Paladine des Westfrankenreichs

Paladine des Westfrankenreichs / Foto: Spieltroll

Etwas länger hat es gedauert, bis ich die passenden Worte für mein Spiel des letzten Jahres gefunden habe. Die Paladine des Westfrankenreichs ist in seiner Gänze nicht leicht zu beschreiben und ich werde auch später in dieser Rezension nur in Details auf Dinge eingehen können, denn das Spiel umfassend zu beschreiben, wie ich es eigentlich sonst fast immer tue, sprengt definitiv den Rahmen. Das Spiel ist in all seinen Elementen tatsächlich sehr umfangreich, aber, das sei schon vorab erwähnt, spielerisch gar nicht mal so schwer zu verstehen. Wenn man die Erklärung und alle Elemente einmal erfasst hat, dann spielt es sich locker in einer angenehmen Spielzeit herunter. Die Paladine, den Rest lasse ich jetzt einfach mal weg, ist der zweite Teil in der zweiten Spiele-Trilogie von Shem Phillips und S J Macdonald. Den ersten Teil, die Architekten des Westfrankenreichs, habe ich im letzten Jahr bereits gebührend abgefeiert und mit diesem Werk legen sie ordentlich nach.

Worum geht es ?

Thematisch befinden wir uns wieder im westlichen Frankenreich um das Jahr 900 herum. Turbulente Zeiten für die Herrscher, denn verschiedene Feinde klopfen an die Grenzen und bedrohen die Städte. Die Spieler schlüpfen in die Rolle eines adligen Herrschers und müssen verschiedene Aufgaben wahrnehmen. Zum einen müssen sie ihre Städte vor den Feinden beschützen und sie ausbauen, um diesem Ziel näher zu kommen, zum anderen müssen sie den Glauben in der Welt verbreiten. Zu diesem Zweck stehen den Spielern viele Möglichkeiten zur Verfügung, aber hauptsächlich platzieren sie verschiedenste Arbeiter, um damit Stadtmauern zu bauen, Mönche und Außenposten in die Welt zu schicken, Bürger zu rekrutiern und Feinde zu besiegen oder zum Glauben zu konvertieren. Die namensgebenden Paladine entscheiden dabei in jeder Runde die Ausrichtung des Zuges. Am Ende gewinnt der Spieler, der aus all diesen Elementen die meisten Punkte generieren kann.

Paladine des Westfrankenreichs – Spielaufbau Solopartie / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab ?

Wie gesagt, das Spiel und den Aufbau komplett zu beschreiben ist in diesem Rahmen kaum möglich, ich versuche aber trotzdem die wichtigsten Sachen wiederzugeben. Die Paladine kommen im gleichen kleinen Schachtelformat wie die Architekten daher, aber was einem sofort auffällt ist, das die Box fast bis zum bersten mit Material gefüllt ist. Aufmerksame Leser dieses Blogs werden des öfteren darüber stolpern, dass ich mich mit dem Platzbedarf eines Spiels beschäftige. Die Paladine gehören tatsächlich bisher zu den platzintensivsten Spielen, die ich seit Start des Blogs auf dem Tisch hatte. Eine Mehr-als-zwei-Spieler-Partie ist an unserem Tisch leider nicht umsetzbar. Der Platzbedarf ist enorm und dürfte selbst auf größeren Spieltischen an die Grenzen stoßen.

Paladine des Westfrankenreichs – Mittleres Spielbrett rechter Teil / Foto: Spieltroll

In die Mitte des Tisches gehören zwei schmale, lange Spielbretter die nebeneinandergelegt den Spieltisch schonmal in der Mitte teilen. Ober- und unterhalb müssen noch Karten ausgelegt werden. Dann bekommt jeder der bis zu vier Spieler noch ein eigenes Brett, an dem die Spieler an jeder seite auch noch Karten an- oder auslegen müssen. Unser Spieltisch ist damit für zwei Spieler schon fast überfordert, denn auch das Spielmaterial in Form von sechs verschiedenen Arbeitern, Münzen, Nahrungsmittelmarkern und einigen Karten will noch ausgelegt werden. Wirklich krass, anders kann ich das nicht nennen.

