Im Jahr 2017 erschien Kitchen Rush von Vangelis Bagiartakis und David Turczi bei Artipia Games und sorgte bereits damals für ein wenig Aufsehen. Das Echtzeitspiel galt bei vielen Spielern als kleiner Geheimtipp und konnte durch seine Komplexität und Originalität auch Vielspieler begeistern. Jetzt, drei Jahre später ist das Spiel vom griechischen Verlag bei Pegasus gelandet, die Kitchen Rush nocheinmal redaktionell überarbeitet haben und eine viel zugänglichere Version auf den Markt gebracht haben. Kitchen Rush führt die Spieler nun, dank einer wohl dosierten, aufeinander aufbauenden Kampagne in das Spiel ein und offenbart innerhalb von acht immer schwieriger werdenden Partien seine volle Komplexität und wird so zu einem Vergnügen für Leute, die schon immer mal die Hektik einer Profiküche kennenlernen wollten. Ob man das wirklich Vergnügen nennen kann?
Worum geht es?
Ich weiss natürlich nicht, ob es die Hektik einer Profiküche einfängt, denn ich habe noch nie in einer solchen gearbeitet, aber es trifft meine Vorstellung, die ich von so einer solchen Küche habe ziemlich gut. Die Spieler eröffnen in Kitchen Rush gemeinsam ein Restaurant und erleben nach und nach, wie es immer schwieriger wird eines erfolgreich zu führen und Gäste glücklich zu machen. Kitchen Rush ist dabei ein Echtzeitspiel, indem sie nur begrenzt Zeit haben. Zu diesem Zweck benutzt das Spiel Sanduhren als Hauptmechanik. In jeder Partie müssen die Spieler ein gewisses Ziel erfüllen, für das sie in einer vollständigen Partie viermal 4 Minuten Zeit haben.
Wie läuft das ab?
Kitchen Rush ist ein ziemliches Platzmonster, wenn man es in voller Besetzung, zu viert, erleben möchte und das muss man auch tatsächlich als Empfehlung aussprechen. Es macht zwar auch zu zweit und zu dritt Spaß, aber zur richtigen Herausforderung wird es erst mit vier Personen. Das Spielfeld ist riesig und besteht aus acht Puzzleteilen, die ein längliches Restaurant mit vielen einzelnen Bereichen zeigen. Jeder Spieler erhält darüber hinaus noch ein eigenes, recht großes, Tableau, auf dem er später Speisen zubereiten muss. Im Verlauf der Lernkampagne kommt dann noch ein allgemeines Tableau hinzu. Alle anderen Komponenten liegen auf dem Spielbrett oder sollten knapp daneben liegen, denn wie bei Echtzeitspielen üblich, müssen meist alle Spieler an das Material herankommen und benutzen können.
Das erste Spiel der Kampagne führt einen noch recht langsam an das Spiel heran, fast möchte ich sagen zu langsam, denn in der ersten Partie wird einem nur die Grundmechanik näher gebracht und die ist total simpel und in der ersten Partie auch wenig spaßig. Die Spieler sollten sich vorab mit dem Spielfeld vertraut machen. In der ersten Partie stehen den Spielern nur ein paar Bereiche des Spielfelds zur Verfügung. Es gibt einen Empfangsbereich, in dem es ein rundes Feld gibt, auf das man genau eine Sanduhr stellen kann. Hier können die Spieler Gäste ins Restaurant lassen, indem sie zwei Karten von einem Gästestapel in den Gastraum legen. Auf diesen Gästekarten steht dann, was der Gast für ein Gericht möchte. Im Gastraum können in voller Besetzung bis zu sechs Gäste Platz finden. Hier gibt es mehrere runde Felder, wo die Spieler durch Platzieren einer Uhr Gäste bedienen können, was nicht mehr bedeutet, als das man sich als Spieler eine der Gastkarten nimmt und sie vor sich ablegt.
