Shem Phillips hat sich mit seiner ersten Trilogie, den Nordseespielen, schon einen Namen gemacht. Immerhin waren die Räuber der Nordsee für das Kennerspiel des Jahres nominiert, wenn auch der Rest der Serie eher so lala war. Mich konnten auch die Räuber der Nordsee nicht vollends überzeugen. Mit seiner zweiten Trilogie aus dem Westfrankenreich wurde aber alles nocheinmal viel besser und er katapultierte sich in die höchste Riege der Spieledesigner. Angefangen mit den phänomenalen Architekten des Westfrankenreichs einer eleganten und innovativen Einleitung in die Trilogie, gefolgt von den Paladinen des Westfrankenreichs, einem ungleich komplexeren Meisterwerk des Workerplacement und der verzanhnten Mechanismen folgt nun der finale Titel der Serie die Burggrafen des Frankenreichs und es besteht die Hoffnung, dass Shem Phillips hier nocheinmal ein tolles Spiel oben drauf gesetzt hat, um die Trilogie zu einem würdigen Abschluss zu bringen. Die beiden Vorgänger kann man bereits jetzt als Riesenerfolge bezeichnen und so bleibt zu hoffen das gemäß des Sprichwortes auch hier ‚Aller Guten Dinge drei‘ sind.
Worum geht es?
Das Zusammenspiel von weltlicher und religiöser Macht ist das zentrale Thema dieser Spielserie und das ist auch im letzten Titel nicht anders. Die Spieler steuern ihren Burggrafen über das Spielfeldrondell und versuchen durch ihre Kartenauslage die bestmögliche Aktion auszulösen. Diese verschafft ihnen dann Rohstoffe mit denen sie Gebäude errichten, Schriftrollen erstellen oder neue Untertanen anlocken können. Das alles tun sie natürlich um im Endeffekt möglichst viele Siegpunkte zu erlangen, um vor den Gegenspielern ins Ziel zu kommen. Das Zusammenspiel der Mechaniken ist auch in diesem Spiel wieder extrem verzahnt und diesmal verbindet sich eine Deckbuildingmechanik mit dem Rondell des Spielfelds zu einer neuartigen Mischung.
Wie läuft das ab?
Zunächst ein Überblick über die Komponenten und den Spielaufbau. Zentral wird das Spielbrett ausgelegt. Es besteht aus fünf Segmenten, die beliebig kombiniert werden können. Zusammengehalten werden diese von einer flachen Plastikburg, die in die Mitte gesteckt wird. Diese Burg muss vor dem ersten Spiel noch mit ein paar Aufklebern beklebt werden, damit sie einsatzbereit ist. Sie spielt eine zentrale Rolle im Spiel. Auf jedem Spielplanteil gibt es mittig eine Ablage für einen Kartenstapel. Hier werden die neutralen Stadtbewohnerkarten ausgelegt. Wir mischen den kompletten Stapel und teilen ihn hinterher in fünf etwa gleiche Stapel auf und legen diese hier offen aus. Wir können also immer die oberste Karte sehen. Anschließend mischen wir die Manuskripte. Das sind Buchmarker die wir ebenfalls auf jedes Kartensegment auslegen müssen. Auch hier bilden wir verdeckte Stapel die aus je sieben Markern bestehen. der unterste jedes Stapels muss eine graue Rückseite haben, denn wenn wir diese gebildet haben, drehen wir sie um, so das nun das Buch mit der grauen Rückseite ganz oben liegt und legen diese Stapel auf ihre Ablagen der Spielbretter. Die ganzen Ressourcen legen wir neben dem Spielbrett bereit.
