Die Guillotine, wer kennt sie nicht? Das Fallbeil in eine Tötungsmaschine umgewandelt ist so untrennbar mit der französischen Revolution verbunden, dass ich die beiden Dinge nicht im Kopf trennen kann. Eigentlich wurde sie aus humanitären Gründen erfunden, um die Grausamkeit bei einer Hinrichtung durch einen Henker zu reduzieren, der mitunter mehrere Schläge benötigte. Humanitär ist in diesem Zusammenhang natürlich äußerst zynisch, aber ja… Der zweite Grund, und da nähern wir uns dem Spiel gehörig an, ist die Tatsache, dass bei der Revolution in Frankreich soviele Hinrichtungen durchgeführt werden mussten, dass es effektiver war, dies durch eine Maschine durchführen zu lassen. Alles Pervers aber wir wollen hier ja Spaß haben und wer das alles ausblenden kann und nicht so ernst nimmt, der kann mit Guillotine von Amigo bzw. Wizards of the Coast eine Menge Spaß haben – wie ich finde. Das Spiel ist natürlich rabenschwarz zu verstehen und zartbesaitete Gemüter sollten lieber die Finger davon lassen, aber für mich ist Guillotine ein echter Klassiker mit seinen inzwischen 24 Jahren auf dem Buckel. Nach Robo Rally vom letzten Mal dürfte das hier erneut ein Kandidat sein, der auf ein geteiltes Echo stoßen könnte.
Ich fasse zunächst das Spielgeschehen einmal kurz zusammen: Thematisch befinden wir uns in der französischen Revolution und das Volk möchte alle möglichen Adligen und ihre Helfer und Unterstützer der namensgebenden Tötungsmaschine zuführen. Das Spiel geht über drei Tage/Runden. An jedem Tag wird eine Reihe von Karten vor die Pappaufstellguillotine gelegt. Auf diesen Karten sind Personen zu sehen die bestimmte Figuren verkörpern. Es gibt Adlige, den Klerus, Soldaten und Beamte. Auch ein paar durchaus beliebte Gesellen habe sich in der Reihe verloren. All diese Personen sind bestimmte Punkte Wert und unser Ziel ist es am Ende die meisten Punkte ergattert zu haben. Jede*r Spieler*in erhält noch eine Kartenhand von Aktionskarten. Wer an der Reihe ist darf eine Karte spielen, muss aber auf jeden Fall die nächste Person vor der Guillotine köpfen und erhält die Karte auf den eigenen Punktestapel.
Mit den Aktionskarten kann die Reihenfolge der Karten manipuliert werden oder es treten bestimmte Ereignisse ein. Hier kann zum Beispiel ein Adliger nach Vorn geschubst werden oder aber eine Doppelkopfkarte erlaubt uns das Köpfen von zwei Adligen hintereinander. Hier gibt es jede Menge verschiedene Möglichkeiten die Reihe zu manipulieren. Andere Karten beschäftigen sich mit den Punkten der Karten. Wir müssen zum Beispiel möglichst grüne Adlige (Beamte) sammeln, die uns dann mehr Punkte bringen. Diese Informationen sind aber offen, so dass unsere Gegenspieler*innen uns gerne einen Strich durch die Rechnung machen können. Einige wenige Karten sind auch während der Züge der anderen spielbar. So entsteht jede Menge Interaktion und auch ab und zu ein gewisser Ärgerfaktor. Auch muss erwähnt werden das einige der Adligen selbst besondere Fähigkeiten mitbringen. So gibt es zum Beispiel Pärchen die besonders viel Wert sind, wenn wir sie beide in unserem Stapel haben, oder auch Adlige die einen weiteren mit in die Reihe bringen. Einige verändern von sich aus auch die Reihe, so legt sich der Meisterspion immer wieder ans Ende der Reihe, bis sein unausweichliches Ende immer näher rückt.
Soviel zum Spielgeschehen. Guillotine ist kein superlanges oder besonders anspruchsvolles Spiel, aber eines das mir nicht nur wegen des Themas immer im Gedächtnis bleiben wird. Die Manipulation der Reihen ist spaßig genug, um mich immer wieder zurückzuholen. Den anderen Spieler*innen eins auszuwischen fühlt sich befriedigend an und ist nie so gemein, da die Partien doch recht kurz sind. Einfach nochmal spielen.
