Kleine Völker, großer Garten – Hochhäuser hinter der Hecke

Kleine Völker, großer Garten

Ich muss zugeben, dass ich bei den meisten Spielen von Board Game Circus von dem, was ich zuerst zu sehen bekomme, meist relativ angetan bin und einen Kaufimpuls verspüre. Die letzten Spiele haben sich dann aber doch eher als nur so mittel herausgestellt. So ging es mir zumindest mit den Tieren vom Ahorntal und auch mit Im Schatten der Pagode. Optisch wirkten beide sehr ansprechend, aber das spielerische ließ dann doch zu wünschen übrig. Auch beim vorliegenden Kleine Völker, großer Garten, war ich sofort an Bord, auch wenn mir die grafische Gestaltung mal so gar nicht gefällt, aber das Spiel sah für mich trotzdem spannend aus und schien einen schönen Mechanismus zu haben. Erst dann habe ich auf die Autoren geschaut und fand mit Rémi und Nathalie Saunier zwei, für mich, völlig unbekannte Namen vor. Na gut, dass will ja nichts heißen. Der Originalverlag Bombyx ist aber einer, der mich ebenfalls aufhorchen lässt. Also habe ich es schlußendlich gekauft und wir haben es ausgiebig ausprobiert. Hey und welches Spiel hat sonst noch einen Schildkrötenkran als Spielfigur?

Worum geht es?

Das Spiel nimmt sich viel Zeit für seine Geschichte, um vier kleine elfenartige Völker die in Konkurrenz zueinander stehen und beschreibt die unterschiede dieser Völker gleich auf den ersten Seiten der Anleitung recht ausführlich. Das ist natürlich nur ein Versuch dem Spiel einen Rahmen zu geben damit es nicht komplett unthematisch dasteht. Diese vier Völker sind wohl eigentlich mal eines gewesen und haben sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt, was aber wirklich unerheblich für das Spiel ist, denn sie spielen sich alle komplett gleich. Sie besiedeln einen neuen Garten und versuchen hier die Vorherrschaft zu erreichen. Das klingt zunächst recht kriegerisch, ist es aber überhaupt nicht, auch wenn es tatsächlich um Area Control geht. Die Spieler*innen bauen in sieben Regionen des Gartens nach und nach Behausungen ihres Volkes und versuchen die Regionen zu kontrollieren und Bauaufträge zu erfüllen. Wer dadurch die meisten Siegpunkte generiert, gewinnt das Spiel wenn das Spielende dadurch ausgelöst wird, dass ein*e Spieler*in sein letztes Gebäude auf das Spielfeld setzt.

Kleine Völker, großer Garten – Spielaufbau für drei Spieler*innen / Foto: Spieltroll

Wie läuft das ab?

Kleine Völker, großer Garten ist ein Spiel das auf die meisten zunächst recht komplex wirken dürfte, es aber zum Glück gar nicht ist. Um es vorweg zunehmen, es ist sogar erstaunlich simpel und hat nur ein paar Regeln an die die Spieler*innen extra denken müssen.

Kleine Völker, großer Garten – Spieler*innentableau / Foto: Spieltroll

Jede*r der bis zu vier Spieler*innen erhält einen Satz von 20 stapelbaren Plastikgebäuden in Spieler*innenfarbe, sowie ein Tableau für das Volk und drei besondere Marker, sowie vier sogenannte Listplättchen. Die drei Marker dienen zum Anzeigen der Zugreihenfolge auf dem Spielbrett, sowie der Siegpunkte auf der Punkteleiste und einem Bevölerungsmarker auf dem eigenen Tableau. Je nach Spieler*innenreihenfolge starten wir auf unserem Tableau mit einer gewissen Menge Bevölkerung, die als Währung des Spiels fungiert.

In der Mitte wird das Spielfeld aus einzelnen Modulen zusammengepuzzelt. Es gibt einen Rahmen in den wir sieben große Sechsecke einlegen müssen. Diese Sechsecke sind nummeriert und zeigen jeweils wiederum sieben verschiedenfarbige Kreise, die genauso angeordnet sind, wie die Sechsecke des Spielfelds. Die Farben stehen für die drei unterschiedlichen Bodenarten Wiese, Stroh und Laub. Jeder dieser Kreise zeigt einen Wert von eins bis fünf. Darüber hinaus ist auf jedem Sechseck noch ein Dornenkreis ohne Zahlenwert zu finden. Neben diesem großen Spielfeld gibt es noch eine kleinere Kartenablage auf der wir vier Karten der öffentlichen Bauvorhaben auslegen. Die Spieler*innen bekommen zu Spielbeginn auch noch geheime Bauvorgaben, die sie bis zum Spielende versuchen sollten zu erfüllen. Neben dem Spielfeld bereitgelegt werden die neutralen Dächer für die Bauwerke, sowie der Schildkrötenkran und neun Bodenplättchen mit Wert fünf, von denen drei jeweils eine der Bodenarten zeigen. Diese Plättchen werden in dem Moment platziert, wenn jemand auf einem Dornenfeld bauen möchte.