Auf den Gastkarten steht namentlich das Gericht und es ist ein Teller, von denen es vier verschiedene gibt, die sich in Form und Größe unterscheiden, abgebildet. Daneben sind ebenfalls die Zutaten des Gerichts abgebildet, die wir für das Gericht brauchen, sowie die Kochzeit, die es dauert das Gericht zuzubereiten. Der Spieler nimmt sich im Gastraum Gäste und legt dann den richtigen Teller in Reihe 0 seines Tableaus. Anschließend muss er die Zutaten aus den Vorratsräumen organisieren. Dabei darf er so viele Vorräte nehmen wie er möchte, aber sie müssen auf Tellern in seiner Auslage platziert werden. Auch hier muss er wieder die Uhr auf einen entsprechenden Kreis in einem der Vorratsräume stellen. Zu guter letzt muss das Gericht noch gekocht werden. Dafür sind zentral mehrere Kreise auf dem Herd abgebildet. Hier müssen die Uhren abgestellt werden um ein Gericht um eine Stufe auf seinem Tableau nach unten zu schieben. Insgesamt gibt es 4 Stufen. Stufe 0 ist dabei bereits die erste, denn mancher Salat muss natürlich gar nicht gekocht werden. Für jede Stufe muss die Sanduhr einmal durchlaufen.
Die Aktion eines Spielers besteht also eigentlich „nur“ darin eine Sanduhr auf einen Kreis zu stellen, die entsprechende Aktion (Gast einlassen, Gast und Teller nehmen, Zutaten nehmen und Kochen) abzuhandeln und zu warten bis die Uhr abgelaufen ist und dann weiter zu machen. Die Uhren laufen zwischen 25 und 30 Sekunden. Insgesamt haben die Spieler in der Einführungsrunde noch viereinhalb Minuten Zeit. Das ist eine Menge und man sitzt da in der ersten Runde und langweilt sich fast, weil man den Sanduhren beim durchlaufen zuschaut. Am Ende muss man dann als Gruppe zusammen eine bestimmte Anzahl an Gästen bekocht haben. Das Spiel fordert einen hier dann sogar noch ganz clever heraus, indem es angibt, wieviele Gäste man bekocht haben muss, um gewonnen zu haben und es gibt noch eine Anzahl Gäste an, die man für den Herausforderungsmodus geschafft haben muss. Das sport die Spieler gleich so richtig an und es ist fast unmöglich den Herausforderungsmodus des ersten Spiels nicht zu schaffen.
Einfacher und langweiliger Beginn also, danach aber, zieht einen Kitchen Rush in seinen Bann. Schritt für Schritt und Partie für Partie führt es neue Aktionen, Orte und Spielelemente ein, die das Spiel irgendwann zu einem hektischen Durcheinander machen. In jeder nachfolgenden Partie wird ein Teil des Spielplans auf die Rückseite, die „normale“ Seite umgedreht und bringt so nach und nach das volle Spiel zum Vorschein. Ab Partie zwei hat jeder Spieler nämlich zwei Sanduhren mit denen er agieren kann. Zu den normalen Zutaten (Fleisch, Salat, Möhren, Käse, Brot und Nudeln) kommen nun noch Gewürze hinzu, die alle gemischt in einem viel zu kleinen Stoffbeutel liegen, aus dem man sie herausfummeln muss. Dafür kommen natürlich auch neue Gäste mit neuen Gerichten ins Spiel, die den Gästestapel ergänzen. Ganz wichtig ist in der zweiten Partie gleichzeitung noch die Reduzierung der Spielzeit auf vier Minuten, die der normalen Spieldauer einer Runde entspricht. Später besteht eine komplette Partie Kitchen Rush aus vier Spielrunden á 4 Minuten. Das klingt nicht nach viel, aber diese sechzehn Minuten Spielzeit sind so vollgepackt mit Spiel, das man hier nicht denkt das man ein kurzes Spiel gespielt hätte. Dazu kommen natürlich auch noch die Absprachen zwischen den Spielern zwischen den Runden und das wiederherrichten des Spielfeldes.
Im Laufe der acht Lernpartien fügt Kitchen Rush seinem Spielprinzip noch so einiges hinzu. Teller müssen gespült und wieder in den Geschirrschrank geräumt werden. Geld und Verdienst wird eingeführt. Die Gäste bezahlen zuerst mal ein Getränk, wodurch man Geld bekommt. Dafür müssen die Spieler Zutaten kaufen, Gewürze müssen im Kräutergarten beschafft werden. Am Rundenende muss man genug verdient haben, um seine Arbeiter/Sanduhren bezahlen zu können. Die Waren werden aus Hygiänegründen noch auf verschiedene Vorratsräume aufgeteilt, man muss sich Sterne erkochen und kann Ansehensboni erzielen. Ereignisse treffen unseren Betrieb hart und wir können zusätzliche Küchenhilfen/neutrale Sanduhren einstellen, die von allen Spielern benutzt werden können.
