Gelehrte des Südtigris – Aus Zwei und Eins mach Orange

Gelehrte des Südtigris

Der zweite Teil der Südtigris Trilogie, die mit den Reisenden des Südtigris ihren Anfang nahm und wohl mit den Erfindern des Südtigris aufhören wird, beschäftigt sich nach der Suche nach Wissen nun mit ihrer Verbreitung. In diesem Teil dreht sich alles um wissenschaftliche Übersetzungen und wie die Spieler*innen daraus für sich Kapital in Form von Punkten schlagen. Denn machen wir uns nichts vor, auch in diesem Eurogame spielt das Thema keine wirkliche Rolle. Wahrscheinlich sogar noch weniger als in anderen Titeln dieser Reihe, denn hier dreht sich eigentlich alles um die Spielmechaniken. Von denen gibt es hier gleich einige, die zusammen ein wirklich verzahntes Werk ergeben. Shem Philips und S. J. Macdonald liefern mit Gelehrte des Südtigris ihr bisher komplexestes Spiel ab und nachdem sie mit Reisende des Südtigris bewiesen haben, dass sie ihr Pulver noch nicht verschossen haben, sollen nun auch die Gelehrten die Fans überzeugen. Ich bin kritischer Fan, denn ich mag ihre Spiele sehr, finde aber bisher nur vier außergewöhnlich gut. Keine schlechte Quote, aber ich nehme es mal vorneweg, Gelehrte des Südtigris gehört nicht dazu.

Worum geht es?

Die beiden Autoren denken sich ja immer ein bisschen was beim Hintergrund ihrer Spiele und so auch hier. Gelehrte des Südtigris spielt während der Blütezeit des Abbasiden-Kalifats, ca. 830 n. Chr. Der Kalif versammelte kluge Köpfe um Wissen aus der gesamten bekannten Welt zusammenzutragen. Die Spieler*innen sind Gelehrte im Haus der Weisheit und müssen ihren Einfluss erhöhen und die erfahrensten Übersetzer*innen einstellen, um die Schriftrollen ins Arabische zu übersetzen. Übersetzt in die Sprache eines Eurogames bedeutet das so viel wie, die meisten Siegpunkten gewinnen dieses Spiel. Dazu agieren wir auf einem zentralen Spielbrett und unserem eigenen Tableau um möglichst viele davon anzuhäufen, in dem wir möglichst viel Wissen erlangen.

Gelehrte des Südtigris – Zentrales Spielbrett / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Gelehrte des Südtigris ist ein schwierig zu beschreibender Brocken, weswegen ich hier, bis auf wenige Ausnahmen, nicht allzu sehr ins Detail gehen kann, um den Rahmen nicht zu sprengen. Ich möchte hier dennoch einen gesunden Mittelweg probieren.

Gelehrte des Südtigris – Aufgeräumtes Insert in großer Schachtel

Nach Reisende des Südtigris ist Gelehrte des Südtigris das zweite Spiel in der dritten Trilogie der sogenannten Garphil Games, das in einer großen Schachtel erscheint. Dafür schon mal ein Buuuh! Ich mochte das kleine Format und der Bruch macht sich einfach nicht gut im Regal. Auch hier findet sich gar nicht so richtig viel Material in der Schachtel. Den meisten Platz nimmt das riesige Spielbrett weg, das eigentlich nur dazu dient ganz viele Kartenablageplätze zu gewährleisten. Bei den Paladinen des Westfrankenreichs wurden die Karten noch so an kleine Tableaus angelegt und ließen für kleinere Tische sogar noch ein bisschen Spielraum. Das ist hier nun völlig unmöglich und macht Gelehrte des Südtigris zu einem Spiel mit großem Platzbedarf.

