Brauchen Brettspiele eigentlich ein Thema? Und wenn ja, kann den Spieler*innen dann einfach alles Mögliche erzählt werden? Während die erste Frage von mir mit einem ganz klaren „Nein“ beantwortet wird, sieht es bei der zweiten etwas vielschichtiger aus. Grundsätzlich glaube ich, dass heutzutage für fast jedes Spiel inklusive Thema ein*e entsprechende*r Spieler*in existiert. Die Brettspielindustrie macht sich das inzwischen häufig zu nutze, indem sie Spielen ein Thema nur noch überstülpt. Manchmal habe ich den Eindruck, da existiert in einem Verlag eine Schublade, in der fertigrecherchierte Themen herumliegen, die dann beliebig über Spiele gelegt werden können, egal ob es irgendwie passt oder nicht. Hier noch ein wenig was anflanschen und da noch ein wenig was stutzen. Fertig ist das Spielethema. Jahrelang war das alles nicht so wahnsinnig auffällig. Es gab thematisch gute Spiele und ab und an auch ein paar bei denen es sehr aufgesetzt wirkte. Durch die Fülle von Spielen heutzutage, gibt es da aber wahrscheinlich auch viel mehr Graupen, die auffallen. Um auf die erste Frage zurückzukommen, die ich ganz klar beantworten kann, ist es mir also lieber ein Spiel bleibt abstrakt, als dass mir versucht wird irgendeinen Scheiß unterzujubeln, der mich nicht im geringsten interessiert, noch auch nur im entferntesten etwas mit dem Spiel zu tun hat. Ich versuche das mal etwas näher zu erläutern…
Ich habe mir zu diesem Zweck zunächst mal die Liste der Brettspiele bei boardgamegeek.com angeschaut. Dort sind momentan über 136000 Spiele gelistet. Über 15000 von ihnen gehören ersteinmal grundsätzlich in die Kategorie Fantasy, was sie als Spiele mit Fantasy-Thema ausweist. Dabei kann das natürlich alles sein. Kategorien können sich überschneiden. Zum Beispiel kann es sich dabei um ein Städtebauspiel in einer fantastischen Welt handeln und so fällt das Spiel sowohl in die Kategorie Fantasy als auch in das Städtebaugenre. Fast 2000 Spiele scheinen zu existieren, bei denen es ums Städtebauen geht. Das finde ich schon ganz schön viel. Bei Science Ficiton sieht es ähnlich aus. über zehneinhalbtausend Spiele mit Sci-Fi-Thema. Ich fange gar nicht erst an die ganzen historischen und mittelalterlichen Themen herauszufiltern.
Während Fantasy, Mittelalter und Sci-Fi immer geht, sind Themen natürlich auch Moden und gesellschaftlichen Strömungen zuzuordnen. Ihr erinnert euch vielleicht noch an die Zeit, als The Walking Dead ein riesiges Ding war. Spiele mit Zombiethematik kamen gefühlt jede Woche heraus. Um das zu untermauern habe ich mir auch da mal die Zahlen auf BGG angeschaut. Über 1300 Spiele mit Zombiethema sind aufgeführt. Bis zum Jahr 2010, als The Walking Dead auf der Bildfläche erschien, gab es gerade einmal etwas über 200 Einträge zum Thema Zombies. Seit dem ist das Thema explodiert und ebbt momentan wieder etwas ab. Das zeigt natürlich einerseits, dass solche Themen popkulturell aufgegriffen werden und die Leute sie auch wollen, aber auf der anderen Seite wird natürlich dann auch jede Sau durchs Dorf getrieben und das Zombiethema einfach überall draufgepackt.
Der Auslöser für diese Gedanken war das Spiel Living Forest, welches mir recht gut gefiel, mich aber mit einer Geschichte über Naturgeister und böse Feuergeister halbgar versuchte eine Motivation für das Spiel aufzubauen. Nichts davon wird in dem Spiel in irgendeiner Form dargestellt oder spielt eine wichtige Rolle. Die Naturgeister sind einfach unsere Spielfiguren der Baum der gerettet werden muss ist lediglich der Startspielerstein usw. Das ist kein Thema an sich, das ist eine leere Hülle, die nur nach Thema aussieht. Wir werden als Spieler mit Mechaniken konfrontiert, die losgelöst zum Thema sind. Die Naturgeister rennen im Kreis und wenn sise sich überholen darf dem übersprungenen ein Bonusplättchen geklaut werden. Warum behindern sich die Geister, wenn sie doch eigentlich das gleiche Ziel haben. Die Tiere versorgen uns mit diversen Aktionspunkten für verschiedenste Aktionen. Auch hier gibt es eigentlich keine logische Erklärung, außer das es im Sinne der Mechanik funktioniert. Wir pflanzen Bäume und versuchen Reihen und Spalten zu füllen, um Boni zu erlangen. Living Forest ist voll davon. Das Spiel ist toll, aber ein spielerisches Thema hat es in dem Sinn nicht.
