Marvel Champions: Das Kartenspiel

Marvel Champions: Das Kartenspiel

Ich bin in der Tat kein großer Marvel-Fan, bzw. war ich nie. Als Kind habe ich mal ein paar Comics gelesen, aber so richtig gepackt haben sie mich nicht. Spiderman fand ich als einzigen Charakter ganz lustig und ansonsten war ich Fan der X-Men. Dort natürlich allen voran Wolverine. Aber die neuerlichen Filme der letzten was weiß ich wieviel Jahre des sogenannten MCUs habe ich zum großen Teil überhaupt nicht gesehen. Diejenigen, die ich gesehen habe, fand ich von grandios (Guardians of the Galaxy) bis hin zu nah ja, brauch ich nicht noch mehr von (Iron Man). Diejenigen die noch viel schlechter sein sollen habe ich zum Glück gar nicht erst gesehen. Was ich damit ausdrücken will, ist das ich wirklich nicht der größte Marvelnerd unter der Sonne bin und mich deshalb eigentlich überhaupt nichts in die Richtung von dem neuen Geldgrab von Fantasy Flight Games gezogen hat. Dann hatte ich die Gelegenheit günstig an eine Kopie des Spiels zu kommen und wenn ein Spiel bei Boardgamegeek so durch die Decke geht, bin ich zumindest geneigt es dann doch mal auszuprobieren. Hätte ich das mal nicht getan…

Worum geht es?

Marvel Champions, wie ich es von jetztan verkürzt nennen werde, ist das neueste LCG von Fantasy Flight Games. Thematisch beschäftigt sich das Spiel mit den Marvel Helden, die man langläufig so kennt, und ihrem Kampf gegen die meistens etwas weniger bekannten Schurken. Dabei orientiert sich das Spiel erfreulicherweise nicht an der Optik und der Geschichten des MCU, sondern nimmt die ursprünglichen Comics als Vorlage. Spielerisch haben wir hier ein Spiel, bei dem die Mitspieler zusammen einen Schurken beseitigen. Also ein typisches Bosskillspiel. Jeder schlüpft dabei in die Rolle eines Helden und zusammen muss ein Schurke mit seiner Mechanik besiegt werden. Mehr ist es tatsächlich gar nicht. Auch Deckbau ist hier gar nicht so sehr von den Spieler*innen gefragt. Einfach auspacken, verstehen und Spaß haben.

Marvel Champions – Spielsituation / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Marvel Champions macht einen sehr guten Job die Spieler*innen an das Spiel heranzuführen. Es hat eine Losspielanleitung, die einen direkt in das Spiel hineinbringt. Das ist auf jeden Fall vorbildlich, dennoch gibt es nachher auch noch Kritik zu diesem Punkt. Um euch das Spiel näher zu bringen ist Marvel Champions so vorsortiert, dass es mit Spider-Man und Captain Marvel zwei Helden bereithält, die für die Erstpartie genutzt werden sollen. Rhino ist der Schurke den es zu bezwingen gilt. Die Spieler*innen nehmen sich das jeweilige Deck und suchen die Identitätskarte des jeweiligen Charakters heraus. Diese Karte hat zwei Seiten, auf der einen ist die Heldenseite und auf der anderen die Alter Ego-Seite zu finden. Bei Marvel haben die Helden ja immer auch eine Form in der sie normal in die Gesellschaft integriert sind, ohne dass sie weiter auffallen. Nehmen wir zum Beispiel Peter Parker als Alter Ego von Spider-Man. Diese Karte platzieren die Spieler*innen vor sich in ihren Spielbereich. Jeder bekommt einen Lebenspunktezähler und stellt die Lebenspunkte ein, die auf der Identitätskarte angegeben sind. Neben der Identitätskarte gibt es noch eine Verpflichtungskarte, die ebenfals aus dem Deck gesucht werden muss. Diese wird erstmal zur Seite gelegt.