Gelehrte des Südtigris – Übersetzer*in im Ruhestand / Foto: Spieltroll

Neben dem großen zentralen Spielplan müssen die Spieler*innen zusätzlich noch jeweils ein eigenes Tableau auf dem Tisch unterbringen. Auf dieses werden Karten gespielt und einige auch darunter geschoben. Alle Spieler*innen starten das Spiel mit einem Satz Aktionskarten. Der Vorrat des Spiels beinhaltet die obligatorischen Münzen. Einiger Arbeiterfiguren in vier Farben, sowie Goldspielsteine und jede Menge Würfel in unterschiedlichen Farben. Auf dem zentralen Spielbrett finden wir einige gesondert zu betrachtende Bereiche. Oben links befindet sich eine Ablagereihe für die Übersetzer*innen. Von ihnen gibt es acht verschiedene und zu jedem gibt es einen acht Karten umfassenden Stapel der hier ausliegt. Diese Karten sind doppelseitig einsetzbar. Durch bestimmte Aktionen ist es sowohl möglich sie anzuheuern als auch sie zu entsenden. Durch das Entsenden wird die Karte einfach unter den Stapel geschoben und wir erhalten eine Belohnung die oben rechts auf den Karten angegeben ist. Alle Übersetzer*innen verfügen über mindestens zwei Sprachen und einige Sonderfähigkeiten. Darüber hinaus bringen Übersetzer*innen auch Siegpunkte für das Spielende.

Gelehrte des Südtigris – Teil der Übersetzer*innenauslage / Foto: Spieltroll

Unter der Reihe der Übersetzer*innen finden wir zwei weitere Bereiche. Links die Landkarte, ein Rondell auf dem die Spieler*innen ihren Spielstein bewegen können um Boni zu erhalten und Schriftrollen aus fernen Ländern in die Wissensgilden zu befördern. Rechts daneben finden wir sechs Leisten, die die Wissensgebiete repräsentieren. Auf diesen können die Spieler*innen Marker steigen lassen, um den meisten Ruhm in den Wissensgebieten zu erlangen. Das wird mit Boni und Siegpunkten belohnt. Den Wissensgebieten sind sechs Farben und Symbole zugeordnet, die hier ganz genau erkannt werden können. Rechts daneben finden wir bei Reisende des Südtigris drei Minarette, die die Gilden darstellen. Auch hier können wir wieder Einfluss erlangen und Siegpunkte verdienen. Zudem befinden sich hier die Schriftrollen, die wir durch die Reisen auf dem Rondell der Landkarte gefunden haben. Hier können wir sie versuchen zu übersetzen.

Übersetzer*innen die wir nicht entsandt, sondern eingestellt haben, legen wir in die Kammern am unteren Ende des Spielfelds aus. Die Kammern sind für alle Spieler*innen zugänglich und wir markieren hier nur unsere eingestellten Übersetzer*innen. Jeden von ihnen, den wir benötigen, um eine Schriftrolle zu übersetzen müssen wir entsprechend bezahlen. Gold legen wir dabei in die Kammern und diese zeigen uns an, wieviel Gold die Übersetzer*innen in dieser Kammer verdienen wollen, bevor sie sich zur Ruhe setzen. Wurde die entsprechende Menge angehäuft, setzen sie sich zur Ruhe und wandern unter das Tableau desjenigen der oder die sie einst angestellt hat.

Gelehrte des Südtigris – Kammern für die Übersetzer*innen / Foto: Spieltroll

Um das genauer erklären zu können und um den Zug der Spieler*innen zu umreißen muss ich aber noch das zentrale Element des Spiels erläutern. Die Spieler*innen setzen Würfel auf ihren Karten ein, mit denen sie Aktionen auslösen. Die Würfel ziehen sie aus ihren Beuteln. Jeden Würfel den sie erhalten, legen sie in den Beutel und wenn sie Würfel erhalten, ziehen sie diese aus dem Beutel und Würfeln sie. Mit diesen Würfeln können sie nun agieren. Würfel gibt es in sieben Farben. Das Spiel teilt die Farben in Primäre und Sekundäre Farben. Primär sind Rot, Blau und Gelb. Sekundär die Mischung aus zwei Primärfarben, die in einem Kreis angeordnet sind. Gelb und rot ergeben Orange, Rot und Blau sind Violett und Gelb mit Blau ergibt Grün. Zusätzlich gibt es noch weiße Würfel. Die erstgenannten sechs sind den Wissenschaften auf den Leisten des Spielbretts zugeordnet.

Gelehrte des Südtigris – Unterschiedliche Würfelfarben / Foto: Spieltroll

Setzte ich einen oder zwei Würfel auf einer Karte für eine Aktion ein, so kann ich sie durch Arbeiter noch manipulieren. Außerdem mischen sich die Farben noch. Pro Würfel können bis zu zwei Arbeiter ausgegeben werden. Haben Würfel und Arbeiter dieselbe Farbe, so erhöht sich der Wert des Würfels auf eine sechs. Die Arbeiter färben ansonsten die Würfel zu ihrer Farbe ein. Werden zwei Würfel für eine Aktion gelegt, so mischen sich die Farben. Weiße Würfel sind dabei egal. Lege ich zwei primärfarbene Würfel zusammen, so entsteht eine neue Farbe mit dem zusammengezogenen Würfelaugen. Bei Sekundärfarben mit Primärfarben, haben die Sekundären Vorrang und bei zwei sekundären, haben die Spieler*innen freie Wahl. Dieses Farb- und Würfelsystem ist eklatant wichtig für das Verständnis der Spielmechanik. Ich habe ein paar Fotos mit Beispielen gemacht. Links ist immer der Ausgang zu sehen und Rechts das Ergebnis.