Guillotine erschien 1998 in englischer Sprache bei Wizards of the Coast und ich wurde wahrscheinlich in irgendwelchen amerikanischen Kartenmagazinen auf es aufmerksam, da ich zu der Zeit ja viel wegen Magic in solchen unterwegs war. Das Artwork viel mir sofort auf, da es von einem Magic-Illustrator stammte. Quinton Hoover, der seinerzeit für den „Wrath of God“ verantwortlich war, eine ziemlich wichtige Karte zu der Zeit. Quinton Hoover wurde bei Guillotine von Mike Raabe unterstützt, der ebenfalls für Magic illustrierte. 2013 starb Quinton Hoover leider viel zu früh.
Guillotine war zwar nicht das erste Spiel eines gewissen Paul Peterson, aber das erste mit dem er einigen Erfolg gehabt haben dürfte. Er ist soetwas wie ein Kartenspielspezialist und stammt aus der Zeit der Tading Card Games und zeichnete sich dort für einige Erweiterungen von Spielen wie Vampire – The Eternal Struggle mit verantwortlich. Auch das Harry Potter Trading Card Game aus den frühen 2000ern stammt aus seiner Feder. Den meisten bekannt dürfte er aber international für Smash Up und sein Pathfinder Adventure Card Game sein. Paul Peterson wusste bereits damals auf welche Elemente es bei einem guten Kartenspiel ankommt. Es mussten gar nicht immer perfekte Mechaniken sein. Der Spaß steht im Vordergrund, denn Partien von Kartenspielen dauern selten lang.
2002 erschien dieses außergewöhnliche Kartenspiel dann auch beim deutschen Partner von den Wizards Amigo auf deutsch und ich erwarb es sofort. Obwohl meine Erinnerung behaupten würde, dass es bereits früher auf deutsch erschien. Diese kann aber bekanntlich täuschen und so halte ich mich an die recherchierten Fakten. Bis heute gibt es neben der englischen und deutschen Version lediglich noch eine französische, sowie eine auf niederländisch. Bis heute ist es mir ein Rätsel, warum es sich nicht in der breiteren Öffentlichkeit durchgesetzt hat, obwohl wenn ich es mir recht überlege, wird das wohl doch mit dem Thema zu tun haben. Das Spiel gewann 1998 sogar den Origins Game Award in der Kategorie „Best Card Game“ und konnte auch beim À-la-carte-Kartenspielpreis der Spielezeitschrift Fairplay eine respektable Platzierung erreichen.
Wenn ihr die Chance habt ein Exemplar zu ergattern, dann kann ich euch nur empfehlen zuzuschlagen. Guillotine befindet sich bis heute in meiner Sammlung und kommt immer mal wieder auf den Tisch. Wer bei der Spielbeschreibung übrigens denkt „Das kommt mir irgendwie bekannt vor“, dem kann ich nur sagen, das könnte sein, denn die Grundidee von Beasty Bar ist die gleiche. Nur mit dem Unterschied, das hier sämtliche Kreaturen besondere Fähigkeiten haben, die die Reihe betreffen und die Spieler*innen neue Tiere in die Reihe legen. Sehr ähnlich, aber bei weitem nicht so gut.
- Verlag: AMIGO Spiele
- Autor(en): Paul Peterson
- Illustrator(en): Quinton Hoover, Mike Raabe
- Erscheinungsjahr: 2002
- Spieleranzahl: 2 – 5 Spieler
- Dauer: 20 – 30 Minuten
Dieser Klassiker zeigt mir zum einen wie schnell zwei Jahrzehnte ins Land gegangen sind und zum anderen der „rabenschwarze“ Humor, der uns seit frühester Kindheit verbindet ;-), aber anscheinend Käufer eher abgeschreckt hat, sonst wäre es heute noch erhältlich.
Pech gehabt – ein unterhaltsames Spiel verpasst!