Paladine des Westfrankenreichs – Mittleres Spielbrett linker Teil / Foto: Spieltroll

Die beiden mittleren Bretter stellen quasi das Reich dar, in dem wir uns bewegen. Die beiden Bretter haben dabei noch verschiedene Funktionen. Das linke dient als Ablage für die königlichen Dekrete und Gefallen, die uns in den ersten drei Runden Möglichkeiten für das Spielende zu punkten angeben. In den Runden danach bekommen wir zusätzliche Einsatzfelder für unsere Arbeiter zur Verfügung gestellt. Diese Leiste fungiert dabei gleichzeitig auch als Rundenzähler, denn Paladine läuft über genau sieben Runden. Oberhalb dieses Bretts werden Stadtbewohnerkarten angelegt, die für bestimmte Kosten gekauft werden können. Auf dem rechten Brett gibt es verschiedene Orte an denen wir im Verlauf des Spiels Mönche und Außenposten einsetzen können, um jeweils eine Belohnung zu erhalten. Unterhalb der Leiste liegen derweil die Karten der Feinde an, die unser Reich bedrohen. Diese können wir im Spielverlauf entweder besiegen oder aber konvertieren. Das eine bringt uns kurfristige Belohnungen, das andere am Ende eine Möglichkeit Punkte zu machen. Außerdem befinden sich oberhalb noch Ablagen für Schuldscheine und die sogenannten Verdachtskarten. Mit auf dem Brett ist noch ein Feld für Münzen, das für die Inquisition der Kirche steht. Wann immer ein Spieler aus diesem Bereich eine Münze nehmen muss und keine mehr vorhanden ist, sucht die Inquisition den Spieler mit den meisten Verdachtskarten heim.

Paladine des Westfrankenreichs – Spielerbrett / Foto: Spieltroll

Kommen wir zu den viel umfangreicheren und größeren Spielerbrettern, Tableaus kann man die wirklich nicht mehr nennen. Auch hier werden die Ränder für allerlei Dinge benutzt. Ganz links befindet sich eine der wichtigsten Leisten des Spiels, denn auf ihr zeigen die Spieler ihre drei Eigenschaften (Glaube, Stärke und Einfluß) mit kleinen Fähnchen an. Am Anfang stehen alle drei Eigenschaften ganz unten bei Null und können bis auf 12 gesteigert werden. Am oberen Rand bauen die Spieler ihre Stadtmauer, die den Schutz ihres Reiches repräsentiert. Von links nach rechts wird der Bau immer teurer, aber je weiter man voran kommt, desto mehr Punkte am Ende. Außerdem bringen Stadtmauerteile auch Boni mit sich. Daneben gibt es eine Ablage für Verdachtskarten. Unten an unserem Spielbrett legen wir von links nach rechts unsere knovertierten Feinde ab. Auch das konvertieren wird von links nach rechts immer teurer. Das Spielbrett an sich ist dann grob nochmal in zwei Hälften unterteilt. Auf der linken Seite befinden sich sechs Einsatzmöglichkeiten für unsere Arbeiter, die wir fast ohne Vorraussetzungen benutzen können. Außerdem gibt es eine Ablage für unsere Paladinkarte der Runde. Auf der rechten Seite sind sechs weitere Einsatzfelder für Arbeiter vorhanden, die aber alle immer drei Arbeiter in bestimmten farbigen Kombinationen benötigen. Zusätzlich benötigt man eine der drei Eigenschaften als Vorraussetzung für das Einssetzen, erhält aber meistens auch in einer anderen Eigenschaft einen Vorteil heraus. Am oberen Rand sind noch drei Leisten mit „Gebäuden“, die man von den Leisten durch Aktionen entfernen kann. Die Gebäude setzt man auf andere Felder ein und erhält dafür Vergünstigungen oder Boni. Beim Entfernen von der leiste erhält man ebenfalls einen Bonus. Das gleiche gilt für kleine Vasen am unteren Rand, die wir ebenfalls entfernen können, um sie woanders einzusetzen. Das bringt ebenfalls wieder Boni.

Paladine des Westfrankenreichs – Spielerbrett / Foto: Spieltroll

Die Paladine ist ein sehr verzahntes Spiel, fast jede Entscheidung hängt mit anderen Dingen zusammen, löst Effekte aus und bringt uns etwas, mit dem wir wieder etwas anfangen können. Am Ende dieser Kette stehen natürlich immer die Siegpunkte, die wir auf verschiedenste Weise erreichen können. Überall auf unserem Spielbrett befinden sich an dan leisten kleine gelbe Fähnchen mit Zahlen. Wir müssen uns in den Leisten weiter ans Ende vorarbeiten, um mehr Siegpunkte zu erhalten. Bestes Beispiel ist unsere Eigenschaftsleiste, schaffen wir es auf Stufe 12 so erhalten wir 20 Siegpunkte. Jede Eigenschaft wird dabei einzeln gezählt. Punkte gibt es ebenfalls für die „Gebäudeleisten“. Auch wenn wir es schaffen unsere Stadtmauer weit auszubauen bekommen wir Punkte und noch einges mehr.