Ein anderes noch viel „besseres“ Beispiel ist das Spiel Bonfire von Stefan Feld. Der Mann schafft cool verzahnte Spiele, mechanisch ist da häufig alles total top, aber seine oftmals zu Punktesalat mutierenden Werke haben in der Regel kein Thema. Bei Bonfire hat der Künstler Dennis Lohausen sich eine ganze eigene Geschichte erdacht, die die Handlungen in Bonfire untermauern sollen. Das ist zwar schön und kreativ, aber es funktioniert für viele leider kein bißchen. Die Geschichte verbindet sich einfach kein bißchen mit den Handlungen. Bonfire, dass im Kern kein schlechtes Spiel ist, fühlt sich dadurch allerdings seltsam leer und hohl an. Bei diesem Spiel sehe ich die faszinierende Hülle überall, wie sie über den Mechaniken liegt. Das Spiel fühlt sich zu keinem Zeitpunkt organisch an und ich konnte mir sämtliche Aktionen des Spiels einfach nie merken. In einem solchen Fall ist es mir wirklich lieber ich spiele ein abstraktes Strategiespiel. Bei manchen Spielen funktioniert das auch ganz gut. Calico gibt zum Beispiel nicht vor ein Spiel über die Quiltherstellung zu sein. Hier gibt es keine Pseudoaktionen. Das Spiel ist komplett abstrakt, es geht darum Muster und Formen in punkteträchtige Formen zu puzzeln und eben nicht darum einen Quilt fertigzustellen. Hier ist der Quilt nur der Hintergrund und nicht das Thema.
Was sind denn dann besonders thematische Spiele? Ein meiner Meinung nach sehr guter Vertreter, der Thematik und Mechanik in einem Spiel vereint ist zum Beispiel Flügelschlag. Elizabeth Hargrave hat versucht die Fähigkeiten der Vögel in mehrere Mechaniken zu verpacken und das gelingt ihr ziemlich gut. Einige Vögel sind zum Beispiel Jäger und jagen kleinere Vögel, was dazu führt das wir eine Karte vom Stapel umdrehen, schauen wie groß ein Vogel ist und wenn er unter einer bestimmten Größe bleibt, wird er als Beutekarte unter den Vogel geschoben. Flügelschlag ist voll von diesen Mechaniken, die versuchen die Vogelwelt abzubilden und das in ein spannendes Spiel zu verpacken. Ein weiteres zum Beispiel sehr gutes thematischen Brettspiel ist Uboot: Das Brettspiel, bei dem die Spieler*innen in die Rollen von einer Ubootbesatzung schlüpfen ist zugegeben, ein recht besonderes Brettspiel, aber hier ist die thematische Umsetzung fantastisch. Alle führen Tätigkeiten aus, die ihrer Rolle im Spiel entsprechen, der Kapitän muss allen Befehle erteilen und der Rest bedient Radar, Seekarten etc. Ebenfalls sehr empfehlen kann ich aufgrund des Themas This War of Mine. Eine wirklich sehr dichte Erfahrung mit der Bewältigung persönlichen Leids in einer Kriegssituation, bei der die Spieler*innen jegliche Ressourcen von Nahrung, über Waffen, bis hin zu Bauteilen wie Holz und Mechaniken für simple Gerätschaften sammeln, um zu überleben. Sie plündern und werden moralisch immer wieder auf die Probe gestellt um zu überleben. Auch hier ist das Thema exzellent mit der Spielerfarhung verbunden, wenngleich das Spiel einen auch runterzieht.
Eine andere Form von der guten Einbindung eines Themas ist bedingt auch soetwas wie Der Kartograph, denn hier machen die Spieler ja tatsächlich genau das, was das Spiel ihnen als Story vorgibt. Die Spieler*innen werden losgeschickt um Gebiete zu kartographieren und genau das ist die Handlung der Spieler*innen: Sie zeichnen eine Karte. Natürlich nicht real, sondern abstrahiert durch Poliominos, aber immerhin. Auch das würde ich als durchaus gelungene Einbindung des Themas in das Spiel ansehen.
Heutzutage gibt es fast kein Thema mehr das nicht beackert wurde. Es gibt zu fast allen Themen inzwischen Brettspiele. Das ist schön und sehr bereichernd. Ein Groß versteifft sich immer noch auf ein paar sehr ausgelutschte Themen und das finde ich gar nicht mal schlimm. Solange das Spiel gut ist, ist alles okay. Ich spiele ja auch Living Forest richtig gern, obwohl es thematisch eher ein Rohrkrepierer ist. Ich würde mir nur wünschen, das etwas mehr Wert darauf gelegt wird, wie sich Thema und Spiel verbinden, damit besondere Erfahrungen dabei herauskommen