Jeder Spieler bekommt ein Tableau, sowie seinen eigenen Satz aus acht Stadtbewohnerkarten. Hinzu kommen noch zwanzig Arbeiterfiguren und ein paar Gebäudemarker in seiner Spielerfarbe, sowie ein Korruptions- und Tugendmarker für sein Tableau. Die Gebäude werden sogleich auf die entsprechenden Gebäudefelder des Tableaus gestellt. Nun wird der Stapel mit den Startkarten gemischt und offen eine Reihe mit Karten in der Anzahl der Spieler plus eins gebildet. Anschließend werden die besonderen Stadtbewohnerkarten gemischt und unter jede Startkarte einer ausgelegt. Ein Startspieler wird ausgewählt und der Spieler, der als letztes am Zug wäre, ist der erste, der sich eine Kombination von Startkarte und Bewohner aussuchen darf. Alle anderen Spieler tun es ihn gleich. Die Startkarte zeigt die Ressourcen, Karten und Aktionen an, die ein Spieler zu Beginn erhält. Den besonderen Stadtbewohner mischt er in seinen Stadtbewohnerstapel, zieht drei Karten als Starthand und legt den restlichen Stapel neben sein Tableau. Die Startkarte zeigt außerdem eine Startposition auf dem Spielbrett an auf den der Burggraf des Spielers das Spiel beginnt.
Zum Schluß muss nur noch der Spielendemechanismus vorbereitet werden und der besteht aus zwei Stapeln mit Schuldscheinen und Besitzurkunden. Diese beiden Kartentypen kennen wir schon aus den Vorgängerspielen und sie funktionieren hier genauso. Wir bekommen die Karten und sie sind wenig oder Minuspunkte wert, bis wir sie im Spiel umdrehen und sie wertvoller werden. Diese Karten liegen in zwei Stapeln aus. Sie werden in einer Anzahl, die von der Spielerzahl abhängt, auf die Armuts- bzw. Wohlstandskarte gelegt. Das Spielende wird angestoßen, wenn eine von beiden aufgedeckt wird. Passiert das, wird die Runde zu Ende gespielt und danach findet noch genau eine weitere Runde statt, bevor gezählt wird. Je nachdem welche der Karten aufgedeckt wird, gibt es Punkte für die Karten des anderen Stapels, was die Spieler dazu bringen wird mehr Karten von dem Stapel zu ziehen, der aber wiederum falls die Punktekarte aufgedeckt wird, den Karten des anderen Stapels mehr Punkte zuschreibt. Das ist eine wirklich faszinierende Mechanik zum Punkten während des Spielendes.
Das Spiel kann nun beginnen und läuft wie folgt ab. Der Zugverlauf ist auf dem Tableau der Spieler sehr schön abgebildet, so dass man ihn Punkt für Punkt abarbeiten kann. Der Zug eines Spielers besteht aus sechs Phasen, was zunächst sehr viel klingt, aber im Normalfall sehr schnell erledigt ist. Einige Spielkonzepte müssen aber definitv näher beleuchtet werden, so dass man sie versteht. Der Spielerzug beginnt mit dem Kartenmanagement, was bedeutet, der Spieler muss zunächst bereits ausgespielte Karten auf seinem Tableau um eine Position nach rechts verschieben. Sein Tableau bietet Platz für drei Karten und sämtliche Karten verfügen über einen Karteneffekt, der entweder andauernd, sofort oder beim Ablegen eintritt. Sollte der Spieler also eine Karte von seinem Tableau schieben, so wird der Effekt der Karte, sofern sie einen Ablageeffekt hat abgehandelt. Anschließend spielt der Spielr eine Karte von seiner Hand aus und legt sie ganz links in die Reihe. Hat die Karte einen Soforteffekt, wird dieser abgehandelt. Sollte es sich bei dem Stadtbewohner um einen Kriminellen gehandelt haben, so erhält der Spieler außerdem sofort Korruption. Korruption und Tugend wird durch jeweils einen Marker auf dem Spielertableau angezeigt, die sich entgegenlaufen. Sollten sie sich irgendwann begegnen, was früher oder später auf jeden Fall vorkommen wird, kommt es zu einem Effekt, der je nachdem, wo sich auf dem Tableau die Marker begegnen einen guten oder schlechteren Effekt für den Spieler und für seine Mitspieler haben wird. Der effekt der Kollision wird aber nicht sofort abgehandelt, wenn er eintritt, sondern es gibt eine eigene Phase dafür. Sollte ein Spieler in dieser Phase keine Handkarten mehr haben, so wird die oberste Karte des Zugstapels einfach aufgedeckt und an die erste Position gelegt.