Gelehrte des Südtigris – Unterschiedliche Arbeiter / Foto: Spieltroll

Ist jemand nun an der Reihe so wird eine seiner Aktionskarten auf das eigene Tableau gelegt. Auf diesem gibt es zunächst fünf Ablageplätze. Ein sechster kann später noch freigespielt werden. Je einer steht dabei für die vier Aktionen des Spiels: Rekrutieren, Reisen, Forschen und Übersetzen. Mit jeder Aktion kann etwas anderes erreicht werden. Mit Rekrutieren kann ich die Übersetzer*innen entweder anheuern oder entsenden, mit Reisen bewege ich mich um das Rondell, beim Forschen lasse ich meine Marker auf den Leisten nach oben wandern und mit der Übersetzenaktion werden die Schriftrollen übersetzt, was mir Punkte und Boni bringt. Zusätzlich zu diesen vier Aktionen, erzeugen einige der Aktionskarten zusätzliche Aktionen und auch die unter die Tableaus geschobenen Übersetzer*innen ergänzen diese Aktionen. Son entstehen im Spielverlauf deutlich mächtigere Aktionen. Die würfelwerte und Farben sind dabei notwendig um diese Aktionen in bestimmten Stärken ausführen zu können. So bewege ich meinen Spielstein bei der Reiseaktion zum Beispiel um so viele Felder wie die Augen angeben.

Das muss reichen, auch wenn es hier und da noch Dinge gibt, die ich erwähnen müsste. Im Groben läuft das Spiel so ab. Sind alle Felder des Tableaus belegt, oder ich möchte keine der Aktionen mehr ausführen, so muss ich Ausruhen und erhalte die Karten zurück auf die Hand und bekomme bestimmte Ausruheffekte. Das Spielende wird durch Kalif Karten ausgelöst, die im Schriftrollenstapel einsortiert wurden und irgendwann aufgedeckt werden.

Gelehrte des Südtigris – Aktionskarten eines Spielers / Foto: Spieltroll

Das Fazit

Ich hoffe, ich konnte einigermaßen verständlich erklären, was da abgeht in Gelehrte des Südtigris. Der Spielablauf an sich ist wieder recht simpel: Karte spielen und mit Würfeln und Arbeitern die Aktion planen und ausführen. Fertig und nächste*r Spieler*in. Das Zusammenspiel der einzelnen Mechaniken und Teilbereiche ist hier natürlich die Krux. Gelehrte des Südtigris ist das bis dato komplexeste aller Spiele aus diesen Trilogien und irgendwie habe ich es auch im Gefühl, dass es nicht mehr viel simpler wird. Die Autoren haben sich auf ein gewisses Niveau eingeschossen. Während sich die Nordsee-Trilogie noch im Kennerbereich bewegte und im Westfrankenreich der Schwierigkeitsgrad deutlich angezogen wurde, sind wir hier nun im Expertenbereich angekommen und erleben für meinen Geschmack leider auch ein wenig die Verzettelung der Autoren. Während Reisende des Südtigris noch durch simple Mechaniken und eine Vielzahl an Möglichkeiten sein Tableau zu entwickeln und schlussendlich an Siegpunkte zu gelangen, brillierte, obwohl auch dieses Spiel sich im Expertenbereich befand und über eine Menge Symbolik verfügte, die ja traditionell bei den Garphil Games sehr gut ist, haben wir hier leider einen anderen Fall. In Gelehrte des Südtigris ist so viel Symbolik verbaut, das es schwierig ist überhaupt noch durchzublicken. Das gelingt mir nur aufgrund der Zusammenfassung auf der Rückseite der Anleitung, wo ich Symbole nachschauen kann. Die Farb- und Würfelmechanik wirkt im ersten Moment leider auch äußert unintuitiv und will eher auswendiggelernt werden, als das sie schnell von der Hand geht. Hier macht Übung allerdings den Meister und je öfter das Spiel auf den Tisch kommt, desto besser wird das gelingen.