Paladine des Westfrankenreichs – Arbeiter / Foto: Spieltroll

Das Spiel läuft dabei eigentlich sehr fix ab, denn jeder Spieler kann immer nur eine Sache tun, wenn er an der Reihe ist. Zu Beginn einer jeden Runde steht für alle aber die Entscheidung, welchen Paladin sie in dieser Runde nehmen wollen. Jeder Spieler verfügt über ein Deck aus 12 Paladinkarten. Jeder Paladin hat verschiedene Fähigkeiten und bringt einem verschiedene Eigenschaftspunkte und Arbeiter mit. Der Mechanismus ist recht clever überlegt und erlaubt es den Spielern drei Paladinkarten vom gemischten Deck zu ziehen. Die Spieler entscheiden sich dann für eine Karte, die sie verdeckt auf das Ablagefeld ihres Bretts legen. Eine weitere der Karten legen sie oben verdeckt auf das Deck zurück und die dritte Karte kommt unter den Stapel. so kann man sich Karten für spätere Runden zurücklegen und andere ganz aus dem Spiel nehmen, weil in späteren Runden manche Karten nicht wieder in die Rotation kommen, denn wir spielen ja „nur“ sieben Runden/Paladine. Nachdem alle gewählt haben wird umgedreht und jeder erhält die auf der Paladinkarte angegebenen Arbeiter in den entsprechenden Farben. Es gibt Arbeiter (weiß), Kundschafter (grün), Händler (blau), Kämpfer (rot), Priester (schwarz) und Verbrecher (lila). Jeden braucht man für andere Felder. Die Arbeiter sind dabei die normalen Arbeiter, deren Felder auch von jeder anderen Farbe besetzt werden können und die Verbrecher sind Joker, die für jede andere Farbe eingesetzt werden können. Jeder Verbrecher den man erhält zwingt einen aber auch dazu eine Verdachtskarte vom Stapel zu ziehen und sie auszuführen und danach zu sammeln. Der Paladin bringt ansonsten auch immer einen temporären Schub in den Eigenschaften mit sich, die man nicht auf der Leiste abträgt, da der Schub nur für die eine Runde gilt.

Paladine des Westfrankenreichs – Tavernenkarten / Foto: Spieltroll

Zusätzlich zu den Paladinen wählt jeder Spieler in Reihenfolge eine der offen ausliegenden Tavernenkarten, von denen zu Beginn einer Runde immer eine mehr als Spieler mitspielen zentral ausgelgt werden. Sie repräsentieren das Stadtvolk das sich in den Tavernen der Stadt für Arbeit rekrutieren lässt. Reihum wählt also jeder Spieler eine der Karten und erhält die auf ihr abgebildenten vier Arbeiter in den entsprechenden Farben. Mit diesen Arbeitern plus denen des Paladins beginnt ein jeder nun das Spiel. Außerdem hat jeder Spieler 3 Münzen und eine Nahrung als Startkapital. Reihum muss nun jeder einen Zug machen, soll heißen Arbeiter auf seinem Brett einsetzen und sämtliche Folgen ausführen.

Paladine des Westfrankenreichs – Paladinkarten / Foto: SPieltroll

Das könnte Beispielhaft wie folgt ablaufen, zu Beginn setzt man einen Arbeiter und einen Händler zum Handeln ein und erhält drei Münzen, im nächsten Zug möchte man für vier Münzen und zwei Arbeiter eine seiner Werkstätten errichten, die man von der Leiste entfernt und dafür wieder einen weißen Arbeiter als Belohnung erhält. Die Werkstatt setzt man dann rechts bei der Missionieren-Fähigkeit ein, um diese Aktion um einen Arbeiter billiger zu machen. Mit dem nächsten Zug und einem Arbeiter und einem Kämpfer führt man eine Rekrutierung aus, die es uns erlaubt einen Stadtbewohner zu rekrutiern. Dieser bringt uns als Soforteffekt einen Priester als Arbeiter. So haben wir uns mit unseren anfänglichen sechs Arbeitern schon weitere erspielt die wir nun auch einsetzen können. Für diese können wir einen Mönch in die Welt zum missionieren schicken und erhalten so als Belohnung einen Schritt auf der Einflussleiste und für das Einsetzen wieder zwei Münzen. So, oder so ähnlich wird rundherum gespielt, bis alle Spieler gepasst haben und die nächste Runde vorbereitet werden kann.

Ihr merkt bestimmt schon an der Beschreibung, dass es recht schwierig ist das alles kurz und akurat zu beschreiben. Das soll auch nur ein kurzer Einblick in das Spielgeschehen sein. Die Spieler sind also gefordert aus ihren Arbeitern das beste herauszuholen und eine Art Engine von Runde zu Runde neu zu entwickeln, die es erlaubt möglichst viel aus den Arbeitern herauszuholen. Die Paladine sind dabei nur die Initialzündung des ganzen und geben einem durch ihre Fähigkeiten eine Richtung. Nach sieben Runden werden die Punkte dann gezählt und der Spieler der die meisten Punkte erzielen konnte gewinnt.