Foto: Spieltroll
Am Ende der acht Partien beherrscht man dann das ganze Spiel. Nein, beherrschen ist das falsche Wort, man weiss, wie alles funktioniert, aber beherrschen kann man das nicht nennen, denn wenn vier Spieler in Hektik immer wieder über den Tisch greifen, um Sanduhren zu greifen, sich dabei lautstark unterhalten und versuchen ein Zwischenziel in nur vier Minuten zu erreichen, kann man nicht von beherrschen sprechen. Nach vier Runden hat man sein Ziel erreicht und freut sich einen Ast oder aber man ist kläglich gescheitert und versucht es gleich nochmal, wenn man den Ehrgeiz hat.
Das Fazit
Kitchen Rush war schon immer eine Wucht in den Reihen der Echtzeitspiele, denn es schafft es, sogar Spieler, die eigentlich nichts von Echtzeitspielen halten, in ihren Bann zu ziehen. Hier kommt keine Sekunde Langeweile auf, denn man hat immer was zu tun, es sei denn man lässt absichtlich seinen Timer auslaufen, weil man keinen Gast mehr bedienen kann und der einem Minuspunkte einbringen würde. Aber ansonsten muss man sich hier Vollzeit konzentrieren, um nicht irgendetwas falsch zu machen. Das komplette Spiel ist in der Tat ganz schön umfangreich und verlangt eine Menge von den Spielern an Koordination und Planung. Hier erklärt sich dann auch der riesige Platzbedarf, man benötigt ihn einfach, um sich nicht ständig die Arme zu verknoten. Das kommt trotzdem noch oft genug vor und es wäre nicht auszudenken, wenn das Spielfeld zwei Nummern kleiner wäre.
Kitchen Rush ist für mich eines der thematischten Spiele überhaupt. Es scheint mir den Druck und die Hektik, welche in einer Profiküche zu herrschen scheinen, perfekt in ein Brettspiel zu packen. Die Echtzeit ist hier genau die richtige Mechanik, um dieses Szenario im kleinen zu Simulieren. Viele Köche verderben hier hoffentlich nicht den Brei, sondern arbeiten Hand in Hand, um möglichst viele Gäste glücklich zu machen. Natürlich steigt die Chance Fehler zu machen, je mehr Leute am Tisch sitzen und für Außenstehende mag Kitchen Rush wie ein hektischen Knäuel sich anschreiender Menschen wirken, aber ich glaube bei all der Hektik haben die richtigen Leute in diesem Spiel Spaß.
Pegasus hat hier einen wirklich guten redaktionellen Job gemacht. Die Kampagne, die es im Original überhaupt nicht gab, bringt einem das Spiel nach und nach behutsam bei, so dass man nicht auf einenn Schlag überfordert wird, was beim Artipia-Original durchaus vorkommen kann. Nur das Familiensiegel auf dem Spiel ist ein wenig trügerisch. Natürlich kann man das in spielaffinen Familien durchaus spielen, aber ich finde das Spiel vom Aufwand her zu Komplex für die Durchschnittsfamilie und würde es daher eher für Kennerspieler empfehlen. Das Spiel ist ein Riesenspaß und gehört für mich zu den besten Spielerfahrungen dieses Jahr und ich würde mal das Spiel des Jahres in den Raum werfen. Für mich nicht im Familiensektor, aber auf der Empfehlungsliste oder Nomminierter für das Kennerspiel kann ich mir Kitchen Rush sehr gut vorstellen.
Ich selbst stehe Echtzeitspielen oft eher skeptisch gegenüber und finde die meisten eher zu seicht. Kitchen Rush bringt aber selbst mich als Echtzeit-Muffel dazu es immer mal wieder spielen zu wollen, von daher kann ich aus meiner Sicht jedem, der ähnlich tickt nur die Empfehlung geben Kitchen Rush einmal auszuprobieren.
- Verlag: Pegasus Spiele
- Autor(en): David Turczi, Vangelis Bagiartakis
- Illustrator(en): Bartlomiej Kordowski, Natalia Kordowski
- Erscheinungsjahr: 2019
- Spieleranzahl: 2 – 4 Spieler
- Dauer: 20 – 60 Minuten
2 Gedanken zu „Kitchen Rush“