Als zweites muss ein Spieler seinen Burggrafen bewegen und das macht er um genauso viele Felder, wie die gerade gespielte Stadtbewohnerkarte vorgibt. Denn ihre Kosten ist auch gleichzeitig die Anzahl der Felder, die man den Burggrafen ziehen muss. Das Spielbrett gibt dabei durch Pfeile vor, wolang man seinen Burggrafen ziehen darf. Er muss allerdings über die volle Distanz von Feldern gezogen werden. Phase drei ist dann die Hauptphase des Spiels. Hier hat eine Spieler die Möglichkeit eine von vier Handlungen zu tun. Welche, ist abhängig von den Symbolen, die durch seine Stadtbewohner auf seinem Tabelau vorgegeben werden. Außerdem hat ein Spieler die Möglichkeit einen neutralen Stadtbewohner, neben dem er mit seinem Burggrafen steht, abzulegen, um seine Symbole zu benutzen. Handeln, ein Gebäude bauen, Arbeiter einsetzen oder aber ein Manuskript transskribieren sind die Möglichkeiten und jede dieser Handlungen verfügt über ein eigenes Symbol. Die Stadtbewohner bringen diese Symbole mit und je nach Art der Aktion benötigen wir mehrere von ihnen. Beim Handeln bekommen wir zum Beispiel für jedes Handelssymbol auf unseren Stadtbewohnern ein Silber. Um zum Beispiel ein Gebäude bauen zu können benötigen wir Handwerkssymbole und je nach Gebäudetyp auch noch eine andere Anzahl. Arbeiter setzen wir in der zentralen Burg ein unzwar in dem Segment, wo wir gerade mit unserem Burggrafen stehen. Die Arbeiter kommen in den untersten Ring. Die Burg hat drei Ringe und wann immer drei oder mehr Arbeiter in einem Segment stehen, werden sie aufgeteilt. Je einen in das angrenzende Feld des gleichen Rings und einen in den nächsthöheren Ring. Auf den Ringfeldern sind Aktionen aufgedruckt, die wir sofort auslösen müssen. Die letzte Aktionsmöglichkeit ist das Transkribieren der Manuskripte, die jeweils einen Wert zeigen, den wir an Symbolen zur Verfügung haben müssen um das jeweils oben liegende Manuskript zu erhalten.
Nach der Hauptaktion kommt zunächst die Rekrutierungsphase in der wir die Stadtbewohnerkarte, neben der unser Burggraf steht, anheuern können und ihn in unser Kartendeck mitaufnehmen. Kaufen wir die Karte, wandert sie zunächst in unseren Ablagestapel. Dann folgt die Kollisionsphase, in der wir eine mögliche Kollision unseres Korruptions- und Tugendmarkers abhandeln müssen. Diverse Effekte im Zug bis hierhin können eine Kollision verursacht haben. Alle Spieler erhalten ihre Effekte und dann ist diese Phase auch schon vorbei und ganz zum Schluß ziehen die Spieler soviele Karten nach wie ihr aktuelles Handlimit ihnen vorgibt. Zum Spielstart ist das Limit bei drei Handkarten. Diverse Effekte während des Spiels können allerdings dafür sorgen, das dieses Limit erhöht wird. Genauso können Karteneffekte dafür sorgen, dass wir während einer runde noch mehrere Karten von der Hand ausgeben, so dass wir mehr als eine Karte nachziehen dürfen.
Das Spiel läuft genau in diesem Zugrhythmusimmer weiter, solange, bis das Spielende wie zu Anfang beschrieben eintritt und wir unsere Punkte zählen, die wir für Gebäude, Arbeiter, Manuskripte und vor allem Schuldscheine und Besitzurkunden erhalten.