Marvel Champions – Identitätskarte / Fotos: Spieltroll

An den Rückseiten der übrigen Karten im Deck stellt man nun noch fest, dass es ein paar Karten gibt, die eine andere Rückseitenfarbe haben. Dabei handelt es sich um die Erzfeindkarten des jeweiligen Helden. Bei Spider-Man ist das zum Beispiel Vulture. Auch diese Karten werden erstmal noch zur Seite gelegt. Anschließend wird das verbliebene Deck gemischt und neben die Identitätskarte gelegt. Was ist da jetzt eigentlich so in dem jeweiligen Deck? Jedes Heldendeck unterteilt sich in drei verschiedene Kartenbereiche. Zum ersten befindet sich ein heldenspezifischer Anteil im Deck, der die Fähigkeiten, Gadgets und was auch immer des jeweiligen Helden wiederspiegelt. Der zweite Teil sind allgemeine (graue) Karten, die in jedes Deck mitaufgenommen werden können. Der dritte und letzte Bereich ist dann ein variabler Anteil, der eine gewisse Ausrichtung des Decks ermöglicht. Aggression, Führung, Gerechtigkeit und Schutz sind die vier möglichen Ausrichtungen. Jede hat eine eigene Farbe und das Deck darf nur Karten einer Ausrichtung enthalten. Durch diese und die allgemeinen Karten kann das Deck ein wenig modifiziert werden.

Marvel Champions – Verschiedene Rückseiten / Foto: Spieltroll

Ansonsten hält das Spiel noch einige Marker und Statuskarten bereit, die bereitgelegt werden. Alles in bestechender Retro-Comic-Optik. Bunt und farbenfroh so dass die Tischoberfläche schon bald wie ein Comic aussieht.

Marvel Champions – Statuskarten / Foto: Spieltroll

Neben den Heldendecks muss natürlich auch noch der Schurke bereitgemacht werden. Auch dieser hat ein eigenes Deck. bzw. eigentlich drei, das Schurkendeck, das Plandeck und das Begegnungsdeck. Im Schurkendeck befinden sich nur die Schurkenkarten. In Rhinos Fall sind das zwei Stück, die wir nacheinander besiegen müssen. Haben wir das geschafft, so haben wir gewonnen. Andere Schurken können durchaus mehr Karten in diesem Deck haben und auch Rhino besitzt für einen höheren Schwierigkeitsgrad noch eine dritte Karte. Im Plandeck von Rhino befindet sich in der Einführung nur eine Karte mit zwei Seiten, die uns verrät was der Schurke vorhat und was wir tun müssen um ihn aufzuhalten. Übersetzt in die Spielmechanik heisst das einfach nur, dass hier eine bestimmte Anzahl Marker (Bedrohung) gesammelt wird. Ist sein Planziel erreicht, verlieren die Spieler*innen sofort. Das eigentliche Deck mit seinen Fähigkeiten ist dann aber das Begegnungsdeck. In diesem Deck finden sich Fähigkeiten, Verbündete und Schergen des Schurken wieder, mit denen er dem Helden zusetzt und seinen Plan erfüllen will. Darüber hinaus gibt es noch Nebenpläne, die ins Spiel kommen können und den Helden zusätzlich das Leben schwer machen. Außerdem werden die Verpflichtungskarten der Helden in das Begegnungsdeck gemischt. Sie kommen irgendwann ins Spiel und behindern die Spieler*innen in ihrem Handeln. Die Erzfeindkarten werden durch bestimmte Karten im Spielverlauf erst in dieses Begegnungsdeck gemischt.

Marvel Champions – Schurkenkarten Rhino / Foto: Spieltroll

Bevor es losgeht, zieht jede*r Spieler*in die auf der Identitätskarte angegebenen Anzahl Startkarten vom Deck. Der Spielablauf ist dann gar nicht so schwierig und auf Spielablaufkarten sehr gut wiedergegeben. Auf einer Seite der Spieler*innenzug und auf der Rückseite der Schurk*innenzug. Im Spieler*innenzug könnt ihr in beliebiger Reihenfolge Karten von eurer Hand spielen, Karten in eurer Auslage benutzen und einmal pro Zug eure Gestalt wechseln. Um Karten auszuspielen, werden sie für die auf ihnen angegeben Kosten mit anderen Karten von der Hand bezahlt, die unten links als Ressourcen angegeben sind. Auch hier gibt es verschiedene Typen, die aber für die Kartenkosten unerheblich sind. Hier geht es nur um die Anzahl. Die Typen kommen bei bestimmten Kartenaktionen zum Einsatz, wo bestimmte Ressourcenkosten bezahlt werden müssen.

Marvel Champions – Heldenkarten / Foto: Spieltroll

Die Helden verfügen über vier Werte. Auf der Heldenseite sind das Angriff, Verteidigung und Widerstand, sowie Erholung auf der Alter Ego-Seite. Soll einer der Werte benutzt werden, so wird der Charakter erschöpft und kein weiterer kann in der gleichen Runde benutzt werden. Mit Angriff fügen wir dem Schurken Schaden zu, mit Widerstand entfernen wir Marken vom Plan des Schurken und mit Erholung heilen wir Schaden von unserem Helden. Verteidigung dürfen wir nur benutzen, wenn wir angegriffen werden und natürlich noch nicht erschöpft sind, dann können wir den Verteidigungswert vom Schaden abziehen.