Kleine Völker, großer Garten – Bauvorhaben / Foto: Spieltroll

An der Seite des Spielfelds gibt es eine Zugreihenfolgeleiste auf der die Spieler*innen ihre Marker platzieren. Je nach Spieler*innenanzahl sieht diese anders aus und funktioniert auch ein klein wenig anders. Der oder die Startspieler*in darf eine Aktion ausführen und bestimmt am Ende der Aktion wer als nächstes an der Reihe ist. Der oder diejenige führt anschließend zwei Aktionen aus und so weiter. Wer als letztes an der Reihe war, startet in der nächsten Runde zuerst, so dass sogar drei Aktionen in Reihe ausgeführt werden können. Das ist schon recht speziell, passt aber auch zum Zugmechanismus des Spiels, denn im Grunde geht es in Kleine Völker, großer Garten darum Gebäude auf den Bauplätzen zu bauen. Wer an der Reihe ist, muss immer in dem Gebiet bauen in dem der Schildkrötenkran steht. Die Position des Krans wird immer durch den vorherigen Spieler bestimmt. Die sieben Gebiete decken sich in ihrer Anordung mit den jeweils sieben Bauplätzen in einem Gebiet. Nachdem auf einem Bauplatz gebaut wurde, wird der Kran in das Gebiet gestellt das zu diesem Bauplatz passt und der oder die nächste Spieler*in muss dann dort bauen und so wandert der Kran immer zwischen den sieben Gebieten hin und her. Dies ist der hauptsächliche Mechanismus den es zu verstehen gilt.

Kleine Völker, großer Garten – Gebäude bauen / Foto: Spieltroll

Folgende Aktionen können die Spieler*innen ausführen, wenn sie an der Reihe sind: Entweder sie bauen ein Gebäude, oder sie reißen eines ab. Für jede Aktion gilt außerdem, dass ein Bauvorhaben erfüllt werden darf, falls das möglch sein sollte. Es gibt noch eine Reihe von Listaktionen, von denen aber nur eine als eigenständige Aktion gilt. Soll ein Gebäude gebaut werden, so wird ein Stockwerk auf das zu bebauene Feld gestellt. Es darf immer nur auf leeren oder bereits von eigenen Gebäuden besetzten Feldern gebaut werden. Um ein Stockwerk zu errichten, bezahlen wir mit Bevölkerung, die wir auf unserem Tableau abtragen. Der Preis berechnet sich aus dem Stockwerk plus der Zahl der vorhandenen Stockwerke auf dem Bauplatz. Steht dort zum Beispiel eine drei so kostet das erste Stockwerk drei Bevölkerung und sollte dort bereits ein Stockwerk stehen vier. Wird ein Gebäude wieder abgerissen, so erhalten wir auch Bevölkerung zurück, allerdings immer doppelt soviel, wie der gesamte Bau gekostet hat. Um das nicht immer ausrechnen zu müssen steht auf jedem Tableau eine Tabelle mit den Bevölkerungsangaben für diese Aktion. Sollten wir durch einen Bau eines der öffentlichen Bauvorhaben erfüllen können, so nehmen wir uns die Karte und bekommen die Punkte. Die öffentlichen Bauvorhaben beziehen sich dabei auf die Art der Felder auf denen gebaut werden muss. Die Höhe der Gebäude und oder auch aus einer bestimmten Anordnung. Zusätzlich müssen wir auf ein Gebäude, das wir durch ein Bauvorhaben gewertet haben, ein Dach legen. Dieses Gebäude darf nicht weiter erhöht werden, kann aber normal abgerissen werden.

Kleine Völker, großer Garten – Gebäude gibt Region für den nächsten Bau vor / Foto: Spieltroll

Im Prinzip wäre das schon das ganze Spiel und wir würden versuchen bis zum Ende so zu handeln, unsere geheimen Bauvorhaben zu erfüllen und viele Punkte zu erzielen, wären da nicht noch die Listplättchen. Jede*r Spieler*in hat vier davon und darf diese im Laufe einer Partie benutzen. Die drei Aktionen, die wir damit ausführen können nennen sich Gebiet wechseln, Dach verschieben und Gebäude überfallen. Wir sind ja immerhin in einem Konflikt mit unseren Nachbarvölkern. Mit der „Gebiet wechseln“-List dürfen wir zusätzlich zu einer unserer Aktionen den Schildkrötenkran um ein Gebiet höher oder niedriger versetzen und das bezieht sich auf die Nummerierung der Gebiete. Auch die „Dach verschieben“-List wird zusätzlich zur Aktion ausgeführt und erlaubt es ein bestehendes Dach in dem Gebiet der Aktion zu verschieben. Voraussetzung ist, dass es ein weiteres, eigenes Gebäude auf einem gleichen Bodenfeld gibt, dass noch kein Dach besitz. Die dritte List erlaubt es ein Gebäude einer Mitspieler*in zu übernehmen. Dazu bezahle ich doppelt so viel Bevölkerung, wie zum Bau bezahlt wurde und tausche die Stockwerke aus. Die Mitspieler*in erhält genausoviel Bevölkerung zurück.