Gelehrte des Südtigris – Reiseaktion / Foto: Spieltroll

Genauso unintuitiv ist auch die Sprachmechanik. Es gibt hier keine logischen Zusammenhänge. Entweder die Sprache steht auf der Karte oder nicht. Arabisch als Zielsprache kommt leider auch gar nicht so häufig vor, so dass diese Übersetzer*innen immer äußerst begehrt sind. Es scheint nicht richtig ausgewogen zu sein, oder das Spiel ist so komplex, dass ich es noch nicht durchschaut habe. Ähnlich unausgewogen fühlen sich auch die Aktionen an. Die Reiseaktion wirkt recht schwach und das Rondell irgendwie angebaut um das Thema verkaufen zu können. Bei uns war es immer die Aktion, die du gemacht hast, wenn gerade gar nichts anderes ging. Vielleicht liege ich aber auch hier falsch und mit genügend Übung in dem Spiel würde mir auffallen, dass ich hier eine ganz großartige Strategie mit vielen Boni fahren könnte. Ich werde es wohl nie herausfinden, denn obwohl ich das Spiel insgesamt als durchaus gelungen beschreiben würde habe ich keine Lust mich intensiver mit ihm zu beschäftigen, wie mit seinem direkten Vorgänger oder den Paladinen des Westfrankenreichs, die ähnlich komplex sind. Das liegt aber vor allem an der Länge des Spiels und dem was ich hier tue. Recht schnell wird klar wo die Punkte am schnellsten herkommen und das finde ich dann trotz der ganzen Komplexität irgendwie weniger spannend.

Das Spiel hat kein Thema und es wirkt auf mich so, als würden hier diverse Systeme aneinandergesetzt werden, nur aus dem Grund um insgesamt noch komplexer zu sein. Komplexität aus Gründen der Komplexität sozusagen und nicht weil es Sinn macht. Die Garphil Games gehören für mich zu meinen absoluten Favoriten und ihre Symbolsprache war immer ein Garant für ein gutes Spielerlebnis. Hier ist für mich die Spitze erstmal erreicht. Zu viele Symbole, zu viele Systeme, die einfach nicht mehr so gut harmonieren, wie es bei den Vorgängern noch der Fall war. Wie gesagt, das Spiel ist alles andere als schlecht, aber ein tolles Spiel wie die anderen Spiele der beiden ist es leider auch nicht.

Gelehrte des Südtigris – Symbolik / Foto: Spieltroll

  • Verlag: Schwerkraft Verlag
  • Autor(en): S.J. Macdonald, Shem Phillips
  • Illustrator(en): Mihajlo Dimitrievski
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Spieleranzahl: 1 – 4 Spieler*innen
  • Dauer: 60 – 90 Minuten

2 Gedanken zu „Gelehrte des Südtigris – Aus Zwei und Eins mach Orange“

  1. Witzig bzw. interessant, denn ich sehe es genau andersrum: mir waren die Reisende genau das, was Du hier über die Gelehrten schreibst.

    Die Gelehrten sind für mich wesentlich zugängiger und alle Aktionen sind aufeinander abgestimmt und machen Sinn. Bei den Reisenden ist es genau anders, man schwimmt förmlich, weil es so viele Möglichkeiten gibt und es keinen ersichtlichen Grund gibt, das eine oder das andere zu tun (außer Punkte einzuheimsen und Symbole für die Route zu sammeln). Reisende ist wesentlich weniger gestreamlined als die Gelehrten, was den Einstieg total erschwert. Bei den Gelehrten ist klar was Du machen musst: eine Schriftrolle übersetzen.

    Für mich sind die Gelehrten zusammen mit Paladine die besten beiden Garphill Spiele!

    1. Ja, mir ist durchaus bewusst, dass man das auch anders sehen kann. Ich hoffe auch das es einigermaßen so rüber kam in der Review. Dieses Spiel ist weit davon entfernt nicht gut zu sein. Es muss sich für mich nur mit ziemlich guten Spielen der beiden Autoren messen und da fallen mir hier deutlich mehr negative Punkte auf. Außerdem kam bei uns beiden (meine Frau und mir) nach dem ersten Spiel sofort der Gedanke auf: Immer noch komplexere Mechaniken nur um komplex zu sein und nicht weil es spielerisch Sinn macht.
      Danke für deine andere Meinung. Ist halt immer interessant wie andere Spieler*innen das gleiche Spiel beurteilen.

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