Marvel Champions – Bedrohung auf Plankarte / Foto: Spieltroll

Die Schurkenphase spielt sich in fünf Schritten. Zunächst wird Bedrohung auf dem Plan platziert. Dann wird der Schurke pro Spieler einmal aktiviert und führt seine Fähigkeit aus. Gleicehs gilt für alle ausliegenden Schergen. Dann wird für jede Spieler*in eine Karte vom Begegnungsdeck gezogen und zugeteilt. Anschließend werden die Karten abgehandelt und der Startspielermarker weitergereicht.

Viel weiter will ich beim Spielablauf gar nicht in die Details gehen, dafür gibt es zuviele kleine Dinge, die man noch erwähnen könnte. Marvel Champions ist auf jeden Fall gar nicht so kompliziert, wie sich das hier vielleicht anhört. Wichtig ist auf jeden Fall noch zu erwähnen, dass es sowohl Solo gespielt werden kann, als auch in Gruppen mit bis zu vier Helden. Helden können sich gegenseitig unterstützen, wenn man kooperativ spielt. Das fällt im Solospiel natürlich weg, es sei denn man spielt gleich zwei Charaktere. Neben den schon erwähnten Spider-Man und Captain Marvel, befinden sich noch She-Hulk, Black Panther und Iron Man in der Grundbox. Als Schurken finden wir neben Rhino noch Klaw und Ultron in der Box. Erstmal also genug um sich auszuprobieren.

Das Fazit

Das muss auf jeden Fall etwas länger ausfallen als gewohnt. Ich habe mich wirklich angestrengt an Marvel Champions vorbeizugehen und es zu ignorieren, dass fiel mir aufgrund des Marvelthemas auch lange Zeit sehr leicht, weil es mich erstmal gar nicht so anspricht wie manch anderen. Nachdem aber immer mehr positive Stimmen, nicht mehr nur aus dem amerikanischen Raum, zu mir drangen, musste ich mir ein eigenes Bild vom Spiel machen.

Marvel Champions – Startspielermarker / Foto: Spieltroll

Im Vergleich zu den anderen LCGs aus dem Hause Fantasy Flight kann man Marvel Champions meiner Meinung nach als das zugänglichste beschreiben. Es erzählt definitiv keine Stories wie Arkham Horror. Die entstehen zwar auch vor dem inneren Auge, aber sind immer nur denkwürdige Situationen in einem Bossfight. Wer also tolle Gechichten im Marveluniversum sucht, wird hier eher nicht fündig. Das Herr der Ringe LCG ist eine knallharte Herausforderung und erfordert ein gutes Gespür für den Deckbau. Auch das muss man hier gar nicht mitbringen. Die Decks funktionieren, so wie sie sind, schonmal richtig gut und wer meint er muss sich etwas individueller gestalten tauscht halt ein paar der grauen Karten aus oder nimmt eine andere Ausrichtung.

Den Entwicklern ist hier insgesamt ein Meisterwerk gelungen das sich durch besondere Thematik auszeichnet. Das Thema sind die einzelnen Marvelhelden und die sind durch ihre Decks und die darin enthaltenen Mechaniken wirklich gut eingefangen. Spielst du Spider-Man, so hast du einen Charakter, der sich immer wieder aus brenzlichen Situationen befreien kann. Ein Überlebenskünstler, der nicht stark aber gewitzt ist. Captain Marvel ist die pure Power und Black Panther einfach nur kombomäßig schnell. Genauso wie die Charaktere aus den Comics auch sein sollen und das fühlt sich bei Marvel Champions auch so an. Das ist wahrscheinlich der Punkt, der mir bei Marvel Champions am besten gefällt. Alle Helden in der Box fühlen sich grundverschieden und ihre Fähigkeiten thematisch an. Gleiches gilt natürlich auch für die Gegner. Auch diese fühlen sich unterschiedlich an und haben mitunter gemeine Fähigkeiten im Schlepptau.

Marvel Champions – Ausrichtungskarten / Foto: Spieltroll

Hinzu kommt die von mir geschätzte Optik des Spiels. Ich finde es sehr gelungen sich an den Comicartworks zu bedienen und darüberhinaus auch die Marker und Karten dahingehend zugestalten. Hier passt das einfach sehr gut.

