von Knizia, nur das man hier keine Punkte bekommt, sondern damit wiederum Aktionen auslöst. Das wirkt zwar alles überhaupt nicht neu und innovativ, macht aber tatsächlich Laune und ich muss schon etwas länger darüber nachdenken, wann mich ein Spiel von Knizia das letzte Mal so sehr überzeugt hat. Der Altmeister hat momentan also vielleicht einen Lauf, warten wir es ab.

Witchstone sieht oberflächlich betrachtet erstmal gar nicht hübsch aus und die Schachtel hat mich, wie berichtet, zunächst abgestoßen. Das Artwork und die Illustrationen in der Schachtel sind dann aber gar nicht so schlimm und die Symbole sind leicht verständlich. Das ganze Spiel ist leicht verständlich, wenn der ganze Wust der Aktionen erstmal durchdrungen und von jemandem fix erklärt wird, ist Wichstone schnell spielbar. Es ist trotz alldem ein Kennerspiel durch das richtig durch manövriert werden will. Wie gesagt, die Belohnungne sind das A und O. Ständig und überall wird damit um sich geschmissen. Habe ich eine gute Aktion hingelegt, bekomme ich hier einen Bonus und da auch noch, dann kann ich dort wieder den Kristall noch auf den Rand schieben und werde wieder mit Bonusaktionen belohnt und dann darf ich den Kristall noch auf eine Phiole legen und schwuppdiwupp noch mehr Belohnungen. Das triggert Endorphine im Gehirn und Witchstone fühlt sich einfach immer gut an. Egal was ich mache, alles ist positiv. Nur ob das reichen wird, sehe ich erst, wenn abgerechnet wird, denn meine Mitspieler kriegen das vielleicht besser hin.

In Witchstone stehen einem auch diverse Wege offen. In einer einzigen Partie ist es kaum möglich in allen Bereichen top zu sein. Irgendetwas vernachlässigt man immer und das macht es auch in späteren Partien immer noch reizvoll. In unseren ersten Partien haben wir den Zauberstab alle gemieden, nur um später festzustellen das dieser sehr gut Punkte bringen kann, wenn er richtig ausgenutzt wird.

Ich kann hier gar nicht viel Negatives aufführen. Außer, dass hier eben nichts wirklich neu, das Thema zwar nur aufgesetzt, aber alles doch trägt, ist und ich das Cover eher abschrekend finde. Das Material ist super, die Anleitung passt und der Punktesalat Witchstone macht mir wirklich Spaß. Kann ich nur empfehlen.


  • Verlag: Huch!
  • Autor(en): Reiner Knizia, Martino Chiacchiera
  • Illustrator(en): Mariusz Gandzel
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Spieleranzahl: 2 – 4 Spieler
  • Dauer: 60-90 Minuten

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