Kleine Völker, großer Garten – Listaktionen / Foto: spieltroll

Nachdem alle Spieler*innen ihre Aktionen in einer Runde ausgeführt haben, folgt eine Bevölkerungsphase, in der die einzelnen Gebiete ausgewertet werden. Die Spieler*in die die meisten Stockwerke in einem Gebiet besitzt, erhält 2 Bevölkerung für dieses Gebiet. So werden alle sieben Gebiete ausgewertet. Bei einem Gleichstand bekommen die beteiligten Spieler*innen je eine Bevölkerung.

Zu guter letzt folgt die Aufräumphase in der die Zugmarker von der Leiste entfernt werden und eine neue Runde beginnt.

Kleine Völker, großer Garten – Abgeschlossenes Bauvorhaben / Foto: Spieltroll

Das Spiel ist vorbei, sobald zu irgendeinem Zeitpunkt ein*e Spieler*in mal alle zwanzig Stockwerke verbaut hatte, auch wenn am Ende der Runde wieder Stockwerke im Vorrat sein sollten. Die Runde wird zu Ende gespielt, die geheimen Bauvorhaben ausgewertet und ein*e Sieger*in ermittelt.

Das Fazit

Im Gegensatz zu meiner eingangs erwähnten Board Game Circus Erfahrung der letzten Zeit ist Kleine Völker, großer Garten ein echter Gewinn. Irgendwie scheint es hier andersherum zu sein. Die Optik gefällt mir leider überhaupt nicht und das gilt nicht nur für das Cover und die Illustrationen von Brett und Tableaus, nein auch die gummiplatikartigen Stockwerke in ihren grellen Farben finde ich scheußlich, wobei die bei entsprechender Bemalung wahrscheinlich süß aussehen könnten. Einzig der Schildkrötenkran Frida und die Blätterdächer im schnöden Grau gefallen mir gut. Das Material ist eh seltsam. Auch die Karten sind irgendwie von fragwürdiger Qualität, kommen aber in einem Schuber, damit sie in der Schachtel etwas sicherer untergebracht werden können. Davon darf sich der ein oder andere Verlag gerne mal eine Scheibe abschneiden. Die Marker für die spielrelevanten Leisten hingegen sind viel zu klein. Also hier ist leider nciht alles Gold was glänzt. Das war bei den oben erwähnten Titeln deutlich anders. Dort gab es viel Bling, dass einen blenden konnte. Hier stimmt dafür das Spielerische aus meiner Sicht.

Kleine Völker, großer Garten – Spielsituation / Foto: Spieltroll

Kleine Völker, großer Garten kann mit interessanten Mechanismen punkten. Sowohl die Zugreihenfolge, in der der Vorgänger immer bestimmt, wer als nächstes an der Reihe ist, als auch der Setzmechanismus mit dem Schildkrötenkran, sind sehr faszinierend und funktionieren hervorragend. Sie führen zu einem spannenden und interaktiven Wettbewerb unter den Spieler*innen. Für uns machte Kleine Völker, großer Garten auch in jeder Konstellation Spaß, wobei der Sweetspot bei drei Spieler*innen liegt. Mit der Spielzeit von etwas über einer Stunde kamen wir sehr gut hin und können diese bestätigen.

Kleine Völker, großer Garten – Schildkrötenkran Frida / Foto: Spieltroll

Dieses Spiel schafft es sehr interaktiv zu sein und trotz seines Area-Control-Genres nicht zu konfrontativ zu sein. Alles ist irgendwie indirekt und nur die eine List sticht hier heraus, bei der wir direkt ein Gebäude angreifen können. Die Kompensation ist allerdings vorhanden und lässt das nicht so schlimm erscheinen. Außerdem kann diese Aktion maximal viermal pro Spieler*in genutzt werden, was bei uns selten vorkam, weil auch die anderen Listaktionen sehr wertvoll sind. Das einzige kleine spielerische Problem, was ich hier hatte waren die Bauvorhaben an sich, bei denen ich das Verhältnis der Punkte mancher Aufträge zueinander etwas seltsam fand. Einge recht schwierige Aufträge, so fand ich, brachten zu wenige Punkte, während es auch sehr leichte gab, die etwas zuviele Ertrag brachten. Das ist aber nur so ein Gefühl, dass ab und an zu Tage kam.

Insgesamt kann ich Kleine Völker, großer Garten aus spielerischer Sicht nur loben. Es gefällt mich ausgesprochen gut, nur die Optik stört den Gesamteindruck für mich erheblich. Wer aber darüber hinwegsehen kann wird hier ein tolles Spiel vorfinden mit dem sich einige Zeit verbringen lässt.


  • Verlag: Board Game Circus
  • Autor*in(en): Rémi Saunier, Nathalie Saunier
  • Illustrator*in(en): Maxime Morin
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Spieler*innenanzahl: 2 – 4 Spieler*innen
  • Dauer: 60-75 Minuten

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