Nicht unerwähnt lassen darf man auch die Spannung, die hier erzeugt wird. Die Gegner fühlen sich durchaus auch gefährlich an, weil es immer passieren kann, dass ein paar schlechte Fähigkeiten in Folge aus dem Gegnerdeck herauskommen, die uns in arge Bedrängnis bringen. Das muss man aber einfach wissen und verhält sich dementsprechend vorsichtiger. Vor allem trifft das zu, wenn man Marvel Champions Solo spielt. Das solche Situationen eintreffen, kommt hier einfach etwas häufiger vor, da man keine Kumpane hat, die einem in der Not beispringen können. Ich kann übrigens nicht empfehlen mit mehr als einem Charakter gleichzeitig zu spielen. Es gibt einfach zu viel auf das man achten muss. Geübte Spieler*innen bekommen das wahrscheinlich besser hin als ich.

Spielerisch bin ich also ziemlich von Marvel Champions überzeugt und empfehle es bedingungslos. Um das deutlich zu machen würde ich, wenn es mir rein um das spielerische geht, Marvel Champions einen meiner Orden verleihen, aber das Spiel besitzt auch einige Baustellen, die nicht unerwähnt bleiben dürfen.

Zunächst einmal ist Marvel Champions ein LCG und von daher besteht hier die Gefahr, richtig Geld loszuwerden, denn, und hier verwandel ich diesen eigentlich negativen Punkt nochmal in einen positivem, Fantasy Flight legt natürlich nach und bringt weitere Helden- und Gegnerdecks heraus, so dass man sich natürlich mit der Zeit seine Lieblingshelden zusammenkaufen kann. Das ist natürlich teuer, aber andererseits ist es nicht wie bei Arkham Horror, so das man immer mehr Geschichten in immer mehr teuren Boxen kaufen will, sondern man kann sich gezielt die Helden und Gegner kaufen, die man möchte. Man hat nicht das Gefühl etwas zu verpassen. Auch ich habe mir noch ein paar weitere Helden gegönnt, die ich gerne spielen wollte und auch bei denen ist das Spielgefühl fantastisch.

Marvel Champions – Spielanleitung und Referenzhandbuch / Foto: Spieltroll

Nun aber zu den Baustellen. Die Anleitung ist trotz der Starthilfe mal wieder ein Graus. Insgesamt zwar gut geschrieben, vermittelt sie einem gerade genug Wissen, um im späteren Verlauf, wo sich zwangsläufig Fragen aus Situationen ergeben die einfach so im Spielverlauf passieren, zu versagen. Ständig ist man auf der Suche und schlägt im LCG-typischen Glossarheft nach, um dann trotzdem nicht hundertprozentig zu wisssen, ob das so richtig ist. Das ist aber ein Fantasy-Flight-LCG-Problem und daran sollten sie arbeiten.

Marvel Champions – Schachtel mit Inhalt / Foto: Spieltroll

Im Vergleich zu den anderen LCG-Systemen sind sie hier einen Schritt weiter gegangen und haben die Box mit Material für vier Spieler*innen ausgestattet. Man kann also in der Tat vier Helden komplett mit Karten versorgen. Es gibt allerdings noch einen fünften Helden in der Box. Für diesen finden sich nicht genug Karten einer Ausrichtung und von den grauen allgemeinen in der Schachtel um auch hier noch ein fünftes Deck fertigzustellen. Was soll das? Schon klar, ihr wollt das man sich mehr Karten kauft, aber welchen Sinn macht das wenn ihr doch eigentlich komplette Zusatzdecks verkauft? Tut auch keinem weh die paar Karten extra in die Schachtel zu packen. Und wo ich gerade bei der Schachtel bin… toll das ihr endlich ein Format gewählt habt mit dem man hinterher was anfangen kann und dass ihr ein Insert reinpackt, indem es schonmal Schlitze gibt um Karten zu trennen. Kartentrenner? Fehlanzeige… die darf man sich dann noch selber basteln.

All diese Dinge verwehren Marvel Champions das Prädikat, aber rein spielerisch ist es eine Bombe und das sage ich, der ich nichtmal ein Marvelfan bin. Für Fans des Superhelden Genres dürfte das hier der heilige Gral sein.


  • Verlag: Fantasy Flight Games, Asmodee
  • Autor(en): Michael Boggs, Nate French, Caleb Grace
  • Illustrator(en): nicht bekannt
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Spieleranzahl: 1 – 4 Spieler
  • Dauer: 45 – 90 Minuten

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