Das Fazit
Ich sag es mal gleich vorneweg, in meinen Augen sind die Burggrafen des Westfrankenreichs das schwächste Spiel in dieser Trilogie. Das Spiel ist trotzdem herausragend gut, was also für die Stärke dieser Trilogie spricht. Die Burggrafen sind nicht ganz so zugänglich wie die beiden anderen Spiele und es ist von einem ähnlichen Komplexitätsgrad wie die Paladine des Westfrankenreichs. Hinzu kommt meiner Meinung nach der, für sich genommen, stärkste Mechanismus der gesammten Trilogie. Die Deckbaukomponente in den Burggrafen ist ziemlich gut durchdacht und funktioniert hervorragend. Andauernde, Sofort- und Ablegeeffekte kombiniert mit einer Kartenauslage, die für unsere Aktionen Symbole liefern ist wirklich richtig gut überlegt. Hinzu kommt die sehr interessante Spielendemechanik, die ich erläutert habe. All das führt zu genügend Aha-Momenten im Spiel. Die Verzahnung mit den anderen Mechaniken des Spiels führt zu einer sehr komplexen Spielhandlung, an der einge Grübler schwer zu knacken haben werden. Hier besteht natürlich die Gefahr der Analyse Paralyse, allerdings ist der Spielerzug ansonsten eigentlich schnell abgehandelt. Karte spielen, Burggrafen setzen, Aktion ausführen, eventuell Kollision abhandeln und Karte nachziehen. Fertig! Könnte einfach sein und schnell gehen, aber die Karte hat Einfluss auf die Bewegung, die Aktion die ich ausführen will und natürlich auch auf die Aktionen der nächsten Runden, da sie in der Regel drei Runden ausliegt. Die folgende Bewegung muss auch wohlüberlegt sein, denn wo ich mich auf dem Spielbrett befinde hat Einfluss auf die Auswahl meiner Aktion. Stehe ich neben einem freien Bauplatz, neben dem richtigen Manuskript oder an der richtigen Seite der Burg. Ihr merkt schon viel Material für Grübler und die ausliegenden Stadtbewohner habe ich hier noch gar nicht miteingeplant, die können durch zusätzliche Symbole nämlich auch noch wichtig werden. Die Gefahr des Grübelns kann also nicht ausgeschlossen werden, was dann natürlich zu Frust bei den Mitspielern führen kann.
Eher schwach ist in meinen Augen die, nennen wir sie mal Hinguckermechanik mit der dreidimensionalen Plastikburg, auf der wir die Arbeiter einsetzen sollen. Zum einen sehr fitzelig in der Umsetzung und in späteren Runden ist es sehr schwierig den Überblick zu behalten. Aber das soll das ansich tolle Spiel nicht abwerten. Diese Mechanik läuft so mit und stört nur geringfügig. Der Rest ist wirklich sehr schön miteinander verzahnt und lässt für erfahrene Spieler kaum eine Frage offen.
Das Material ist wie immer toll und auch die Optik von Mihajlo Dimitrievski finde ich wie immer sehr gelungen. Auch hier nehme ich das Plastikschloss einmal aus. Es wirkt irgendwie ein wenig wie ein Fremdkörper im ansonsten schönen Design. Mir gefällt das Spiel wirklich sehr gut, auch wenn es in meinen Augen, wie bereits eingangs des Fazits erwähnt, das wohl „schlechteste“ der Reihe ist. Mehr als bei den beiden Vorgängern muss ich aber sagen, dass dieses Spiel mit jedem Durchgang wächst und mir besser gefällt. Es ist halt wirklich ein bißchen sperriger als die beiden anderen, aber wenn man erstmal hinter die ganzen Mechaniken und Zusammenhänge vorgedrungen ist, spielt es sich auch deutlich einfacher und entspannter, was meinen Eindruck des Wachsens des Spielspaßes nur noch unterstreicht. Also vielleicht müsst ihr das Spiel mehrfach spielen, bevor es euch packt. Bei mir hat es gewirkt und für mich ist es eines der besten des vergangenen Jahres.
Die Serie ist nun vorbei und ich warte mit Vorfreude bereits jetzt auf die nächsten Spiele, die Shem Philips auf uns loslassen wird.
- Verlag: Schwerkraft Verlag
- Autor(en): Shem Phillips, S J Macdonald
- Illustrator(en): Mihajlo Dimitrievski
- Erscheinungsjahr: 2020
- Spieleranzahl: 1 – 4
- Dauer: 60 – 90 Minuten
2 Gedanken zu „Burggrafen des Westfrankenreichs“