Es sei noch erwähnt das Paladine genau wie sein Vorgänger über einen exzelenten Solomodus verfügt, den man in kürzerer Spieldauer sehr gut beenden kann, wenn man ihn nach kurzer Gewöhnungszeit verinnerlicht hat. Das einzige was einen abhalten könnte ist die immense Vorbereitungs und Aufbauzeit.

Das Fazit

Ich liebe die Architekten des Westfrankenreichs und halte es nach wie vor für eines der besten Worker-Placement-Spiele überhaupt. Die Paladine setzen da aber sogar noch ein kleines bißchen was oben drauf. Das Spiel richtet sich definitv an erfahrene Spieler und die Erklärung aller Möglichkeiten dauert schon einen Moment und will verarbeitet werden, aber genau wie bei den Architekten, ist das Spiel an sich dann so geschliffen und rund und läuft locker flockig von der Hand, das es eine wahre Freude ist. Ich hätte vor Paladine nie gedacht, das ein Spiel diesser Komplexität sich so schnell spielen lassen würde, denn die Downtime ist schon recht gering. Jeder versucht seine Pläne so gut es geht umzusetzen. Dabei ist der Interaktionsgrad mit anderen Spielern durchaus vorhanden, denn alle streiten um die gleichen Karten und die Plätze in der Auslage. Es gibt aber gleichzeitig soviele Wege zum Erfolg zu kommen, das sich jede Partie anders anfühlt. Ob man auf Ausbauten in der Region setzt, möglichst viele Stadtbewohner anheuert oder zusätzlich Siegpunkte über konvertierte Feinde generiert. Vieles führt zum Erfolg. Man kann nie alles in einer Partie berücksichtigen, sondern muss abwägen und kann immer wieder neue Siegstrategien ausprobieren.

Shem Phillips und S J Macdonald liefern hier erneut ganz gehörig was ab. Paladine ist ein weiterer Höhepunkt ihres gemeinsamen Schaffens. Bei den Architekten hatte ich schon überlegt das Prädikat zu zücken und hier muss ich es tun. Es gibt zwei kleine Dinge die mich ein wenig stören, aber die sind nicht ausschlaggebend dafür das Prädikat zu verweigern, trotzdem seien sie nochmal erwähnt. Das eine ist der Platzbedarf, den ich viel zu groß finde und das zweite sind die Gefallen des Königs Karten die in der Mitte ausliegen und uns neutrale Einsatzfelder liefern. Diese sind meist sehr gut und wurden in den Partien die ich gespielt habe fast immer sofort vom Startspieler besetzt, so dass der Eindruck entstand, dass sie ein bißchen zu dominant sind. Diese beiden Dinge sind die einzigen negativen Punkte die ich nennen kann. Ansonsten ist Paladine für mich ein Meisterwerk das Engine Building und Worker Placement so gekonnt verzahnt und einem eine geniale Spielerfahrung generiert. Man fühlt sich einfach gut, wenn es einem gelingt aus ein paar kleinen Arbeitern und Rohstoffen einen Zug zu kreiren, indem man immer wieder neue Dinge produziert, um sie sofort wieder einzusetzen.

Auch der Solomodus ist wirklich ziemlich gut. Die Architekten hatten schon einen sehr ausgeklügelten schönen Modus, aber Paladine spielt sich noch viel besser trotz all der Komplexität. Man braucht zwar genausoviel Platz wie für eine Zweispielerpartie, aber es lohnt sich. Macht wirklich Spaß. Das Material ist gelungen und vor allem ziemlich reichhaltig. Die Illustrationen sind wiedereinmal von The Mico wunderbar umgesetzt worden, ich kann mich einfach nicht an seinem schrägen Karikaturstil satt sehen. Paladine des Westfrankenreichs ist für mich eines der besten Spiele des letzten Jahres und eines der besten Worker-Placement- Spiele überhaupt und da es soviele gute da draußen gibt, muss das schon was heißen!


  • Verlag: Schwerkraft Verlag
  • Autor(en): Shem Phillips, S J Macdonald
  • Illustrator(en): Mihajlo Dimitrievski
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Spieleranzahl: 1 – 4
  • Dauer: 90 – 120 Minuten

6 Gedanken zu „Paladine des Westfrankenreichs“

  1. Eine schöne Rezension – ich teile diese Einschätzung eines großartigen Spiels!
    Zu den Gunstkarten: Unser Eindruck war auch, dass sie sehr gut sind und den Startspieler helfen – aber in jeder Runde stehen mehr zur Auswahl und der Startspieler kann nur eine besetzen – so kommen auch die folgenden Spieler an gute Vorteile. Meist hilft es auch, dafür schon einen Verräter mit in die nächste Runde zu nehmen 🙂

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